1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss v. 05.07.2017 – L 9 AS 2050/17 ER-B
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Sanktionsbescheid des Jobcenters (JC), hier stattgegeben.
Minderung des Arbeitslosengeldes II um 100 Prozent rechtswidrig, weil bereits keine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II vorliegt.
Eine Rechtsmittelbelehrung als Voraussetzung für eine 100% Sanktion nach einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung (§ 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II) ist nur dann konkret, vollständig und einzelfallbezogen, wenn darin die maßgeblichen Vorsanktionen nach Satz 1 und 2 genau bezeichnet werden (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.06.2016, L 7 AS 414/16 B ER).
Leitsatz (Redakteur)
Lässt ein eine Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt in seiner Begründung Ermessenerwägungen nicht erkennen, ist dieser rechtswidrig. Ersetzt das Jobcenter eine Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt, sind die ersetzenden Regelungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, wie sie für die konsensuale Eingliederungsvereinbarung gelten (vgl. zu den Anforderungen insbesondere BSG Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 42/15 R; im Anschluss daran Bayrisches LSG, Beschluss vom 06.12.2016 – L 18 AS 770/16 B).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Leitsatz (Juris)
Zieht eine Verletzung von Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt auch unter Berücksichtigung der Frist des § 31a Abs. 1 Satz 5 SGB II einen kompletten Wegfall der Leistungen nach dem SGB II nach sich, so ist hierauf in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hinzuweisen.
1.2 – LSG BaWü, Urteil vom 27.06.2017 – L 9 AS 1742/14 – Revision zugelassen
Jobcenter muss Kosten einer Räumungsklage tragen
Leitsatz (Redakteur)
Ein Jobcenter trägt die Kosten einer Räumungsklage, wenn es einem Leistungsberechtigten zu Unrecht die Leistungen versagt, dadurch Mietrückstände entstehen und der Vermieter in der Folge Räumungsklage erhebt. Die anfallenden Gerichtskosten sind als (einmalig anfallende) Bedarfe der Unterkunft im SGB II zu berücksichtigen.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Leitsatz (Juris)
Das Jobcenter trägt die Kosten einer Räumungsklage, wenn es dem Leistungsberechtigten zu Unrecht Leistungen versagt, dadurch Mietrückstände entstehen und der Vermieter in der Folge Räumungsklage erhebt. Die dann anfallenden Gerichtskosten sind als (einmalig anfallende) Bedarfe der Unterkunft im SGB II zu berücksichtigen.
Rechtstipp:
Ebenso, aber letztlich offengelassen: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.01.2014 – L 7 AS 676/13
Hinweis:
Jobcenter muss Kosten einer Räumungsklage tragen, ein Beitrag von RA Helge,Hildebrandt: sozialberatung-kiel.de
1.3 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 20.07.2017 – L 7 AS 2130/14
Leitsatz (Redakteur)
1. Lehnt der SGB II-Leistungsträger die Gewährung von Leistungen ab und lässt sich dem Bescheid zumindest konkludent (etwa durch Beifügung von Berechnungsbögen oder sog. Horizontalübersichten für bestimmte Monate) entnehmen, dass sich die Ablehnung nur auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, ist zulässiger Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nur der Zeitraum, für den Leistungen abgelehnt wurden.
2. Verneinung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wegen Bildung einer Bedarfsgemeinschaft
3. Bereits die gemeinsame Anschaffung des selbst bewohnten Einfamilienhauses als immobiliare Grundlage des gemeinsamen Wohnens stellt sich als “Wirtschaften aus einem Topf” dar. Das Gleiche gilt für die Führung eines gemeinsamen Kontos für den Unterhalt des Hauses sowie einer gemeinsamen Haushaltskasse.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.4 – LSG NRW, Beschluss v. 28.07.2017 – L 19 AS 1023/17 B – rechtskräftig
Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage auf Verpflichtung des Jobcenters zur zuschussweisen Übernahme der Kosten einer durch Dritte durchzuführenden Renovierung seiner Wohnung
Leitsatz (Redakteur)
1. Hier liegt keine wirksame Abwälzung auf den Kläger vor und die Tragung der Kosten für Schönheitsreparaturen obliegt nicht dem Kläger, vielmehr seinem Vermieter.
