Sozialgericht Hildesheim – Urteil vom 21.10.2016 – Az.: S 12 SF 12/15 (AS)

URTEIL

In dem Rechtsstreit
1. xxx,
2. xxx,

vertreten durch
xxx
– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigter:
zu 1-2: Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Jobcenter Northeim, xxx,
– Antragsgegner –

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2016 durch den Richter am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird unter Abänderung der Widerspruchsbescheide vom 09.03.2012 und 12.03.2012 verpflichtet, den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren betreffend den Widerspruch vom 17.12.2011 zu 100% zu erstatten. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger für dieses Klageverfahren zu erstatten.

TATBESTAND

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der den Klägern im Widerspruchsverfahren (Widerspruch vom 17.12.2011) entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Die Kläger bezogen im Zeitraum vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Klägerin zu 1. und ihre minderjährige Tochter, die Klägerin zu 2. bilden eine Bedarfsgemeinschaft.

Mit Bescheid vom 14.11.2011 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 SGB II-Leistungen. Neben dem Regelbedarf und den Kosten der Unterkunft bewilligte der Beklagte für den Monat Dezember 2011 einen Mehrbedarf für Schwangere und für die Folgemonate einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2011 erfolgte für denselben Bewilligungszeitraum eine Anpassung des Regelbedarfs und eine Neuberechnung des Freibetrages bei Erwerbstätigkeit ab dem Monat Januar 2012.

Am 1.12.2011 gebar die Klägerin zu 1. die Zwillinge xxx und xxx.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2011 legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger gegen die Bescheide des Beklagten vom 14.11.2011 und 26.11.2011 Widerspruch ein. Eine Widerspruchsbegründung unterblieb zunächst. Zugleich wurde Antrag auf Akteneinsicht in die Verwaltungsakte des Beklagten gestellt.

Während des laufenden Widerspruchsverfahrens erließ der Beklagte am 1.3.2012 einen Änderungsbescheid für den Teilzeitraum vom 1.4.2012 bis zum 31.5.2012. Darin hob er die Leistungsbewilligung für diesen Teilzeitraum nach § 48 SGB X auf und begründete dies damit, dass die Kläger Anspruch auf Elterngeld und Kindergeld hätten und damit eine Hilfebedürftigkeit nicht mehr vorläge.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 7.3.2012 begründete der Prozessbevollmächtigte der Kläger den Widerspruch vom 17.12.2011. Zur Begründung des Widerspruches führte der Prozessbevollmächtigte im Schriftsatz wörtlich aus (vgl. Blatt 25 der Gerichtsakte):

„Zunächst sind die Kosten der Unterkunft und Heizung augenscheinlich in zu niedriger Höhe bewilligt worden. Ihrem Bescheid ist zu entnehmen, dass statt der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 475,00 € lediglich 420,00 € bisher berücksichtigt wurden.
Zudem dürfte der Aufhebungsbescheid vom 01.03.2012 fehlerhaft sein, da Frau xxx nicht 750,00 € Elterngeld erhält.”

Am 9.3.2012 erließ der Beklagte einen 1. Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid und hob darin die Bescheide vom 14.11.2011, 26.11.2011 und 1.3.2012 teilweise auf und bewilligte SGB II-Leistungen nach. Über den im Bescheid genannten Umfang hinaus wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zugleich sagte der Beklagte den Klägern eine Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 0,3 zu. Zur Begründung für die Teilabhilfe führte der Beklagte den Widerspruchsbescheid aus, dass eine Neuberechnung der Leistungsansprüche von Amts wegen erfolgt sei, da es eine Änderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitraum vom Dezember 2011 bis zum Februar 2012 gegeben habe. Für den Teilzeitraum vom März 2012 bis Mai 2012 hingegen bestehe ein wesentlich geringerer Anspruch als bisher bewilligt, was eine teilweise Zurückweisung des Widerspruches und eine entsprechende Kostenfolge nach sich ziehe. Hinsichtlich der im Bescheid vom 1.3.2012 zugrunde gelegten inkorrekten Elterngeldhöhe sei überdies die Einschaltung eines Rechtsanwaltes nicht notwendig gewesen, weil die Kläger durch bloßes Lesen des Bescheides die inkorrekte Elterngeldhöhe selbst hätten ermitteln und monieren können.

