Tacheles Rechtsprechungsticker KW 12/2017

1.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2017 – L 13 AS 74/17 B ER

Grundsicherung für Arbeitsuchende – einstweiliger Rechtsschutz – Leistungen für Bildung und Teilhabe – mehrtägige Klassenfahrt – schulrechtliche Bestimmungen des Landes Niedersachsen – Schulfahrt ins Ausland nach York/England

Leitsatz (Juris)
Bei den Kosten für eine Schulfahrt ins Ausland kann es sich um Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt i. S. des § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II handeln.

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

1.2 – LSG Celle-Bremen, Urteil vom 03.12.2015 – L 9 AS 845/14 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az.: B 14 AS 32/16 R

Grundsicherung für Arbeitsuchender – Einkommensberücksichtigung – Einbehalt eines Teils des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber – Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges – keine Berücksichtigung der Schuldentilgung – bereite Mittel

Mindert der Einbehalt von monatlich 100 Euro zur Rückführung eines – zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs verwandten – Arbeitgeberdarlehens durch den Arbeitgeber das zu berücksichtigende Einkommen nach dem SGB 2?

Leitsatz (Redakteur)
1. Raten zur Darlehenstilgung sind nicht vom Einkommen absetzbar.
2. Von dem Erwerbseinkommen ist kein Betrag iHv 100 Euro, den der Arbeitgeber zur Tilgung des aufgenommenen Darlehens einbehalten hatte, einkommensmindernd zu berücksichtigen.

Quelle: Juris

1.3 – Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.08.2016 – L 10 AS 200/13 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az. : B 4 AS 34/16 R

Absenkung des Arbeitslosengeld II – Leistungsnachzahlung nach Aufhebung von Sanktionsbescheiden – Abzug des Wertes ausgehändigter und eingelöster Lebensmittelgutscheine wegen Erfüllung bzw Erlöschen des Zahlungsanspruchs – analoge Anwendung des § 364 BGB – angeordneter Einwilligungsvorbehalt im Bereich der Vermögenssorge

Sind Lebensmittelgutscheine, die auf der Grundlage von § 31 Abs 3 S 6 SGB 2 aF (§ 31a Abs 3 S 1 SGB 2) aus Anlass einer Sanktion ausgehändigt werden, Leistungen an Erfüllungs statt, die bei Aufhebung der Sanktion auf die nachzuzahlenden Leistungen anzurechnen sind?

Orientierungssatz (Juris)
Bei der Aufhebung von Sanktionen stellen gem § 31 Abs 3 S 6 SGB 2 ausgehändigte Lebensmittelgutscheine in analoger Anwendung von § 362 Abs 1 BGB iV mit § 364 Abs 1 BGB Leistungen an Erfüllungs statt dar und führen zum Erlöschen des Zahlungsanspruches. Dies gilt auch bei Aushändigung an Personen, für die ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge angeordnet ist, wenn bereits die Regelleistungen an den Betreuten direkt ausgezahlt wurden.

Quelle: Juris

Rechtstipp:
LSG München, Urteil v. 26.11.2014 – L 11 AS 654/14 – und LSG Sachsen-Anhalt, 12.01.2009 – L 5 B 94/08 AS ER- Bei der Aufhebung von Sanktionen sind gem. § 31a III SGB II erbrachte Gutscheine als Leistung an Erfüllungs statt zu berücksichtigen.

1.4 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 01.12.2016 – L 4 AS 592/13 – rechtskräftig

Kein horizontaler Verlustausgleich bei Einkommen aus mehreren Gewerbebetrieben

Leitsatz (Redakteur)
Das SGB II lässt bei der Berechnung des der Leistungsgewährung zugrunde zu legenden Einkommens aus zwei Gewerbebetrieben keinen horizontalen Verlustausgleich zu (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2016, Az.: B 4 AS 17/15 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.5 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 24.01.2017 – L 7 AS 1834/16 B ER – rechtskräftig

Die Beschwerde ist – ebenso wie bereits der erstinstanzliche Antrag – unzulässig, da die Wohnanschrift des Antragstellers von diesem nicht angegeben worden und unbekannt ist.

