Tacheles Rechtsprechungsticker KW 32/2016

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 24.02.2016 zur Sozialhilfe (SGB XII)

1.1 – BSG, Urteil vom 24.02.2016 – B 8 SO 13/14 R

Sozialhilfe – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – Regelsatz – Geltendmachung eines behinderungsbedingt erhöhten Bedarfs – keine abweichende Festlegung des individuellen Bedarfs – Bedarfsdeckung durch Regelsatz und Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 SGB 12 – Unterkunft und Heizung – Zulässigkeit des Abzugs einer Haushaltsenergiepauschale von den tatsächlichen Aufwendungen

Bei einer “Inklusivmiete” kommt eine abweichende Bemessung des Regelsatzes – ggf auf Grundlage einer Schätzung – in Betracht.

Leitsatz (Redakteur)
1. Der Regelsatz ist nicht wegen eines behinderungsbedingt erhöhten Kleidungs- und Wäscheverschleißes zu erhöhen, weil die Bedarfe, die durch die Art und Weise der Fortbewegung entstehen, auch bei geistigen oder seelischen Einschränkungen, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirken, pauschal mit dem Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII abgedeckt sind.

2. Ein Abzug von mietvertraglich wirksam vereinbarten Kosten von den Leistungen für Unterkunft und Heizung scheidet regelmäßig aus und zwar auch, soweit sie nicht unmittelbar Wohnbedürfnisse abdecken, beispielsweise Mietanteile für Nebengebäude oder für einen Kabelanschluss.

3. Die Stromkosten iS von § 2 Nr 11 Betriebskostenverordnung, also die Stromkosten für die Beleuchtung von gemeinschaftlich genutzten Flächen wie Treppen, Keller, Waschküchen etc, gehören nach alter wie nach neuer Rechtslage zu den tatsächlichen Aufwendungen iS des § 29 Abs 1 Satz 1 SGB XII aF bzw § 35 Abs 1 Satz 1 SGB XII nF, weil der Vermieter sie auf die Mieter umlegen kann, ohne dass Letzterer diese Kosten senken oder gar vermeiden kann.

4. Sind nur solche Kosten von der vereinbarten Nebenkostenpauschale erfasst, scheidet ein Abzug dieser Kosten von den Kosten der Unterkunft ebenso wie vom Regelsatz bzw der Regelleistung aus; sie sind untrennbarer Teil der Kosten der Unterkunft und nicht als “Haushaltsstrom” in die Bemessung der Regelsätze eingeflossen (vgl BT-Drucks 17/3404, S 56), sodass keine “Doppelleistung” von Sozialleistungen vorliegt.

5. In Betracht kommt in diesem Fall andererseits, dass das kostenfreie Zurverfügungstellung von Strom durch einen Dritten im Rahmen der Einkommensberücksichtigung zu einer Minderung der Grundsicherungsansprüche der Klägerin führt. Tatsächliche Leistungen in Geld oder in Geldeswert (hier also die denkbare Freistellung von jeglichen Stromkosten) werden auch dann berücksichtigt, wenn sie im Fall des § 43 Abs 1 Satz 2 SGB XII von Familienangehörigen nicht erwartet werden können.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 01.08.2016 – L 19 AS 1437/16 B ER – rechtskräftig

Leitsatz (Redakteur)
Zur Gewährung von Leistungen nach §§ 19, 27, 27a SGB XII auf Grund einer Folgenabwägung, weil nach derzeitigem Sachstand ein Obsiegen des kroatischen Antragstellers gegenüber dem Beigeladenen in der Hauptsache offen und ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.07.2016 – L 7 AS 934/16 B ER – rechtskräftig

Erbringung vorläufiger Leistungen bei Zuständigkeitskonflikt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren – Rumänischer Antragsteller hat Anspruch auf Regelleistung

Leitsatz (Redakteur)
1. Vorläufig bewilligte Leistungen sind als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R) und die daher unabhängig von der Ablehnung endgültig zustehender Leistungen erbracht werden können.

2. In dem Leistungsantrag ist im Zweifel auch ein Antrag i. S. d § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I zu sehen, vorläufige Leistungen zu erbringen. Ein Antrag ist jede gegenüber dem erstangegangenen Leistungsträger abgegebene Willenserklärung, aus der – erforderlichenfalls durch Auslegung – zu entnehmen ist, dass der Berechtigte zumindest vorläufige Leistungen wünscht.

