1. EuGH-Urteil zu Sozialleistungen für zuziehende Unionsbürger
1.1 – EuGH, Urteil v. 25.02.2016 – C-299/14
Der EuGH hat bekräftigt, dass Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts bestimmte Sozialleistungen versagt werden dürfen.
Eine solche Versagung setze keine individuelle Prüfung voraus, so der EuGH.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 18/2016 v. 25.02.2016: www.juris.de
S. dazu:
EuGH zu deutschen Sozialleistungen für EU-Bürger – Warten auf Hartz IV von Prof. Dr. Constanze Janda bei LTO
Die dreimonatige Wartezeit für ihren Familienangehörigen nachgezogene Unionsbürger im Grundsicherungsrecht ist europarechtskonform, so der EuGH. Dabei löst eine pauschale Frist das eigentliche Problem nicht wirklich, sagt Constanze Janda.
Weiter: www.lto.de
2. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 19.08.2015 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – BSG, Urteil vom 19.08.2015 – B 14 AS 43/14 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung – Zinsgutschrift auf Bausparkonto – fehlende Kündigung des Bausparvertrags – keine bereiten Mittel – fiktiv vorhandenes Einkommen
Leitsatz (Redakteur)
1. Ein dem Guthaben eines Bausparkontos zugeschlagener Zinsertrag ist vor Auszahlung des Guthabens auch dann nicht als Einkommen bedarfsdeckend zu berücksichtigen, wenn der Bausparvertrag vorzeitig gekündigt werden kann.
2. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund der Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten – hier der vorzeitigen Kündigung des Bausparvertrags – (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art 1 GG iVm Art 20 GG nicht vereinbar.
Quelle: juris.bundessozialgericht.de
3. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 24.02.2016 zur Sozialhilfe (SGB XII)
3.1 – BSG, Urteil vom 24.02.2016 – B 8 SO 13/14 R
Sozialhilfe – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – Regelsatz – Geltendmachung eines behinderungsbedingt erhöhten Bedarfs – keine abweichende Festlegung des individuellen Bedarfs – Bedarfsdeckung durch Regelsatz und Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 SGB 12 – Unterkunft und Heizung – Zulässigkeit des Abzugs einer Haushaltsenergiepauschale von den tatsächlichen Aufwendungen
Bei einer “Inklusivmiete” kommt eine abweichende Bemessung des Regelsatzes – ggf auf Grundlage einer Schätzung – in Betracht.
Leitsatz (Redakteur)
1. Der Regelsatz ist nicht wegen eines behinderungsbedingt erhöhten Kleidungs- und Wäscheverschleißes zu erhöhen, weil die Bedarfe, die durch die Art und Weise der Fortbewegung entstehen, auch bei geistigen oder seelischen Einschränkungen, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirken, pauschal mit dem Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII abgedeckt sind.
2. Wegen der Stromkosten kann eine Absenkung des Regelsatzes auf Grundlage von § 27a Abs 4 Satz 1 SGB XII in Betracht kommen, dies aber nur, wenn sie als Teil der mietvertraglich geschuldeten Kosten von den Leistungen für Unterkunft und Heizung bereits mitumfasst sind und insoweit also durch eine anderweitige Leistung des Sozialhilfeträgers tatsächlich (“im Einzelfall”) gedeckt werden.
3. Nur wenn nach den Vorstellungen der Mietvertragsparteien auch die Kosten des Haushaltsstroms von dem im Vertrag genutzten Begriff der “Betriebskosten” erfasst sein sollten, handelt es sich um eine “Inklusivmiete” und eine abweichende Bemessung des Regelsatzes kommt – ggf auf Grundlage einer Schätzung – in Betracht.
Quelle: juris.bundessozialgericht.de
Anmerkung:
Vgl. zum SGB II: BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 151/10 R – Danach sind bei einer Inklusivmiete, in der auch Stromkosten enthalten sind, die Leistungen für die Unterkunft – nicht – um einen aus der Regelleistung ermittelten Anteil für Haushaltsenergie zu kürzen.
3.2 – BSG, Urteil vom 24.02.2016 – B 8 SO 11/14 R
Aufwendungen für Grab- und Verwandtenbesuche nur bei “altersbedingten Schwierigkeiten”
Leitsatz (Redakteur)
Haben Sozialhilfebezieher im Rentenalter Kosten wegen “altersbedingter Schwierigkeiten”, können sie Anspruch auf eine zusätzliche, vom Sozialamt gezahlte Altenhilfe haben. Dies gilt selbst dann, wenn im regulären Sozialhilfesatz der einzelne Bedarf bereits berücksichtigt ist und ein solcher Bedarf auch bei jüngeren Menschen bestehen kann.
