Sozialgericht Hildesheim – Beschluss vom 17.07.2017 – Az.: S 37 AS 1401/15

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit
1. xxx
2. xxx
– Kläger –

Prozessbevollmächtigter:
zu 1-2: Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis Göttingen xxx
– Beklagter –

hat die 37. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim am 19. Juli 2017 durch den Richter xxx beschlossen:

Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

GRÜNDE
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Der vorliegende Rechtsstreit ist durch eine Erledigungserklärung der Kläger und damit anders als durch Urteil beendet worden. Die Kläger haben einen Kostenantrag am 21. Dezember 2015 gestellt.

Bei der Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Maßgebend für die Entscheidung sind hierbei insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage, also der vermutliche Ausgang des Verfahrens. Im Rahmen des Ermessens sind jedoch auch weitere Entscheidungskriterien zu berücksichtigen. Von Bedeutung können dabei die Gründe für die Klageerhebung und -erledigung (bzw. Antragstellung und -erledigung) sowie der Anlass für die Klageerhebung (bzw. Antragstellung) sein.

Vorliegend hat das Gericht sein Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Rechtsstreits dahingehend ausgeübt, dass der Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten hat.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten dürfte die Erhebung einer Untätigkeitsklage zulässig gewesen sein. Sozialleistungsträger sind zur Verzinsung von Sozialleistungen von Amts wegen verpflichtet; eines Antrages hierfür bedarf es nicht. Der von durch den Zivilprozess geprägten Prozessbevollmächtigten häufig gestellte Antrag auf Zinsleistungen z.B. bei Verfahren wegen Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist bei den in diesen Fällen gemäß § 130 SGG zu erlassenden Grundurteilen somit überflüssig und dürfte sogar unzulässig sein, weil die Feststellung von Zinsen nicht Gegenstand der Grundverurteilung ist. Dies bedeutet zugleich, dass eine fehlende Verzinsung im Ausgangsbescheid nicht mit einem Widerspruch, sondern allenfalls mit einer Untätigkeitsklage angegriffen werden kann, womit Kosten für ein entsprechendes Widerspruchsverfahren nicht vom Leistungsträger zu erstatten sind (Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 44 SGB I, Rn. 41).

Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18. Januar 2010 — L 3 R 162/09 —, Rn. 36) hat wie folgt entschieden:
„Schließlich ist der Kläger auch nicht rechtlos gestellt, wenn der Versicherungsträger seiner aus § 44 SGB I resultierenden Pflicht zur Gewährung von Zinsen nicht nachkommt. Zum Einen hat er die Möglichkeit, eine unterbliebene Zinsentscheidung mit einer Verpflichtungs- bzw. Untätigkeitsklage im Sinne des § 88 SGG zu erwirken. Zum Anderen steht ihm im Falle der Verletzung der dem Versicherungsträger obliegenden Pflichten — wie bereits angedeutet — unter Umständen ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 S. 1 Grundgesetz — GG — in Verbindung mit § 839 BGB zu, über den jedoch nicht die Sozialgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (Art. 34 S. 3 GG).“

Auch wenn sich die statthafte Klageart nicht ganz eindeutig aus der o. g. Entscheidung ergibt („Verpflichtungs- bzw. Untätigkeitsklage”), so geht das LSG jedoch offenbar von der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage aus.

Auch der nachfolgenden Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) lässt sich zumindest nichts Gegenteiliges entnehmen (BSG, Urteil vom 25. Januar 2011 — B 5 R 14/10 R SozR 4-1300 § 63 Nr 15).

Problematisch ist in diesem Kontext, dass die Klageschrift vom 14. Oktober 2015 zwar mit der Überschrift „Untätigkeitsklage” betitelt ist, der Klageantrag – je nach Sichtweise – jedoch auf eine Leistung oder Verpflichtung („zu verzinsen”) abzielt. Aufgrund der Komplexität der Rechtslage war der Antrag der Kläger jedoch trotz Bevollmächtigung entsprechend auszulegen.

Nach alledem obliegt dem Beklagten nach Auffassung des Gerichts die Pflicht zur vollständigen Kostentragung. Dieser hat sich durch Erfass des Bescheids vom 11. Dezember 2015 auch in die Rolle des Unterlegenen begeben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG).