Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz – Urteil vom 21.04.2016 – Az.: 7 A 11108/14.OVG – Teil II

Der erste Teil des Urteils vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7 A 11108/14.OVG) ist hier zu finden.

Auch wenn § 22 Abs. 1a BPolG verdachtsunabhängige Maßnahmen gestattet, handelt es sich nicht um eine voraussetzungslose Eingriffsnorm, die vollkommen willkürliches, durch kein Ziel vorgegebenes Kontrollieren ermöglichte. Der Zweck ist hinreichend klar und deutlich festgelegt. § 22 Abs. 1a BPoIG ermächtigt ausweislich des Wortlauts zu Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise. Die Norm ist ausweislich der Gesetzesbegründung darauf gerichtet, illegaler Einreise und Schleusungskriminalität nach dem Wegfall der Filterfunktion von Grenzkontrollen im Schengen-Raum durch stichprobenartige Kontrollen auf den inländischen Hauptverkehrsadern begegnen zu können (vgl. BT-Drucks. 16/4665, S. 7). Neben der eindeutigen Bestimmung von Anlass und Zweck der Norm enthält diese — soweit dies bereichsspezifisch bei einer anlasslosen Kontrollbefugnis strukturell möglich ist — auch handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale, indem die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPoIG nur in Zügen und Bahnhöfen erfolgen dürfen, bei denen aufgrund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung angenommen werden kann, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden (vgl. dazu jeweils zur Bedeutung der Lageabhängigkeit bei der sog. Schleierfahndung VerfGH Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Oktober 1999 — 2/98 —, juris, Rn. 117 ff.; SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 — Vf. 43-II-00 —, juris, Rn. 213; BayVerfGH, Entscheidung vom 7. Februar 2006 — Vf. 69-VI-04 juris, Rn. 34; a.A. HambOVG, Urteil vom 13. Mai 2015 — 4 Bf 226/12 —, juris, Rn. 53 f., zur Identitätsfeststellung).

Die den räumlichen Anwendungsbereich einschränkenden und die Verbindung zum Normzweck herstellenden Tatbestandsmerkmale der Lageerkenntnisse und der grenzpolizeilichen Erfahrung sind ihrerseits hinreichend klar und bestimmt (zur Definition vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 27; Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 32 ff.; Wehr, BPoIG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 10). Der hinreichenden Bestimmtheit steht insbesondere nicht entgegen, dass Lageerkenntnisse und grenzpolizeiliche Erfahrungen auslegungs- und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe sind, die neben einer Anknüpfung an Tatsachen vor allem auch Wertungen und Einschätzungen enthalten. Der hiergegen erhobene Einwand, die Polizei bestimme die näheren Voraussetzungen des Eingriffs selbst und führe das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen selbst herbei (vgl. HambOVG, Urteil vom 13. Mai 2015 — 4 Bf 226/12 —, juris, Rn. 53 f., zur Identitätsfeststellung), greift nicht durch. Die konkrete Eingriffsschwelle hat der Gesetzgeber festgelegt, indem er zum einen eine grundsätzlich anlasslose Kontrolle vorgesehen und zum anderen den räumlichen Anwendungsbereich lageabhängig begrenzt hat. Die gesetzgeberseits formulierte Begrenzung wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff auf Tatbestandsseite durch den Normanwender — hier die Bundespolizei — auszufüllen ist und neben Anknüpfungstatsachen auch Wertungen und Prognosen einfließen. Hierin unterscheiden sich Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrung nicht von dem in seiner Bestimmtheit nicht anzuzweifelnden Gefahrenbegriff, der ebenfalls — gestützt auf eine Tatsachenbasis — eine (subjektive) Einschätzung über einen zukünftigen Geschehensablauf enthält (vgl. Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, D Rn. 46 f.).

Davon zu trennen ist die Frage nach der gerichtlichen Kontrolle. Als unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen die Lageerkenntnisse und die grenzpolizeiliche Erfahrung der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPoIG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 34; Müller-Terpitz, DÖV 1999, 329 [336]). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Verwaltung hier einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative einräumen wollte, sind — unabhängig davon, ob hierfür eine sachliche Rechtfertigung bestünde — nicht vorhanden. Durch die gerichtliche Kontrolle wird gewährleistet, dass der Normanwender den gesetzlich gesetzten Rahmen nicht verlassen und sich eben nicht die Eingriffsvoraussetzungen selbst schaffen kann. Dass eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle aufgrund der einfließenden Einschätzungen inhaltslos wäre (so HambOVG, Urteil. vom 13. Mai 2015 — 4 Bf 226/12 —, juris, Rn. 54., zur Identitätsfeststellung), ist nicht ersichtlich. Insoweit ist es allerdings erforderlich, dass die Bewertungen und Tatsachen oder tatsächlichen Anhaltspunkte, auf denen die Lageerkenntnisse oder die grenzpolizeiliche Erfahrung beruhen, entsprechend dokumentiert und einer inhaltlichen Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind (vgl. dazu SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 — Vf. 43-II-00 —, juris, Rn. 221 f.). Welche Anforderungen an die Dokumentation zu stellen sind, ist indes eine Frage des Einzelfalls. Mit Blick auf den Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung genügt es jedenfalls, wenn sich die Bundespolizei zu vorhandenen Lageerkenntnissen auf die von ihr erarbeiteten Lageberichte beziehen kann und die den Lageberichten zugrundeliegende Tatsachen- und Prognosebasis — wenn im konkreten Verfahren erforderlich — dargelegt und damit einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann.

Schließlich ist auch die Formulierung „zur unerlaubten Einreise genutzt” trotz ihrer Auslegungsfähigkeit einer die Grenzen der Normanwendung hinreichend bestimmenden Auslegung zugänglich. Es ist in erster Linie Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären und Auslegungsprobleme mit den herkömmlichen Mitteln juristischer Methode zu bewältigen. Dem ist der Senat mit seiner Auslegung nachgekommen.

dd. Weiterhin ist § 22 Abs. 1a BPoIG auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass das Gesetz einem legitimen Zweck dient, hierzu geeignet und erforderlich ist, und dass es zwischen der Schwere der grundrechtlichen Beeinträchtigung und der Bedeutung des legitimen Zwecks einen angemessenen Ausgleich schafft.

Die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPoIG dienen einem legitimen Ziel. Die Norm selbst benennt als Zweck die Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise. Über den Wortlaut hinausgehendes (legitimes) Ziel ist es auch, der Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit der unerlaubten Einweise — insbesondere auch begünstigt durch banden- und/oder gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern — entgegenzutreten (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPoIG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 18).