Hinweis Gericht:
Ob und in welchen Fällen die Übernahme von Kosten für Grabbesuche bei alten Menschen überhaupt geeignet ist, altersbedingten Schwierigkeiten entgegen zu wirken, konnte offenbleiben; insoweit liegt jedenfalls beim Kläger keine spezifisch altersbedingte Bedarfslage vor. Seine Entscheidung, sich vermehrt um die Grabstelle seiner Eltern zu kümmern, weist keine Bezüge zu “altersbedingten Schwierigkeiten” auf. Nichts anderes gilt angesichts der von ihm geschilderten und bestehenden Lebensumstände für die übrigen geltend gemachten Bedarfe. Insbesondere durch das eheliche Zusammenleben ist er objektiv in ein soziales Netz eingebunden.
Quelle: juris.bundessozialgericht.de
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
4.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 27.08.2015 – L 5 AS 3259/12
Grundsicherung nach dem SGB II – Kosten der Unterkunft – nicht erforderlicher Umzug – Deckelung der Unterkunftskosten (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II) – planwidrige Regelungslücke bejaht für den Fall der Kostensteigerung durch Kündigung und Wiederanmietung der bisherigen Wohnung
Leitsatz (Redakteur)
1. Hilfebedürftige, die einen Umzug ohne Zusicherung der Behörde durch die Kündigung ihres Mietvertrages eingeleitet, aber letztlich nicht durchgeführt haben, müssen sich an demselben Maßstab messen lassen, dem ein Hilfesuchender unterliegt, der einen Umzug ohne Zusicherung der Behörde vorgenommen hat.
2. Ein Umzug bei einer von einer alleinstehenden Erwachsenen und ihrem Kleinkind bewohnten Unterkunft, die eine Trennung in Schlaf- und Wohnbereich ermöglicht, ist allein im Hinblick auf die Größe der Wohnung nicht erforderlich ((vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 107/10 R).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4.2 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.08.2015 – L 29 AS 1604/15 B ER
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen – Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente – Vermeidung von Unbilligkeiten – Bundesfreiwilligendienst
Aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Jobcenters zur Stellung eines vorzeitigen Rentenantrages – Bundesfreiwilligendienst
Ob diese Tätigkeit damit überhaupt Bestandteil des regulären Arbeitsmarktes sein kann (verneinend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. August 2012, L 13 AS 2352/12 ER-B), kann an dieser Stelle offenbleiben.
Leitsatz (Redakteur)
1. Der Tatbestand des § 2 der UnbilligkeitsVO, wonach die Inanspruchnahme unbillig ist, wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde, hätte das JC zu weiteren Erwägungen in seiner Entscheidung veranlassen müssen, die eine Entscheidung nach der Regel zweifelhaft erscheinen lassen.
2. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass bei einer Ableistung von zwölf Monaten Bundesfreiwilligendienst ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (I) entsteht (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III, wonach der Bundesfreiwilligendienst eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne der Arbeitslosenversicherung ist, auch, wenn sie nur geringfügig ist). Der Antragsteller könnte folglich nach dem Ende des Bundesfreiwilligendienstes bei entsprechender Antragstellung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (I) geltend machen, den er verlöre, wäre er zur vorzeitigen Renteninanspruchnahme verpflichtet.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Rechtstipp:
SG Berlin Az. S 135 AS 24938/15 ER – Keine Zwangsverrentung beim Bundesfreiwilligendienst, ein Beitrag von RA Kay Füßlein, Berlin: www.ra-fuesslein.de
4.3 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.10.2015 – L 20 AS 2197/15 B ER
Leistungsbezug nach dem SGB III – Fortgeltende Arbeitnehmereigenschaft – Bezug von ALG I
Polnischer Staatsbürger hat Anspruch auf ALG II.
Die weitere “Arbeitnehmereigenschaft” des Antragstellers nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ergibt sich bereits daraus, dass der Antragsteller Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung auf Alg I erworben hat und diese im Inland in Anspruch nimmt.
Leitsatz (Redakteur)
1. Von einer Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU und damit von einem Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer ist auch dann auszugehen, wenn aufgrund des Bezuges einer Sozialversicherungsleistung bei Arbeitslosigkeit nach dem SGB III Versicherungspflicht in einem weiteren System der sozialen Sicherheit – wie hier in der gesetzlichen Krankenversicherung – besteht.