Hinweis Gericht
Als allgemeine Prozessvoraussetzung erfordert ein zulässiges Rechtsschutzbegehren im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtsuchenden genannt wird. Die Angabe einer aktuellen Adresse zur Anschrift des Rechtsschutzsuchenden ist in jeder Lage des Verfahrens erforderlich. Die Angabe eines Postfachs ist der Benennung einer Wohnanschrift nicht gleichwertig.

Dies gilt im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes jedenfalls, wenn die Angabe der Wohnanschrift ohne weiteres möglich ist und kein schützenswertes Interesse an einer Geheimhaltung einer Offenbarung der Wohnanschrift entgegensteht

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.6 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 05.09.2016 – L 19 AS 871/15 – rechtskräftig

Tilgungsleistungen sind bei der Ermittlung der Unterkunftskosten nicht zu berücksichtigen.

Leitsatz (Redakteur)
1. Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II rechnen Tilgungsleistungen grundsätzlich nicht (BSG, Urteile vom 07.11.2006 – B 7b AS 2/05 R; vom 07.07.2011 – B 14 AS 79/10 R; vom 16.02.2012 – B 4 AS 14/11 R; vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 R; vom 03.12.2015 – B 4 AS 49/14 R). Denn die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen.
2. Hier waren lediglich ein geringer Teil (ca. 13% innerhalb der ersten Jahre) der auf dem Haus der Klägerin zu 1), dessen Erwerb fast vollständig durch Darlehen finanziert worden ist, lastenden Darlehen abbezahlt worden. Ein Ende der Finanzierung ist nicht absehbar, zumal ein Darlehen, dass ca. 40% der Finanzierungssumme umfasst, eine Laufzeit von 100 Jahren hat (NRW Bank). Die Übernahme der Tilgungsleistungen dient damit nicht dem Erhalt eines langjährig bewohnten und bereits fast abgezahlten Wohneigentums, sondern dem Aufbau von Vermögen. Denn auch der Abbau von Schulden, die durch Grunddienstbarkeiten gesichert sind, dient dem Vermögensaufbau.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.7 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss v. 27.02.2017 – L 7 AS 1281/16 B ER – rechtskräftig

Zur Bejahung einer Bedarfsgemeinschaft- eheähnliche Gemeinschaft

Leitsatz (Redakteur)
1. Unter ‚Zusammenleben‘ in einer Wohnung ist mehr als nur ein bloßes ‚Zusammenwohnen‘, wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall ist, zu verstehen.

2. Charakteristisches Merkmal des Wirtschaftens aus einem Topf ist, dass generell oder jedenfalls bei finanziellen Engpässen der weniger Belastbare weniger einzahlt (Hessisches LSG, Beschluss vom 21.06.2013 – L 9 AS 103/13 B ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.8 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 06.02.2017 – L 11 AS 887/16 B ER

LSG Bayern: Mit 5 Wochenstunden und 187 Euro Monatseinkommen kann EU-Arbeitnehmerinnenstatus gegeben sein. Daher SGB-II Anspruch.

Hinweis Gericht
Das Landessozialgericht Bayern sieht in einer Eilentscheidung bei einer rumänischen Staatsangehörigen, die als “Haushaltshilfe (Gartenarbeiten, Hausarbeiten)” mit 5 Stunden pro Woche und einem Monatseinkommen von 187 Euro arbeitet, den Arbeitnehmerinnenstatus als möglich an und hat daher vorläufig aufstockende Leistungen nach dem SGB II angeordnet.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
Vgl. dazu auch aktuell: SG Karlsruhe, Urteil v. 24.01.2017 – S 4 AS 1827/16 – Anspruch eines syrischen Flüchtlings mit EU-Staatsangehörigkeit auf aufstockende Leistungen nach dem SGB II bei nur geringfügiger Beschäftigung

