Tacheles Rechtsprechungsticker KW 09/2017

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 23.02.2017 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil v. 23.02.2017 – B 4 AS 57/15 R

Ablehnung der Überprüfung bzw Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides für die Vergangenheit im Zugunstenverfahren wegen Versäumung der auf ein Jahr verkürzten Ausschlussfrist – Anwendung des § 44 Abs 4 SGB 10 bei vorangegangener Aufrechnung der Erstattungsforderung

Hinweis Gericht
Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes steht unter dem Vorbehalt, dass Sozialleistungen nach § 44 Abs 4 SGB X noch zu erbringen sind. Dies ist hier jedoch ausgeschlossen.

Sind die vorläufig einbehaltenen SGB II-Leistungen wegen des streitigen Bescheides nicht – nachträglich – ausgezahlt worden, sind Sozialleistungen gegebenenfalls zu Unrecht nicht erbracht worden. Schon eine Rücknahmeentscheidung ist daher nicht mehr zu treffen.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.  Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 23.02.2017 zur Arbeitsförderung nach dem (SGB III)

2.1 – BSG, Urt. v. 23.02.2017 – B 11 AL 3/16 R

Befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit begründet Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Hinweis Gericht
Das BSG hat entschieden, dass auch bei einer Lücke von mehr als einem Monat zwischen früherem Arbeitslosengeldbezug und befristeter Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem Ende des Rentenbezugs Arbeitslosengeld als neuer Anspruch begründet wird.

Quelle: Pressemitteilung des BSG v. 23.02.2017: www.juris.de

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 14.11.2016 – L 19 AS 885/16

LSG NRW: Fahrtkostenpauschale bei Nebentätigkeit anrechenbares Einkommen.

Leitsatz (Redakteur)
1. Bei der vereinbarten Aufwandspauschale handelt es sich um Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit (vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 20.09.2016 – L 7 AS 155/15 NZB).

2. Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (siehe auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.07.2016 – L 34 AS 1901/13).

3. Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (siehe auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.07.2016 – L 34 AS 1901/13).

4. Die Fahrtkostenpauschale ist auch nicht über § 11a SGB II als „privilegiertes“ Einkommen ausgenommen.

5. Die tatsächlichen Aufwendungen für Fahrkosten können lediglich als Absetzbetrag nach § 11b SGB II zu berücksichtigen sein (so auch BSG, Urteil vom 11.12.2012, – B 4 AS 27/12 R; SG Rostock, Urteil vom 25.01.2016 – S 5 AS 620/13; SG Nordhausen, Urteil vom 10.11.2015 – S 13 AS 1351/14). Da das Einkommen des Klägers hier unter 400,00 Euro liegt, sind die Aufwendungen über die Pauschale von 100,00 Euro nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II abgedeckt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.01.2017 – L 7 AS 2508/16 B ER – rechtskräftig

Zur Übernahme von Kosten für die Überführung und Einlagerung von Hausrat nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung (hier bejahend).

Sei der finanzielle Aufwand für die Einlagerung des Hausrats prognostisch höher als der mit 1000 Euro zu veranschlagende Betrag einer Erstausstattung eines Alleinstehenden, scheide eine Kostenübernahme aus – so das Jobcenter, Hierfür bietet das Gesetz aber „keine Grundlage“.

Leitsatz (Redakteur)
1. Zu den Bedarfen für die Unterkunft können auch Einlagerungskosten gehören, wenn die gesamten Unterkunftskosten unter Einbeziehung der Einlagerungskosten angemessen sind.

