1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 29.06.2017 – L 7 AS 607/17 – Revision zugelassen
Die Anwendung der Aufrechnungsermächtigung auf Mietkautionsdarlehen ist rechtswidrig. Eine teilweise Deckung von Unterkunftsbedarfen durch Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs sieht das Gesetz nicht vor.
LSG NRW: Auch nach neuer Gesetzeslage ist die Aufrechnung von Mietkautionsdarlehens im SG B II Bezug unzulässig:
Leitsatz (Redakteur)
§ 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II ist auf Mietkautionsdarlehen gem. § 22 Abs. 6 Satz 1, 3 SGB II nicht anwendbar (zweifelnd auch BSG Beschluss vom 29.06.2015 – B 4 AS 11/15 R; offen gelassen bei BSG Urteil vom 25.06.2015 – B 14 AS 28/14 R).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Hinweis:
Vorschlag einer bundesweiten Kampagne gegen verfassungswidrige Aufrechnung unterhalb des Existenzminimums
Die Aufrechnung von darlehensweise erbrachten Mietkautionen und Genossenschaftsanteilen mit SGB-II-Leistungen ist nicht zulässig!
Nach Auffassung von Tacheles e.V. ist die Aufrechnung von Mietkautionen und Genossenschaftsanteilen nach § 42a Abs. 2 SGB II mit den SGB-II-Regelbedarfen verfassungswidrig. Der Erwerbslosenverein regt eine bundesweite Kampagne an, Leistungsberechtigte dabei zu unterstützen, sich gegen die durch Aufrechnungen verursachte Unterschreitung des Existenzminimums mit Rechtsmitteln zur Wehr zu setzen. Da die Regelung auch bei der Sozialgerichtsbarkeit und in der Fachliteratur umstritten ist, sehen wir realistische Chancen, die Aufrechnung von Wohnungsbeschaffungsdarlehen mittelfristig mit Hilfe zahlreicher Klagen und einer politischen Kampagne zu Fall zu bringen.
weiter: tacheles-sozialhilfe.de
1.2 – LSG NRW, Beschluss v. 17.07.2017 – L 2 AS 122/17 B
Zur Bedarfsgemeinschaft auf Zeit – Anspruch auf ungekürzten Mehrbedarf für Alleinerziehung – Aufteilung des Wohnbedarfs der Kinder rechtswidrig
Eine anteilige Kürzung der Kosten der Unterkunft findet im Fall einer temporären Bedarfsgemeinschaft nicht statt.
Leitsatz (Redakteur)
1. Bei einem Kind, dessen Eltern getrennt leben, liegt der Lebensmittelpunkt des Kindes in der Wohnung des Elternteils, bei dem es sich überwiegend aufhält. Durch die Sicherstellung des Wohnbedarfs bei diesem Elternteil wird sein Grundbedürfnis auf Wohnen bereits vollständig befriedigt. Eine Aufteilung des Wohnbedarfs je nach dem Umfang des Aufenthalts bei dem einen oder anderen Elternteil kommt nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil v. 17.2.2016, B 4 AS 2/15 R).
2. Die Mutter der Kinder hat Anspruch auf den ungekürzten Mehrbedarf, wenn der Vater, wie vorliegend, weniger als die Hälfte der Zeit mit den Kindern eine temporäre Bedarfsgemeinschaft bildet (BSG, Urteil vom 12.11.2015, B 14 AS 23/14 R u. BSG, Urteil vom 11.2.2015, B 4 AS 26/14 R).
Quelle: Rechtsanwalt Lars Schulte-Bräucker
1.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 12.07.2017 – L 12 AS 596/17 B ER, L 12 AS 597/17 B – rechtskräftig
Aufenthaltsrecht aufgrund der Ausübung der elterlichen Sorge während Schulbesuch des Kindes
Hinweis Gericht
In Artikel 10 VO (EU) 492/2011 ist kodifiziert, dass die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen können. Aus dieser Norm folgt ein autonomes, von den Eltern unabhängiges Aufenthaltsrecht der Kinder eines Beschäftigten (BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R; LSG NRW Beschluss vom 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 29.04.2016, L 4 AS 182/16 B ER).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.4 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.06.2017 – L 18 AS 1812/16
Arbeitslosengeld II – selbständige Tätigkeit – Betriebsausgaben – Tilgung von Einkommenssteuerschulden
Leitsatz (Redakteur)
1. Die geltend gemachten Tilgungszahlungen auf Einkommensteuerschulden aus früheren Jahren kommen nicht in Betracht. Zu entrichtende Einkommensteuer kann nur in den Monaten abgesetzt werden, in denen sie fällig und daher zu entrichten war (vgl hierzu BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R).
