Tacheles Rechtsprechungsticker KW 24/2017

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 08.02.2017 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urt. v. 08.02.2017 – B 14 AS 10/16 R

Umstritten ist der Abzug einer Hundehaftpflichtversicherung vom zu berücksichtigenden Einkommen.

Leitsatz (Redakteur)
1. Beiträge zu einer durch ein Landeshundegesetz gesetzlich vorgeschriebenen Hundehaftpflichtversicherung sind nicht als Versicherungsbeiträge nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II vom zu berücksichtigenden Einkommen abzuziehen.

2. Soweit mit einer Hundehaltung Einkommen erzielt werden soll, beurteilt sich die Berücksichtigungsfähigkeit etwaiger Versicherungsaufwendungen nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II: entweder als Pflichtversicherungen oder als notwendige Ausgaben iS des § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II sowie ggf § 3 Abs 2 Alg II-V und nicht nach dem eine Einkommensverwendung im privaten Bereich privilegierenden Tatbestand des § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.2 – BSG, Urt. 08.02.2017 – B 14 AS 22/16 R

Nicht – titulierte Unterhaltszahlungen sind nicht vom zu berücksichtigenden Einkommen nach dem SGB II abzuziehen.

Leitsatz (Redakteur)
Absetzbar sind unterhaltsbezogene Aufwendungen nur, soweit sie 1. tatsächlich erbracht worden sind, 2. auf gesetzlicher Verpflichtung beruhen und 3. die Unterhaltsverpflichtung tituliert ist (eingehend BSG Urteil vom 9.11.2010 – B 4 AS 78/10 R ; BSG Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 38/15 R).

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 11. Senat, Urteil vom 19.05.2017 – L 11 AS 638/13

Leitsätze (Juris)
1. Mindestbeiträge für eine freiwillige Rentenversicherung sind seit dem Wegfall der Versicherungspflicht ab dem 1. Januar 2011 eine nach Grund und Höhe angemessene Versicherung im Sinne des § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 HS 1 SGB II.

2. Bei der Ermittlung des Freibetrages nach § 1 Abs 2 Alg II-V (hier: Freibetrag für Verwandte, die mit dem Hilfebedürftigen in einer Haushaltsgemeinschaft leben) sind nicht die vollen, sondern nur die anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen, auch wenn der Verwandte sie in voller Höhe trägt.

3. Gewährt der Verwandte in Höhe der anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung dem Hilfeempfänger durch Übernahme dieser Kosten Naturalunterhalt, liegt insoweit kein ungedeckter Bedarf vor. Die vermutete Unterstützungsleistung nach § 9 Abs 5 SGB II mindert sich um den Naturalunterhalt.

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

2.2 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil v. 24.04.2017 – L 7 AS 571/16

Leitsatz (Redakteur)
Zur Rechtmäßigkeit eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts (hier bejahend).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 25.04.2017 – L 11 AS 873/15

Kosten für eine Wohnungssuche – Wohnungsbeschaffungskosten § 22 Abs. 6 S. 1 SGB II – Kosten für Zeitungsinserate oder Besichtigungsfahrten – Kosten insbesondere für Schreibblock, Porto, Telefon, Kopien und Zeitungen bzw deren Beschaffung – Kosten Collegeblock

Leitsatz (Redakteur)
1. Als Wohnungsbeschaffungskosten denkbar und übernahmefähig sind dabei jedenfalls Kosten für Zeitungsinserate oder Besichtigungsfahrten.

2. Hinsichtlich der weiteren Kosten insbesondere für Schreibblock, Porto, Telefon, Kopien und Zeitungen bzw deren Beschaffung ist umstritten, ob diese im Rahmen des § 22 Abs 6 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind (bejahend für Internetrecherchen, Telefonate und die Beschaffung von Zeitungen: Piepenstock in jurisPK-SGB II, Stand 28.11.2016, § 22 Rn 215). Dies dürfte richtigerweise nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, da Kosten für Zeitungen zur Anzeigenrecherche oder Telefonkosten zur Kontaktaufnahme mit potentiellen Vermietern regelmäßig aus dem Regelbedarf zu bestreiten sein dürften (vgl dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.02.2011 – L 19 AS 185/11 B; Beschluss des Senats vom 16.03.2017 – L 11 AS 121/17 B ER; Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn 203).