2. Die Antragstellerin hat diese Voraussetzungen für eine Übernahme der Einlagerungskosten glaubhaft gemacht.

3. Vergleichsmaßstab für die Angemessenheit der Übernahme von Einlagerungskosten ist die Gegenüberstellung der laufenden Unterkunftskosten für eine durchschnittliche angemessene Wohnung mit den Kosten unter Berücksichtigung der Einlagerung. Soweit das BSG den Hinweis gegeben hat, die (isolierte) Miete für den zusätzlichen Lagerraum müsse gemessen am Wert der eingelagerten Güter wirtschaftlich sein (BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 1/08 R), ist dies – nicht dahingehend zu verstehen, dass ein Vergleich der Einlagerungskosten mit den Kosten für eine Erstausstattung vorzunehmen ist. Hierfür bietet das Gesetz keine Grundlage.

4. Aus dem Umstand, dass ein räumlicher Zusammenhang zwischen den eingelagerten Gegenständen und dem Aufenthalt des Hilfebedürftigen gefordert wird (vgl. BSG Urteil vom 16.10.2008 – B 4 AS 1/08 R), folgt nicht, dass der Hilfebedürftige ohne weiteres einen Anspruch darauf hat, dass die Möbel in seine Nähe transportiert werden.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 03.02.2017 – L 19 AS 1971/16 B – rechtskräftig

Zur Frage, ob dem Kläger ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II wegen der von ihm durchgeführten Heimdialyse zusteht (hier im Einzelfall ablehnend).

Leitsatz (Redakteur)
1. Ein medizinischer Bedarf kann unabweisbar i.S.v. § 21 Abs. 6 SGB II grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (BSG, Urteil vom 20.01.2016 – B 14 AS 8/15 R – SozR 4-4200 §21 Nr. 25 m.w.N.; siehe auch BSG, Beschluss vom 05.07.2016 – B 1 KR 18/16 B, wonach ein im Einzelfall seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichender medizinscher Bedarf als unabweisbarer Bedarf i.S.v. § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht kommt, der zur Sicherung des zu gewährenden menschenwürdigen Existenzminimums notwendig, aber verfassungskonform kein Leistungsgegenstand der GKV ist).

2. Vorliegend scheitert der Anspruch daran, dass der Kläger wegen seiner Erkrankung keine Kosten geltend gemacht hat, die über das hinausgehen, was für die übrigen Kosten für Gesundheitspflege im Regelbedarf vorgesehen ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 6/13 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.4 – Sächsisches Landessozialgericht, Urteil v. 24.03.2016 – L 3 AS 1898/13

Leitsatz Gericht
Die Verwertung einer Lebensversicherung in Form ihrer Auflösung stellt keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit dar, wenn der Hilfebedürftige finanziell nur die Rückerstattung der von ihm eingezahlten Beiträge – zuzüglich eines kleinen Gewinns – und nicht den wegen der Zuschüsse des Autorenversorgungswerks erhöhten Rückkaufswert realisieren kann.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.5 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 09.02.2017 – L 10 AS 2593/16 B PKH – rechtskräftig

Prozesskostenhilfe – wiederholter Antrag – unveränderte persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse – Beschwerdeausschluss – materielle Rechtskraft – Rechtsschutzbedürfnis – Rechtsmissbräuchlichkeit

Leitsatz (Juris)
1) Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs 3 Nr 2a SGG greift auch dann, wenn das SG einen PKH-Antrag wegen (unveränderter) persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse mit der Begründung abgelehnt hat, er sei unzulässig.

2) Wurde ein PKH-Antrag wegen fehlender tatsächlicher Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgelehnt, ist ein erneuter PKH-Antrag nicht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit unzulässig, wenn – bei insoweit unveränderten Verhältnissen, dies Angaben nunmehr vorliegen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.6 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 10.02.2017 – L 32 AS 3279/14 NZB – rechtskräftig

Einkommen – Aufrechnung – Betriebskosten Guthaben – Pfändbarkeit – Zufluss

Leitsatz (Redakteur)
Die Aufrechnung des Vermieters gegen Betriebskostenguthaben eines Beziehers von Leistungen nach dem SGB II ist unwirksam.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.7 – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. November 2016 (Az.: L 9 AS 941/16 B ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Der Bedarf für Kosten der Unterkunft einer zur Miete wohnenden hilfebedürftigen Person entsteht mit dem Tag der Fälligkeit der Mietzinsforderung.