2. Die Klägerinnen verkennen mit ihrer Argumentation bereits, dass die Einkommensteuer – wie im Übrigen auch die Umsatzsteuerschulden – anders als bei einer erstmals im Bewilligungszeitraum festgesetzten Steuernachzahlung (vgl hierzu SG Chemnitz, Urteil vom 25. Mai 2016 – S 35 AS 3984/14) – nicht im vorliegend streitbefangenen Bewilligungszeitraum fällig wurden, sondern bereits in den Jahren 2012 bzw 2010; die Stundung iSv 222 AO ändert nichts daran, dass die Steuern mit der Festsetzung fällig geworden sind (vgl § 220 AO; vgl auch § 222 AO „bei Fälligkeit“).
3. Abgesehen davon, dass § 3 Alg II-VO in Verbindung mit § 11b SGB II abschließend regelt, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, bevor es der Aufteilung unterfällt, ist Einkommen zuvörderst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann eingreifen soll, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel verbraucht haben (vgl BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 4 AS 27/07 R).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.5 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.03.2017 – L 29 AS 544/14
Einkommensanrechnung – Reihenfolge – Mehrbedarfe – Auszubildende
Kein Anspruch auf einen höheren Mehrbedarf für Alleinerziehende als Leistung für Auszubildende nach dem SGB II, denn mit der Regelung des § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II existiert sehr wohl eine gesetzliche Vorgabe zur Einkommensberücksichtigung, die auch im Rahmen der Anwendung des § 27 Abs. 2 SGB II zumindest entsprechend zu berücksichtigen ist (entgegen SG Berlin, Urt. vom 25. März 2015 – S 205 AS 8970/14).
Leitsatz (Redakteur)
1. Es kann schon aus dem Wortlaut der Regelung des § 27 Abs. 2 SGB II nicht entnommen werden, dass vorhandenes Einkommen und Vermögen auf Mehrbedarfe gegebenenfalls erst nachrangig anzurechnen ist. Denn nach dem Wortlaut der Regelung des § 27 Abs. 2 SGB II besteht ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 2, 3, 5 und 6 SGB II nur, „soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sind“. Ein Anspruch auf einen Mehrbedarf steht also unter einem entsprechenden Vorbehalt der Bedürftigkeit. Ist Einkommen oder Vermögen vorhanden, ist dies nach dem Wortlaut der Regelung grundsätzlich vorrangig zu Befriedigung des Mehrbedarfes einzusetzen, ohne dass ein Nachrangverhältnis zu anderen Leistungen normiert wäre. Allein nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 SGB II wäre mithin sogar jegliches berücksichtigungsfähiges Einkommen unmittelbar auf die Mehrbedarfe anzurechnen.
2. Die Systematik der Regelungen spricht für eine Anwendung der Reihenfolge aus § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II bei Leistungen nach § 27 SGB II i.V.m. § 21 SGB II.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.6 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v,. 15.06.2017 – L 25 AS 1631/16
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Eingliederungsverwaltungsakt (EGVA) -Klageart bei fortbestehender Regelungswirkung / bei auf den EGVA gestützten Sanktionsbescheid – Zulässigkeit der Klage trotz anhängiger Klage gegen den Sanktionsbescheid – Ermessensentscheidung – Geltungsdauer – wechselbezügliche Konkretisierung von Pflichten und Obliegenheiten
Leitsatz (Redakteur)
1. Zur Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) ersetzenden Verwaltungsaktes (EGVA), hier bejahend.
2. Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Denn welche Klageart statthaft ist – Anfechtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage –, ist für die vorliegende Fallkonstellation ebenso wenig geklärt wie die Frage, in welchem Verhältnis Rechtsbehelfsverfahren gegen einen EGVA einerseits und einen darauf gestützten Bescheid über die Feststellung eines Verstoßes gegen den EGVA und eine Minderung des Alg II-Anspruchs andererseits zueinanderstehen.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.7 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 07.03.2017 – L 2 AS 127/17 B ER – rechtskräftig
Leitsatz: Informationsverbund Asyl und Migration
Einstweilige Anordnung von vorläufigen Leistungen nach SGB II und SGB XII:
1. Bis zum 28.12.2016 kein Leistungsausschluss für eine Unionsbürgerin (Portugal) mit zwei schulpflichtigen Kindern, da sie ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Wanderarbeitnehmer-VO (492/2011/EU) für Kinder ehemaliger Arbeitnehmer (und ihrer Eltern) haben und daher nicht nach der alten Fassung von § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen waren.
2. Ab dem 29.12.2016 unterliegen wegen Gesetzesänderung auch die nach Art. 10 Wanderarbeitnehmer-VO (492/2011/EU) Aufenthaltsberechtigten dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c SGB II. Es ist kein Verstoß der Neuregelung gegen europäisches Recht festzustellen.
3. Für den Zeitraum ab 29.12.2016 haben die Betroffenen einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Der Leistungsausschluss in § 23 Abs. 3 SGB XII (wie im SGB II auch für Aufenthaltsberechtigte nach Art. 10 Wanderarbeitnehmer-VO (492/2011/EU)) ist nicht mit EU-Recht vereinbar, da bezogen auf SGB XII die Bundesregierung keinen Vorbehalt zum Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) erklärt hat.
(Leitsätze der Redaktion, vgl. zur Rechtslage vor Gesetzesänderung LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.08.2016 – L 2 AS 449/16 B ER – asyl.net: M24181)
Zum Volltext: sozialgerichtsbarkeit.de
Leitsatz (Juris)
1. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II für Ausländer und Ausländerinnen, deren Aufenthaltsrecht sich alleine aus dem Zwecke der Arbeitsuche ergibt in der ab dem 29. Dezember 2016 anzuwendenden Neufassung durch das Gesetz zur Reglung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und der Sozialhilfe nach dem SGB XII vom 22.12.2016 (BGBl. I, S. 3155) verstößt nicht gegen vorrangiges europäisches Gemeinschaftsrecht.
2. Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 SGB XII in der ab dem 29. Dezember 2016 geltenden Neufassung findet keine Anwendung für Bürgerinnen und Bürger von Unterzeichnerstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA).
1.8 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.05.2017 – L 5 AS 547/16
Leitsatz (Juris)
1. Die Begrenzung der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach einem nicht erforderlichen Umzug auf die bisherige Höhe gemäß § 22 Abs 1 S 2 SGB II findet keine Anwendung, wenn ein Umzug über die Grenzen des Vergleichsraums hinweg erfolgt (wie BSG, Urteil vom 1.6.2010, B 4 AS 60/09 R).
2. Der Landkreis Harz (Fläche 2.104 km2, 221.399 Einwohner) ist als Gebietskörperschaft kein einheitlicher „Vergleichsraum“, denn seine kreisangehörigen Gemeinden weisen erhebliche strukturelle Unterschiede auf, die sich bei einer bewertenden Betrachtung von Topografie, Siedlungsdichte und Infrastruktur ergeben. Er besteht ausgehend von den Wohnorten aus 14 Vergleichsräumen zumeist in Form der politischen Gemeinden mit eigenen Wohnungsmärkten.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – Sozialgericht Augsburg, Beschluss v. 18.07.2017 – S 8 AS 737/17 ER
Zur Anrechnung einer Betriebs- und Heizkostenerstattung.