3. Die Rechte des Antragsgegners sind gewahrt, weil er für den Fall, dass die Antragsteller von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind, einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X gegen den Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe geltend machen kann.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil v. 20.12.2011 – L 11 AS 734/09

Zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II – Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Bewohner einer sozialtherapeutischen Wohngruppe (hier bejahend).

Leitsatz (Redakteur)
1. Die sozialtherapeutische Wohngruppe der Einrichtung ist nicht als stationäre Einrichtung iSd § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II anzusehen, so dass es auf die tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht ankam.

2. Entscheidend ist noch immer, ob das Ziel der Einrichtung über die Bereitstellung von Unterkunft und Essensmöglichkeit hinaus durch ein umfassendes Konzept für Betreuungsangebote rund um die Uhr getragen wird. Weitere Kriterien sind die Häufigkeit von festen Terminen mit Anwesenheitspflicht in der Einrichtung sowie die Kontrolldichte über den Tagesablauf. Einrichtungen, bei denen der Leistungsberechtigte noch ein gewisses Maß an Selbständigkeit hat, z.B. Altenwohnheime, Frauenhäuser, oder regelmäßig an seinen Wohnort zurückkehren kann, z.B. bei Werkstätten für behinderte Menschen oder einer Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche, erfüllen diese Voraussetzungen in der Regel nicht, so dass in diesen Fällen kein Leistungsausschluss nach Absatz 4 Satz 1 Alt 1 gegeben ist.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.4 – LSG München, Beschluss v. 29.06.2016 – L 7 AS 380/16 B ER

Leitsatz (Juris)
Keine Unterhaltszahlungen nach der Haager Landkriegsordnung mangels Kriegsgefangenschaft.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.5 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil v. 30.06.2016 – L 2 AS 260/15 – Die Revision wird zugelassen.

Zur Frage, ob im Hinblick auf den Normzweck des § 7 Abs. 4 SGB II eine weitere Rückausnahme zur Rückausnahme dergestalt anzuerkennen ist, dass in die Prognose ein an den Krankenhausaufenthalt anschließender Aufenthalt in einer anderen, nicht dem § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II unterfallenden Einrichtung i.S.d. Sätze 1 und 2 einzubeziehen ist, ebenso wie die Behandlung der Strafunterbrechung nach § 455 Abs. 4 StPO vorzunehmen ist.

Der Antragsteller war nicht von ALG II ausgeschlossen, denn für die Zeiten der Strafunterbrechung und der Aufenthalte im Krankenhaus greife die Rückausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II zu Abs. 4 Satz 1. Zeiten der Strafunterbrechung nach § 455 Abs. 4 StPO seien keine Zeiten, in denen sich ein Leistungsberechtigter in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalte.

Leitsatz (Juris)
1. Während einer Haftunterbrechung iSv § 455 Abs 4 StPO liegt kein Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung iSv § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II vor.

2. Befindet sich eine SGB II-Leistungen begehrende Person während der Haftunterbrechung nach § 455 Abs 4 StPO in einem Krankenhaus (§ 107 SGB V), ist bei der wegen § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II (Rückausnahme zum Leistungsausschluss) zu prognostizierenden Dauer dieses Aufenthalts allein auf die voraussichtliche Dauer der Unterbringung im Krankenhaus abzustellen. Die vorhergehende oder nachfolgende Verbüßung der Freiheitsstrafe kann nicht berücksichtigt werden.

3. Die Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II will nach ihrem Regelungszweck zur klaren Abgrenzung der Existenzsicherungssysteme des SGB II und des SGB XII einen Wechsel aus dem Leistungssystem des SGB II in das des SGB XII bei einer nur absehbar kurzzeitigen Krankenhausunterbringung vermeiden. In den Blick zu nehmen ist deshalb bei der am Zeitpunkt der Aufnahme der SGB II-Leistungen begehrenden Person in das Krankenhaus auszurichtenden Prognoseentscheidung auch, ob die betreffende Person sich schon vor dieser Aufnahme im Leistungssystem des SGB XII befand, ob sich also die Frage der Vermeidung eines Wechsels zwischen den existenzsichernden Leistungssystemen überhaupt stellt (Anschluss an BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 6/15 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.6 – Thüringer Landessozialgericht, Urteil v. 12.05.2016 – L 9 AS 635/14 rechtskräftig

Leitsatz (Juris)
Zur Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids im Hinblick auf eine anderweitige Bedarfsdeckung zu den Kosten der Unterkunft und Heizung bei minimalen Verbrauchswerten.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.7 – Thüringer Landessozialgericht, Urteil v. 17.03.2016 – L 9 AS 898/15 – rechtskräftig

Zur Rechtmäßigkeit eines einer Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes.