Die Maßnahmen sind auch geeignet. Die Eignung wird insbesondere nicht dadurch in Frage gestellt, dass bei den in den Jahren 2013 bis 2015 durchgeführten Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPoIG im Inland (Züge und Bahnhöfe) und auf Flughäfen lediglich in gerundet 0,3 % (2013), 1,1 % (2014) und 4,4 % (2015) der Kontrollen Feststellungen zu unerlaubter Einreise getroffen werden konnten und bezogen auf die Kontrollen allein im Inland in den Jahren 2013 und 2014 sogar nur Trefferquoten von unter 1 Promille vorliegen (vgl. dazu BTDrucks. 18/4149, S. 4 ff. [zu 2013 und 2014] und BT-Drucks. 18/8037, S. 5 f. [zu 2015]). Denn zum einen ist ein Gesetz bereits geeignet, wenn die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung besteht, die zugelassenen Maßnahmen also nicht von vornherein untauglich sind, sondern dem gewünschten Erfolg förderlich sein können (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 — 1 BvR 2226/94, u.a. —, BVerfGE 100, 313 [373] = juris, Rn. 214). Zum anderen durfte der Gesetzgeber im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative zur Eignung der Maßnahmen auch die generalpräventiven Wirkungen der Befugnisnorm einbeziehen, die sich gerade nicht in konkreten Treffern abbilden lassen (vgl. dazu SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 — Vf. 43-II-00 juris, Rn. 226, zur Schleierfahndung; siehe auch BT-Drucks. 15/1861, S. 6).

Die gesetzliche Regelung ist auch erforderlich. Hieran fehlt es nur, wenn ein anderes, gleich wirksames, aber die Grundrechte eindeutig weniger stark einschränkendes Mittel zur Verfügung steht (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 — 1 BvR 2226/94, u.a. —, BVerfGE 100, 313 [375] = juris, Rn. 219). Als milderes Mittel scheiden Maßnahmen mit einer geringeren Streubreite aus, weil durch eine erhöhte Eingriffsschwelle zwar ein kleinerer Adressatenkreis betroffen wäre, jedoch die generalpräventive Wirkung des § 22 Abs. 1a BPoIG gerade auch auf stichprobenartigen Kontrollen eines weiten Adressatenkreises beruht (vgl. auch SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 — Vf. 43-II-00 juris, Rn. 227, zur Schleierfahndung). Hinzu kommt, dass unter den europarechtlichen Rahmenbedingungen, die systematische Kontrollen an Schengen-Binnengrenzen ausschließen (vgl. Art. 20, Art. 21 Schengener Grenzkodex), ein geeigneter Kontrollraum zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise durch Stichproben nach nicht zu beanstandender Einschätzung des Gesetzgebers nicht auf das unmittelbare Grenzgebiet beschränkt werden soll (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 28. März 2003 — Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00 juris, Rn. 111).

§ 22 Abs. 1a BPoIG ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den legitimen Gemeinwohlzwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Ausgehend von der — wie dargelegt — geringen Eingriffsintensität der Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPoIG ist die niedrige Eingriffsschwelle und die damit verbundene Streubreite der Maßnahmen unschädlich. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Maßnahmen als Element des Grenzschutzes dem Schutz bedeutsamer Güter dienen, deren Verletzung strafbewehrt ist, wobei nicht allein die unerlaubte Einreise selbst (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG), sondern auch die teilweise mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren versehene Schleuserkriminalität (§ 96 AufenthG) als Begleiterscheinung der unerlaubten Einreise einzubeziehen ist (vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 28. März 2003 — Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00 juris, Rn. 118). Hinzu kommt, dass der Schutz der genannten Güter gerade auch durch die generalpräventive Wirkung der damit auf eine gewisse Streubreite angelegten Maßnahmen erreicht wird. Des Weiteren sind die Befugnisse nach § 22 Abs. 1a BPoIG hinsichtlich der herangezogenen Person zwar anlasslos; durch die räumliche Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Züge und Bahnhöfe, bei denen aufgrund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung die Annahme besteht, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, oder auf Flughäfen mit grenzüberschreitendem Verkehr werden jedoch nur Personen betroffen, die — örtlich betrachtet — in einer gewissen Nähe Beziehung zu den mit § 22 Abs. 1a BPolG verfolgten Gemeinwohlzwecken stehen. Bei einer abwägenden Gegenüberstellung der geringfügigen Grundrechtsbeeinträchtigung und des damit verfolgten präventiven Gefahrenschutzes ist die Vorschrift nicht zu beanstanden.

c. § 22 Abs. 1a BPolG ist mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Die Art. 20 und 21 Schengener Grenzkodex stehen der Anwendung des § 22 Abs. 1a BPolG nicht entgegen. Bei den Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPoIG handelt es sich — da sie nicht an der Grenze oder bei Grenzübertritt erfolgen — um Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets nach Art. 21 Schengener Grenzkodex (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 — Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] juris, Rn. 68; Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] -, juris, Rn. 55 f.), die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 21 lit. a Schengener Grenzkodex zulässig sind.

aa. Nach Art. 21 lit. a Satz 1 Schengener Grenzkodex berührt die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen (vgl. Art. 20 Schengener Grenzkodex) nicht die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 — Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] juris, Rn. 69).

Nach Satz 2 der Vorschrift darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen (i.) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben; (ii.) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen; in einer Weise konzipiert sind , und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet; (iv.) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden. Mithin ist unter den in Art. 21 lit. a Satz 2 i) bis iv) Schengener Grenzkodex alternativ (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] -, juris, Rn. 59) aufgezählten Situationen anzunehmen, dass die Maßnahmen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzkontrollen haben und dementsprechend nach Art. 21 lit. a Satz 1 Schengener Grenzkodex zulässig sind.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs genügt es indes nicht, wenn die Kontrollen im Tatsächlichen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzkontrollen haben, weil sie beispielsweise — wie dies für die Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPolG nicht in Abrede gestellt werden kann — nur stichprobenartig durchgeführt werden. Vielmehr verlangt die Rechtsprechung eine normative Einschränkung der Kontrollbefugnisse, um zu gewährleisten, dass diese nicht die gleiche Wirkung wie nach Art. 20 Schengener Grenzkodex unzulässige Grenzkontrollen haben können (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 — Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] -, juris, Rn. 73 f.; Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil]—, juris, Rn. 68). In diesem Zusammenhang gilt, dass die normativen Einschränkungen der Kontrollbefugnisse umso genauer sein müssen, je zahlreicher die Indizien für eine mögliche, einer Grenzkontrolle gleichkommende Wirkung sind (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] juris, Rn. 75).

bb. Nach diesen Maßstäben begründet § 22 Abs. 1a BPoIG Befugnisse, die im Sinne des Art. 21 lit. a Schengener Grenzkodex nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Dies ist auch normativ hinreichend abgesichert (a.A. wohl VG Stuttgart, Urteil vom 22. Oktober 2015 — 1 K 5060/13 —, juris, Rn. 33, allerdings ohne weitergehende Begründung zu den Unterschieden zu dem dort inhaltlich an sich geprüften § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG).