2. Ob und wie diese Ansprüche durchgesetzt werden können und ob gegebenenfalls bei fehlender Unterstützung des Leistungsträgers nach dem SGB II hierbei eine Leistungspflicht entstehen kann (BSG, Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 15/11 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.02.2014 – L 18 AS 2908/12) ist hier ohne Belang, weil der Kläger ein Vorgehen gegen seinen Vermieter von Vornherein ausschließt.
3. Für eine zuschussweise Gewährung von Leistungen für Kosten der Wohnungsinstandhaltung darüber hinaus bietet das SGB II keine Rechtsgrundlage, weil Kosten der Wohnungsinstandhaltung Bestandteil des Regelbedarfes sind, bei dessen Unterdeckung allenfalls eine darlehensweise Leistungsgewährung in Betracht kommt.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.5 – LSG NRW, Urt. v. 22.06.2017 – L 19 AS 2181/16
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X betreffend mit Erstattungsforderungen verbundene endgültige Leistungsfestsetzungen.
Hinweis Gericht
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat die Verwaltung schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für Zeiten betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallsfrist des 44 Abs. 4 SGB X liegen. Die Unanwendbarkeit der “Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X” steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R – SozR 4-4200 § 40 Nr. 10 m.w.N). Die Rücknahme steht unter dem Vorbehalt, dass Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X noch zu erbringen sind (BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R). Dies gilt in gleicher Weise bei der Verkürzung der rückwirkenden Leistungserbringung auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr nach § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II a. F., wenn der Antrag auf Rücknahme nach dem 31.03.2011 gestellt worden ist (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R – SozR 4-4200 § 40 Nr. 10 m.w.N).
2. Der Überprüfungsantrag liegt deutlich außerhalb der Jahresfrist nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraumes; eine Korrektur im Sinne einer günstigeren als der mit Bescheiden getroffenen endgültigen Leistungsfestsetzung ist daher nach §§ 40 Abs. 1 S. 2 SGB II a.F., 44 Abs. 4 SGB X verwehrt.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.6 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 31.01.2017 – L 4 AS 38/14 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az. B 14 AS 5/17 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Rücknahme der Leistungsbewilligung – Leistungsausschluss wegen Bezugs einer russischen Altersrente – grob fahrlässige Nichtangabe des Einkommens – kein Ausschluss der Rückabwicklung durch Erfüllungswirkung – kein Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gegenüber dem Sozialhilfeträger wegen dessen Unkenntnis von der Leistungspflicht
Der Umstand, dass sich der Klägerin entsprechende Nachfragen zum gemeinten Renteneinkommen nicht aufgedrängt haben, und sie dementsprechend auch bei ihrer Vorsprache beim Jobcenter auch nicht nachgefragt hat, macht die Nichtangabe des laufenden Renteneinkommens grob fahrlässig (vgl. zu den Sorgfaltspflichten ausländischer Antragsteller: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 2000, L 5 AL 4372/00; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Mai 2009, L 3 AL 3823/06).
Leitsatz (Juris)
1. Unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache stehen dem Vorwurf eines Sorgfaltspflichtverstoßes bei unvollständigen Angaben in Antragsformularen grundsätzlich nicht entgegen. Sprachunkundige müssen sich ggf. durch Hinzuziehung eines Übersetzers hinreichende Klarheit vom Inhalt der Formulare verschaffen. Lassen sie sich den Inhalt nicht vollständig und nur kusorisch übersetzen und weisen sie gegenüber der Behörde nicht auf bestehende Sprach- und/oder Verständnisprobleme hin, begründet dies bei gebildeten und in Behördenangelegenheiten nicht ungeübten Personen in der Regel den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit iSv § 45 Abs 2 Nr 2 SGB X.