Mit einem weiteren Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 12.3.2012, der ausweislich eines Begleitschreibens vom 12.3.2012 an die Stelle des vorgenannten Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 9.3.2012 treten sollte, korrigierte der Beklagte die Berechnungen der SGB II-Leistungen für den Monat März 2012 dahingehend, dass für diesen Monat noch kein Elterngeldbezug in Höhe von monatlich 300 € auf den Leistungsanspruch angerechnet wurde. Im übrigen erfolgten hinsichtlich der Kostenerstattung und der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gleichlautende Ausführungen wie im Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 9.3.2012.

Gegen die beiden Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheide vom 9.3.2012 und 12.3.2012 haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten am 15.3.2012 vor dem hiesigen Sozialgericht Klage erhoben.

Die Kläger sind der Auffassung, dass die Kostenerstattungsquote in den beiden angegriffenen Bescheiden in Höhe von 0,3 nicht nachvollziehbar sei. Der Widerspruch vom 17.12.2011 sei vollständig erfolgreich gewesen. Die Kosten der Unterkunft seien auch ohne die Geburt der Kinder zu niedrig bemessen gewesen. Im übrigen sei auch eine falsche Elterngeldhöhe bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt worden, die spätestens mit dem zweiten Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 12.03.2012 korrigiert worden sei.

Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Abänderung der Widerspruchsbescheide vom 09.03.2012 und 12.03.2012 zu verpflichten, den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens zum Widerspruch vom 17.12.2011 zu 100% zu erstatten und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Kläger für das vorliegende Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig und verweist zunächst auf seine Begründungen in den beiden Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheiden vom 9.3.2012 und 12.3.2012. Darüber hinaus bekräftigt er seine Rechtsauffassung, wonach der Widerspruch des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.12.2011 nicht kausal für die Teilabhilfeentscheidungen vom 9.3.2012 und 12.3.2012 gewesen sei. Die Neuberechnung der SGB II-Leistungen in den Bescheiden vom 9.3.2012 und 12.3.2012 sei alleine aufgrund einer Änderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere wegen der Geburt der Zwillinge vorgenommen worden, zumal der Widerspruch vom 17.12.2011 zunächst auch nicht begründet worden sei. Schon der zeitliche Zusammenhang zwischen der Widerspruchseinlegung und der später – nach Änderung der tatsächlichen Verhältnisse – erfolgten Teilabhilfe spreche gegen die Annahme einer Kausalität. Soweit im übrigen die Kläger zu geringe KdU-Leistungen auch im Zeitraum vor dem 1.12.2011 monieren würden, sei dies unbeachtlich, da nur die Rechtslage ab dem 1.12.2011 im Widerspruchsverfahren streitgegenständlich gewesen sei. Hinsichtlich des Elterngeldes und der konkret angerechneten Höhe sei seitens des Prozessbevollmächtigten der Kläger nur eine „Richtigstellung” erfolgt, die für eine Kausalität des Widerspruches ebenfalls nicht ausreiche.

Mit Beschluss vom 1.9.2014 hat das Gericht den Antrag der Kläger auf Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die Kläger nicht mehr beschwert seien, weil sie die begehrten Leistungen vollständig erhalten hätten. Die gegen die PKH-Ablehnung gerichtete Anhörungsrüge des Prozessbevollmächtigten der Kläger hat das Gericht mit Beschluss vom 18.12.2014 zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass wegen der fehlenden Beschwer in der Hauptsache auch keine Beschwer für eine höhere Kostenquote mehr bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist auch in der Sache begründet.

Die Kläger haben einen Anspruch auf vollständige Erstattung der ihnen im Widerspruchsverfahren zu den Bescheiden vom 14.11.2011, 26.11.2011 und 01.03.2012 entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X (hierzu unter 1.). Die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten zum gesamten Widerspruchsverfahren war darüber hinaus nach § 63 Abs. 2 SGB X für notwendig zu erklären (hierzu unter 2.).