Leitsatz (Juris)
1 Maßgeblich für das Entfallen der Leistungen bei der Anwendung von § 11 Abs. 3 SGB II in den Fällen des § 22 Abs. 3 SGB II ist nur der Teil des Leistungsanspruchs, der gemindert wird, nämlich der Bedarf für Unterkunft und Heizung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Übersteigt eine Betriebskostenerstattung den Bedarf für Unterkunft und Heizung eines Monats, ist der Erstattungsbetrag auf sechs Monate zu verteilen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2.2 – SG München, Beschluss v. 12.07.2017 – S 40 AS 1532/17 ER
Leitsätze
1 Im Rahmen der Überprüfung eines Sanktionsbescheids wegen des Versäumnisses einer Meldeterminsaufforderung ist der Bescheid, mit dem der erwerbsfähige Leistungsberechtigte zur Meldung aufgefordert wird, inzident zu überprüfen (Anschluss an BayLSG BeckRS 2016, 74861). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Meldezweck für eine Meldeterminsaufforderung wird nicht dadurch rechtswidrig, dass ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter darin gebeten wurde, die durch einen Eingliederungsverwaltungsakt geforderten Nachweise vorzulegen. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Meldetermins die Geltungsdauer des Eingliederungsverwaltungsakts schon abgelaufen ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für Leistungsbezieher ohne Erwerbstätigkeit ist es zumutbar, Arzttermine, die nicht unaufschiebbar sind, zu verschieben, wenn rechtzeitig ein Termin beim Arbeitsvermittler angesetzt wird. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4 In einer Rechtsfolgenbelehrung muss nicht über die Regelung des § 309 Abs. 3 S. 2 SGB III belehrt werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Quelle: www.gesetze-bayern.de
Rechtstipp:
a. A. SG Leipzig, Beschluss v. 09.09.2016 – S 22 AS 2098/16 ER – Die Belehrung über die Rechtsfolgen in einer Aufforderung, sich an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Tageszeit zu melden, ist zumindest dann unvollständig, wenn die Rechtsfolgenbelehrung unter Bezug auf den Gesetzestext zwar erläutert, wann eine Verletzung der Meldepflicht vorliegt, ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass der Meldepflicht auch nachgekommen wird, wenn sich zu einer anderen Zeit am selben Tag gemeldet und der Zweck der Meldung erreicht wird.
2.3 – Sozialgericht Magdeburg, Beschluss vom 24.07.2017 – S 4 AS 333/17 ER
Leitsatz RA Michael Loewy
1. Die Bildung eines jährlichen Durchschnittseinkommens bei einem in der Landwirtschaft in den Erntemonaten tätigen Erntehelfers, unter Einbezug der bei der Ernte erzielten Überstunden, ist unzulässig. Hierbei liegt es in der Natur der Sache, dass in den Wintermonaten keine zusätzlichen Arbeiten und somit auch keine weitere Vergütung anfällt.
2. Die Kosten des Erwerbs eines Traktorführerscheins bei einem in der Fachrichtung Pflanzenproduktion tätigen Auszubildenden können bei einem Einbehalt des Arbeitsgebers von der Ausbildungsvergütung nicht als „fiktives“ Einkommen angerechnet werden. Entweder sind diese Kosten als Werbungskosten vom Einkommen abzusetzen oder aufgrund des fehlenden Zuflusses nicht anrechenbar.
Quelle: www.anwaltskanzlei-loewy.de
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)
3.1 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. v. 14.07.2017 – L 3 AL 14/15
Leitsatz (Redakteur)
1. Antragsteller hat kein Anspruch auf Gründungszuschuss und auch keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags.
2. Der Kläger hat seine Arbeitslosigkeit nicht im Sinne von § 93 Abs. 1 SGB III durch die Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit beendet (vgl. zum Problem allg. bereits Urteile des Senats vom 11. November 2016, L 3 AL 29/14 und vom 16. Dezember 2016, L 3 AL 10/14).
3. Auch die für die Gewährung des Gründungszuschusses nach § 93 SGB III erforderliche Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit ist an die Definition der Arbeitslosigkeit in § 138 SGB III anzuknüpfen (so auch LSG Hamburg, Urteil vom 7. Dezember 2016, L 2 AL 7/16).
4. Erforderlich sind dann – wie sich aus § 138 Abs. 1 SGB III ergibt – Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit. Das Vorliegen von Beschäftigungslosigkeit genügt dann nicht (so auch Jüttner in Mutschler, Schmidt-Caluwe, Coseriu, SGB III, 6. Aufl. § 93 Rz 42; anders unter Hinweis auf Sinn und Zweck des Gründungszuschusses, die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu fördern, Link in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Juni 2015, § 93 Rz 84 sowie – ohne nähere Begründung – Hassel in Brand, SGB III, 7. Aufl. § 93 Rz 9; vgl. auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 5. Mai 2010, B 11 AL 11/09 R, juris, Rz 26, wobei die dortigen Ausführung vom LSG Hamburg [a.a.O.] nach Auffassung des Senats zutreffender Weise als nicht hinreichend eindeutiges obiter dictum bezeichnet werden).