2. Auch bei Personen, die Arbeitslosengeld nur deshalb nicht beziehen, weil eine Sperrzeit eingetreten ist, besteht trotz Ruhens des Anspruchs auf Alg I die unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU fort, weil diese nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen können. Deshalb ist im Hinblick auf den Fortbestand der Versicherungspflicht im Rahmen des Alg I-Bezuges – im Übrigen auch trotz Eintritts einer Sperrzeit und eines zeitweisen Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I – eine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU auch im Falle der Annahme einer freiwilligen Arbeitslosigkeit nicht verlorengegangen, da eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls nur kurzzeitig entfallen ist.
3. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II war daher nicht anzuwenden.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4.4 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 21.01.2016 – L 31 AS 507/15
Umgangsrecht – Fahrtkosten – Zumutbarkeit der Verweisung auf Fahrrad und Fußwege – Kosten der Freizeitgestaltung als Bedarf
Leitsatz (Juris)
1) Da Grund- und Oberschüler in Berlin ab einem Schulweg von mehr als 1 bzw. 2 Kilometern Anspruch auf ein ermäßigtes Schülerticket haben, sind darüber hinausgehende Fußwege i. S. des Umgangsrechts nicht zumutbar. Dementsprechend kann auch das hilfebedürftige Elternteil nicht auf diese Fußwege verwiesen werden.
2) Im Grundsatz ist es einem vollschichtig leistungsfähigem, nicht schwerbehinderten erwachsenen Hilfebedürftigen aber zumutbar, Wege von 3 – 4 Kilometern zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen.
3) Leistungsempfänger müssen sich im Rahmen des Umgangsrechts ebenso wie Leistungsempfänger, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kind leben, bei der Freizeitgestaltung auf die aus dem Regelsatz folgenden Möglichkeiten verweisen lassen. Die Freizeitgestaltung mit einem Kind begründet keinen Bedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4.5 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.09.2015 – L 31 AS 2074/15 B ER rechtskräftig
Teilzeitstudium – Leistungsausschluss – Folgenabwägung – einstweiliger Rechtsschutz
Leitsatz (Juris)
1. Einem Antragsteller, der behauptet ein Teilzeitstudium zu betreiben, können Grundsicherungsleistungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allenfalls im Rahmen einer Folgenabwägung zugesprochen werden.
2. Ließe man Studierenden nach, das Studium durch Reduzierung auf Teilzeit abstrakt der Förderfähigkeit nach BAföG zu entziehen und so in den Genuss von SGB II – Leistungen zu kommen, wären die Fördergrenzen (Altersgrenze, Förderungshöchstdauer, Rückzahlungspflicht) des BAföG praktisch wirkungslos.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4.6 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31.08.2015 – L 3 AS 310/15 B PKH – rechtskräftig
Der Antragsteller (minderj. Kind) wendet sich dagegen, dass er bei der Berechnung auf Sozialgeld nach dem SGB II als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus seinen Eltern und seinen drei Geschwistern (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II), geführt wird und nicht als Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft. Er macht geltend, dass bei der Berechnung der ihm zustehenden Leistungen ein monatlicher Regelbedarf von 382,00 EUR (gemeint sein dürfte der jeweils geltende volle Regelbedarf) anzusetzen sei.
Der Kläger kritisiert, ebenso wie die übrigen Familienmitglieder in zahlreichen anderen Verfahren, insbesondere die finanziellen Konsequenzen des Instituts der Bedarfsgemeinschaft. Dies sind, soweit vorliegend von Bedeutung, die verringerte Höhe des Regelbedarfes, die Anrechnung des Einkommens und Vermögens der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und die finanziellen Folgen einer gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft getroffenen Sanktionsentscheidung.
Hinweis Gericht:
1. Soweit die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II zum Regelbedarf für erwerbsfähige Kinder nach Vollendung des 18. Lebensjahres bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres weiterhin streitig ist (vgl. z. B. einerseits BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 51/09 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 23 = juris, jeweils Rdnr. 18, Krauß, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. VI/2015, Juni 2015], § 20 Rdnr. 74, andererseits Lenze, in: Münder [Hrsg.], SGB II [5. Aufl., 2013], § 20 Rdnr. 31; kritisch auch Behrend, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 20 Rdnr. 106; Saitzeck, in: Eicher, SGB II [3. Aufl., 2013], § 20 Rdnr. 27), ist diese Regelung im Falle des minderjährigen Klägers wegen dessen Alters nicht entscheidungserheblich.
2. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass bei minderjährigen Kindern, das Einkommen und Vermögen von anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 SGB II bei der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt wird.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4.7 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.01.2016 – L 7 AS 561/15 NZB – rechtskräftig
Leitsatz (Redakteur)
Umdeutung Aufhebungsbescheid § 48 SGBX in endgültige Festsetzung nach § 328 Abs 3 S 2 SGB III ist zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R, Rn. 11).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4.8 – Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 – L 3 AS 668/15 B ER
Weder ALG II noch Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII für spanischen Antragsteller und seine Familienangehörigen, denn Erwerbsfähige Unionsbürger, die nach § 7 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sind, haben grundsätzlich auch keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII (§ 21 Satz 1 und § 23 Abs. 3 S 1 SGB XII.
Leitsatz (Gericht)
1. Erwerbsfähige Unionsbürger, die nach § 7 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, haben grundsätzlich auch keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII (§ 21 Satz 1 und § 23 Abs. 3 S 1 SGB XII.
2. Ein Anspruch auf Sozialhilfe als Ermessensleistung nach § 23 Abs. 1 S 3 SGB XII kann bei erwerbsfähigen Unionsbürgern, die von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen sind, allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ein Aufenthalt im Bundesgebiet für mehr als sechs Monate rechtfertigt hierbei regelmäßig keine Ermessenreduktion auf Null (Abweichung von BSG Urteil vom 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R).
3. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB II bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ist nicht verfassungswidrig.
Quelle: www2.mjv.rlp.de
Rechtstipp: a. A. LSG BB, Beschluss v. 15.01.2016 – L 28 AS 3053/15 B ER
S. a.:
Grundsätzlich keine Sozialhilfe für erwerbsfähige Unionsbürger – LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 – L 3 AS 668/15 B ER
Das LSG Mainz hat in Abweichung zur Rechtsprechung des BSG entschieden, dass erwerbsfähige Unionsbürger, die aufgrund eines gesetzlichen Ausschlusses keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten können, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder sie kein Aufenthaltsrecht mehr haben, grundsätzlich auch dann vom Sozialhilfe-Bezug ausgeschlossen sind, wenn sie sich bereits sechs Monate im Bundesgebiet aufgehalten haben.
Quelle: Pressemitteilung des LSG Mainz Nr. 4/2016 v. 23.02.2016: www2.mjv.rlp.de
S.a.:
LSG Mainz verweigert BSG die Gefolgschaft – Keine Sozialhilfe für EU-Ausländer bei LTO mit Anmerkungen (Kommentar RA Dr. Thomas Wedel)
Bereits mehrfach hat das BSG entschieden, dass EU-Ausländern nach sechs Monaten Aufenthalt Sozialhilfe zusteht. Damit habe es das Gesetz falsch ausgelegt, findet das LSG Mainz und entschied nun einen Fall entgegen der BSG-Rechtsprechung.
(Kommentare des RA Dr. Thomas Wedel am Ende des Artikels)
www.lto.de
4.9 – LSG München, Beschluss v. 18.01.2016 – L 7 AS 869/15 B ER
Angemessenheitsgrenze der Unterkunftskosten ab 2016
Leitsatz (Redakteur)
Ein Zuschlag von 10 Prozent ist auch auf die ab 01.01.2016 gültigen Tabellenwerte des § 12 WoGG vorzunehmen, wenn ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II nicht vorhanden ist.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4.10 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.02.2016 – L 7 AS 93/16 B ER – rechtskräftig
Keine Übernahme der Mietschulden, da es zweifelhaft sei, ob bei Übernahme der Schulden die Unterkunft noch gesichert werden könne. Zum einen sei der Vermieter an der Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht interessiert, zum anderen sei der Mietvertrag sowohl fristlos als auch fristgerecht gekündigt worden.
Leitsatz (Redakteur)
1. Die Übernahme der Schulden aus dem Mietverhältnis nach § 22 Abs. 8 SGB II kann nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB nur die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages, gestützt auf § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB, abwenden (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 01.06.2015 – L 7 AS 231/15 B ER).
2. Die gleichzeitig nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erklärte fristgemäße Kündigung bleibt hingegen wirksam (Beschluss des erkennenden Senats vom 25.11.2015 – L 7 AS 1882/15 B ER).
3. Der Vermieter hat das Vertragsverhältnis mit der Begründung fristgemäß gekündigt, die Antragstellerin zahle den Mietzins regelmäßig verspätet und nicht vertragsgemäß bis zum dritten Werktag eines Monats. Der Vermieter hat damit das berechtigte Interesse an einer ordentlichen Kündigung und die nicht unerhebliche Verletzung der vertraglichen Pflichten beschrieben (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Darüber hinaus hat er unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er “an einer Fortsetzung des Mietverhältnisses in keiner Weise interessiert ist”.