2. Eine (auch nur teilweise) Ablehnung von Leistungen für Kosten der Unterkunft führt bei Vorliegen der allgemeinen (§§ 7 ff. SGB II) und besonderen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) Leistungsvoraussetzungen unmittelbar zu einer Unterdeckung des grundrechtlich geschützten Existenzminimums.

3. Die Leistungen für die Kosten der Unterkunft dienen der Sicherung eines der elementarsten menschlichen Grundbedürfnisse. Antragstellern ist deshalb ein Abwarten der Hauptsachentscheidung bei einer hier bestehenden monatlichen Unterdeckung von ca. EUR 90,- nicht zumutbar.

Rechtstipp:
Ebenso LSG NSB, Beschluss v. 19.12.2016 – L 11 AS 953/16 B ER

3.8 – LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. Dezember 2016 (Az.: L 7 AS 1494/15):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Das von einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beabsichtigte Geschäftsmodell eines Tagesgeschäfts an der Terminbörse EUREX mit DAX-Future auf ausschließlich eigene Rechnung entspricht weder den Strukturgrundsätzen noch den grundsätzlichen Förderzielen des SGB II, weshalb jegliche darauf bezogene Förderung gemäß den §§ 16 ff. SGB II („Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“) ohne einen für den SGB II-Träger bestehenden Ermessensspielraum bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist.

2. Auf der Grundlage des SGB II kann in keiner Weise die antragstellerseitig beabsichtigte Bildung von Vermögen auch nicht zur etwaig beabsichtigten Erzielung von Einnahmen, z. B. aus Vermietung und Verpachtung oder Verzinsung, eine Förderung erfahren.

3. Nicht erwerbstätig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ist, wer ohne jeden Bezug zum allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich eine private Vermögensverwaltung betreibt und hieraus z. B. durch Zinserträge oder Veräußerungsgewinne Einkünfte erzielt.

4. Hier werden nicht aus der Anbietung und Vergütung der eigenen Arbeit als Dienstleistung am Markt Erträge erzielt, sondern lediglich eigene Vermögenspositionen umgeschichtet und der daraus erwartete Ertrag insbesondere für den Lebensunterhalt verwendet.

5. Bei solchen Gegebenheiten liegt weder ein Arbeitsverhältnis noch ein selbstständiger Gewerbetrieb vor, sondern lediglich eine auch nicht nach § 16c SGB II („Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen“) förderungsfähige private Vermögensverwaltung.

3.9 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 07.11.2016 – L 18 AS 639/16 NZB

Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung, Leistungsberechtigte

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist zu verneinen, da der vom Beklagten im Beschwerdeverfahren aufgeworfenen Rechtsfrage, ob § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II auch in den Fällen des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II Anwendung findet, keine Entscheidungserheblichkeit (Klärungsfähigkeit) zukommt.

§ 7 Abs. 4 S. 3 Nr 2 SGB II findet auch in den Fällen des Abs. 4 S. 2 Anwendung.

Leitsatz (Redakteur)
Sowohl die Gesetzessystematik, Sinn und Zweck der Vorschrift als auch der gesetzgeberische Wille sprechen eindeutig dafür, dass die Rückausnahmeregelung des § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II auch in Fällen Anwendung findet, in denen sich jemand in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II aufhält. Der Wortlaut des § 7 Abs. 4 S. 3 steht dem nicht entgegen.