Zunächst ist festzustellen, dass nur wenige Indizien für eine einer Grenzkontrolle gleichkommenden Wirkung sprechen. Die Kontrollbefugnisse nach § 22 Abs. 1a BPolG sind einerseits — auch wenn dies, wie sich aus Art. 21 lit.a Satz 1, 2. Halbs. Schengener Grenzkodex ergibt, grundsätzlich zulässig wäre — nicht auf das Grenzgebiet beschränkt, berechtigen jedoch andererseits auch nicht zu flächendeckenden Kontrollen im Grenzgebiet. Soweit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Sonderregelung für den räumlichen Geltungsbereich als Indiz für das Vorliegen einer gleichen Wirkung im Sinne des Art. 21 lit. a Satz 1 Schengener Grenzkodex herangezogen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 — Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] juris, Rn. 72; Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] juris, Rn. 70), darf also in Bezug auf § 22 Abs. 1a BPoIG nicht außer Acht gelassen werden, dass er aufgrund des eigeschränkten räumlichen Anwendungsbereichs strukturell gar nicht in der Lage ist, die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen zu begründen. Die Einrichtung einer sogenannten „zweiten Kontrolllinie” ist beispielsweise nicht möglich, weil nur ausgewählte Verkehrsmittel und -wege erfasst werden. Mithin ist § 22 Abs. 1a BPoIG im Sinne des Art. 21 lit. a Satz 2 iii) Schengener Grenzkodex in einer Weise konzipiert und wird auch tatsächlich in einer Art angewendet, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an der Außengrenzen unterscheidet.

In Bezug auf Kontrollen in Zügen und Bahnhöfen kommt hinzu, dass dort nur lageabhängig Befragungen durchgeführt werden dürfen. In diesem Bereich erfolgen die Kontrollen also in Anlehnung an Art. 21 lit. a Satz 2 ii) Schengener Grenzkodex, demzufolge polizeiliche Maßnahmen nicht Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden dürfen, wenn sie auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] juris, Rn. 72). Die Verpflichtung, sich für die Kontrollen auf solche Informationen und Erfahrungen zu stützen, trägt weiterhin wesentlich zur Selektivität der durchgeführten Kontrollen — in Abgrenzung zu allgemeinen Grenzkontrollen — bei (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] juris, Rn. 78).

Tatsächlich werden die Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPoIG nur stichprobenartig durchgeführt (vgl. dazu auch BT-Drucks. 16/4665, S. 7: „Aufdeckung in Form von Stichproben“), so dass bei indizieller Betrachtung die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPoIG auch unter diesem Gesichtspunkt gemäß Art. 21 lit. a Satz 2 iv) Schengener Grenzkodex nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben.

Einzig im Bereich der Zielrichtung ist angesichts des Normzwecks des § 22 Abs. 1a BPoIG, der der Verhinderung und Unterbindung der unerlaubten Einreise dient, die ein Indiz begründende Nähe zu Grenzübertrittskontrollen gegeben, durch die nach Art. 2 Nr. 9 bis Nr. 11 Schengener Grenzkodex zum einen festgestellt werden soll, ob die betreffenden Personen in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ausreisen dürfen, und zum anderen vermieden werden soll, dass Personen die Grenzübertrittskontrollen umgehen (vgl. Urteil vom 22. Juni 2010 — Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] juris, Rn. 71). Berücksichtigt man jedoch, dass Grenzkontrollen bzw. Grenzübertrittskontrollen im Sinne des Schengener Grenzkodexes — soweit sie zulässig sind — darauf ausgerichtet sind, jede Person einer Mindestkontrolle zu unterziehen (vgl. Art. 7 Abs. 2 Schengener Grenzkodex), demgegenüber die Zielrichtung des § 22 Abs. 1a BPoIG ausweislich der Gesetzesbegründung darauf ausgerichtet ist, durch „eine Aufdeckung […] in Form von Stichproben […] illegaler Einreise und Schleusungskriminalität ohne die Filterfunktion der Grenzkontrollen überhaupt noch begegnen zu können” (vgl. BT-Drucks. 16/4665, S. 7), bestätigt auch dies, dass mit § 22 Abs. 1a BPoIG nicht das Ziel verfolgt wird, Grenzkontrollen durchzuführen.

Bestehen demnach nur geringfügige Indizien, die für eine mögliche, einer Grenzkontrolle gleichkommende Wirkung sprechen, sind die Anforderungen an eine normative Absicherung nicht besonders streng, weil letztlich die Verwirklichung des Ziels der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen nicht allzu gefährdet ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] juris, Rn. 75). Den hiernach zu stellenden normativen Anforderungen, die verhindern, dass gestützt auf § 22 Abs. 1a BPoIG Befugnisse ausgeübt werden, die die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben, wird die Vorschrift gerecht.

Ausgehend davon, dass gemäß Art. 21 lit. a Satz 2 Schengener Grenzkodex die Ausübung polizeilicher Befugnisse insbesondere dann nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden darf, wenn „eine oder mehrere der dort aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind” (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] juris, Rn. 59), muss es den Anforderungen an eine normative Absicherung folglich genügen, wenn diese für ein oder mehrere der dort aufgeführten Voraussetzungen festgestellt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es spiegelbildlich unschädlich, wenn einzelne der in Art. 21 lit. a Satz 2 Schengener Grenzkodex genannten Voraussetzungen, die — wie hier — im Tatsächlichen vorliegen und dementsprechend bei der Indizien gestützten Prüfung der Gefährdungssituation für das Ziel des Art. 20 Schengener Grenzkodex einzubeziehen sind, normativ nicht abgesichert sind. Dies gilt hier in Bezug auf Art. 21 lit. a Satz 2 i) und iv) Schengener Grenzkodex, da ausweislich der Gesetzesbegründung und der tatsächlichen Ausübung der Kontrollbefugnisse, diese zwar keine Grenzkontrollen zum Ziel haben (Art. 21 lit. a Satz 2 i) Schengener Grenzkodex) und auch nur, auf Grundlage von Stichproben durchgeführt werden, entsprechende Beschränkungen jedoch gesetzlich nicht fixiert sind.

Hinreichend gesetzlich geregelt ist demgegenüber der räumliche Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1a BPolG, der — wie dargelegt — bereits einer systematischen Kontrolltätigkeit entgegensteht und damit die Befugnisse auf ein Maß beschränkt, das sich im Sinne des Art. 21, lit. a Satz 2 iii) Schengener Grenzkodex eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen (vgl. dazu Art. 7 Abs. 2 Schengener Grenzkodex) unterscheidet. Ebenfalls normativ abgesichert ist bei Kontrollen in Zügen und Bahnhöfen, dass diese nur lageabhängig durchgeführt werden dürfen, mithin auch die Voraussetzungen in Anlehnung an Art. 21 lit. a Satz 2 ii) Schengener Grenzkodex Niederschlag im Gesetz gefunden haben. Soweit es bei der normativen Absicherung (auch) darum geht, sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestattete Kontrollmaßnahme selbst einer Kontrolle zu unterziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 — Rs. C-278/12 [Adil] juris, Rn. 76), ist dies angesichts der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung gewährleistet, die sich auf die Lageabhängigkeit ebenso erstreckt (siehe oben) wie auf den — zum Teil damit in Zusammenhang stehenden — räumlichen Anwendungsbereich.