4. Zudem hat die Antragstellerin keine Erklärung des Vermieters vorgelegt, aus der sich ergibt, dass dieser bei Zahlung der Mietschulden die ordentliche Kündigung zurücknimmt. Nachdem eine solche Erklärung fehlt, würde die begehrte Zahlung der Mietschulden nur der Befriedigung der Forderungen des Vermieters dienen. Dies ist nicht Zweck des sozialgerichtlichen Eilverfahrens (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 04.05.2015 – L 7 AS 139/15 B ER).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
5.1 – SG Berlin, Beschluss vom 02.02.2016 – S 38 AS 26007/15 ER
Grundsicherung für Arbeitsuchende – unzulässiger Regelungsinhalt eines Eingliederungsverwaltungsakts
Klärung der Erwerbsfähigkeit gehört nicht in eine EGV.
Leitsatz (Redakteur)
1. Die Frage, ob bzw. in welchem Umfang ein Leistungsempfänger nach dem SGB II erwerbsfähig ist, ist eine Vorfrage, die vor Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung zu klären ist.
2. Ein eine Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt, der der “Klärung der Leistungsfähigkeit” eines Leistungsempfängers dienen soll, ist grundsätzlich rechtswidrig (auch so SG Freiburg, Beschluss vom 11.09.2015 – S 19 AS 4555/15 ER).
Rechtstipp:
Im Ergebnis ebenso: SG Freiburg, Beschluss vom 11.09.2015 – S 19 AS 4555/15 ER (AU-Bescheinigung und Gesundheitsfragebogen) ; SG Berlin, Beschluss vom 04.12.2014 – S 131 AS 27736/14 ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.07.2007 – L 3 ER 175/07 AS und LSG NRW, Beschluss vom 30.08.2012 – L 12 AS 1044/12 B ER; SG Kiel, Beschluss v. 26.11.2013 – S 33 AS 357/13 ER; SG Düsseldorf, Beschluss vom 06.12.2010 – S 7 AS 4509/10 ER (Amtsärztliche Untersuchung kein zulässiger Regelungsgegenstand einer durch Verwaltungsakt festgesetzten Eingliederungsvereinbarung); LSG HE 17.10.2008 – L 7 AS 251/08 B ER; SG Stuttgart 1.4.2008 – S 12 AS 1976/08 ER
5.2 – Sozialgericht Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 22.9.2015 – S 17 AS 1078/13
Ausnahmsweise keine Leistungsanrechnung bei finanzieller Zuwendung
Hier zur Nichtanrechnung des zugeflossenen Erlöses für das der Klägerin von ihrer Mutter zugewendete Zahngold in Höhe von 30,00 €, mit welchem die Kl. nach dem Willen ihrer Mutter die von der Krankenkasse nicht gedeckten Kosten für eine Zahnbehandlung decken sollte.
S.a.: Zu den Gründen, um von der Anrechnung privater Schenkungen abzusehen
§ 11a Abs. 5 SGB II; § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V
Leitsatz info also 2016, Heft 1, 40
Zur Beurteilung, wie günstig die Lage durch eine Zuwendung beeinflusst wird, ist der Freibetrag nach § 1 Absatz 1 Nr. 1 Alg II-V über den gesamten Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen.
Quelle: www.info-also.nomos.de
Rechtstipp:
Vgl. SG Reutlingen, Urteil v. 13.10.2014 – S 7 AS 2735/13 – rechtskräftig – Zur Unbilligkeit der Anrechnung einer privaten Zuwendung nach § 11 a Abs. 5 Nr. 1 SGB II – Ausnahmsweise keine Leistungserstattung bei finanzieller Zuwendung der Tochter
5.3 – SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016- S 183 AS 1663/16 ER
Keine zukünftige Aufhebung der Leistungen bei Aufforderung zur Altersrente, ein Beitrag von RA Kay Füßlein, Berlin
Eigentlich ein “alter” Hut: Sobald die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen eingeht, erfolgt häufig der Hinweis, dass ansonsten die Leistungen eingestellt werden. Dies geht natürlich nicht (hierzu z.B. : (LSG Sachsen-Anhalt, 12.01.2009 – L 5 B 284/08 AS ER).
Insofern war die Rechtslage recht klar, als mein Mandant mit einer Aufhebungsentscheidung hier erschien.
Das JobCenter hatte einfach eine Einstellung aller zukünftigen und bereits bewilligten Leistungen verfügt.
Widerspruch und Antrag auf einstweilige Anordnung wurden gestellt; es erging ein ausführlicher richterlicher Hinweis und sodann Beschluss.