Leitsatz (Juris)
§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II verstößt nicht gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
So wohl auch im Ergebnis; LSG NRW, Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.12.2015 – L 12 AS 1884/15 B ER; LSG München, Urteil v. 26.02.2015 – L 7 AS 781/14; LSG NW, Beschluss vom 20.03.2014 – L 19 AS 373/14 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.02.2014 – L 5 AS 997/13 B ER; LSG Hamburg, Urteil vom 15. November 2012 – L 4 AS 73/12

2.8 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 01.07.2016 – L 26 AS 1421/16 B ER – rechtskräftig

EU-Ausländer – Leistungsausschluss – Aufenthaltsrecht – Schulbesuch – elterliche Sorge – Schutz von Ehe und Familie

Griechische Antragsteller haben Anspruch auf ALG II. Über Art 10 der VO 492/11 EU kann sich ein Aufenthaltsrecht der Eltern ableiten, wenn das Kind während der unionsrechtlich bestehenden Freizügigkeitsberechtigung des Elternteils nach einem unfreiwilligen Arbeitsplatzverlust den regelmäßigen Schulbesuch aufgenommen hat.

Leitsatz (Redakteur)
1. Art. 10 VO Nr. 492/11/EU begründet ein vom Zweck der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht auch jedes Elternteils, der die tatsächliche Sorge für ein Kind ausübt, das sein Schulbesuchsrecht wahrnimmt.

2. Das Aufenthaltsrecht des Kindes – und damit auch dasjenige seiner Eltern – gilt nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift (“beschäftigt gewesen ist”) auch für die Kinder ehemaliger Wanderarbeitnehmer.

3. Schließlich sind die Aufenthaltsrechte nach Art. 10 VO Nr. 492/11/EU nicht davon abhängig, dass Eltern und Kinder über ausreichende Existenzmittel oder einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen (BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R -, m. w. N., s. a. LSG Hamburg, Beschluss vom 27. Mai 2016 – L 4 AS 160/16 B ER -, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. April 2016 – L 4 AS 182/16 B ER -, LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Januar 2016 – L 19 AS 29/16 B ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp: a.A.: LSG Niedersachen-Bremen, B v 15.1.2016, L 15 AS 226/15 B ER

2.9 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 08.06.2016 – L 18 AS 3341/14

Stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II – Arbeitslosengeld II – Hilfe zum Lebensunterhalt – Stiftung Synanon

Zur Frage, ob das Leben in der Stiftung Synanon eine stationäre Unterbringung i. S. von § 7 Abs. 4 SGB II ist (hier bejahend).

Das Leben in einem Synanon-Haus ist als stationäre Unterbringung nach § 7 Abs. 4 SGB II zu werten.

Leitsatz (Redakteur)
Ein Leben in den Häusern der Stiftung Synanon schließt nach Art und Konzeption des Hilfekonzepts eine Verfügbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt grundsätzlich aus, was die Einordnung als stationäre Einrichtung i. S. von § 7 Abs. 4 SGB II bedingt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – SG Gotha, Beschluss v. 02.08.2016 – S 15 AS 5157/14

Das Sozialgericht Gotha hält Hartz-IV- Sanktionen weiterhin für verfassungswidrig und ruft erneut der BVerfG an

Sanktionen gefährden Leben
Hartz IV: Gothaer Sozialrichter rufen erneut Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an. Dies hatte eine Vorlage zuvor wegen Formfehlern abgelehnt

Quelle: www.jungewelt.de

S.a. dazu Pressemitteilung SG Gotha v. 03.08.2016:
Gothaer Sozialgericht ruft erneut das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an – Hartz IV – Sanktionen weiter auf dem Prüfstand.

Quelle: forum.tacheles-sozialhilfe.de

Volltext: www.sggth.thueringen.de

I. Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs.1 Satz 1 GG ausgesetzt.

II. Dem Bundesverfassungsgericht werden folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:

II.1. Ist § 31a i.V.m. §§ 31 und 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 (BGBI I S. 850, 2094), gültig ab 01.04.2011, insoweit mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, als sich das für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums maßgebliche Arbeitslosengeld II auf Grund von Pflichtverletzungen um 30 bzw. 60% des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs mindert bzw. bei weiteren Pflichtverletzungen vollständig entfällt?