2. Die in Leistungsfällen von der Rechtsprechung über § 16 SGB I vorgenommene Einschränkung des Kenntnisgrundsatzes (§ 18 SGB XII) lässt sich auf Erstattungsfälle nicht mit der Folge der Unanwendbarkeit von § 105 Abs 3 SGB X übertragen (vgl: BVerwG, Urt v 2. Juni 2005, 5 C 30/04, juris). Dies entspricht dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik als Ausnahmevorschrift und dem gesetzgeberischen Willen zu § 105 Abs 3 SGB X.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.7 – LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 09.03.2017 – L 4 AS 61/14 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az.: B 14 AS 7/17 R
Leitsatz (Juris)
1. Unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache stehen einem vorwerfbaren Sorgfaltspflichtverstoß bei unvollständigen Angaben in Antragsformularen nicht entgegen. Sprachunkundige müssen sich ggf durch Hinzuziehung eines Übersetzers hinreichende Klarheit vom Inhalt der Formulare verschaffen. Lassen sie sich den Inhalt nicht vollständig oder ungenau übersetzen, und weisen gegenüber der Behörde nicht auf bestehende Sprach- und/oder Verständnisprobleme hin, begründet dies bei gebildeten und in Behördenangelegenheiten nicht ungeübten Personen in der Regel den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit iSv § 45 Abs 2 Nr 2 SGB X.
2. Die in Leistungsfällen von der Rechtsprechung über § 16 SGB I vorgenommene Einschränkung des Kenntnisgrundsatzes (§ 18 SGB XII) lässt sich auf Erstattungsfälle nicht mit der Folge der Unanwendbarkeit von § 105 Abs 3 SGB X übertragen (vgl: BVerwG, Urt v 2. Juni 2005, 5 C 30/04, juris). Dies entspricht dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik als Ausnahmevorschrift und dem gesetzgeberischen Willen zu § 105 Abs 3 SGB X.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.8 – LSG München, Beschluss v. 19.07.2017 – L 11 AS 460/17 NZB
Wirkung eines Antrages auf ALG II bei Zuständigskeitswechsel
Leitsatz:
Ein Antrag auf Alg II wirkt auf den Ersten des Antragsmonats zurück und hat bei einem in diesem Monat eingetretenen, vorangegangenen Zuständigkeitswechsel auch die Wirkung eines an den vorher zuständigen Leistungsträger gestellten Antrages.
Quelle: www.gesetze-bayern.de
Hinweis:
S. a. dazu: Sozialrecht – Antrages auf Arbeitslosengeld II bei Zuständigskeitswechsel, ein Beitrag von RA Mathias Klose: www.ra-klose.com
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – SG Landshut, Urteil v. 27.07.2017 – S 11 AS 170/16 – Berufung zugelassen
SG Landshut: Die Ablehnung des Leistungsantrages auf ALG 2 bei potentiellem bedarfsdeckendem Anspruch auf Wohngeld ist gängige Praxis bei den Jobcentern – jedoch rechtswidrig
Bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit ist ausschließlich auf die gegenwärtige Lage abzustellen (BSG, Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R). Eine solche Rechtsgrundlage, die ein Jobcenter dazu berechtigen würde, allein wegen eines Anspruches auf Wohngeld einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II abzulehnen, gibt es nicht.
Bis zum Zufluss von Wohngeld sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren – zur Anrechnung einer Urlaubsabgeltung – 11 Abs. 3 S. 3 SGB II aF
Leitsatz (Redakteur)
1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II sind bis zum tatsächlichen Zufluss von Wohngeld weiter zu gewähren.
2. Die Urlaubsabgeltung ist eine einmalige Einnahme i.S.d. § 11 Abs. 3 SGB II und kein laufendes Einkommen. Die Urlaubsabgeltung wird nicht regelmäßig erbracht und ist daher keine laufende Einnahme. Die Urlaubsabgeltung ist dennoch nur im Zuflussmonat anzurechnen (Soweit dies durch das LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 27.04.2016, L 13 AS 172/13 abweichend gesehen wurde, betraf dies dort den hier nicht vorliegenden Fall, dass Leistungen bereits zuvor ohne Anrechnung der einmaligen Einnahme erbracht wurden).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2.2 – SG Hannover, Beschluss vom 14.07.2017 – S 48 AS 1951/17 ER
Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für Zeiträume ab dem 29.12.2016 im Hinblick auf Ausländer, die dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterfallen
Leitsatz (Juris)
1. § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II (analog) ist auf spätere Fassungen einer anhängigen Vorschrift zu erstrecken, wenn die Vorschrift durch die Neuregelungen im Kern unverändert geblieben ist. Das von § 41a Abs. 7 SGB II eingeräumte behördliche Ermessen ist insbesondere dann auf Null reduziert, wenn eine Interessenabwägung die Leistungsgewährung als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung erscheinen lässt. Besonders abwägungsrelevante Gesichtspunkte sind die Erfolgsaussichten des die vorläufige Leistungsgewährung auslösenden Verfahrens sowie die Folgen einer Nichtgewährung von Leistungen.