Anmerkung:
Arbeitnehmerbegriff-EU, Arbeitnehmereigenschaft

Wesentliches Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Der Arbeitnehmerbegriff ist nach der Rechtsprechung des EuGH weit auszulegen. Arbeitnehmer ist demnach jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt. Lediglich Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen, bleiben außer Betracht. Nach den Vorgaben der BA soll eine völlig untergeordnete Tätigkeit dann vorliegen, wenn der zeitliche Umfang einer Beschäftigung nur drei Stunden in der Woche beträgt. Bei mehr als acht Stunden pro Woche ist die Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH genügt auch eine geringfügige Beschäftigung von 5,5 Stunden und einem Gehalt von 100 Euro für die Begründung des Arbeitnehmerstatus, auch wenn dann ergänzende Sozialleistungen in Anspruch genommen werden müssen (EuGH vom 4.6.2009 – C-22/08 »Vatsouras/Koupatantze«; EuGH vom 4.2.2010 – C-14/09 »Genc«; BSG vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R; BVerwG vom 19.4.2012 – 1 C 10.11.).

Bei geringer Arbeitszeit muss immer eine Gesamtschau des Arbeitsverhältnisses erfolgen, wobei insbesondere das Bestehen von Urlaubsansprüchen und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung von Tarifverträgen sowie der langjährige Bestand des Arbeitsverhältnisses auf eine Arbeitnehmereigenschaft hindeuten kann. (Vgl. Dorothee Frings, Elke Tießler-Marenda: Ausländerrecht für Studium und Beratung – Einschließlich Staatsangehörigkeitsrecht – Mit Beispielen und Lösungsschemata, Band 16, 3. Auflage, Dezember 2015, S. 290).

1.9 – LSG Hessen, Beschluss v. 28.11.2016 – L 2 AS 184/16 B

Leitsatz (Juris)
I. Nach der Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG in der ab 1. August 2013 geltenden Fassung entsteht eine fiktive Terminsgebühr, wenn das Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ohne mündliche Verhandlung nach angenommenem Anerkenntnis endet. Die Vorschrift gilt nicht bei übereinstimmender Erledigungserklärung.

II. Damit ein Anerkenntnis angenommen werden kann, muss die Klage zulässig und jedenfalls zum Zeitpunkt des Zugeständnisses, dass der mit der Klage erhobene Anspruch besteht, auch begründet sein.

III. Die Erledigung des Rechtsstreits setzt nach § 101 Abs. 2 SGG die Annahme des Anerkenntnisses voraus. Diese Erklärung kann auch sinngemäß erfolgen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Sozialgericht Braunschweig, Gerichtsbescheid vom 1. März 2017 (Az.: S 9 AL 147/15):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Eine Vorausleistung von Berufsausbildungsbeihilfe gemäß § 68 Abs. 1 SGB III hat von der Agentur für Arbeit in dem Fall erbracht zu werden, wenn der einer förderungsfähigen Ausbildung nachgehende Antragsteller seitens des Elternhauses keinen Unterhalt erhält, und die Berufsausbildung gefährdet ist, weil der Antragsteller wegen seiner unzureichenden Mittellage bereits beim Jobcenter wegen aufgelaufener Mietschulden um die Bewilligung eines Darlehens entsprechend § 27 Abs. 3 SGB II in Verbindung mit § 22 Abs. 8 SGB II nachzusuchen hatte.

S. a. dazu Leitsatz von RA Michael Loewy
1. Der Antrag auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe ist gleichzeitig als Antrag auf Gewährung von Vorausleistungen zu werten.

2. Die rechtzeitige und vollständige Information des Unterhaltsschuldners über seine Unterhaltsverpflichtung durch den Unterhaltsgläubiger ist keine Voraussetzung für die Gewährung von Vorausleistungen.

3. § 68 Abs. 4 SGB III schließt die Gewährung von Vorausleistungen nicht aus.

Quelle: www.anwaltskanzlei-loewy.de

2.2 – Sozialgericht Hildesheim – Az.: S 26 AS 306/16 vom 03.03.2017

Normen: § 22 Abs. 1 SGB II – Schlagworte: Kosten der Unterkunft, Landkreis Göttingen, Hann. Münden, A+K-Gutachten

Das A&K-Gutachten stellt kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) dar.