Quelle: dejure.org

3.10 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschl. v. 12.01.2017 – L 7 AS 913/16 B ER

Sozialrecht – Vorläufiger Rechtsschutz gegen Eingliederungsverwaltungsakte

Das Jobcenter soll im Bereich der Grundsicherung nach dem SGB II im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung, § 15 Abs. 2 S. 1 SGB II). Soweit eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden (Eingliederungsverwaltungsakt, § 15 Abs. 3 S. 3 SGB II). Eingliederungsverwaltungsakte unterliegen der vollen sozialgerichtlichen Überprüfung, d.h. können sowohl durch Klage als auch ggf. durch Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes angegriffen werden. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (Eilverfahren) sind Eingliederungsverwaltungsakte durch das Gericht aber nur summarisch zu prüfen. Rechtsschutz ist dann nur zu gewähren, wenn die summarische Prüfung nicht nur Zweifel, sondern erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts ergibt (Bayerisches Landessozialgericht, 12.01.2017, Az. L 7 AS 913/16 B ER).

(21.02.2017 – Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Sozialrecht Mathias Klose): www.ra-klose.com

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

4.1 – SG Magdeburg vom 21.02.2017 – S 18 AS 193/17 ER

Leitsatz RA Michael Loewy
1. Mietrückstände die in einem Zeitraum vor Antragstellung von Grundsicherungsleistungen auf eine Erkrankung der Antragstellerin hinsichtlich eines Betäubungsmittelmissbrauchs zurückzuführen sind, müssen vom Grundsicherungsträger aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null darlehensweise übernommen werden.

2. Dies gilt umso mehr, wenn mit einem etwaigen Wohnungswechsel ein Wechsel der Schule eines minderjährigen Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft verbunden ist.

3. Die Richtlinie des Landkreises Harz zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach dem SGB II basiert bezüglich der Stadt Halberstadt auf keinem schlüssigen Konzept (Firma Analyse & Konzepte), weil der maßgebliche Vergleichsraum unzutreffend bestimmt ist.

4. Mangels Vorliegens geeigneter anderer Datengrundlagen ist zur Bestimmung des maximal angemessenen Mietpreises auf die Tabelle zu § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlages von 10 Prozent zurückzugreifen. [noch nicht rechtskräftig]

Quelle: www.anwaltskanzlei-loewy.de

4.2 – Sozialgericht Düsseldorf, Urt. v. 09.11.2016 – S 12 AS 32/14

Zum Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft (hier bejahend), wenn die Kläger noch anderweitig mit ihren bisherigen Ehepartnern verheiratet waren.

Dem Vorliegen einer Partnerschaft steht nicht entgegen, dass die Kläger anderweitig mit ihren bisherigen Ehepartnern verheiratet waren und demnach bis zu diesem Zeitpunkt eine Heirat zwischen ihnen aufgrund § 1306 BGB (Verbot der Doppelehe) aus rechtlichen Gründen nicht möglich erschien.

Eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ist – nicht durch noch anderweitig bestehende Ehe ausgeschlossen.

Hinweis Gericht
Soweit Eheverbote überwindbar sind kann auch zwischen einem Mann und einer Frau die nicht heiraten dürfen, weil mindestens ein Partner bereits verheiratet ist, eine Partnerschaft bestehen, wenn der verheiratete Partner – wie hier- von seinem Ehegatten dauerhaft getrennt lebt, denn die Eheähnlichkeit einer Gemeinschaft kommt in ihrem monogamen Charakter zum Ausdruck.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.3 – Sozialgericht Kassel, Beschluss vom 14. Februar 2017 (Az.: S 4 AS 20/17 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Rumänische Staatsangehörige, die wegen der von ihnen im Bundesgebiet betriebenen Arbeitsuche von der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen sind, können beim zuständigen Sozialhilfeträger entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII um die Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) zur Existenzsicherung nachsuchen.

2. Der in Bezug auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte aus § 21 Satz 1 SGB II hervorgehende Anspruchsausschluss gelangt in dem Fall nicht zur Anwendung, wenn eine Leistungsberechtigung dann nicht besteht, wenn die betr. Antragsteller/innen dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterfallen.

3. Diejenigen Anspruchsteller/innen, die von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden, sind dem Leistungsbereich des SGB XII zuzuweisen.

