Sozialgericht Hildesheim legt umfangreich nach: Wohnkostenerhebung für das Stadtgebiet Göttingens bildet falschen Vergleichsraum

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim mit mehreren Urteilen vom 10.05.2017 (z.B. Az.: S 39 AS 187/16) zum wiederholten Mal entschieden, dass der Landkreis Göttingen über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung von Angemessenheitsgrenzen für Unterkunftskosten im Sozialleistungsbereich verfügt. In den nun veröffentlichen ausführlichen Urteilsgründen setzt sich das Gericht umfassend und intensiv insbesondere mit den Erhebungen für das Stadtgebiet von Göttingen auseinander und reagiert damit auf Kritik des Landkreises an den bisherigen Urteilen.

Der Landkreis hatte behauptet, „es sei statistisch nachweisbar, dass die Einbeziehung der Gemeinden Bovenden und Rosdorf in einen Vergleichsraum mit der Stadt Göttingen zu höheren Obergrenzen in der Stadt geführt hätten und es würde an den bisherigen Entscheidungen des SG Hildesheim gesehen, „wie weit manchmal Gerichte von der Wirklichkeit weg sind.“

Auf 21 Seiten tritt das Gericht dieser Behauptung nun entgegen und stellt detailliert dar, dass das sog. Oberzentrum Göttingen mit den Grundzentren der Gemeinden Rosdorf und Bovenden weder aufgrund einer vergleichbaren Infrastruktur, noch ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit noch aus sonstigen Gründen einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Die Zusammenfassung der Stadt Göttingen mit den Gemeinden Rosdorf und Bovenden stellt demgegenüber den Kern der Wohnungsmarkterhebung dar.
Weiter kritisiert das Gericht die Mietdatenerhebung als solche. Es sei z.B. entgegen dem bundesweiten Verhältnis von 60% Vermietung durch Kleinvermieter zu 40% Vermietung durch professionelle Vermietungsgesellschaften für Göttingen, Bovenden und  Rosdorf zu 78% auf die Ergebnisse derjenigen großen Vermietungsgesellschaften zurückgegriffen wurde, bei denen es sich um solche handelt, die eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung preisgünstigen Wohnraums spielen.

Da der Landkreis Göttingen als zuständiger Leistungsträger nach den Entscheidungen des Sozialgerichts nicht über valide Wohnungsmarktdaten verfügt sind die angemessenen Kosten nach Ansicht des Gericht nicht mehr anhand der rechtswidrig zu niedrigen Vorgaben des Landkreises zu bestimmen. Vielmehr sollen nunmehr die Werte in § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 10% anhand der jeweiligen Mietstufe der bewohnten Gemeinde die Angemessenheitsgrenzen für Unterkunftskosten von Sozialleistungs-empfängerinnen und –empfängern bilden.

„Für die Klägerin im Alter von 56 Jahren bedeutet die Entscheidung nun Nachzahlungen von 66,01 € im Monat“ erläutert Rechtsanwalt Sven Adam die Bedeutung des Verfahrens. „Bei einer Regelleistung von lediglich 409,00 € im Monat ist eine derartige Kürzung unzumutbar“ so Adam weiter zu den mitunter erheblichen Folgen der rechtswidrigen Kürzungen bei den Kosten der Unterkunft.

Die Urteilsgründe der Entscheidung des Gerichts vom 10.05.2017 zu dem Az.: S 39 AS 187/16 befinden sich hier.  

Weitere Informationen – auch die konkreten Angemessenheitsgrenzen für ausgewählte Orte im Landkreis Göttingen – sind hier abrufbar:

http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?kosten-der-unterkunft-im-landkreis-goettingen