Leitsatz (Redakteur)
Der Grundsicherungsträger nach dem SGB II verfügt für den Vergleichsraum Hann. Münden/Staufenberg nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft. Das von diesem eingeholte A&K-Gutachten entspricht nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG.

Quelle: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen:
www.anwaltskanzlei-adam.de

Rechtstipp:
Vgl. auch Urt. v. 03.03.2017 Az. S 26 AS 307/16, S 26 AS 315/16 u. S 26 AS 220/16

2.3 – SG Karlsruhe, Urteil v. 24.01.2017 – S 4 AS 1827/16 -, nicht rechtskräftig

Anspruch eines syrischen Flüchtlings mit EU-Staatsangehörigkeit auf aufstockende Leistungen nach dem SGB II bei nur geringfügiger Beschäftigung.
Arbeitnehmerbegriff nach Art. 45 AEUV – Unbeachtlichkeit von Unterhaltsverpflichtungen für die Frage nach dem Bezug zum Arbeitsmarkt

Leitsatz (Juris)
1. Ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 252,71 EUR kann für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft nach Art. 45 AEUV ausreichend sein (vgl. EuGH vom 4.2.2010 – C-14/09 – Rechtssache “Genc”, Slg. 2010, I-931). Dies gilt insbesondere, wenn eine unbefristete Beschäftigung besteht und die Zusicherung des Arbeitgebers vorliegt, dass bei weiterer Verbesserung der Deutschkenntnisse auch noch mehr Arbeitsstunden geleistet werden können.

2. An das für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft nach Art. 45 AEUV erforderliche monatliche Mindesteinkommen sind keine höheren Anforderungen zu stellen, weil der Erwerbstätige für den Unterhalt anderer Personen – hier: seine Ehefrau und drei gemeinsame minderjährige Kinder – verantwortlich ist. Für die Frage, ob ein hinreichender Bezug eines EU-Ausländers zum deutschen Arbeitsmarkt vorliegt, ist die Frage nach Unterhaltsverpflichtungen irrelevant.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)

3.1 – LSG München, Urteil v. 15.02.2017 – L 10 AL 163/16

Verrechnung einer Nachzahlung von Arbeitslosengeld mit Erstattungsansprüchen des Jobcenters auf die für denselben Zeitraum bereits gewährten Leistungen aus dem ALG II

Leitsatz (Juris)
Die Erfüllungswirkung des § 107 SGB X tritt bei tatsächlich gezahltem Arbeitslosengeld II, aber vorrangigem Anspruch auf Arbeitslosengeld, das erst nachträglich bewilligt wird, nicht im Umfang von 56% der im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II berücksichtigten Unterkunftskosten ein.

Quelle: dejure.org

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 6.3.2017, L 7 SO 420/17 ER-B

Leitsatz (Redakteur)
1. Ein Anordnungsgrund besteht nicht, wenn der Antragsteller jedenfalls gegenwärtig auf eigene Mittel oder zumutbare Hilfe Dritter zurückgreifen kann, etwa zur Vorfinanzierung. Zumutbare Hilfe Dritter kann auch in der Beschaffung eines Darlehens zum Zwecke der Vorfinanzierung bestehen.
2. Bei der Frage des Anordnungsgrundes können auch Mittel Berücksichtigung finden, die bei der materiellen Frage der Hilfebedürfigkeit außen vor bleiben müssen, weil es sich um Schonvermögen (§ 60a, § 90 Abs. 2 SGB XII) oder nicht zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 85 ff. SGB XII) handelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – n.v.) oder weil es sich (etwa gemäß § 92 Abs. 2 SGB XII) generell nicht um eine bedarfsabhängige Leistung handelt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.2 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil v. 23.02.2017 – L 7 SO 4844/16

Leitsatz (Juris)
1. Angemessen i.S.d. § 32 Abs. 5 Sätze 1 und 4 SGB XII sind grundsätzlich nur Beiträge für eine substitutive Krankenversicherung im sog. Basistarif.