5. Vorliegend fehlt es an der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 – LSG Baden-Württemberg Urteil vom 29.06.2017, L 7 SO 5382/14
Leitsatz (Juris)
Hat das Schulamt die Bestimmung der Beschulungsform den Eltern als den gesetzlichen Vertretern überlassen, dann ist das diesen vom Schulamt eingeräumte Wahl- und Bestimmungsrecht vom Träger der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe hinsichtlich der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung in Form der Gewährung von Schülerbeförderungskosten hinzunehmen.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Asylrecht
5.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.07.2017 – L 20 AY 4/17 B – rechtskräftig
Bewilligung v on Prozesskostenhilfe – Anordnungsanspruch – Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes
Keine Versagung von Prozesskostenhilfe in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit einer Unterdeckung des menschenwürdigen Existenzminimums von 46 EUR monatlich (fast 13% geringere Geldleistungen).
Leitsatz (Redakteur)
1. Bewilligung von PKH, denn zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes kann – nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Ermittlung der Bedarfssätze nach § 3 Abs. 1 S. 8 AsylbLG (in der seit dem 17.03.2016 geltenden Höhe) den prozeduralen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10 und 2/11 Rn. 62 ff.) zur Bestimmung eines menschenwürdigen Existenzminimums noch genügen.
2. Vor allem aber ist die Differenz zwischen den (zunächst erbrachten) Leistungen nach § 3 AsylbLG und den (vom Antragsteller begehrten) Analogleistungen nach § 2 AsylbLG – anders etwa als im unmittelbaren Anschluss an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) entsprechend der seinerzeit geltenden Übergangsregelung des Gerichts – keineswegs nur marginal. In der (für den Antragsteller maßgebenden) Regelbedarfsstufe 2 beträgt sie vielmehr monatlich 46 EUR. Dementsprechend erhielt der Kläger um fast 13% geringere Geldleistungen, als ihm als Analogleistungen (und damit als Leistungen in Höhe des gesetzlich bestimmten Existenzminimums nach dem SGB XII) zugestanden hätten; auch wenn einige Bedarfspositionen bei Leistungen nach (oder in Höhe von) § 3 AsylbLG als Sachleistung erbracht werden, schränkt dies jedenfalls die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Leistungsempfängers im Vergleich zu Leistungen nach § 2 AsylbLG erheblich ein.
3. Offen gelassen wurde, ob bei einer solchen Unterdeckung ein Anordnungsgrund stets und in jedem Fall anzunehmen ist, oder ob es Lebenssachverhalte gibt, in denen angesichts der Umstände des Einzelfalles (etwa wegen eines bei Antragstellung prognostisch nur sehr kurzen betroffenen Zeitraums) noch von einem „Bagatellbetrag“ ausgegangen werden kann, bei dem ein Anordnungsgrund fehlt.
4. Zumindest dann, wenn – wie im Falle des Antragstellers – der Anordnungsanspruch offen zu Tage liegt, erscheint ein Abwarten der (ggf. erst nach längerer Zeit zu erwartenden) Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar und können deshalb der Rechtsverfolgung schon angesichts der Wechselwirkung zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund (s.o.) hinreichende Erfolgsaussichten auch mit Blick auf den Anordnungsgrund nicht abgesprochen werden.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
6. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
6.1 – OLG Hamm v. 27.07.2017 – Az.: 4 UF 31/17
Vormund für minderjährigen Flüchtling
Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Vormundschaft für einen minderjährigen Flüchtling auch durch seine volljährige Schwester, die ebenfalls als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist, übernommen werden kann, so dass es nicht der Bestellung eines Amtsvormundes bedarf.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 27.07.2017: www.juris.de
6.2 – EuGH zu Fristen bei Dublin-III-VO
Entscheidend ist das Erstgesuch, von Marcel Keienborg
Flüchtlinge haben lange Wartezeiten für ihr Asylverfahren. Nun stellt der EuGH klar, dass schon die erste Registrierung wichtige Fristen in Gang setzt. Damit gehen die Richter weiter als die Generalanwältin, erklärt Marcel Keienborg.
weiter: www.lto.de
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de