3. In jedem Fall hat der Beklagte aber die Kosten für den Collegeblock im Umfang von 1 EUR, 2x Faxgebühr iHv 2 EUR, Porto und Kopien iHv 1,60 EUR in voller Höhe übernommen. Nicht zu beanstanden ist, dass Telefonkosten nur iHv 30 EUR berücksichtigt worden sind. Soweit man davon ausgehen könnte, dass Telefonkosten nicht bereits mit der Gewährung des Regelbedarfs abgegolten sind, sind die geltend gemachten Kosten iHv 75 EUR in keinster Weise schlüssig oder nachgewiesen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
SG Dortmund, Urteil v. 01.08.2016 – S 31 AS 3579/14 – Der Grundsicherungsträger ist zur Zusicherung der Fahrt – bzw. Übernachtungskosten als Wohnungsbeschaffungskosten verpflichtet, denn er hat durch seine Kostensenkungsaufforderung die Klägerin dazu veranlasst, die bisherige Wohnung zu kündigen und umzuziehen.

2.4 – Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.01.2017 – L 8 AS 272/12 – Die Revision wird zugelassen.

Arbeitslosengeld II
Unterkunft und Heizung- Betriebskostennachforderung für nicht mehr bewohnte Wohnung
Leistungsbezug im Entstehenszeitraum und im Zeitpunkt der Fälligkeit
Existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung zwischen Nachforderung und Bedarf für Unterkunft und Heizung im Fälligkeitsmonat

Leitsatz (Juris)
1. Eine Betriebskostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung ist als aktueller Bedarf im Fälligkeitsmonat bei den Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen, wenn der Leistungsberechtigte im Zeitraum der tatsächlichen Entstehung der Kosten im Leistungsbezug stand und auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung noch steht.

2. Die existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung zwischen der Nachforderung mit dem unterkunftsbezogenen Bedarf im Fälligkeitsmonat ist darin zu sehen, dass der Hilfebedürftige in der Zeit des tatsächlichen Entstehens der Betriebskosten Grundsicherungsleistungen bezogen hat.

Quelle: www.landesrecht-mv.de

Rechtstipp:
LSG Mecklenburg- Vorpommern, Urteil v. 24.02.2016 – L 10 AS 461/12 – Eine Betriebskostennachzahlung für eine nicht mehr bewohnte Unterkunft ist als aktueller Bedarf im Fälligkeitsmonat gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen, wenn sowohl im Entstehungszeitraum der Betriebskosten als auch im Fälligkeitszeitpunkt der Nachforderung ein Leistungsbezug vorlag und der Umzug in die neue Unterkunft gem § 22 Abs 4 SGB 2 mit vorheriger Zusicherung des Grundsicherungsträgers erfolgt.

Bestätigt durch BSG, Urteil v. 30.03.2017 – B 14 AS 13/16 R – Jobcenter müssen nach einem Umzug auch noch Nebenkosten-Nachzahlungen für die Altwohnung übernehmen. Dabei kommt es auf den Grund des Umzugs nicht an.

2.5 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 22.05.2017 – L 31 AS 1000/17 B ER – rechtskräftig

Leitsatz (Juris)
Ein beim Vater lebender nicht deutscher minderjähriger Unionsbürger mit Aufenthaltsrecht in Deutschland vermittelt der ledigen Mutter kein Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil v. 26.01.2016 – S 30 AS 2955/12

Zur Frage, ob die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites und Zwölftes Buch (II und XII) auf einem schlüssigen Konzept beruht (hier verneinend) – nicht der gesamte Landkreis Wittenberg kann als maßgeblicher Vergleichsraum angesehen werden

Nichterfüllung der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers

Leitsatz (Redakteur)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft; Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Landkreis Wittenberg.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
Ebenso S 30 AS 2355/12 v. 26.01.2016; S 30 AS 1590/13 u. S 30 AS 1609/13 v. 23.08.2016