2. Bei dem grundrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG handelt es sich um ein Menschenrecht. Der Anspruch ist unverfügbar und steht dem Grunde nach jeder sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden Person zu. Im Hinblick auf den Umfang bzw. die Ausgestaltung des Anspruchs (Höhe, Sach- oder Geldleistungen etc.) ist ein Schutz nicht unmittelbar aus der Verfassung ableitbar, sodass sich diesbezüglich ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ergibt.
3. Vor diesem Hintergrund ergeben sich ernsthafte verfassungsrechtliche Fragen bezüglich des vom Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 zur Verringerung der Gefahr von “Sozialtourismus” gewählten Lösungsansatzes in Form der Erweiterung sozialrechtlicher Leistungsausschlüsse und der Gewährung von lediglich zeitlich begrenzten Überbrückungsleistungen für von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossenen Ausländern.
4. Angesichts des, in den am 29.12.2016 in Kraft getretenen, gesetzlichen Neuregelungen zum Ausdruck kommenden und auf einen umfassenden Leistungsausschluss von Ausländern gerichteten Willens des Gesetzgebers scheidet die Annahme weitergehender Sozialleistungs- bzw. Existenzsicherungsansprüche im Rahmen verfassungskonformer oder völkerrechtskonformer Gesetzesauslegung aus.
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)
3.1 – LSG Baden-Württemberg Urteil vom 30.6.2017 – L 8 AL 242/16
Leitsatz (Juris)
Bei der Leistung der schweizerischen Personalvorsorgestiftung der Arbeitgeber handelt es sich um eine der deutschen Altersrente vergleichbare Leistung i.S. des § 156 Abs.3 SGB III (Fortführung der Senatsrechtsprechung zur Vorgängerregelung, vgl. Senatsurteile vom 11.05.2007 -L 8 AL 158/06 sowie L 8 AL 3084/06, juris).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 8. Senat, Urteil vom 27.04.2017 – L 8 SO 234/16 – Revision zugelassen
LSG Niedersachsen-Bremen: SGB II u. SGB XII Empfänger können Kosten für die Beschaffung oder Verlängerung eines Heimatpasses nach § 73 SGB XII beantragen, denn die Kosten für die Beschaffung des Passes sind – nicht – bereits im Regelsatz berücksichtigt.
Übernahme von Kosten für die Beschaffung oder Verlängerung eines Heimatpasses (hier: Weißrussland)
Leitsatz (Juris)
1. § 73 SGB XII ermöglicht die Übernahme von Kosten, die Ausländern wegen der Passbeschaffung oder -verlängerung entstehen. Dies gilt auch für die Zeit nach Inkrafttreten des Regelbedarfsermittlungsgesetzes (RBEG) zum 1. Januar 2011 (BGBl. I 2011, 453).
2. Der Sozialhilfeträger muss eine Ermessensentscheidung nach § 73 SGB XII über die Art und Weise der Hilfegewährung (Darlehen oder Beihilfe) auch dann treffen, wenn ein Pass zwingend benötigt wird (Auswahlermessen).
3. Für die Übernahme von Kosten der Passbeschaffung oder -verlängerung gibt es keine Anspruchsgrundlage im SGB II.
4. Privilegiertes Vermögen eines Leistungsberechtigten nach dem SGB II in Gestalt eines Pkw (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II) ist auch im Rahmen des § 73 SGB XII nicht zu berücksichtigen (Fortführung von BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 11/06 R -).