II.2. Ist § 31a i.V.m. §§ 31 und 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 (BGBI I S. 850, 2094), gültig ab 01.04.2011 insoweit mit Art.2 Abs.2 S.1 GG vereinbar, als Sanktionen, wenn sie zu einer Lebensgefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheit der Sanktionierten führen, gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verstoßen?

II.3. Ist § 31a i.V.m. §§ 31 und 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 (BGBI I S.850, 2094), gültig ab 01.04.2011 insoweit mit Art. 12 GG vereinbar, als Sanktionen gegen die Berufsfreiheit verstoßen?

3.2 – Sozialgericht Chemnitz, Urteil v. 09.06.2016 – S 10 AS 2368/14 – Berufung anhängig beim Sächs. LSG – L 8 AS 830/16

Miteigentum an einem Grundstück – § 24 Abs. 5 SGB II darlehensweise Leistung rechtswidrig bei Nichterstellung einer Prognose

Leitsatz (Redakteur)
1. Die Leistung war nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu bewilligen.

2. Denn die Erstellung einer Prognose ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine lediglich darlehensweise Gewährung der Leistung vorgenommen wird.

3. Eine Prognoseentscheidung ist tatsächlich bei keinem der zu überprüfenden Darlehensbescheide erfolgt.

4. Damit war das Darlehen rechtswidrig ausgezahlt. Die Leistung war daher als Zuschuss zu zahlen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.3 – SG Mainz, Beschluss v. 18.04.2016 – S 3 AS 99/14

Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II

Leitsatz (Juris)
1. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 5 SGB II verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG.

2. Es ist kein verfassungsrechtliches Argument ersichtlich, weshalb bestimmten Personen nur deshalb, weil sie eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren, das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zustehen sollte.

Quelle: www.mjv.rlp.de

Rechtstipp:
SG Mainz, Beschluss v. 18.04.2016 – S 3 AS 149/16 – Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und des § 7 Abs. 5 SGB II

3.4 – SG Hildesheim, Beschluss v. 21.07.2016 – S 36 AS 4143/16 ER

Voraussetzung für einen ALG II Antrag ist nicht, dass bereits hier sämtliche Unterlagen zum Nachweis der Hilfebedürftigkeit vorgelegt werden.

Jobcenter dürfen die Entgegennahme von ” unvollständigen ” ALG II Anträgen nicht verweigern, denn dies ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Leitsatz (Redakteur)
1. Das Jobcenter irrt, wenn es davon ausgeht, dass ein Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne des § 37 (1) SGB II erst vorliegt, wenn ein Antragsformular mit sämtlichen (vom Leistungsträger) für erforderlich gehaltenen Antragsunterlagen vorgelegt wurde.

2. Der Leistungsträger ist auch nicht berechtigt, die Annahme eines – nach seiner Auffassung – unvollständig ausgefüllten Antrages zu verweigern.

Quelle: Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Kevin Kienert, Hildesheim

Rechtstipp:
Ebenso SG Nürnberg, Beschluss v. 22.12.2008 – S 20 AS 1415/08 ER; SG Augsburg, Urteil v. 28.10.2008 – S 6 AS 844/08

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)

4.1 – Sozialgericht Leipzig, Urteil v. 09.06.2016 – S 1 AL 251/15 – rechtskräftig

SG Leipzig: Buchhalterin im SGB III Bezug muss nicht an ungeeigneter Trainingsmaßnahme teilnehmen.

Anwalt: Entscheidung wegweisend
Für ihren Anwalt Sebastian E. Obermaier ist die Leipziger Entscheidung (Aktenzeichen: S 1 AL 251/15) wegweisend.

“Damit wird der Auffassung der Bundesagentur für Arbeit, dass gegen Zuweisungen in Maßnahmen kein Rechtsschutz gegeben ist, eine klare Absage erteilt”, meinte er. Das Leipziger Sozialgericht habe erstmals in Deutschland entschieden, dass Betroffene nicht erst gegen Leistungssperren, sondern primär auch gegen Sinnlos-Maßnahmen Rechtsschutz erhalten können. Vielmehr müssten die Kurse zum Profil des Betroffenen passen.