3.2 – Sozialgericht Nürnberg, Urt. v. 23.11.2016 – S 13 AS 665/16 – rechtskräftig – Berufung anhängig beim Bay. LSG – L 11 AS 902/16

Leitsatz (Redakteur)
Sterbevierteljahresleistung ist nicht als Einkommen anzurechnen (a. A. LSG Hessen, vom 21.12.2012 – L 4 SO 340/12 B ER)

Hinweis Gericht
1. Gemäß § 11 a Abs. 3 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall denselben Zweck dienen. Die Sterbevierteljahresleistung der Rentenversicherung ist eine Leistung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Bereits der Begriff Sterbevierteljahresleistung benennt den Zweck zu dem diese Leistung erbracht wird. Sie soll nämlich für einen vorübergehenden Zeitraum, ein viertel Jahr, dem Ziel dienen, den während des Sterbevierteljahres zwangsläufig entstehenden besonderen Bedarf des Hinterbliebenen Ehegatten zu befriedigen. Dieser besondere Bedarf kann nicht für jeden Rentenfall im Einzelnen im Bescheid aufgeführt werden, zumal es jeweils ein anderer Bedarf sein kann. Bei der Vielzahl der hinsichtlich des Sterbevierteljahresleistung ergehenden Bescheide kann im Bescheid nicht ein konkret individueller Zweck genannt werden. Jeder Empfänger der Sterbevierteljahresleistung wird die empfangenen Gelder anderweitig einsetzen, aber immer für den Zweck, dass die erhöhten Aufwendungen des Hinterbliebenen Ehegatten im ersten viertel Jahr nach dem Tod des Ehegatten befriedigt werden.

2. Die gegenteilige Ansicht des LSG Hessen in der Entscheidung vom 21.12.2012 (L 4 SO 340/12 B ER) vermag nicht zu überzeugen. Es bedarf keines konkret individuellen Zweckes. Ein abstrakt genereller Zweck reicht aus, zumal der Zweck incident durch die Bezeichnung Sterbevierteljahresleistung im Bescheid genannt ist. Die Leistung während des Sterbevierteljahres soll von der Rentenversicherung aus gerade nicht dem Lebensunterhalt dienen, sondern die erhöhten Aufwendungen ausgleichen. Nicht zuletzt deshalb enthält der Rentenbescheid der Klägerin auch den Hinweis, dass der Sterbevierteljahresbonus eine zweckbestimmte Leistung ist.

Rechtstipp:
Vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 12.04.2017 – L 11 AS 245/17 NZB

3.3 – Sozialgericht Hildesheim, Urt. v. 10.04.2017 – S 35 AS 1227/14

Normen: § 7 Abs. 5 SGB II – Schlagworte: SGB-II-Leistungen bei Wartezeit auf Masterarbeit, Zuschuss statt Darlehen

Leitsatz (Redakteur)
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II greift beim Kläger nicht ein, weil die Voraussetzungen im Falle des Klägers nicht vorliegen, denn der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II greift nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann ein, wenn ein Studierender organisatorisch weiterhin der Universität angehöre und das Studium auch tatsächlich betreibe. Der Kläger ist allerdings exmatrikuliert, gehöre damit nicht mehr der Organisation der Universität an und betreibt auch sein Studium nicht mehr in tatsächlicher Hinsicht. Er wartet lediglich auf einen Termin für die „Verteidigung“ seiner Masterarbeit (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2012 – B 4 AS 102/11 R).

Quelle: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen: www.anwaltskanzlei-adam.de

3.4 – Sozialgericht Konstanz, Urt. v. 31.05.2017 – S 11 AS 808/17

Leitsatz (Juris)
Die Kosten für eine Notbevorratung im Katastrophenfall stellt jedenfalls bei einem erwerbstätigen und über einen Freibetrag von ca. 200 € monatlich verfügenden Leistungsberechtigten keinen unabweisbaren Bedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II oder § 24 Abs. 1 SGB II dar.

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Landessozialgericht Hamburg, Urt. v. 06.04.2017 – L 4 SO 58/15

Zur Übernahme der Kosten für eine selbstbeschaffte Fortbildung.