Das Gericht referiert zutreffend die ganz allgemeine Ansicht, dass für eine Einstellung der Leistungen kein Bedürfnis und auch keine Rechtsgrundlage besteht.
Beschluss vom 22.02.2016- S 183 AS 1663/16 ER: www.ra-fuesslein.de
Rechtstipp:
Ebenso: LSG NRW, Beschluss v.10.07.2015 – L 7 AS 818/15 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.04.2014 – L 32 AS 623/14 B ER; LSG NRW, Beschluss v. 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER; a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 17.08.2015 – L 3 AS 370/15 B ER
5.4 – Sozialgericht Berlin, Urteil v. 11.12.2014 – S 150 AS 11967/12 – rechtskräftig
Einem Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung gem. § 16 Abs 1 S 2 SGB 2 i.V.m. § 45 Abs 1 S 1 SGB 3 in der 2011 geltenden Fassung steht ein etwaiger Anspruch des Leistungsempfängers auf Erstattung der Kosten gegen den Arbeitgeber nicht entgegen.
Jobcenter muss die Kosten für die Anschaffung von Arbeitsschutzschuhen dem Antragsteller gem. § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 1 SGB III erstatten, denn der Arbeitgeber übernimmt diese Kosten nicht.
Hinweis Gericht:
1. Eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget hat zur Voraussetzung, dass die hilfebedürftige Person arbeitslos ist, die gewünschte Leistung der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung dient und diese Leistung für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird.
2. Die Notwendigkeit der Anschaffung von Arbeitsschutzschuhen ist unstreitig. Der Kläger war durch die geschlossene Eingliederungsvereinbarung zur Absolvierung des Praktikums verpflichtet und für dessen Durchführung war das Tragen von Arbeitsschutzschuhen Voraussetzung.
3. Nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 S. 3 HS 2 SGB III ist die Förderleistung nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber eine gleichartige Leistung erbringt oder voraussichtlich erbringt. Ein Rechtsanspruch auf die Leistung allein schließt die Förderung nicht aus. Dementsprechend führt Stratmann (in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 45 Rn. 24) aus: “Erfüllt ein ArbGeb [Arbeitgeber] seine rechtlichen Verpflichtungen (zB zur Übernahme der Kosten für eine Schutzkleidung oder zur Erstattung der Reisekosten für eine von ihm veranlasste Vorstellung) nicht, darf die Förderung nicht versagt werden (vgl. Stascheit info also 2009,9).” Vielmehr ist in einem solchen Fall der Sozialleistungsträger gehalten, den infolge der Leistungserbringung auf ihn entweder gem. § 115 SGB X oder gem. § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II übergegangenen Rechtsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend zu machen. Diese Regelungen sichern die Subsidiarität von Sozialleistungen. Aus ihnen wird deutlich, dass es Sache des Leistungsträgers ist, auf den gesetzlich vorgesehenen Wegen den Nachrang seiner Leistung durch Geltendmachung von Ansprüchen gegen Dritte zu realisieren.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5.5 – SG Augsburg, Urteil vom 16.02.2016 – S 8 AS 1318/15
Rumänischer Staatsangehöriger hat Anspruch auf ALG II – Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer
Hinweis RA Daniel Zeeb, Augsburg
1. Eine Tätigkeit von 5 Stunden wöchentlich mit einem Einkommen von 200,00 € monatlich stellt keine untergeordnete und unwesentliche abhängige Beschäftigung dar. Es handelt sich um ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügigkeitsG/EU, aus dem sich ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer herleitet.
2. Der Ausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift damit nicht.
5.6 – Sozialgericht Detmold, Urteil v. 19.11.2015 – S 18 AS 369/13 – Berufung anhängig beim LSG NRW unter dem Az.: L 19 AS 23716
Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts – Heranziehung des Mietspiegels – KdU-Höxter gekippt
Der Fall spielt in Höxter in der Kernstadt.
Leitsatz RA Till Koch, Höxter
1. Jobcenter Kreis Höxter hat kein schlüssiges Konzept für die Begrenzung der Warmmiete (Kosten der Unterkunft und Heizung).
2. Das Sozialgericht Detmold hat unter anderem bemängelt, dass die Datensammlung zu alt war. Mehr als fünf Jahre alte Daten sind veraltet.
3. Grundsätzlich könne hilfsweise auf den Mietspiegel abgestellt werden.
Volltext hier: sozialgerichtsbarkeit.de
Hinweis:
a. Auffassung die 28. Kammer: Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Wert von 4,09 Euro durch den Mietspiegel der Stadt Höxter nicht hinreichend validiert ist – Mangels ausreichender vorhandener Daten ist daher auf die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlag von 10 % zurückzugreifen (SG Detmold, Urteil v. 10.12.2015 – S 28 AS 1979/12).