4. Die aufgrund § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII wegen ihrer Einreise in das Bundesgebiet wegen Arbeitsuche vom Rechtsanspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossenen Ausländer/innen können gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII prinzipiell lediglich noch einen Anspruch auf die Gewährung von Überbrückungsleistungen für Dauer eines Monats geltend machen.

5. Solange von der Ausländerbehörde die Ausreisepflicht der betr. Antragsteller/innen nicht verfügt worden ist, besteht weiterhin die Vermutung des rechtmäßigen Aufenthalts dieser Personen im Bundesgebiet.

6. Aus dem SGB XII geht keine Ermächtigungsgrundlage dafür hervor, eine faktische Ausreisepflicht von Ausländer/innen dadurch zu statuieren, indem auf dieser Grundlage statt allgemeine Grundsicherungsleistungen an die in § 23 Abs. 3 SGB XII aufgelisteten Personengruppen nur zeitlich limitierte Überbrückungsleistungen gewährt werden.

7. Bei einem bereits verfestigten Aufenthalt im Bundesgebiet sind deshalb vom Sozialhilfeträger entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nach pflichtgemäßem Ermessen Leistungen nach den §§ 27 ff. SGB XII zu gewähren.

4.4 – Sozialgericht Köln, Beschluss vom 10. Februar 2017 (Az.: S 33 AS 4635/16):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Die Sperrfrist des § 88 SGG (sechs Monate bei Antragssache und drei Monate in Widerspruchsangelegenheiten) stellt zugleich eine angemessene Frist für eine behördliche Sachentscheidung dar.

2. Bei einem besonderen Bearbeitungsaufwand darf dieser Zeitraum allerdings überschritten werden. Die Nichteinhaltung dieser Frist – ohne jedes Kostentragungsrisiko des SGB-Trägers – setzt voraus, dass antragstellerseitig noch nicht mit einer behördlichen Entscheidung gerechnet werden konnte, d. h. der Grund für die Untätigkeit des Jobcenters bekannt war oder bereits gesondert mitgeteilt wurde.

4.5 – Sozialgericht Duisburg, Urt. v. 03.02.2017 – S 5 AS 1564/16

Zum Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft – § 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB I (hier bejahend)

Gesetzliche Vermutung einer Bedarfsgemeinschaft i. S. einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zwischen Partnern

Leitsatz (Redakteur)
Ein erst fünf Monatiges und damit noch nicht ein Jahr zusammenleben steht der Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB II nicht entgegen (SG Stade, 20.06.2016 – S 6 AS 515/13).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.6 – Sozialgericht Duisburg, Urteil v. 12.02.2016 – S 5 AS 1356/14 – rechtskräftig

Minderung des Arbeitslosengeld II – wiederholte Pflichtverletzung – Aufhebung der ersten Sanktion wegen Rechtswidrigkeit – Wegfall der Grundlage für die zweite Sanktion – Umdeutung in eine 30 %-Sanktion ist vorzunehmen

Leitsatz (Redakteur)
Anders als das SG Dresden (SG Dresden, Urteil vom 14. Juli 2014 – S 20 AS 1356/14) ist das erkennende Gericht der Auffassung, dass eine Umdeutung in eine 30 %-Sanktion vorzunehmen ist.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2017 (Az.: L 15 SO 252/16.B PKH):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Von einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist bei einem Empfänger von Leistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII auszugehen, wenn dieser Person parallel auch Leistungen nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) bewilligt werden. Diese Hilfe ist zweckidentisch mit Leistungen der Sozialhilfe, soweit die öffentliche Fürsorge ebenfalls Aufwendungen für die Unterkunft übernimmt.

2. Eine Empfängerin von aufstockend zu ihrer Rente gemäß den §§ 41 ff. SGB XII bewilligten Leistungen muss sich aber nicht vom Sozialhilfeträger auf die Inanspruchnahme von Wohngeld verweisen lassen. Es handelt sich hier um keine im Verhältnis zur Sozialhilfe vorrangige Leistung.