Leitsatz (Redakteur)
1. Als allgemeiner Rechtsgedanke ist im Sozialrecht anerkannt, dass bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) sowie im Fall einer rechtswidrigen Leistungsablehnung die Kosten für die selbstbeschaffte Leistung zu erstatten sind (vgl. BSG, Urteil vom 23.5.2013 – B 4 AS 79/12 R, Rn. 21; Urteil vom 6.8.2014 – B 4 AS 37/13 R, Rn. 14; Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R).

2. Voraussetzung für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung ist das Bestehen des Anspruchs auf die (ursprünglich) begehrte Leistung, des Primäranspruchs. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der begehrten Leistung nicht vor, kann auch kein Kostenerstattungsanspruch entstehen (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R). Der Primäranspruch war hier nicht gegeben.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 11.05.2017 – L 9 SO 63/16

Leitsatz (Redakteur)
Die Kenntnis muss sich stets auf den konkreten Einzelfall im Sinne eines „spezifischen Bedarfsfalls“ beziehen und wird nicht allein dadurch vermittelt, dass die Entstehung eines sozialhilferechtlichen Bedarfs in bestimmten Situationen „üblich“ ist (SächsLSG, Urt. v. 06.03.2013 – L 8 SO 4/10). Auch die bloße Vermutung oder entfernte Möglichkeit eines Notfalles ist für das Einsetzen der Sozialhilfe nicht ausreichend.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Sozialgerichte zum Asylrecht

5.1 – SG München, Beschluss v. 31.01.2017 – S 51 AY 122/16 ER

Anspruch auf weitere existenzsichernde Maßnahmen eines Geduldeten

Normenkette:
AsylbLG § 1a Abs. 1, Abs. 3

Leitsätze:
1 Zu den unabweisbar gebotenen Leistungen nach § 1a Abs. 1 AsylbLG kann bei bereits sehr langem Aufenthalt in der Bundesrepublik (hier ca. 15 Jahre) im Einzelfall auch ein Barbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens gehören, der ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sowie die Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen sicherstellt. (redaktioneller Leitsatz)

2 Eine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG setzt voraus, dass dem Leistungsberechtigten konkrete und zumutbare Mitwirkungshandlungen aufgegeben wurden. Eine bei Erlass des Bescheides knapp ein Jahr alte Aufforderung, sich einen Pass zu beschaffen, ist nicht ausreichend. (redaktioneller Leitsatz)

Quelle: www.gesetze-bayern.de

Rechtstipp:
Dazu Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG 2. Überarbeitung, Rn 64.3

Das SG München (v. 31.01.2017 – S 51 AY 122/16 ER – InfAuslR 2017, 153, 155) setzt mit Rücksicht auf die einschneidenden Rechtsfolgen der Sanktionierung voraus, dass dem Leistungsberechtigten eine konkrete, zumutbare und erfüllbare Mitwirkungshandlung aufgegeben worden sein muss, die er aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht befolgt; ein Verweis der Behörde auf allgemeine, zuvor ergangene Aufforderungen reicht nicht aus.
Aktualisierung vom 29.05.2017

6.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

6.1 – Anmerkung zu: BSG 14. Senat, Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 30/15 R – Autor: Prof. Dr. Yasemin Körtek, RA’in und FA’in für Sozialrecht
 
Nichtigkeit einer Eingliederungsvereinbarung bei fehlender Regelung zur Übernahme von Bewerbungskosten

Leitsatz
Individuell bestimmte Eigenbemühungen des Leistungsberechtigten in einer Eingliederungsvereinbarung sind im Sinne des sog. Koppelungsverbotes im Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge nur angemessen, wenn deren Unterstützung durch Leistungen des Jobcenters in der Eingliederungsvereinbarung konkret und verbindlich bestimmt ist.

Quelle: www.juris.de

6.2 – Zu: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 19.05.2017 – L 7 AS 5/16 B

dejure.org

LSG Niedersachsen-Bremen: Der Ausschluss der Scans von der Dokumentenpauschale ist nicht verfassungswidrig

Anmerkung von Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Praxistipp
Der Ausschluss von Scans von der Dokumentenpauschale VV 7000 RVG ist unbefriedigend und sachlich nicht gerechtfertigt. Denn der Personalaufwand beim Scannen und Kopieren ist nahezu identisch. Außerdem erfordert ein Einscannen im größeren Umfang eine technisch aufwendigere Büroausstattung als für die bloße Anfertigung von Fotokopien. Es ist daher zu hoffen, dass der Gesetzgeber zumindest de lege ferenda eine Korrektur vornehmen wird.