Im Einzelnen:

1.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Der Tatbestand dieser Vorschrift ist vorliegend erfüllt, weil der Widerspruch des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 17.12.2011 gegen die Bescheide vom 14.11.2011, 26.11.2011 und 01.03.2012 vollständig erfolgreich im Sinne dieser Vorschrift war.

Ein Widerspruch hat im Grundsatz dann Erfolg im Sinne des Gesetzes, wenn die Behörde ihm stattgibt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 21. Juli 1992 — 4 RA 20/91 = SozR 3-1300 § 63 Nr. 3 m.w.N.; Roos in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl., § 63 Rn. 18). Danach ist ohne Belang, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht hat und welche Gründe zum Stattgeben des Widerspruchs geführt haben, sofern zumindest eine Mitursächlichkeit des Widerspruches vorliegt (vgl. Urteil des BSG vom 8. Oktober 1987 — 9a RVs 10/87 -, juris).

Ein Widerspruch ist erst dann nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht mehr als erfolgreich im Sinne des § 63 SGB X zu werten, wenn die abhelfende Entscheidung des Rechtsträgers — hier die beiden Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.3.2012 und 12.3.2012 — nicht dem Widerspruch, sondern einem anderen Umstand — zum Beispiel der Nachholung von Mitwirkungspflichten — zuzurechnen ist (vgl. Urteile des BSG vom 21. Juli 1992 a.a.O.; vom 18. Dezember 2001 — B 12 KR 42/00 R — und vom 25. März 2004 — B 12 KR 1/03 R = SozR 4-1300 § 63 Nr. 1).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Widerspruch des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 17.12.2011 für die beiden Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.3.2012 und 12.3.2012 zumindest mitursächlich und damit erfolgreich im Sinne des § 63 SGB X.

Die Kausalität in Form der ausreichenden Mitursächlichkeit besteht sowohl in inhaltlicher Hinsicht (hierzu unter a.) wie auch in zeitlicher Hinsicht (hierzu unter b.):

Im Einzelnen:

a)
Ausweislich des Wortlautes in der Widerspruchsbegründung vom 7.3.2012 (vgl. Blatt 25 der Verwaltungsakte) hatte der Prozessbevollmächtigte der Kläger lediglich eine zu geringe Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung moniert und hierzu ausgeführt, dass anstelle der tatsächlich gezahlten Miete von 475,00 € monatlich nur eine monatliche Miete von 420,00 € durch den Beklagten in den angegriffenen Leistungsbewilligungen vom 14.11.2011 und 26.11.2011 berücksichtigt worden sei. Aus der Widerspruchsbegründung lässt sich entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht entnehmen, dass eine höhere Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung aufgrund eines fehlerhaft ermittelten Konzeptes zur Angemessenheit von KdU-Leistungen beansprucht wird. Eine rechtliche Begründung für die aus Sicht der Kläger zu geringe Bewilligung von KdU-Leistungen enthält die Widerspruchsbegründung vom 7.3.2012 nicht. Genauso gut denkbar ist, dass die Kläger zum Zeitpunkt des Widerspruchsverfahrens alleine aus dem Umstand der Geburt der Zwillinge am 1.12.2011 heraus höhere KdU-Leistungen für sich beansprucht haben.

Der Einwand der Kläger im Widerspruchsverfahren bestand lediglich in einer zu geringen Bewilligung von KdU-Leistungen. Diesem Einwand ist aber der Beklagte in den beiden angegriffenen Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheiden vom 9.3.2012 und 12.3.2012 vollständig gefolgt. Selbst wenn der Beklagte auch aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen eine Korrektur der früheren Leistungsbewilligungen aufgrund der Geburt der Zwillinge am 1.12.2011 vornehmen wollte, ändert dies nichts an der Mitursächlichkeit des Widerspruches vom 17.12.2011 an den späteren Abhilfe-Entscheidungen. Warum der Widerspruch in dieser Hinsicht nicht kausal und erfolgreich für die Kläger gewesen sein soll, erschließt sich dem Gericht angesichts des eindeutigen Wortlautes der Widerspruchsbegründung nicht.