2. Zur Zumutbarkeit eines Wechsels in den Basistarif (vorliegend bejaht). Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, dass nach § 75 Abs. 3a SGB V die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen auch die ärztliche Versorgung der im brancheneinheitlichen Basistarif Versicherten mit den in diesem Tarif versicherten ärztlichen Leistungen, die denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen, sicherzustellen haben.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte, Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte zum Asylrecht

5.1 – Sozialgericht Hamburg, Beschluss v. 17.01.2017 – S 10 AY 92/16 ER

Keine Sozialhilfeleistungen für einen geduldeten Ausländer nach Aufnahme einer überbetrieblichen Berufsausbildung

Leitsatz (Juris)
1. Kein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG bei einer dem Grunde nach (hier: gem. § 57 Abs. 1 SGB III) förderungsfähigen Ausbildung gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.

2. Gehört der Betroffene nach § 59 Abs. 2 SGB III nicht zum förderungsfähigen Personenkreis, da er als geduldeter Ausländer eine außerbetriebliche Ausbildung absolviert, steht dies einer Förderungsfähigkeit seiner Ausbildung “dem Grunde nach” nicht entgegen. Bei den in § 59 Abs. 2 SGB III enthaltenen Merkmalen handelt es sich um individuelle Voraussetzungen für eine Förderung nach dem SGB III (entgegen SG Hamburg, Beschluss vom 07.09.2016 – S 28 AY 56/16 ER), die bei der Beurteilung der Förderungsfähigkeit außer Betracht zu bleiben haben.

5.2 – Sozialgericht Bremen, Beschluss vom 28. Oktober 2016 (Az.: S 39 AY 72/16):

Verpflichtung des Leistungsträgers, vorläufig Leistungen nach dem AsylbLG zu bewilligen

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Wenn die um die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG angegangene öffentliche Stelle ein von einer Antragstellerin vorgelegtes ärztliches Attest über die Reisefähigkeit in den Bereich der eigentlich nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zuständigen Behörde anzweifelt, dann hat dieser öffentliche Träger hier eigene Ermittlungen anzustellen und sein Gesundheitsamt mit der Durchführung näherer Überprüfungen zu beauftragen.

2. Bis zur Klärung dieser gesundheitlichen Umstände ist von der vorläufigen Zuständigkeit zur Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG derjenigen Behörde, in deren Bereich sich die leistungsberechtigten Personen tatsächlich aufhalten, auszugehen (§ 10a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG).

5.3 – Urteile des VG Berlin vom 02.03.2017 (23 K 1540.16 A und 23 K 1551.16 A)

Flüchtlingsschutz für Syrer bleibt umstritten

Das VG Berlin hat erste Grundsatzentscheidungen zu der Frage getroffen, ob Syrer allein aufgrund der (illegalen) Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und des Aufenthalts in Deutschland die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus beanspruchen können.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkennt Syrern seit März 2016 nicht mehr generell die Flüchtlingseigenschaft zu, sondern gewährt ihnen im Regelfall nur noch subsidiären Schutz. Dies wirkt sich auf den Familiennachzug aus, den der Gesetzgeber vorerst bis März 2018 für nur subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt hat. Dies hat zu einer Vielzahl von Klagen geführt.

Urteile des VG Berlin vom 02.03.2017 (23 K 1540.16 A und 23 K 1551.16 A)

Die 23. Kammer des VG Berlin hat – wie bundesweit eine überwiegende Zahl erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte – das BAMF in zwei Verfahren verpflichtet, die jeweiligen Klägerinnen als Flüchtlinge anzuerkennen.
Mit dieser Entscheidung sei die Kammer der überwiegenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte gefolgt, wonach die genannten Gründe für sich genommen noch nicht die Prognose einer beachtlichen Verfolgungsgefahr einschließlich der Gefahr von Folter zuließen. Es lägen derzeit keine hinreichend aussagekräftigen Erkenntnisse zum Umgang des Regimes mit Rückkehrern vor.

Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin Nr. 10/2017 v. 13.03.2017: www.juris.de

6.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht und anderen Gesetzesbüchern

6.1 – Landgericht Hof, Beschluss vom 27. Februar 2017 (Az.: 22 T 1/17):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe müssen in die Einkommensberechnung ebenfalls Antragstellern obliegende Darlehensverbindlichkeiten mit einfließen.
2. Derartige Obliegenheiten, die im Rahmen der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit aufgenommen wurden, sind hier grundsätzlich absetzbar, auch wenn diese Darlehensverpflichtungen unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Situation eines Antragstellers als recht hoch aufzufassen sind.
3. Von ausschlaggebender Bedeutung ist an dieser Stelle, dass die entsprechenden Verbindlichkeiten gegenwärtig noch bestehen und auch nicht von Luxusausgaben oder Ähnlichem gesprochen werden kann.

6.2 – LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 6. Februar 2017 (Az.: L 5 KR 13/17 B ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V setzt in unabdingbarer Weise sowohl für die Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit als auch in Bezug auf die nachfolgenden Feststellungen jeweils die persönliche Untersuchung des erkrankten gesetzlich Krankenversicherten durch einen Kassenarzt voraus.
2. Das Erfordernis der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung geht überdies auch aus § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie)“ und aus § 31 Satz 1 des Bundesmantelvertrags-Ärzte („Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit“) hervor.
3. Das Verbot der „Rückdatierung“ von Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen gilt auch bei Erkrankungen, bei denen eine körperliche Untersuchung nicht zwingend erforderlich ist, aber situationsbedingt auf eine Untersuchung z. B. im Rahmen eines Behandlungsgesprächs nicht verzichtet werden kann.

6.3 – Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Februar 2017 (Az.: 1 BvR 2507/16):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die in Rechtsprechung und Fachliteratur umstritten ist, kann gerichtlicherseits nicht als einfach oder geklärt aufgefasst und bereits im Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zum Nachteil einer mittellosen Person beantwortet werden.
2. Dies gilt erst recht, wenn hier ein Fachgericht insoweit von der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.
3. Entsprechendes ist bei entscheidungserheblichen Rechtsfragen zum Anspruch auf existenzsichernde Leistungen für nicht erwerbstätige, nicht ausreisepflichtige ausländische Staatsangehörige unter besonderer Berücksichtigung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII der Fall.
4. Die Auslegung und Anwendung dieser Normen ist schwierig und ungeklärt.
5. Für die Klärung des Umgangs mit derart umstrittenen Fragen besteht auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für unbemittelte Personen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgleichheit ein Anspruch auf anwaltliche Vertretung.

6.4 – Landkreis Leipzig gewährt Hartz-IV-Empfängern höhere Kaltmieten

Empfänger von Hartz-IV-Leistungen haben Anspruch darauf, dass ihre Mietkosten von der Allgemeinheit getragen werden. Im Landkreis Leipzig werden die dafür geltenden Richtwerte ab 1. April angehoben und damit aufsteigende Mieten reagiert.

Quelle: www.lvz.de

6.5 – BSG, Urteil v. 16.03.2017 – B 10 EG 9/15 R

Für die Berechnung des Elterngeldes nach der Geburt eines Kindes macht keinen Unterschied, ob eine frühere Schwangerschaft mit einer Lebend- oder einer Fehlgeburt geendet hatte, wenn die Schwangere im Anschluss an jene Schwangerschaft arbeitsunfähig an einer Depression erkrankt war.

Quelle: Pressemitteilung des BSG v. 16.03.2017: www.juris.de

6.6 – Sozialrecht – Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Bezug einer Erwerbsminderungsrente

Versicherungspflichtig nach dem SGB III sind Personen in der Zeit, für die sie von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten (§ 26 Abs. 2 SGB III). Unmittelbar i.S.d. § 26 Abs. 3 SGB III ist nicht zeitlich auf die Dauer von einem Monat begrenzt. Würde als unmittelbar i.S.v. § 26 Abs. 2 SGB III nur maximal eine Frist von einem Monat anzuerkennen sein, würde der angestrebte Schutz von nach zeitweiliger Erwerbsunfähigkeit auf den Arbeitsmarkt zurückkehrender Personen zum Teil verfehlt, ohne dass dies von den Leistungsbeziehern beeinflusst werden könnte. Bei einer Lücke (hier: 43 Tage) zwischen Arbeitslosengeld und befristeter Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist also nach dem Ende des Erwerbsunfähigkeitsrentenbezugs Arbeitslosengeld als neuer Anspruch für eine längere Zeit zu gewähren und nicht lediglich als ein kürzerer (Rest-) Anspruch auf Arbeitslosengeld aus dem früheren Bezug vor der Rente (BSG, 23.02.2017, Az. B 11 AL 3/16 R).
 