Quelle: rsw.beck.de

6.3 – „Zur Freigabe von Rentennachzahlungen bei Kontopfändung“ von RA Helge Hildebrandt, Kiel

Zur Freigabe von Rentennachzahlungen bei Kontopfändung
Wird eine Rentennachzahlung auf einem Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO gutgeschrieben, die über dem pfändungsfreien Betrag liegt (hier 3.949,49 € für rund 19 Monate), kann das zuständige Amtsgericht die Rentennachzahlung durch Beschluss nach § 850k Abs. 4 ZPO freigeben, wenn die monatliche Rente (hier rund 287,00 €) innerhalb der Pfändungsfreigrenze liegt. Denn Nachzahlungen sind für den Abrechnungszeitraum zu berücksichtigen, für den sie geleistet werden (Beschluss AG Kiel vom 19.05.2017 unter Bezugnahme auf Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl. Rn. 1042).

Quelle: sozialberatung-kiel.de

6.4 – Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen v. 08.06.2017 – Az. 11 A 52/17.A

Bedingungen für Asylsuchende in Bulgarien nicht menschenrechtswidrig
Das OVG Münster hat entschieden, dass eine Überstellung von Asylantragstellern nach Bulgarien nicht rechtswidrig ist.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts weisen das bulgarische Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen keine solchen systemischen Schwachstellen auf, dass eine Überstellung von Asylantragstellern nach Bulgarien rechtswidrig wäre. Dies gelte jedenfalls für einen Dublin-Rückkehrer (wie der Kläger im vorliegenden Fall), der in Bulgarien vor seiner Einreise nach Deutschland noch keinen Asylantrag gestellt habe und der als alleinstehender junger Mann nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis gehöre.

Das OVG Münster hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist eine Nichtzulassungsbeschwerde zulässig, über die das BVerwG entscheidet.

Vorinstanz
VG Aachen, Urt. v. 23.11.2016 – 8 K 1929/15.A

Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 08.06.2017: www.juris.de

6.5 – Hartz IV: Jobcenter muss ungenutzte Wohnung nicht zahlen – Beitrag von Rechtsanwalt Philipp Adam, Motzenbäcker & Adam

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat mit einer neuen Entscheidung, Aktenzeichen: L11 AS 1138/16 B ER, entschieden, dass ein Jobcenter Unterkunftskosten eines Hartz-IV-Berechtigten nur dann zahlen muss, wenn dieser die Unterkunft auch nutzt.

Im vorliegenden Fall nahm der Kläger aus dem Landkreis Göttingen an einer Fördermaßnahme in einem Friseursalon im Kyffhäuserkreis in Thüringen teil. Dort begann er eine Beziehung mit seiner Chefin und übernachtete daraufhin auch regelmäßig in ihrer Wohnung.

Daraufhin weigerte sich das beklagte Jobcenter weiterhin die Unterkunftskosten für die Wohnung des Klägers zu zahlen. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren landete der Fall schließlich im Wege des Eilrechtsschutz vor dem Landessozialgericht Niedersachen-Bremen.

Nach Ansicht des 11. Senats müsse der Beklagte vorliegend die Unterkunftskosten nicht zahlen. Nach Angaben des Gerichts sei die Wohnung des Klägers ausgekühlt gewesen. Auch habe es in der Wohnung keine getragenen Kleidungsstücke bzw. frische Lebensmittel gegeben. Die Elektrogeräte des Klägers seien zudem nicht angeschlossen gewesen. Die Heizkosten beliefen sich zudem auf nur 0,73 Cent pro Monat. All diese Punkte sprächen dafür, dass der Kläger die Wohnung nicht nutze. Dabei sei es auch unbeachtlich, dass dieser eine eidesstattliche Versicherung abgab, wonach er die Wohnung nutzen würde.