Quelle: m.lvz.de

S.a.: Branchenfremde Arbeitsamtskurse sind nicht zumutbar: www.radiosaw.de

S.a.: @mephisto976 mit ausführlichem Bericht zu “unserem” Urteil z Zuweisung v Alg I-Beziehern in Eingliederungsmaßnahmen mephisto976.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 06.04.2016 – L 8 SO 4/16 B ER – rechtskräftig

Der Ast. hat keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über die vorläufige Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer bzw. eine Schulbegleitung.

Leitsatz (Juris)
In Förderschulen nach § 8 Abs1 Satz 3 SchulG LSA unterstützen und ergänzen pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Betreuungskräfte den Unterricht sowie die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler. Defizite in der personellen Ausstattung einer Förderschule sind nicht durch nachrangige Leistungen nach dem SGB XII auszugleichen. Soweit die Schule nicht mehr über eine ausreichende Anzahl an pädagogischen Mitarbeiterinnen bzw Mitarbeitern für die Betreuung sämtlicher Schüler verfügt, ist dies gegenüber dem Land Sachsen-Anhalt in seiner Zuständigkeit für die Schulen zu verfolgen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.2 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 31.05.2016 – L 8 SO 8/16 B ER – rechtskräftig

Rumänische Antragsteller (Ast.)

Leitsatz (Juris)
1. Nur in Fällen des abschließend geklärten Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers kann die vom BSG in seinem Urteil vom 3. Dezember 2015 (- B 4 AS 44/15 -, juris) angenommene Ermessensreduzierung auf Null vorliegen. Der Senat schließt sich dem 15. Senat des LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 13. April 2016 – L 15 SO 53/16 B ER -, juris) an.

2. Im Rahmen der vom BSG für notwendig und möglich erachteten verfassungskonformen Auslegung von § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII kann eine den Vorgaben der Art 1 Abs 1, 2 Abs 2, 6 Abs 1 und 20 Abs 1 GG entsprechende Sicherung des Existenzminiums für den Zeitraum des vorläufigen Rechtsschutze durch Leistungen in Höhe des nach § 1a Abs 1 AsylbLG vorgesehenen, unabweisbar gebotenen Bedarfs hinreichend erfolgen.

3. Auf dieser Grundlage ist bei Prüfung eines vorläufigen Leistungszeitraums von drei Monaten der Bedarf der Antragsteller durch die laufenden Kindergeldzahlungen und dem noch vorhandenen Betrag aus einer Kindergeldnachzahlung gedeckt. In diesem Zeitraum hat der SGB XII-Leistungsträger Gelegenheit, weitere Ermittlungen zum aufenthaltsrechtlichen Status der Antragsteller durchzuführen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

6.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

6.1 – SG Mainz, Beschluss v. 07. 07.2016 – S 12 SO 81/16 ER

SGB XII – EU-Ausländer nach 6 Monaten

Leitsatz (Redakteur)
1. Verpflichtung des Sozialhilfeträgers im im Wege des Eilrechtsschutzes zu vorläufigen Leistungen nach dem SGB XII für rumänische Staatsangehörige.

2. Bei einem verfestigten Aufenthalt ist das Ermessen des Sozialhilfeträgers nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auf Null reduziert ((vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R).

Quelle: RA Thomas Scheffler, 55545 Bad Kreuznach

6.2 – Pressemitteilung SG Osnabrück v. 06.06.2016 – Zur Berücksichtigung eines Bestattungsvorsorgevertrages im Rahmen der Vermögensprüfung nach dem SGB XII

Das Sozialgericht Osnabrück hatte in mehreren Verfahren auf dem Gebiet der Sozialhilfe zu klären, ob Bestattungsvorsorgeverträge gemäß § 90 SGB XII einzusetzendes verwertbares Vermögen zur Begleichung ungedeckter Heimpflegekosten darstellen (Aktenzeichen S 5 SO 113/15, S 5 SO 233/12, S 5 SO 161/14, S 5 SO 15/15, S 5 SO 171/13, S 5 SO 32/15, S 5 SO 52/15).

Das Gericht hat sich dabei der Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24.04.2014 (Aktenzeichen L 8 SO 269/10) angeschlossen. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwiefern für die Betroffenen die Verwertung eines Bestattungsvorsorgevermögens eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darstellt, die ausschließen würde, das ansonsten grundsätzlich verwertbare Vermögen zur Bestreitung der ungedeckten Heimpflegekosten einzusetzen.

