Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Beschluss vom 30.08.2016 – Az.: L 8 SO 166/16 B

BESCHLUSS

In dem Beschwerdeverfahren

xxx
– Antragsteller und Beschwerdeführer –

Prozessbevollmächtigte:
Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Region Hannover xxx
– Antragsgegnerin –

beigeladen:
Jobcenter Region Hannover xxx

hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 30. August 2016 in Celle durch die Richter xxx, xxx und xxx beschlossen:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. Mai 2016 aufgehoben, soweit mit diesem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für die erste Instanz bewilligt und Rechtsanwalt Adam, Göttingen, beigeordnet.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

GRÜNDE
Der im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II stehende Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Übernahme von Mietrückständen (maximal drei Monatsmieten zzgl. Nebenkostennachzahlungen aus den Jahren 2013 bis 2015; nach Angaben des Antragstellers ist allerdings tatsächlich nur eine Monatsmiete offen). Das Sozialgericht (SG) Hannover hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 20. Mai 2016 abgelehnt (die Beschwerde hiergegen wird unter L 8 SO 165/16 B ER geführt) und gleichzeitig den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller am 24. Mai 2016 Beschwerde eingelegt.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH (§ 73a SGG i.V. mit § 114 ZPO) lagen zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife beim SG vor. Die Rechtsverfolgung vor dem SG bot hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 ZPO und war nicht mutwillig. Nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen kann der Antragsteller, der weiterhin im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II steht, die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen, es ist ihm darum PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Die hinreichenden Erfolgsaussichten sind nach der im PKH-Verfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung hier zu bejahen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Begehren des Antragstellers bis zum Ablauf von zwei Monaten seit Rechtshängigkeit der am 1. März 2016 beim Amtsgericht (AG) Hannover eingegangenen Räumungsklage erfolgversprechend hätte sein können.

Ein Anspruch auf die vom Antragsteller begehrte Übernahme seiner Mietschulden könnte sich, wie das SG nicht verkannt hat, gegenüber dem beigeladenen SGB II–Leistungsträger aus § 22 Abs. 8 SGB II ergeben oder gegenüber der Antragsgegnerin, einem Sozialhilfeträger, aus § 67 SGB XII. Jedenfalls ein Anspruch gegenüber dem Beigeladenen war bei Eingang des Antrages beim SG nicht vollkommen fernliegend. Ausgehend von der mit der Antragsschrift übersandten Räumungsklage drohte der Wohnungsverlust des Antragstellers. Die Ausführungen des Beigeladenen (Schriftsatz vom 21. April 2016) zu den tatsächlichen Zahlungsrückständen hätten nicht ohne weitere Ermittlungen als zutreffend zugrunde gelegt werden dürfen.

Im Falle einer Zahlungsverpflichtung des Beigeladenen wäre der Wohnungsverlust noch abzuwenden gewesen. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird eine (Wohnraum-) Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Hier ist die Räumungsklage vom 29. Februar 2016 am 1. März 2016 beim AG Hannover eingegangen und laut Zustellungsurkunde dem dortigen Kläger, dem Antragsteller dieses Verfahrens, am 26. März 2016 zugestellt worden und damit rechtshängig geworden (§§ 253 Abs. 1, 260 Abs. 1 ZPO). Eine Befriedigung des Vermieters mit der Folge des § 569 Abs. 3 BGB hätte damit bis zum 26. Mai 2016 erfolgen können.

Bei einer derartigen nicht endgültig geklärten Sachlage wäre eine Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung aufgrund einer Folgenabwägung möglich gewesen, die für die Bewilligung von PKH erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten lagen vor.

Ob auch gegenüber der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Leistungen nach § 67 SGB XII in Betracht gekommen wäre, ist hier nicht näher zu prüfen.

Ein Anordnungsgrund lag in Ansehung der Kündigung der Wohnung offensichtlich vor.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts folgt aus § 121 Abs. 2 ZPO.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).