3. Der aus § 2 Abs. 1 SGB XII hervorgehende „Nachranggrundsatz“ stellt keine eigenständige Ausschlussnorm dar, wenn andere Leistungen tatsächlich nicht erbracht werden.

4. Entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WoGG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WoGG ist lediglich der gleichzeitige Bezug von Leistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft (§ 35 SGB XII) sowie von Wohngeld ausgeschlossen.

6.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

6.1 – Sozialgericht Kassel, Beschluss vom 15. Februar 2017 (Az.: S 11 SO 9/17 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Trotz der Bestimmung des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, wonach Ausländer/innen, die ins Bundesgebiet eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthalt sich einzig aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sind die Sozialhilfeträger weiterhin zur Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII verpflichtet.

2. Dies gilt gerade dann, wenn sich das Aufenthaltsrecht der von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossenen nichtdeutschen Person im Bundesgebiet verfestigt hat. Dieser Aufenthaltsverfestigung kann nur ausländerbehördlich entgegengetreten werden.

3. Die vom Gesetzgeber mit § 23 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 3a SGB XII vorgesehenen Überbrückungsleistungen stellen keinen verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich für den Wegfall der grundsätzlichen Hilfeleistung von einem Tag auf den anderen dar.

6.2 – Sozialgericht Hamburg, Urt. v. 07.06.2016 – S 28 SO 14/13

Anspruch des behinderten Schulkindes auf Bewilligung einer Maßnahme zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten durch den Sozialhilfeträger.

Leitsatz (Redakteur)
1. Die hier streitige LPF- Maßnahme des Trägers I. e.V. als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S. des § 92 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ist als Leistung der Eingliederungshilfe zu bewilligen.

2. Unter den Begriff der “ sonstigen Maßnahmen“ kann jede mögliche Art von Hilfe subsumiert werden, die im Einzelfall geeignet und notwendig ist, mit Ausnahme derjenigen, die darauf zielen, den Kernbereich der pädagogischen Arbeit abzudecken. In diesem Zusammenhang hat auch das BSG entschieden, dass der Regelung in § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde liegt. Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw. begleitenden, sei rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern.

3. Nach diesen Maßstäben kann auch eine Maßnahme, die nur einen unterstützenden Charakter hat und außerhalb des schulischen Betriebs stattfindet, eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung sein (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2012 B 8 SO 30/10 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

7.   Entscheidungen der Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte zum Asylrecht

7.1 – Sozialgericht Leipzig, Beschluss vom 2. Dezember 2016 (Az.: S 5 AY 13/16 ER):

Bestimmung der Höhe der einem geduldeten Ausländer zu gewährenden Leistungen
SG Leipzig: Bei faktischer Duldung durch Behörden dürfen existenzsichernde Leistungen für Asylbewerber nicht abgesenkt werden

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Es ist anzuzweifeln, ob die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG, derzufolge geduldeten Leistungsberechtigten (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG in Verbindung mit § 60a AufenthG) lediglich gekürzte Leistungen entsprechend § 1a Abs. 2 AsylbLG zu gewähren sind, sofern bereits ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem am Verteilmachanismus teilnehmenden Drittstaat internationalen Schutz oder aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt hat, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen eingeräumte Aufenthaltsrecht fortbesteht, verfassungsgemäß ist.

2. Der Anspruch eines jeden Menschen auf die Sicherung seines Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Auf die Möglichkeit der Rückkehr der mittellosen nichtdeutschen Person in ihr Herkunftsland in ihr Herkunftsland ist nicht entscheidend abzustellen.

3. Es handelt sich hier um ein Menschenrecht, auf das sich deutsche und ausländische Staatsangehörige, die sich im Bundesgebiet aufhalten, gleichermaßen berufen können.