(17.03.2017 – Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Sozialrecht Mathias Klose):
www.ra-klose.com

6.7 – Erleichterter Abschluss von Aufhebungsverträgen bei Krankheit

Im Dezember 2016 hat die Bundesagentur für Arbeit ihre Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, d. h. zur Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I aktualisiert und überarbeitet.
Von wesentlicher Bedeutung sind dabei die beiden folgenden Änderungen:

Erstens:
Ein wichtiger Grund bei Eigenlösung des Arbeitsverhältnisses durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder den Ausspruch einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers liegt im Sinne von § 159 Abs. 1 SGB III nun auch vor, wenn die drohende Arbeitgeberkündigung auf personenbezogene Gründe wie Krankheit gestützt würde. Damit führt der Abschluss eines Aufhebungsvertrages ebenso wie eine Eigenkündigung des Mitarbeiters künftig dann nicht mehr zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I, wenn der Arbeitgeber dem Mitarbeiter auch aus personenbedingten Gründen wie Krankheit kündigen könnte (Ziffer 159.1.2.1.1 Abs. 2, 2. Spiegelstrich der GA zu § 159 SGB III, 12/2016).
Bisher war eine Sperrzeit nur dann ausgeschlossen, wenn bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages die Kündigung des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen drohte, sodass die vorgenommene Aktualisierung tatsächlich eine erhebliche Erleichterung für künftige Aufhebungsvertragsverhandlungen darstellt.

Zweitens:
Zudem prüft die Bundesagentur für Arbeit die Rechtmäßigkeit einer drohenden Arbeitgeberkündigung ab jetzt nicht mehr, wenn im Rahmen eines Aufhebungsvertrages eine Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Die bisherige Untergrenze von 0,25 Monatsgehältern im Zusammenhang mit der Zahlung einer Abfindung entfällt. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig ist (Ziffer 159.1.2.1.1 Abs. 2 Ziffer 1 der GA zu § 159 SGB III, 12/2016). Wird eine Abfindung vereinbart, die höher ist als 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr, kommt es in den Fallgestaltungen nach den Nummern 2 a) und 2 b) weiterhin darauf an, dass die drohende Kündigung rechtmäßig wäre (Ziffer 159.1.2.1.1 Abs. 2 Ziffer 2 Abs. 3 der GA zu § 159 SGB III, 12/2016).

Um in einem solchen Fall Prüfungen der Bundesagentur für Arbeit zu vermeiden, empfiehlt sich weiterhin der Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleiches der nach wie vor nicht sperrzeitrelevant ist (Ziffer 159.1.1.1 Abs. 4, 5. Spiegelstrich der GA § 159 SGB III, 12/2016).

Quelle: Autorin Claudine Gemeiner ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München: www.humanresourcesmanager.de

6.8 – Sperrzeit der Arbeitsagentur

Krankenversicherungspflicht während Sperrzeit zum 1. August 2017 neu geregelt – ein Beitrag der Haufe Online Redaktion

Das neue Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz enthält auch eine Neuregelung zum Krankenversicherungsschutz während einer durch die Arbeitsagentur bei Arbeitslosigkeit festgesetzten Sperrzeit. Die Regelung soll zum 1. August 2017 in Kraft treten.
Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung setzt bei Leistungsbeziehern nach dem SGB III den Bezug von Arbeitslosengeld voraus. Das bedeutet, der Arbeitslose muss die Leistung – konkret das Arbeitslosengeld – auch tatsächlich erhalten. Ab August 2017 besteht Krankenversicherungspflicht während der gesamten Sperrzeit.

Quelle: www.haufe.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de