Ein Kriterium zur Beurteilung des Vorliegens einer Härte stellt der Zeitpunkt des Abschlusses des Bestattungsvorsorgevertrages dar. Hier ist zu prüfen, ob der Vertrag in einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, als ein grundsätzlich anzuerkennender Wunsch zur Regelung der Bestattung und nicht zur Sicherung des Vermögens und zur Entlastung der Angehörigen im Vordergrund stand. Wird ein Bestattungsvorsorgevertrag kurz vor oder kurz nach Aufnahme in die Pflegeeinrichtung geschlossen, spricht der zeitliche Ablauf dafür, dass bei Abschluss des Vertrages die Sicherung des Vermögens und die Entlastung der Angehörigen im Vordergrund stehen. Ist ein Bestattungsvorsorgevertrag in größerem zeitlichem Abstand zum Eintritt der Pflegebedürftigkeit geschlossen worden – gegebenenfalls auch in Zusammenhang mit weiteren objektiv erkennbaren Vorkehrungen für den Fall der Pflegebedürftigkeit -, spricht dies eher für eine Härte.

Die teilweise mit den Bestattungsunternehmen vereinbarten Aufwandsentschädigungen bei Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrages führen nicht regelmäßig dazu, dass die Verwertung des Bestattungsvorsorgevermögens unwirtschaftlich wäre.

Die Urteile sind teilweise rechtskräftig.

Quelle: www.sozialgericht-osnabrueck.niedersachsen.de

6.3 – Sozialgericht Karlsruhe, Urteil v. 28.07.2016 – S 3 SO 3787/15 – Die Berufung wird zugelassen.

Sozialhilfe; Regelbedarfsstufe; Verzinsung; Fälligkeit; Überprüfungsverfahren
In der Rechtsprechung ist umstritten, welcher Zeitpunkt für die Fälligkeit und damit für den Beginn der Verzinsung maßgeblich ist.

Leitsatz (Juris)
1. Der Zinsanspruch nach § 44 SGB I teilt als gegenüber dem Hauptanspruch akzessorischer Nebenleistung dessen rechtliches Schicksal, so dass bei der Nachzahlung einer Sozialleistung aufgrund eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X für den Zeitpunkt des Zinsbeginns nicht auf den Überprüfungsantrag betreffend die Hauptleistung bzw. die Entscheidung hierauf abzustellen ist, sondern auf die frühere Fälligkeit nach dem ersten Leistungsantrag im ursprünglichen Verwaltungsverfahren.

2. Bewilligt der Sozialhilfeträger auf Weisung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 31. März 2015 höhere Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung eines Zuschlags in Höhe der Differenz zwischen der Regelbedarfsstufe 3 und der (höheren) Regelbedarfsstufe 1, hat er die sich hieraus ergebende Nachzahlung nach § 44 SGB I auf der Grundlage der Fälligkeit der ursprünglich bewilligten Leistungen zu verzinsen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

7.   Kommentierungen, Aufsätze und Verschiedenes

7.1 – Jobcenter darf Zinsen auf Hartz-IV-Nachzahlung nicht zurückfordern, ein Beitrag von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Thorsten Blaufelder, Kanzlei Blaufelder

Erhalten Langzeitarbeitslose für eine verspätete Hartz-IV-Nachzahlung auch Zinsen vom Jobcenter ausgezahlt, können sie diese behalten. Das Jobcenter darf die ausgezahlten Zinsen später nicht als Einkommen wieder mindernd auf die Hartz-IV-Leistung anrechnen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 21.06.2016 (AZ: L 9 AS 4918/14). Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließen die Stuttgarter Richter die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.

Quelle: www.anwalt.de

7.2 – KOS: Informationen zur Zwangsverrentung

An dieser Stelle informieren wir über Entwicklungen in der Praxis, der Gesetzgebung und der Rechtsprechung zur Zwangsverrentung. Wir empfehlen, sich gegen die Aufforderung, eine Rente mit Abschlägen zu beantragen, rechtlich zu wehren. Denn jeder Monat, um den die Verrentung hinausgezögert werden kann, vermindert die Abschläge und ist ein Erfolg.

Zwangsverrentung aktuell – Aktualisierter Artikel aus dem A-Info Nr. 177, Juni 2016 [PDF, 1 Seite]
Übersicht zu den Möglichkeiten der rechtlichen Gegenwehr Stand Juli 2016 [PDF, 4 Seiten]
Powerpoint-Präsentation anlässlich einer Info-Veranstaltung bei ver.di Oldenburg im Juli 2016 [PDF, 19 Folien]

Quelle: www.erwerbslos.de
www.erwerbslos.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de