4. Ausländerrechtliche Erwägungen sind auch im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII unerheblich.

5. Sozialhilfeträger und Jobcenter verfügen über keine rechtlichen Möglichkeiten, die Ausländerbehörden zu den von ihnen als Sozialleistungsträger für sinnvoll erachteten Maßnahmen zu veranlassen und sind auch nicht dazu berechtigt, die Ausreise nichtdeutscher Personen aus dem Bundesgebiet dadurch herbeizuführen, dass das Existenzminimum dieser Menschen in Deutschland nicht mehr ausreichend gesichert wird.

7.2 – VGH Mannheim stoppt Abschiebungen

Bei einer Abschiebung nach Afghanistan wäre angesichts der aktuellen gerichtsbekannten Lage in Afghanistan sorgfältig zu prüfen gewesen, welche voraussichtliche Dauer dann eine Trennung von den Kindern als Folge der Abschiebung haben könnte. Eine solche Prüfung sei unmittelbar verfassungsrechtlich vorgegeben, was aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folge.
Dass eine solche Prüfung durch das Regierungspräsidium vorgenommen worden sein könnte, sei nicht ersichtlich. Bei dieser erforderlichen Bewertung wäre auch der Frage nachzugehen, welche Gründe dafür maßgeblich seien, die Abschiebung gerade zum jetzigen Zeitpunkt und gerade nach Afghanistan – und nicht etwa in die Türkei – durchzuführen. Gründe von hinreichendem Gewicht seien für den Senat nicht erkennbar und seien auch nicht nachvollziehbar dargelegt. Allein die Tatsache, dass der Antragsteller derzeit nicht über einen gültigen türkischen Reisepass verfüge, genüge als Rechtfertigung nicht.

Der Beschluss vom 22. Februar 2017 ist unanfechtbar (11 S 468/17).
 
Abschiebung einer suizidgefährdeten Frau nach Mazedonien gestoppt
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit einem den Beteiligten bekannt gegebenen Beschluss von heute die Abschiebung einer suizidgefährdeten Frau nach Mazedonien gestoppt. Ihr Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte Erfolg, der ablehnende Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2017 wurde vom VGH abgeändert.
Die an die mazedonischen Behörden gerichtete schriftliche Bitte sicherzustellen, dass die abzuschiebende Person nach Ankunft am Flughafen Skopje von einem Arzt in Empfang genommen werde, reiche nicht aus, wenn die deutsche Behörde auf dieses Schreiben nur eine automatisch generierte Antwort eines Servers in Mazedonien erhalte, dass „die Zustellung an diese Empfänger oder Gruppen…abgeschlossen [ist] und…vom Zielserver…keine Zustellungsbenachrichtigung gesendet [wurde]“. Denn dieses System kenne keine Vorkehrungen gegen technische Pannen oder menschliches Versagen, die dazu führen könnten, dass die Ankündigung nicht oder nur unzureichend wahrgenommen oder den Aufforderungen nachgekommen werde.

Der Beschluss vom 22. Februar 2017 ist unanfechtbar (11 S 447/17).

Quelle: www.vghmannheim.de

7.3 – VG Meiningen vom 22.02.2017 – Kein Flüchtlingsstatus für Asylbewerber aus Syrien – VG Meiningen gibt bisherige Rechtsprechung auf

Das VG Meiningen hat seine bisherige Rechtsprechung zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus bei Flüchtlingen aus Syrien aufgegeben.
Mehrere syrische Flüchtlinge, denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge „lediglich“ den sogenannten subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, wollten mit ihren Klagen die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus erreichen (sog. Aufstockungsklage).
Das VG Meiningen hat die Klagen abgewiesen.
Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen einer neuen Prognoseentscheidung, die sie auf Grundlage neuerer und auch aktuellerer Erkenntnisse getroffenen hat, zu der Einschätzung gelangt, dass die gegen eine Verfolgung syrischer Kläger sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen. Bei einer zusammenfassenden Bewertung spreche eine größere Wahrscheinlichkeit vielmehr dafür, dass syrische Kläger nicht schon allein wegen ihrer illegalen Ausreise, ihrer Asylantragstellung und ihres längeren Auslandsaufenthaltes dem realen Risiko von Misshandlung und Folter durch syrische Sicherheitskräfte ausgesetzt seien.