5.7 – Sozialgericht Detmold, Urteil v. 22.01.2015 – S 18 AS 1348/14 rechtskräftig
Zur Einkommensbereinigung bei einem selbständigem Musiklehrer- Betriebsausgaben wie die Beschaffung von 7 Metronomen und ein Diskettenlaufwerk waren hier notwendig und abzusetzen. Es handelte sich hierbei um notwendige Ausgaben im Sinn von § 3 Abs. 2 ALG II-VO.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
SG Detmold:
Metronome und Diskettenlaufwerk sind als Betriebsausgaben anzuerkennen. Das entschied das Sozialgericht im Fall eines selbstständigen Musiklehrers, der aufstockende Grundsicherungsleistungen bezog.
Presseinformation v. 23.02.2016: sozialgerichtsbarkeit.de
6. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
6.1 – LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18.02.2016 – L 5 SO 78/15
Schwiegersohn muss Sozialamt Einkommen und Vermögen offenlegen.
Leitsatz (Redakteur)
1. Der Schwiegersohn muss einer Empfängerin von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII dem Sozialamt auf Anfrage Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilen.
2. Das Auskunftsverlangen verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, denn der nicht getrenntlebende Ehegatte sei nicht mit einem getrenntlebenden Ehegatten oder einem unverheirateten Lebenspartner, für die zivilrechtlich keine Unterhaltspflicht bestehe, vergleichbar. Auch das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) sei durch die Unterhaltspflicht nicht verletzt.
Quelle: Pressemitteilung des LSG Mainz Nr. 5/2016 v. 25.02.2016: www2.mjv.rlp.de
6.2 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 03.02.2016 – L 15 SO 15/16 B ER – rechtskräftig
EU-Ausländer – einstweilige Anordnung – Anordnungsgrund – Beiladung
Leitsatz (Juris)
1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt auch bei existenzsichernden Leistungen im Regelfall voraus, dass sich die antragstellende Person mit ihrem Anliegen an den Leistungsträger gewandt hat, bevor sie gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt.
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine an sich notwendige Beiladung ausnahmsweise unterbleiben kann.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
6.3 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 12.06.2015 – L 9 SO 46/12 – rechtskräftig
Zur Übernahme der Kosten der Ersatzvornahme, für die durch die Stadt Eutin durchgeführte Bestattung der Ehefrau des Antragstellers (hier bejahend)
Leitsatz (Juris)
1. Auch Kosten der im Rahmen der Ersatzvornahme durchgeführten Bestattung sind Bestattungskosten i. S. d. § 74 SGB XII.
2. Die Kostenübernahme nach § 74 SGB XII ist vorrangig gegenüber der Möglichkeit eines Erlasses der Kosten der Ersatzvornahme nach § 21 Abs. 2 Schleswig-Holsteinische Verordnung über die Kosten im Vollzugs- und Vollstreckungsverfahren (VVKVO).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
7. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
7.1 – Sozialgericht Berlin, Beschluss v. 22.02.2016 – S 95 SO 3345/15 ER
Keine Sozialleistungen für Unionsbürger auf Arbeitsuche – Sozialgericht Berlin widerspricht dem Bundessozialgericht
Erwerbsfähige Ausländer, die dem Leistungsausschluss für Arbeitslosengeld II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterfallen, haben keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (Entgegen BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az.: B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R).
Leitsatz (Redakteur)
1. Der Gesetzgeber hat in § 21 SGB XII unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass erwerbsfähige Ausländer von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sind (SG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, S 149 AS 7191/13; Sozialgericht Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016, S 35 AS 5396/15 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.01.2016, L 29 AS 20/16 B ER, 21/16 B ER PKH, bislang unveröffentlicht, Beschlussumdruck, S. 9 f.; i.E. ebenso bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.06.2012, L 20 AS 1322/12 B ER, Rn. 43, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.06.2015, L 31 AS 100/14) und dass für das Eingreifen des § 21 S. 1 SGB XII allein die Frage der Erwerbsfähigkeit (ggf. i.V.m. der Angehörigeneigenschaft) maßgeblich sein soll.
2. Einen an sich erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gleichwohl mit Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII auszustatten, wie dies offenbar nach der o.g. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfolgen soll, widerspricht nicht nur Wortlaut und Zweck des § 21 SGB XII, sondern auch der gesamten inneren Systematik der Grundsicherungssysteme nach dem SGB II und SGB XII.
3. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten, wenn – wie hier – nicht glaubhaft gemacht ist, dass eine Rückkehr in den Herkunftsmitgliedstaat zum Zwecke der Existenzsicherung unmöglich oder unzumutbar wäre.
4. Für die generelle Annahme einer Ermessensreduktion auf Null ab einem sechsmonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet ist keine Grundlage ersichtlich.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Rechtstipp:
Ebenso: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 – L 3 AS 668/15 B ER und SG Berlin, Urteil v. 14.01.2016 – S 26 AS 12515/13
a. Auffassung: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.01.2016 – L 28 AS 3053/15 B ER und LSG, BB, Beschluss v. 21. Dezember 2015 – L 25 AS 3035/15 B ER
7.2 – Sozialgericht Konstanz, Urteil vom 17.11.2015 – S 8 SO 1418/15 – rechtskräftig
Keine Einstellung der Leistung beim Wechsel der örtlichen Zuständigkeit.
§ 2 Abs. 3 SGB X ist auch auf Umzüge von Leistungsberechtigten im Bereich des SGB XII anwendbar.
Leitsatz (Redakteur)
1. Ein Umzug stellt keine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar und steht der Leistungsgewährung nicht entgegen. Der Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten im Sinne des § 98 Abs. 1 SGB XII regelt nämlich allein die Zuständigkeit der verschiedenen Grundsicherungsträger, er ist keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Leistung (vgl. zur Parallelvorschrift § 36 SGB II im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende: BSG, Urteil vom 23.05.2012, Az. B 14 AS 133/11 R; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 12.04.2011, Az. L 6 AS 45/10; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2009, Az. L 7 B 409/09 AG ER; SG Berlin, Beschluss vom 11.09.2014, Az. S 147 AS 20920/14 ER m.w.N.).
2. Diese Leistungszuweisung ergibt sich aus § 2 Abs. 3 SGB X und stellt eine eigenständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage dar.
3. Nur im Bereich der – hier nicht einschlägigen – stationären Leistungen des § 98 Abs. 2 SGB XII wird eine speziellere Regelung getroffen, die die allgemeinere Regelung des § 2 Abs. 3 SGB X ausschließt. Im Bereich der ambulanten Leistungen kommt § 2 Abs. 3 SGB X also zum Tragen und geht den §§ 102, 105 SGB X vor (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 12.04.2011, Az. L 6 AS 45/10).
8. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)
8.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 06.10.2015 – L 14 AL 3/15
Gründungszuschuss (hier verneinend) – Anspruchsvoraussetzung – Beendigung der Arbeitslosigkeit – fehlerfreie Ermessensausübung – hauptberuflich ausgeübte selbständige Tätigkeit
Der Vorrang der Vermittlung (§ 4 Abs 2 SGB III) als Ermessenserwägung kann zur Ablehnung der Bewilligung eines Gründungszuschusses führen.
Leitsatz (Redakteur)
Der GZ dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Insoweit ist aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der GZ als Ermessensleistung – nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), d.h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13 und LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13)
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
9. Sozialbehörde passt Miethöchstgrenzen in Hamburg ab 01.03.2016 an.
Die Höchstwerte zu den Kosten der Unterkunft sind in den Fachanweisungen zu § 22 SGB II und zu § 35 SGB XII geregelt. Beide Fachanweisungen stehen online in der Infoline Sozialhilfe unter hamburg.de zur Verfügung. Die Steigerungsraten der anhand des Mietenspiegels 2015 berechneten Höchstwerte liegen zwischen 4,3 % und 14,6 %.
Übersicht der Miethöchstwerte ab 1. März 2016: aus-suederelbe.de
10. Pressemitteilung SG Düsseldorf v. 25.02.2016 zu SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 31.08.2015 – Az.: S 35 AS 257/15 – nicht rechtskräftig
Erbe verprasst – Hartz IV bezogen
Grundsätzlich ist jeder berechtigt, mit seinem Vermögen nach eigenem Gutdünken umzugehen.
Quelle: www.justiz.nrw.de
S.a.:
Ersatzansprüche des Jobcenters – Hilfebedürftiger leidet an Asperger-Syndrom und deswegen gar nicht schuldhaft handeln konnte – Verkauf Eigentumswohnung während des Nichtleistungsbezuges – luxuriösen Lebensstil – Ausgabe von monatlich 3.550,- EUR
Luxuriöser Lebensstil – Ausgaben von monatlich 3.550,- EUR – des Nicht- Leistungsbeziehers von Grundsicherung stellt kein sozialwidriges Verhalten dar und bietet keinen Anlass zur Prüfung eines Schadensersatzanspruchs nach § 34 SGB II.
Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW 07/2016
Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de