Für die Beurteilung, ob der Widerspruch vom 17.12.2011 für die Teilabhilfen vom 9.3.2012 und 12.3.2012 zumindest mitursächlich gewesen ist, kommt es alleine auf den Stand der Tatsachen im Zeitraum des Widerspruchsverfahrens an. Unerheblich ist insbesondere, ob der Prozessbevollmächtigte der Kläger zeitlich später, nämlich erst im Rahmen der Klagebegründung vom 15.3.2012 neben der Geburt der Zwillinge auch die Rechtswidrigkeit der bewilligten KdU-Leistungen in den angegriffenen Bescheiden aufgrund eines fehlerhaft ermittelten Konzeptes zur Angemessenheit von Unterkunftskosten gerügt hat (vgl. etwa Seite 3 der Klageschrift vom 15.3.2012).

Was im übrigen die zu geringe Bewilligung von SGB II-Leistungen infolge einer inkorrekten Elterngeldhöhe anbelangt, handelt es sich bei den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Kläger in der Widerspruchsbegründung vom 7.3.2012 auch nicht um eine bloße „Richtigstellung”, sondern um erheblichen Tatsachenvortrag, der zumindest mitursächlich für die Korrektur der Leistungsberechnung unter dem Aspekt der von den Klägern erhaltenen Kindergeldzahlungen in den Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheiden vom 9.3.2012 und 12.3.2012 war. Folgte man nämlich der Rechtsauffassung des Beklagten wäre eine Abgrenzung zwischen einer bloßen irrelevanten „Richtigstellung” und einem im Widerspruchsverfahren erheblichen und mitursächlichen Tatsachenvortrag in der Praxis kaum möglich. Vor dem Hintergrund, dass es nach der Rechtsprechung sogar ohne Belang sein soll, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht hat, solange nur eine gewisse Mitursächlichkeit gesichert ist und dem Begehren des Widerspruchsführers stattgegeben wird, dürfen keine zu hohen Anforderungen an entgegenstehenden Tatsachenvortrag in einer Widerspruchsbegründung für die Frage der Mitursächlichkeit bei einer Abhilfeentscheidung gestellt werden.

b)
Eine Kausalität zwischen dem Widerspruch vom 17.12.2011 und den späteren Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheiden vom 9.3.2012 und 12.3.2012 lässt sich auch in zeitlicher Hinsicht feststellen:

Obwohl die beiden Zwillinge xxx und xxx bereits am 1.12.2011 geboren wurden und damit eine Änderung in den persönlichen und tatsächlichen Verhältnissen der Kläger eingetreten war, hat der Beklagte zunächst nach eingelegtem Widerspruch vom 17.12.2011 (der zunächst noch keine Begründung enthielt) noch mit dem Änderungsbescheid vom 1.3.2012 diese Änderung nicht berücksichtigt, sondern im Gegenteil Leistungen für den Zeitraum ab April 2012 aufgrund Ansprüchen der Kläger auf Elterngeld und Kindergeld vollständig versagt. Erst nach Eingang der Widerspruchsbegründung vom 7.3.2012, mit der eine zu geringe Bewilligung von KdU-Leistungen und eine fehlerhafte Anrechnung von Elterngeld moniert worden waren, hat sich der Beklagte zwei Tage später, nämlich am 9.3.2012 zu einer ersten Teilabhilfe und dann folgend am 12.3.2012 zu einer weiteren Teilabhilfe imstande gesehen und diese vollzogen.

Soweit der Beklagte im Verhandlungstermin vom 21.10.2016 diese zeitliche Abfolge dadurch zu vernachlässigen suchte, dass er behauptete, von der Geburt der Kinder durch eine verspätete Vorlage der Geburtsurkunden erst sehr spät informiert gewesen zu sein, ist dem entgegenzuhalten, dass offensichtlich der Beklagte schon in der Leistungsbewilligung vom 14.11.2011 die tatsächliche Situation der Kläger zumindest ansatzweise erfasst hatte, als er einen Mehrbedarf für Schwangere für den Monat Dezember 2011 und folgend ab Januar 2012 ein Mehrbedarf für Alleinerziehende bewilligte. Zudem war die Geburt der Zwillinge dem Beklagten auch zeitnah mitgeteilt worden, selbst wenn die Vorlage der Geburtsurkunden verzögert erfolgt sein sollte. Unabhängig davon hätte der Beklagte die Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen auch von Amts wegen ermitteln können und müssen.