Quelle: Pressemitteilung des VG Meiningen Nr. 2/2017 v. 24.02.2017: www.vgme.thueringen.de

8.   Verschiedenes zu Hartz IV, Asylrecht und anderen Gesetzesbüchern

Arbeitshilfe: Ansprüche auf Leistungen der Existenzsicherung für Unionsbürger/-innen – Der Paritätische Gesamtverband

Stand: Februar 2017
Autor: Claudius Voigt, GGUA Flüchtlingshilfe / Projekt Q
Hintergrund dieser Arbeitshilfe: Gesetzesverschärfung seit 29. Dezember 2016 in Kraft

Quelle: www.docdroid.net

Vermieter muss Parabolantenne iranischer Familie dulden, ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt: sozialberatung-kiel.de

LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. August 2016 (Az.: L 2 SB 40/14):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Zur Zuordnung eines schwerbehinderten Menschen zum Personenkreis der behinderten Menschen, die einen Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ und damit auf die Gewährung der Parkerleichterung nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO) geltend machen kann.
Eine entsprechende Feststellung ist auch dann vertretbar, wenn antragstellerseitig den Regelfällen für die Zuerkennung dieses Merkzeichens (Abschnitt II Nr. 3 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO: Querschnittslähmung, Doppeloberschenkel- bzw. Doppelunterschenkelamputation etc.) nicht entsprochen wird, z. B. wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit durch die Auswirkungen des Morbus Bechterew und einer Hüftgelenkserkrankung vorliegt, was auch durch die prothetische Versorgung der rechten Hüfte funktional im Hinblick auf das Gehvermögen nicht verbesserbar ist, so dass eine Vergleichbarkeit mit einem behinderten Menschen nach doppelter Ober- bzw. Unterschenkelamputation vorliegt.
Es bedarf hier aber stets einer Gesamtwürdigung sämtlicher den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände.
Von besonderer Bedeutung ist hier, wenn sich das Gehvermögen des Antragstellers nur noch auf maximal 500 Meter beläuft und von ihm hier erhebliche Anstrengungen bei der Bewältigung dieser Wegstrecke vom ersten Schritt an zu überwunden zu werden haben.
Eine alternative Voraussetzung der beiden Merkzeichen „G“ oder „B“ als Grundvoraussetzung für das Merkzeichen „aG“ ist als vertretbar einzuschätzen. Die Voraussetzungen des Merkzeichens „G“ sind wesentlicher Bestandteil des Merkzeichens „B“, das darüber hinaus noch die ständige Begleitung im öffentlichen Personennahverkehr erfordert.

Gesundheitskarte für Geflüchtete: Vorteile für alle Beteiligten von Claudius Voigt, GGUA
Das Netzwerk der Medibüros/Medinetz für Geflüchtete(gesundheit-gefluechtete.info/) hat ein hervorragendes Argumentationspapier zur Gesundheitskarte für Geflüchtete innerhalb der ersten 15 Monate herausgegeben, das sich insbesondere mit der Frage der Kosten für die Sozialverwaltung auseinandersetzt. Die Argumente in dem Papier können vor Ort gut genutzt werden, um auf kommunaler Ebene (z. B.in NRW) die politischen Mandatsträger*innen und die Verwaltung von der Sinnhaftigkeit der Einführung einer Gesundheitskarte für Geflüchtete zu überzeugen. In NRW haben sich erst 20 Kommunen für die Gesundheitskarte entscheiden, obwohl sie nicht nur für die Geflüchteten, sondern offenkundig auch für die Verwaltung Vorteile bietet.

Hier: www.asyl-rlp.org

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de