3. Während nach alledem die Norm des § 22 Abs. 1a BPolG rechtlich nicht zu beanstanden ist, ist ihre Anwendung vorliegend indes rechtswidrig. Dabei sieht der Senat von einer weiteren Beweiserhebung zum Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen — insbesondere zu den entsprechenden Lageerkenntnissen oder der grenzpolizeilichen Erfahrung — ab (a.), weil die Normanwendung jedenfalls hinsichtlich der Auswahl der Kläger als zu kontrollierende Personen nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebung als ermessensfehlerhaft anzusehen ist (b). Daraus folgend ist auch der Datenabgleich nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPoIG rechtswidrig (c.).

a. Wie bereits im Zusammenhang mit dem räumlichen Anwendungsbereich der Norm ausgeführt, stellt § 22 Abs. 1a BPoIG nicht auf den einzelnen, selbst die Grenze überfahrenden Zug ab, sondern auf eine konkrete Bahnstrecke mit den auf ihr verkehrenden Zügen und den an ihr gelegenen Bahnhöfen. Mithin haben sich auch die entsprechenden Lageerkenntnisse und die grenzpolizeiliche Erfahrung auf die konkrete Bahnstrecke zu beziehen.

Die Begriffe „Lageerkenntnisse“ und „grenzpolizeiliche Erfahrung“ sind gesetzlich nicht definiert. Unter Lageerkenntnissen lassen sich — als Bausteine der polizeilichen Lagebilder, die ihrerseits eine systematisch verdichtete Beschreibung von polizeilich relevanten Daten und Fakten zu einem bestimmten Bereich und zu einer bestimmten Zeit darstellen — jegliche polizeilichen Informationen fassen, die in Hinblick auf den jeweiligen polizeilichen Zweck relevant sind (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPoIG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 27; Wehr, BPoIG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 10). Der Begriff der grenzpolizeilichen Erfahrung nimmt Bezug auf sich wiederholende, polizeilich relevante Vorgänge aus der Vergangenheit, aus denen gestützt auf Erfahrungswerte Folgerungen für das Vorliegen einer abstrakten Gefahr — hier: die Nutzung zur unerlaubten Einreise — gezogen werden (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPoIG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 27; Wehr, BPoIG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 10; vgl. auch Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPoIG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 34, Nähe zum „Gefahrenverdacht”).

Als unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen die Lageerkenntnisse und die grenzpolizeiliche Erfahrung — wie bereits ausgeführt — der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPoIG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 34; Müller-Terpitz, DÖV 1999, 329 [336]). Dies setzt gleichzeitig voraus, dass die Bewertungen und Tatsachen oder tatsächlichen Anhaltspunkte, auf denen die Lageerkenntnisse oder die grenzpolizeilichen Erfahrungen beruhen, in einer die inhaltliche Kontrolle ermöglichenden Weise belegt werden können (vgl. dazu SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 — Vf. 43-II-00 juris, Rn. 221 f.). Mit Blick auf den Vortrag der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung genügt es hierzu grundsätzlich, wenn sich die Bundespolizei bezüglich der Lageerkenntnisse auf die von ihr erarbeiteten Lageberichte beziehen kann sowie die den Lageberichten zugrundeliegende Tatsachen- und Prognosebasis darlegt und sie damit einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann. In diesem Zusammenhang haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zum einen plausibel und nachvollziehbar geschildert, wie die im Verfahren konkret vorgelegten Lagebilder erarbeitet worden seien, und zum anderen auch ausgeführt, dass das für die Lagebilder ausgewertete Datenmaterial zwar nicht im Lagebericht selbst benannt, eine entsprechende Rückführbarkeit auf die Datengrundlage jedoch möglich sei, da sämtliche Feststellungen lückenlos festgehalten würden.

Ausgehend davon liegt es unter Berücksichtigung des Lagebildes für den operativen Dienst — Fahndung im Grenzgebiet, auf dem Gebiet der Bahnanlagen und dem Verkehrsflughafen Hahn — der Bundespolizeidirektion Trier (3. Quartal 2013) zwar nahe, gestützt auf Lageerkenntnisse für die im vorliegenden Verfahren betroffene Strecke zwischen Mainz und Koblenz als Teil der sogenannten Rheinschiene anzunehmen, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt wird. Denn dort wird zum einen unter Ziffer 4.1.1 ausgeführt, dass außerhalb des Grenzgebiets unerlaubt eingereiste und unerlaubt aufhältige Personen überwiegend auf der Rheinschiene und dem Umsteigebahnhof Koblenz festgestellt würden. Zum anderen wird unter Ziffer 7.2.2 eine ortsspezifische Handlungsanweisung zu § 22 Abs. 1a BPolG gegeben und als Brennpunkt im Bereich Koblenz die linke und rechte Rheinstrecke benannt, welche Direktverbindungen sowohl ins Rhein-Main-Gebiet als auch in die Ballungszentren des Ruhrgebiets und in die westeuropäischen Nachbarstaaten darstellten. Allerdings konnte eine weitergehende gerichtliche Prüfung nicht vorgenommen werden, weil die Beklagte das den oben genannten Auswertungsergebnissen und Folgerungen zugrunde gelegte Datenmaterial nicht weiter konkretisiert hat und die Kläger in Abrede gestellt haben, dass eine entsprechend belastbare Datengrundlage vorhanden ist.

Mangels Entscheidungserheblichkeit sieht der Senat davon ab, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären. Die Aufklärungspflicht verlangt nicht, dass das Gericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil es auf ihr Ergebnis nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankommt (vgl. BVerwG Urteil vom 24. Oktober 1984 — 6 C 49.84 —, BVerwGE 70, 216 [221 f.] = juris, Rn. 16; Beschluss vom 22. März 2010 — 2 B 6.10 —, juris, Rn. 6). Hier kommt es nicht darauf an, ob der Senat sich vom Vorliegen des allein in Streit stehenden Tatbestandsmerkmals der Lageerkenntnisse oder grenzpolizeilicher Erfahrung eine Überzeugung bilden kann, weil die angegriffenen Maßnahmen auch dann, wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, dass die von ihr herangezogenen Lagebilder plausibilisiert ; konkretisiert und belegt worden wären, aufgrund einer als ermessenfehlerhaft zu behandelnden Auswahl der zu kontrollierenden Personen rechtswidrig gewesen sind (dazu b. und c.).

b. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stellt sich die auf § 22 Abs. 1a BPoIG gestützte Kontrolle der Kläger als ermessensfehlerhaft dar, weil der Senat hiernach nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass die Hautfarbe der Kläger nicht .zumindest ein mitentscheidendes Kriterium für ihre Kontrolle gewesen ist.

aa. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Art. 3 Abs. 3 GG konkretisiert- – ebenso wie Absatz 2 — den allgemeinen Gleichheitssatz und setzt , damit der dort eingeräumten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers feste Grenzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 1967 — 2 BvL 3/62 —, BVerfGE 21, 329 [343] = juris, Rn. 32; Urteil vom 28. Januar 1992 — 1 BvR 1025/82, u.a. —, BVerfGE 85, 191 [206] = juris, Rn. 52; Beschluss vom 18. Juni 2008 — 2 BvL 6/07 —, BVerfGE 121, 241 [254] = juris, Rn. 48; stRspr). Die in Absatz 3 genannten Merkmale dürfen nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt (vgl. nur BVerfG Urteil vom 28. Januar 1992 — 1 BvR 1025/82, u.a. —, BVerfGE 85, 191 [206] = juris, Rn. 52; Beschluss vom 18. Juni 2008 — 2 BvL 6/07 —, BVerfGE 121, 241 [254] = juris, Rn. 48; stRspr).