Durch die Entscheidung wird jedoch nicht deutlich, wann eine Wohnung genutzt wird und wie oft ein Bezieher von Arbeitslosengeld II bei einer anderen Person übernachten darf.

Quelle: www.anwalt.de

Hinweis:
Zum Volltext der Entscheidung: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

Rechtstipp:
1. SG Stuttgart, S 18 AS 4309/14 ER, Beschluss vom 29.08.2014 – Die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft bei nicht verheirateten Partnern setzt zwingend das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts voraus. Allein das Unterhalten einer Liebesbeziehung unter Beibehaltung getrennter Haushalte ist nicht geeignet, eine Bedarfsgemeinschaft zu begründen, auch wenn die Partner abwechselnd in der Wohnung des anderen Partners übernachten.

2. SG Duisburg, Urteil vom 29.09.2009, Az. S 5 AS 99/09 – Keine Kürzung von Grundsicherungsleistungen, weil sich Empfängerin von SGB-II-Leistungen dreimal wöchentlich tagsüber bei Lebenspartner aufhält

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt der wirklichen Nutzung der Wohnung. Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur setzt § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass ein gegenwärtiger Wohnbedarf besteht und die Wohnung nicht nur tatsächliche Kosten verursacht, sondern vom Hilfebedürftigen auch tatsächlich genutzt wird. Unschädlich ist ein zeitlich überschaubarer anderweitiger Aufenthalt z.B. infolge Urlaub, Krankheit, Übernachtungen bei Dritten (LSG BRB, Beschluss v. 24.5.2006 – L 5 B 147/06 AS ER; LSG BRB, Beschluss v. 16.6.2006 – L 10 B 488/06 AS ER; LSG Hessen, Beschluss v. 8.10.2007 – L 7 AS 249/07 ER; LSG FST, Beschluss v. 15.4.2008 – L 9 AS 1438/07 ER; SG Detmold, Beschluss v. 2.10.2006 – S 13 AS 48/06 ER; SG Karlsruhe, Beschluss v. 12.1.2006 – S 5 AS 2/06 ER; SG Detmold, Beschluss v. 2.10.2006 – S 13 AS 48/06 ER; vgl. auch LSG NRW, Beschluss v. 1.3.2006 – L 20 B 52/05 SO ER, sowie bereits BVerwG, Urteil v. 22.12.1998 – 5 C 21/97; Berlit in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007; Frank-Schinke in: Linhart/Adolph, Kommentar u.a. zum SGB II, Stand: Juli 2009, § 22 Rn. 10).

6.6 – Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 06.06.2017 Az. 3 A 747/17.A, 3 A 255/17.A, 3 A 3040/16.A

Flüchtlingsanerkennung für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge

Der VGH Kassel hat die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, drei syrischen Staatsangehörigen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der VGH Kassel hat die Berufungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist – entgegen der Ansicht des Bundesamtes – die Befürchtung der Kläger, im Fall einer Rückkehr nach Syrien drohe ihnen eine politische Verfolgung, begründet. Nach aktuellen Auskünften u.a. des Auswärtigen Amtes, des UNHCR und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zur Lage in der Arabischen Republik Syrien drohten den Klägern wegen ihrer Herkunft aus den von Rebellen beherrschten bzw. ehemals beherrschten Gebieten des Landes sowie in Anknüpfung an ihre von den syrischen Behörden wegen ihres Wehrdienstentzuges vermuteten oppositionellen Gesinnung bei einer Rückkehr über den Flughafen von Damaskus oder bei einer anderen offiziellen Einreise in ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Inhaftierung und Folter und damit eine politische Verfolgung.

Die Revision gegen die Urteile wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Beschwerde möglich, über die das BVerwG zu entscheiden hätte.

Quelle: Pressemitteilung des VGH Kassel Nr. 8/2017 v. 06.06.2017: www.juris.de

6.7 – Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)

hier: www.arbeitskammer.de

Direkt download: www.arbeitskammer.de

Herausgeber: Arbeitskammer des Saarlandes, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Fritz-Dobisch-Straße 6-8, 66111 Saarbrücken
Verfasser: Friedrich Marburger, Bearbeitung: Friedrich Marburger

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de