2.
Schließlich war auch die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren vollständig für notwendig zu erklären.

Nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur zu § 63 Abs. 2 SGB X soll die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten nicht nur bei schwierigen und umfangreichen Sachverhalten für notwendig zu erklären sein. Dabei bestimmt sich die Frage, ob die Hinzuziehung für notwendig zu erklären ist, auch nach der persönlichen Sach-und Rechtskunde des Betroffenen, die aus Sicht eines verständigen Beteiligten zu beurteilen ist. In der Regel soll die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für notwendig erklärt werden, wenn es keine besonderen Umstände gibt, die die Hinzuziehung als nicht notwendig erscheinen lassen (vgl hierzu Roos, in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 63 SGB X, Rn. 26).

Unter Zugrundelegung dieser Prämissen sieht die Kammer eine Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren gegen die Bescheide vom 14.11.2011, 26.11.2011 und 01.03.2012 vollständig als notwendig an:

So beruhten die beiden späteren Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheide vom 9.3.2012 und 12.3.2012 auf mehreren tatsächlichen und rechtlichen Argumenten: Zum einen wurde die zu geringe Bewilligung von KdU-Leistungen und zum anderen die Berücksichtigung einer falschen Elterngeldhöhe in den angegriffenen Bescheiden moniert. Vor dem Hintergrund, dass die Behörde zunächst nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie die Geburt der Kinder von Amts wegen zeitnah bei den Leistungsberechnungen berücksichtigen würde (vgl. hierzu die Ausführungen des Gerichts unter 1. – b.), war die Einschaltung des Prozessbevollmächtigten der Kläger und insbesondere die Widerspruchsbegründung vom 7.3.2012 notwendig, um die später vorgenommenen Teilabhilfe-Entscheidungen des Beklagten zu veranlassen. Vor dem weiteren Hintergrund, dass Rechtsprechung und Schrifttum zu § 63 Abs. 2 SGB X davon ausgehen, dass im Regelfall die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären ist und insbesondere keine tatsächlich umfangreichen oder rechtlich schwierigen Sachverhalte für eine Hinzuziehung stets notwendig sind, geht das Gericht ebenfalls von einer Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwaltes aus. Besondere Ausnahmegründe und eine fehlende Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwaltes liegen etwa nur in Fällen vor, in denen der Betroffene auf eine Selbstkorrektur der Behörde vertrauen durfte, weil die Behörde etwa in ihren Bescheiden die spätere Korrekturmöglichkeit nach Vorlage von Unterlagen bereits zugesagt hatte (vgl. hierzu Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 25.5.2016 — S 12 SO 117/14, bisher nicht veröffentlicht).

Eine Korrekturmöglichkeit hatte der Beklagte den Klägern allerdings keineswegs zugesagt. Im übrigen hatten die Kläger auch nicht lediglich Kontoauszüge oder sonstige tatsächliche Unterlagen vorzulegen und konnten danach auf eine umgehende zeitnahe Korrektur der Leistungsbewilligungen von Amts wegen hoffen (vgl. hierzu etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29.05.2015 – L 8 SO 139/14 B, Seite 5). Sowohl der inhaltliche wie auch der zeitliche Zusammenhang zwischen der Widerspruchsbegründung und den Teilabhilfen vom 9.3.2012 und 12.3.2012 lassen erkennen, dass eine Einschaltung eines Rechtsanwaltes notwendig war.

Der Klage war daher vollständig stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung gegen dieses Urteil bedarf gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes, nämlich die Kosten der Klägerin im Widerspruchsverfahren, den Betrag von 750,00 Euro nicht übersteigen wird. Die Berufung war nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Dabei muss die Entscheidung über die Nichtzulassung nicht zwingend im Tenor aufgeführt werden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 11. Aufl., § 136, Rn. 5a).

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.