Der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich — vor allem auch hinsichtlich der verwendeten Begrifflichkeiten — keine eindeutige Linie entnehmen, unter welchen qualitativen Voraussetzungen eine verbotene Diskriminierung „wegen“ der dort genannten Merkmale angenommen wird (zum Streitstand vgl. Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 119 ff. m.w.N.). Unabhängig von der Bezeichnung bezieht sich eine unzulässige Anknüpfung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG („wegen”) letztlich auf die Frage eines Ursachenzusammenhangs. Mithin kommt es jedenfalls im Bereich der Normanwendung darauf an, ob eine (plausible) Begründung der Ungleichbehandlung ohne Rückgriff auf ein Merkmal nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfolgt.

Eine rechtfertigungsbedürftige Diskriminierung liegt also nach Art. 3 Abs. 3 GG bereits vor, wenn eine Ungleichbehandlung an ein dort genanntes Merkmal in diesem Sinne kausal anknüpft; ob daneben auch andere Gründe in einem Motivbündel maßgeblich waren, ist dann unerheblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. November 1993 — 1 BvR 258/86 —, BVerfGE 89, 276 [288 f.] = juris, Rn. 49).

Mithin handelt es sich nicht erst um einen Eingriff in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, wenn die Ungleichbehandlung ausschließlich oder ausschlaggebend an eines der dort genannten Merkmale anknüpft (vgl. OVG RP, Urteil vom 27. März 2014 — 7 A 10993/13.OVG juris, Rn. 36, „allein aufgrund der Hautfarbe”; OVG RP in der mündlichen Verhandlung in dem für erledigt erklärten Verfahren 7 A 10532/12.OVG, Pressemitteilung 30/2012 vom 30. Oktober 2012, „ausschlaggebendes Kriterium”; zum Diskriminierungsverbot nach Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention vgl. auch EGMR, Entscheidung vom 13. Dezember 2005 — Nr. 55762/00, u.a., Timishev/Russland Rn. 58, „exclusively or to a decisive extent” [abrufbar unter: www.hudoc.echr.coe.int]; Urteil vom 13. November 2007 — Nr. 57325/00, D.H. u.a/Tschechien Rn. 176, „ausschließlich oder wesentlich” NVwZ 2008, 533 [534]), sondern bereits dann, wenn bei einem Motivbündel ein unzulässiges Differenzierungsmerkmal ein tragendes Kriterium unter mehreren gewesen ist. Eine verdachtsunabhängige Kontrolle nach § 22 Abs. 1a BPoIG in Anknüpfung an die Hautfarbe ist unzulässig.

bb. Nach diesen Maßstäben liegt ein Eingriff in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vor, da der Senat nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht die hinreichende Überzeugung gewinnen konnte, dass die Hautfarbe der Kläger, die von dem Merkmal der Rasse in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfasst wird (vgl. nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 122), für ihre Kontrolle nicht doch mitentscheidend gewesen ist. Dies geht in der vorliegenden zur Entscheidung stehenden Konstellation zulasten der Beklagten.

(1) Entgegen dem Vorbringen der Kläger folgt aus § 3 Abs. 3 Satz 1 GG keine prozessuale Beweislastumkehr. Die Beklagte muss, wenn sie gestützt auf § 22 Abs. 1a BPoIG Personen kontrolliert, grundsätzlich nicht darlegen und beweisen, dass ein Merkmal nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG für die Auswahl nicht ein mittragendes bzw. mitentscheidendes Kriterium gewesen ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 22 Abs. 1a BPoIG dazu ermächtigt, im Rahmen des Normzwecks und des räumlichen Anwendungsbereichs jedermann einer anlasslosen Kontrolle zu unterziehen. Mit Blick auf die in erster Linie generalpräventive Wirkung des § 22 Abs. 1a BPoIG (dazu bereits oben) bedarf es insbesondere zur Wahrung des Normzwecks gerade keiner unterhalb einer Verdachts- oder Gefahrenschwelle liegenden Vorauswahl der zu kontrollierenden Personen. Werden solche Jedermann-Kontrollen — beispielsweise allein nach dem Zufallsprinzip — durchgeführt und dabei auch Personen kontrolliert, die ein besonders geschütztes Merkmal im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufweisen, besteht keine Beweis- und Begründungslast dafür, dass der Auswahlentscheidung keine unzulässige Anknüpfung an eines der dort genannten Differenzierungsmerkmale zugrunde gelegen hat. Zu beachten ist allerdings, dass die gerichtliche Kontrolle sich in dieser Konstellation auch darauf zu beziehen hat, ob tatsächlich solche Jedermann-Kontrollen durchgeführt wurden.

(2) Eine andere Ausgangssituation ergibt sich, wenn den Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPoIG eine Vorauswahl der zu kontrollierenden Personen zugrunde gelegt wird, weil bei diesen — immer noch unterhalb einer konkreten Verdachts oder Gefahrenschwelle — eine zwar unspezifische, aber gesteigerte Nähe zum Normzweck (Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreise) angenommen wird. Eine solche zielgerichtete Auswahl setzt eine schlüssige, die Auswahlentscheidung tragende Begründung voraus, die ihrerseits nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen darf. Kommt es bei einer solchen zielgerichteten Auswahl zu einer Kontrolle von Personen, die ein besonders geschütztes Merkmal im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufweisen, trägt die Beklagte ebenfalls keine generelle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Auswahlentscheidung nicht auf einer unzulässigen Anknüpfung an eines der dort genannten Differenzierungsmerkmale beruht.

Allerdings gilt etwas anderes, wenn die eine zielgerichtete Auswahlentscheidung tragende Begründung sich als nicht belastbar bzw. nicht nachvollziehbar erweist. Bei Ermessensentscheidungen kommt es nämlich darauf an, dass die Entscheidungsfindung sich unbeeinflusst von Fehlern vollzieht, da sich allein am Entscheidungsergebnis — hier bezogen auf die konkrete Auswahlentscheidung — die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit regelmäßig nicht feststellen lässt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. September 1984 — 7 C 80/82 —, juris, Rn. 29). Berücksichtigt man weiter, dass die Fehlerfreiheit der Entscheidungsfindung die Fehlerfreiheit des Entscheidungsergebnisses gewährleisten soll, kann nicht der Betroffene die Beweislast dafür tragen, dass festgestellte Fehler in der Entscheidungsfindung auch das Entscheidungsergebnis beeinflusst haben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. September 1984 — 7 C 80/82 —, juris, Rn. 29). Mithin obliegt es in diesem Fall der Behörde, trotz eines Fehlers in der Entscheidungsfindung die Rechtmäßigkeit des Entscheidungsergebnisses zu beweisen.