5. Forderungen des Hilfebedürftigen, die wegen Mittellosigkeit des Schuldners in tatsächlicher Sicht nicht verwertbar sind (keine bereiten Mittel), sind nicht als Vermögen zu berücksichtigen (Anschluss an BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R -).
5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
5.1 – Schwangerschaft macht noch kein Kind, ein Beitrag von RA Helge, Hildebrandt
Tatsächlich ein wichtiger Hinweis, wird ständig falsch gemacht: sozialberatung-kiel.de
5.2 – LSG München, Urteil v. 27.10.2016 – L 19 R 694/15
Kein Erstattungsanspruch des Arbeitslosengeldes
Leitsätze:
1. Erforderlich für einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X ist das Vorliegen einer zeitlichen Kongruenz, dh. eine zeitliche Deckung des Leistungszeitraums. (Rn. 20)
2. Im Rahmen eines Erstattungsanspruches nach § 40a SGB II iVm § 104 SGB X ist eine kalendertägliche Gegenüberstellung der Leistungen vorzunehmen und in Ausgleich zu bringen, so dass es nicht darauf ankommt, ob das zu erstattene Arbeitslosengeld II für einen Kalendermonat bewilligt wurde. (Rn. 29)
3. Übergangsgeld nach dem SGB VI und Arbeitslosengeld II dienen der Absicherung des Lebensunterhaltes, einmal während der Dauer einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und einmal der Sicherung des Lebensunterhaltes während der Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB III. Es sind sachlich kongruente Leistungen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Quelle: www.gesetze-bayern.de
5.3 – Sozialrecht – Keine Sperrzeit bei Abschluss eines Altersteilzeitvertrags
Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, so kann er sich auf einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe berufen, wenn er im Anschluss an die Altersteilzeit nahtlos in den Ruhestand wechseln will und dies prognostisch möglich erscheint, insbesondere nach der rentenrechtlichen Lage. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer später entsprechend seiner ursprünglichen Absicht tatsächlich Altersrente beantragt oder ob er seine Pläne für den Ruhestand ändert, z.B. wegen einer neuen Rechtslage. Eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld (§ 159 SGB III) tritt in diesem Fall nicht ein (Sozialgericht Karlsruhe, 03.07.2017, Az. S 5 AL 894/17).
(03.08.2017 – Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Sozialrecht Mathias Klose)
Quelle: www.ra-klose.com
SG Karlsruhe, Urt. v. 03.07.2017 – S 5 AL 894/17
Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe; Altersteilzeitvertrag; Verschulden; Wichtiger Grund; Maßgeblicher Zeitpunkt; Nahtloser Übergang in die Altersrente; Rentenabschlag; Nachträgliche Änderung der Rechtslage; Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Leitsatz (Juris)
Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, so kann er sich auf einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe berufen, wenn er im Anschluss an die Altersteilzeit nahtlos in den Ruhestand wechseln will und dies prognostisch möglich erscheint, insbesondere nach der rentenrechtlichen Lage. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer später entsprechend seiner ursprünglichen Absicht tatsächlich Altersrente beantragt oder ob er seine Pläne für den Ruhestand ändert, z.B. wegen einer neuen Rechtslage (entgegen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.2.2017, L 8 AL 3805/16).
Volltext: sozialgerichtsbarkeit.de
5.4 – Urlaub mit Hartz 4, ein Beitrag von Rechtslupe
Bei der Entscheidung über die Zustimmung zum Urlaub eines Empfängers von Arbeitslosengeld II dürfen keine sachfremden Erwägungen angestellt und damit die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten werden. Ohne Belang ist es, ob der Leistungsberechtigte sich in der Vergangenheit über “Grundsatzregelungen” hinweggesetzt hat oder ob er klagefreudig ist.
Mit dieser Begründung hat das Sozialgericht Dortmund in einem hier vorliegenden Fall die Klage eines Leistungsempfängers stattgegeben, dem die Zustimmung zum Urlaub verweigert und aufgrund seines dennoch angetretenen Urlaubs für die Zeit der Abwesenheit das Arbeitslosengeld II gestrichen worden war.
SG Dortmund, Urteil vom 16.12.2016 – S 19 AS 3947/16
zum Beitrag: www.rechtslupe.de
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de