Übertragen auf die Kontrolle nach § 22 Abs. 1a BPolG folgt daraus, dass bei einer zielgerichteten Auswahlentscheidung, deren tragende Begründung (Entscheidungsfindung) sich bei gerichtlicher Kontrolle als fehlerhaft bzw. als zumindest nicht schlüssig erweist, die Behörde die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung (Entscheidungsergebnis) darlegen und gegebenenfalls auch beweisen muss. Bestehen also in dieser Situation Anhaltspunkte dafür, dass ein besonders geschütztes Merkmal im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als zumindest mitentscheidender Anknüpfungspunkt herangezogen worden sein könnte, trägt die Behörde letztlich auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstoßende Auswahlentscheidung getroffen wurde.

(3) Ausgehend davon stellt sich die auf § 22 Abs. 1a BPoIG gestützte Kontrolle der Kläger als ermessensfehlerhaft dar, weil sich die für die Auswahlentscheidung seitens der Beklagten vorgetragene Begründung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als nicht schlüssig darstellt. Die genaue Motivlage der die Kläger kontrollierenden Bundespolizeibeamten ließ sich auch im Rahmen der umfangreichen Beweisaufnahme nicht feststellen. Der Senat konnte nicht die hinreichende Überzeugung gewinnen, dass die Hautfarbe der Kläger nicht zumindest ein mitentscheidendes Kriterium für ihre Kontrolle gewesen ist.

(a) Der die Kontrolle durchführende Bundespolizeibeamte, der Zeuge xxx, begründete im Verfahren die Entscheidung, die Kläger gestützt auf § 22 Abs. 1a BPoIG anzusprechen, die Ausweise zu kontrollieren und im Anschluss daran einen Datenabgleich durchzuführen, mit dem Gesamtbild und schloss eine Auswahlentscheidung wegen der Hautfarbe aus.

Er habe sich noch im Einstiegsbereich stehend einen Überblick über den Waggon verschafft. Dabei sei ihm die Familie der Kläger aufgefallen, die direkt vor ihm in der ersten Vierer-Sitzgruppe auf der rechten Seite gesessen habe. Im Einstiegsbereich sei ihm weiter nichts aufgefallen, insbesondere kein Gepäck. Erst als er bei der Familie der Kläger gestanden habe, seien ihm Plastiktüten und eine Handtasche aufgefallen. Er schätze, dass es zwei bis drei Plastiktüten gewesen seien. An Beschriftungen der Tüten könne er sich nicht erinnern. Schon im Einstiegsbereich habe er gehört, dass sich die Kläger in sehr gutem Englisch unterhalten hätten. Er habe sie ansprechen wollen, weil er sich Gewissheit darüber habe verschaffen wollen, ob es sich um Touristen oder Militärangehörige handelte. Diese Entscheidung habe er bereits im Eingangsbereich getroffen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 9). Sofern zu dem Gesamtbild, das er beschrieben habe, auch die gute Kleidung gehöre, könne gerade eine solche Kleidung ein Anhaltspunkt für das Bemühen sein, möglichst bei der illegalen Einreise und Durchreise nicht aufzufallen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 11). Die Rheinstrecke von Mainz nach Koblenz und weiterführend Richtung Norden werde sehr oft genutzt von Leuten, die durch Deutschland durchreisen wollten, um anderswo illegal einzureisen, meistens nach Skandinavien. Die Leute seien häufig gut gekleidet, hätten Plastiktüten dabei und leichtes Gepäck (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 9). Er könne für sich hundertprozentig persönlich ausschließen, dass er die Kläger wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert habe (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 11). Er sei sich ganz sicher, das Gespräch mit der Frage nach dem Reiseweg begonnen zu haben, und zwar in englischer Sprache. Der Kläger habe ihm zunächst in Englisch geantwortet, habe aber dann zur deutschen Sprache gewechselt. Er habe dem Kläger zu verstehen gegeben, dass ihm das die Sache wirklich erleichtere (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 10f.).

Während der Zeuge xxx im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahmen vom 5. und 11. Januar 2015 noch angegeben hatte, der Kläger habe ihm zwei deutsche Reisepässe übergeben, und er es als auffällig empfunden habe, dass diese bei einer Inlandsfahrt mitgeführt würden, sagte er in den mündlichen Verhandlungen aus, die Kläger hätten sich mit Personalausweisen ausgewiesen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 9 und vom 21. April 2016, S. 10). Da allein der Kläger das Gespräch geführt und ihm auch den Personalausweis der Klägerin gegeben habe, habe er aufgrund des Gesamtbildes einen Datenabgleich durchgeführt (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 9). Ihm sei auch das Verhältnis der Personen untereinander nicht klar gewesen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 10). Durch den Datenabgleich habe er klären wollen, ob die Personalausweise als gestohlen gemeldet oder schon einmal mit Schleuserkriminalität in Erscheinung getreten seien (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 10). Im Rahmen des Gesamtbildes bei der Kontrolle habe er schon den Verdacht gehabt, dass sich die Familie der Kläger hier illegal aufhalten bzw. illegal durchreisen, könnte (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 11 f.).

(b) Diese zur Begründung der Auswahlentscheidung vorgetragenen Umstände sind jedenfalls teilweise nicht verständlich und nicht nachvollziehbar.

Im Ausgangspunkt ist es nicht zu beanstanden, dass der Zeuge auf die Kläger aufgrund ihrer in flüssiger englischer Sprache geführten Unterhaltung aufmerksam geworden ist. Zwar wird auch die Sprache in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als unzulässiges Anknüpfungsmerkmal benannt. Die Aufnahme der Sprache in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zielt allerdings darauf, jegliche sprachliche Minderheit gegen Diskriminierung zu schützen und hierdurch den Gebrauch der Muttersprache sowie die Nutzung eigener kultureller Einrichtungen zu gewährleisten (vgl. Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 129; Stark, in: v.Mangoldt/Klein/Stark, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Abs. 3 Rn. 389; Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 03/2016, Art. 3 Rn. 228). In dieser geschützten Funktion wird die Sprache jedoch nicht betroffen, wenn sie lediglich unter Berücksichtigung ihres indiziellen Aussagegehalts — die Sprache ist eben auch Ausdruck einer nationalen Identität — als ein die Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit stützendes bzw. förderndes Element herangezogen wird.

Soweit sich danach die bereits im Eingangsbereich getroffene Entscheidung, die Kläger anzusprechen, zunächst noch als schlüssig erweist, vermag das von dem Zeugen geschilderte Gesamtbild, auf das sich auch die Beklagte beruft, die endgültige Entscheidung, eine Kontrolle durchzuführen, sowie die konkrete Durchführung der Kontrolle nicht zu tragen.

Dies gilt zunächst hinsichtlich der Angaben des Zeugen zu auffälligem Gepäck in Form mehrerer Plastiktüten: Nach dem glaubhaften Vorbringen der Kläger bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung führten diese ein solches Gepäck nicht mit sich, sondern hatten lediglich die Handtasche der Klägerin und eine Plastiktüte mit am Bahnhof eingekauftem Proviant dabei. Die Schilderungen der Kläger zu den mitgeführten Utensilien — auch für die Kinder — waren in jeder Hinsicht überzeugend. Die Angaben wirkten insbesondere in keiner Weise abgesprochen, sondern wiesen mit Blick auf den inzwischen bestehenden Zeitablauf auch natürliche, auf Erinnerungsverlust zurückzuführende Unterschiede und auch nur ganz geringfügige Widersprüche (z.B. hinsichtlich der gekauften Zeitschriften) auf. Die Kläger machten deutlich, wenn sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern konnten und schilderten gleichzeitig auch Vorgänge aus dem Randgeschehen, was für eine erlebnisbasierte Erinnerung spricht. Sie konnten auf Nachfragen (z.B. zu mitgeführten Jacken, Wickelutensilien für die kleinere Tochter oder Spielsachen für die Kinder) schlüssige und nachvollziehbare Antworten geben — abermals unter Hinweis auf durchaus bestehende Erinnerungslücken.

Die Klägerin gab an, es habe sich um einen Tagesausflug gehandelt. Sie hätten einen Buggy dabeigehabt, weil ihre jüngste Tochter damals erst 1 1/2 Jahre alt gewesen sei. Auf der Ablage im unteren Bereich des Buggys hätten sie die Wickelutensilien dabeigehabt. Diese seien nicht in Plastiktüten, sondern unverpackt gewesen. Sie könne sich nicht erinnern, dass sie Rucksäcke dabeigehabt hätten (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 3). Der Buggy habe nicht direkt bei ihnen gestanden, da er zu sperrig gewesen sei. Er habe in der Nähe der Tür gestanden (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 4). Sie gehe davon aus, dass sie ihre Mäntel nicht mehr angehabt hätten; wo diese sich während der Reise befanden, könne sie heute nicht mehr sagen. Sie wisse genau, welches Spielzeug die Kinder dabeigehabt hätten. Wenn sie Spielzeug dabeigehabt hätten, hätten sie, die Kinder, das in der Regel selbst in der Hand getragen. Es habe keine Taschen oder ähnliche Behältnisse gegeben, auch keine Plastiktüten, in denen Spielzeug enthalten gewesen sei (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 6). Die Jacken der Kinder hätten sich wahrscheinlich zwischen ihnen befunden und die Mützen seien in den Jackenärmeln versteckt gewesen. Sie selbst habe ein Foto von ihnen auf ihrem Handy (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 7). Auch der Kläger gab an, dass die Kinder keine Taschen, Rucksäcke oder Ähnliches dabeigehabt hätten. Es könne nicht die Rede davon sein, dass sie mehrere Plastiktüten dabeigehabt hätten. Allenfalls hätten sie eine Tüte für die Zeitschriften dabeigehabt (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 4). Die Klägerin gab hierzu noch an, sie habe ihre Handtasche dabei gehabt, die sie auch heute, in der mündlichen Verhandlung, trage. Darüber hinaus habe man am Mainzer Bahnhof Snacks für die Kinder gekauft, die sich in einer Plastiktüte befunden hätten. Am Mainzer Hauptbahnhof habe sie sich noch eine Zeitschrift gekauft, nämlich DIE ZEIT. Diese Zeitschrift sei nicht in einer Plastiktüte verpackt gewesen, sondern sie habe diese in der Hand oder im Arm gehabt (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 3).

Gegen die Glaubwürdigkeit der Kläger spricht insbesondere nicht, dass beide Angaben, sie seien auf Deutsch angesprochen worden (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 3 und vom 21. April 2016, S. 4, 7), während der Zeuge xxx ausführte, die Ansprache sei in englischer Sprache erfolgt, wofür angesichts der vorherigen Gesprächsführung der Kläger in englischer Sprache und den insoweit detailreichen Angaben des Zeugen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 8 f. und vom 21. April 2016, S. 9 f.) Vieles spricht. Insoweit werden die Angaben des Zeugen xxx auch durch die Aussagen der beiden anderen beteiligten Bundespolizeibeamten, den Zeugen xxx und xxx, bestätigt (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 14 f., 16). Da die Kläger sowohl fließend Deutsch als auch Englisch sprechen und der Kläger nach den Angaben des Zeugen xxx mühelos die Sprache wechselte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie sich bezogen auf die Sprache, in der sie von dem Zeugen xxx angesprochen worden sind, irren, weil dies nicht mit besonderen Erinnerungen verknüpft gewesen ist.

Im Vergleich zu den konkreten, in der Sache überzeugenden Ausführungen der Kläger zu ihrem mitgeführten Gepäck stellen sich die Angaben des Zeugen xxx als nur vage dar und ziehen die Schilderungen der Kläger nicht in Zweifel. Auch die Zeugen xxx und xxx konnten keine konkreten Angaben zum mitgeführten Gepäck machen. Der Zeuge xxx gab bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 30. Dezember 2014, S. 3 (BI. 596 GA) an, keine Erinnerung an das mitgeführte Gepäck zu haben. Der Zeuge xxx führte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 30. März 2015, S. 3 (BI. 17 der Verwaltungsakte „VerwV BPOLP Ref. 23 Befragung I 23-180402-0001-19″) zwar aus, er habe mehrere Plastiktüten wahrnehmen können. Allerdings handelt es sich zum einen auch insoweit letztlich um unspezifische Angaben und zum anderen sagte er bei seiner späteren Zeugenvernehmung aus, sich an Einzelheiten der Kontrolle überhaupt nicht mehr erinnern zu können. Er habe sich auf seine Funktion als Sicherer konzentriert (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 14).

Damit entfällt das Gepäck als wesentlicher Bestandteil des behaupteten Gesamtbildes, das Grundlage der Auswahlentscheidung gewesen sein soll.

Auch die englische Sprache als Anknüpfungspunkt für die Kontrolle erscheint durch die weitere Durchführung der Kontrolle — jetzt in deutscher Sprache — nicht mehr hinreichend plausibel. In dem Augenblick, in dem der Kläger dem Zeugen xxx in fließendem Deutsch geantwortet hat, und jedenfalls spätestens, als zwei deutsche Personalausweise vorgelegt wurden, die neben der Staatsangehörigkeit auch die Beziehung der Personen untereinander verdeutlichten, blieb von der behaupteten ursprünglichen Vorstellung über den Anlass der Kontrolle nichts mehr übrig. Nichtsdestotrotz wurden die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPoIG fortgesetzt und es wurde zudem ein Datenabgleich nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG durchgeführt. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass sich einzelne Erkenntnisse, die die vorgetragene Grundannahme nach und nach widerlegt haben, erst während der Kontrolle ergeben haben. Allerdings lassen sich aus dem Umstand, dass die Kontrolle trotzdem fortgesetzt und sogar intensiviert wurde, indem — letztlich ohne erkennbare Anhaltspunkte — eine Vermutung von der nächsten Vermutung abgelöst wurde, Rückschlüsse auf die Nachvollziehbarkeit der vor Beginn der Maßnahme bestehenden Erwägungen ziehen. Letztlich bleibt für den Senat die Motivlage unklar.

Auch die beiden anderen Bundespolizeibeamten, die Zeugen xxx und xxx, konnten weder in ihren schriftlichen Stellungnahmen noch in ihrer Vernehmung weiterführende Angaben zur Motivlage des die Auswahl treffenden und die Kontrolle durchführenden Zeugen xxx machen. Beide gaben in ihren schriftlichen Stellungnahmen an, dass vor einer Kontrolle in der Regel keine Abstimmung zwischen den Bundespolizeibeamten erfolge, sondern der kontrollführende Beamte allein die Entscheidung treffe (vgl. schriftliche Stellungnahmen vom 30. März 2015, S. 2 [Zeuge xxx] und vom 30. Dezember 2014, S. 2 [Zeuge xxx], BI. 16 bzw. Bl. 20 der Verwaltungsakte „VerwV BPOLP Ref. 23 Befragung I 23-180402-0001-19″). Der Zeuge xxx sagte weiter aus, der Zeuge xxx habe ihm vor der Kontrolle mitgeteilt, er wolle die Kläger ansprechen, weil diese sich auf Englisch unterhielten (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 14 und schriftliche Stellungnahme vom 30. Dezember 2014, S. 2, a.a.O.). Der Zeuge xxx gab an, man habe sich über die Gründe, die Kläger zu befragen, nicht unterhalten. In den Gesprächen, die danach geführt worden seien, sei deutlich geworden, dass die englische Sprache Ursache der Befragung gewesen sei. Außerdem sei es noch um Tüten gegangen, später dann um sogenanntes mitgeführtes Gepäck (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 16 f.).

Damit fehlt es an einer schlüssigen, die Auswahlentscheidung tragenden Begründung.

(c) In Konsequenz daraus ist es Sache der Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass die Kontrolle der Kläger nicht aufgrund einer Anknüpfung an ihre Hautfarbe und damit unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfolgt ist.

Soweit dem äußeren Ablauf des Geschehens, bei dem in dem konkreten Zug nur eine Kontrolle durchgeführt wurde und diese eine Familie mit dunkler Hautfarbe betraf, klägerseits indizielle Wirkung dafür beigemessen wird, es habe sich um eine diskriminierende Kontrolle gehandelt, teilt der Senat diese Einschätzung nicht. Die Beklagte hat einen nachvollziehbaren sachlichen Grund dafür benannt, weshalb es in dem konkreten Zug keine weiteren Kontrollen gegeben habe. Die Bundespolizeibeamten seien nach der Kontrolle der Kläger am nächsten Bahnhof ausgestiegen, um kurz vor dem Ende ihres Zuständigkeitsbereiches einen Zug in die Gegenrichtung zu erreichen. Nichtsdestotrotz ist die Wirkung auf Außenstehende, denen die Gründe für die singuläre Kontrolle in dem Zug nicht bekannt sind, zu beachten und kann Anlass geben, die Motive für die durchgeführte Kontrolle zu hinterfragen.

Die Angaben des Zeugen xxx, er könne für sich persönlich hundertprozentig ausschließen, die Kläger wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert zu haben, lassen sich — unabhängig von der Frage, ob er damit nur eine alleinige oder ausschlaggebende Bedeutung der Hautfarbe ausgeschlossen hat — nicht widerlegen. Gleichzeitig deuten jedoch der Ablauf der Kontrolle mit der zur Überzeugung des Senats widerlegten Grundannahme des auffälligen Gepäcks sowie insbesondere die Fortsetzung und Intensivierung der Kontrolle trotz der sich nach und nach ergebenden, gegen eine Fortführung sprechenden Erkenntnisse darauf hin, dass auch andere Gründe für die Auswahlentscheidung in Betracht kommen. Vor diesem Hintergrund kann der Senat trotz der umfangreichen Beweisaufnahme nicht mit der für seine Überzeugung notwendigen Sicherheit ausschließen, dass die Hautfarbe der Kläger entgegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG für die Kontrolle doch ein mitentscheidendes Kriterium gewesen ist. Diese Unaufklärbarkeit geht zulasten der Beklagten.

cc. Der danach anzunehmende Eingriff in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist nicht gerechtfertigt. Da Art. 3 Abs. 3 GG keinen Gesetzesvorbehalt aufweist, ist grundsätzlich allein eine Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht möglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 — 1 BvL 18/93, u.a. —, BVerfGE 92, 91 [109] = juris, Rn. 68; Beschluss vom 7. Oktober 2003 — 2 BvR 2118/01 —, juris, Rn. 27). Hier kommt in Anlehnung an den Normzweck des § 22 Abs. 1a BPoIG als Einschränkung die Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreise in Betracht, die dem Schutz bedeutsamer Güter dient, deren Verletzung strafbewehrt ist, wobei nicht allein die unerlaubte Einreise selbst (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG), sondern auch die teilweise mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren versehene Schleuserkriminalität (§ 96 AufenthG) als Begleiterscheinung der unerlaubten Einreise einzubeziehen ist (vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 28. März 2003 — Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00 juris, Rn. 118).

Eine an die Rasse anknüpfende Auswahlentenscheidung bei einer Kontrolle nach § 22 Abs. 1a BPolG ist allerdings unverhältnismäßig. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den legitimen Gemeinwohlzwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Dabei steht dem Eingriff in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, mithin eine grundsätzlich unzulässige Anknüpfung an ein besonders geschütztes Differenzierungskriterium, bezogen auf den Normzweck eine Erfolgsquote von (gerundet) lediglich 0,3 % (2013), 1,1 % (2014) und 4,4 % (2015) gegenüber, die sich nochmals auf unter 1 Promille (2013 und 2014) verringert, wenn man die Kontrollen an Flughäfen außer Acht lässt (vgl. dazu BT-Drucks. 18/4149, S. 4 ff. [zu 2013 und 2014] und BT-Drucks. 18/8037, S. 5 f. [zu 2015]). In diesem Zusammenhang kann auch die generalpräventive Wirkung nicht berücksichtigt werden, weil diese gerade auch ohne eine zielgerichtete Vorauswahl der zu kontrollierenden Personen erreicht wird. Mithin ist die Verhältnismäßigkeit einer diskriminierenden Vorauswahl allein an den sich daraus konkret folgenden „Treffern“ im Sinne des Normzwecks zu messen. Dies zugrunde gelegt lässt sich nicht feststellen, dass der Befugnis nach § 22 Abs. 1a BPoIG eine so große Bedeutung zum Schutz der genannten öffentlichen Belange zukommt, dass sie ausnahmsweise die Ungleichbehandlung aufgrund der Rasse rechtfertigen könnte.

c. Der im Anschluss an das Ausweisverlangen telefonisch durchgeführte Abgleich der Personalien der Kläger mit dem Fahndungsbestand nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPoIG war folglich ebenfalls rechtswidrig. Die Norm ermächtigt nicht zur Datenerhebung, sondern setzt eine rechtmäßige Datenerhebung voraus (vgl. Drewes, Drewes/Malmberg/Walter, BPoIG, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 12), an der es hier — wie dargelegt — fehlte.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.