1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 05.07.2017, 24.08.2017 und 12.12.2017 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – BSG, Urteil v. 05.07.2017 – B 14 AS 27/16 R
Zur Minderung von Übergangsgeld für eine stufenweise Wiedereingliederung um den Erwerbstätigenfreibetrag.
Leitsatz (Redakteur)
Das gezahlte Übergansgeld (Übg) war nicht um den Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs 3 SGB II zu bereinigen, allerdings wird in der Regel ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu erbringen sein.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.2 – BSG, Urteil v. 24.08.2017 – B 4 AS 9/16 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung und -berechnung – Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit als Betreuer – keine nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zweckbestimmte Einnahme – jährliche Auszahlung in Form eines Pauschalbetrags – Absetzung des monatlichen Freibetrages nur einmalig im Zufluss- bzw Folgemonat
Aufwandsentschädigungen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Betreuer (§ 1835a BGB) sind anrechenbares Einkommen, welche monatlich zu berücksichtigen sind.
Leitsatz (Redakteur)
1. Aufwandsentschädigungen nach §§ 1908i, 1835a BGB gehören nicht zu den nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht zu berücksichtigenden Einkommensarten, denn es handelt sich nicht um Einnahmen, die in ihrer Verwendung zweckbestimmt sind.
2. Der Freibetrag ist monatlich und nicht etwa als Jahresfreibetrag in Höhe von 12 x 200 Euro zu berücksichtigen. § 1835a Abs 2 BGB schreibt zwar zwingend eine jährliche Zahlung der Pauschale vor. Für den Freibetrag gilt aber das Monatsprinzip. Dies hat das BSG in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach herausgestellt.
Quelle: juris.bundessozialgericht.de
1.3 – BSG, Urteil v. 05.07.2017 – B 14 AS 29/16 R
Zur Übernahme von Schülerbeförderungskosten für den Besuch einer Waldorfschule
Leitsatz (Redakteur)
Die Jobcenter müssen auch dann die Beförderungskosten übernehmen, wenn der Schüler eine weiter entfernte Schule in privater Trägerschaft besucht. Voraussetzung hierfür ist, dass in der Schule die allgemeine Schulpflicht erfüllt wird und sie ein eigenständiges Profil hat. In jedem Fall muss sie sich von der öffentlichen und näher gelegenen Schule erkennbar unterscheiden.
Quelle: juris.bundessozialgericht.de
s.a dazu Beitrag von RA Helge Hildebrandt, Kiel:
Jobcenter muss Fahrtkosten zur Waldorfschule übernehmen
weiter: sozialberatung-kiel.de
1.4 – BSG, Urteil v. 12.12.2017 – B 4 AS 33/16 R
Leitsatz (Redakteur)
Innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums nach Datenerhebung und -auswertung muss eine Überprüfung und Fortschreibung schlüssiger Konzepte regelmäßig nicht erfolgen.
Kurzfassung:
Bezogen auf die Aktualität der Daten, die schlüssigen Konzepten zur Festlegung angemessener Unterkunftskosten zugrunde liegen, haben die beiden Senate des Bundessozialgerichts für die Grundsicherung für Arbeitsuchende bislang keine generellen festen Grenzen gezogen. Allerdings hat der Gesetzgeber mit den zum 1.4.2011 eingefügten Vorschriften zur Festlegung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch Satzungsregelungen mit § 22c Abs 2 SGB II eine Überprüfungsverpflichtung eingefügt. Den Gesetzesmaterialen ist zu entnehmen, dass sich die zweijährige Frist für die Überprüfung der Unterkunftsaufwendungen an den für Mietspiegel im Bürgerlichen Gesetzbuch einschlägigen Vorschriften des § 558c Abs 3 BGB und des § 558d Abs 2 BGB orientiert. Dieses Regelungssystem ist nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.10.2017 (1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15) auch bei der Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II konkretisierend heranzuziehen.
Dies berücksichtigend muss jedenfalls innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums nach Datenerhebung und -auswertung eine Überprüfung und Fortschreibung schlüssiger Konzepte regelmäßig nicht erfolgen. Ein solcher Regelfall liegt hier vor.
Fehlt es an einer Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Festsetzung der Unterkunftskosten nach Ablauf einer Zwei-Jahres-Frist nach Beendigung der Datenerhebung und -auswertung durch den Grundsicherungsträger, hat er sich also im Rahmen seiner gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Methodenfreiheit für kein konkretes Fortschreibungskonzept entschieden und dies auch nicht nachgeholt, ist bei einer dann erforderlichen Fortschreibung durch das Gericht auf die in § 558d Abs 2 BGB angelegte Möglichkeit der Heranziehung des vom Statistischen Bundesamtes ermittelten bundesdeutschen Verbraucherpreisindices als Fortschreibungsmöglichkeit eines schlüssigen Konzepts für weitere zwei Jahre abzustellen.
Zwar setzt sich der Verbraucherindex aus einem Warenkorb zusammen, in den – neben der Preisentwicklung bei den Wohnkosten – weitere Waren und Dienstleistungen einbezogen sind. Es handelt sich insoweit gleichwohl um ein grundsätzlich geeignetes Instrument, um innerhalb eines kürzeren Zeitraums im Sinne eines auch bei der Fortschreibung geforderten systematischen und planmäßigen Vorgehens in praktikabler Weise Werte für eine Anpassung festzustellen. Schließlich kann sich diese Vorgehensweise auf die bei qualifizierten Mietspiegeln gesetzlich fixierte Regelung stützen.
Quelle: juris.bundessozialgericht.de
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – LSG München, Urt. v. 14.12.2017 – L 7 AS 408/15, L 7 AS 466/16
Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten der Stadt Augsburg
Das LSG München hat entschieden, dass der vom Jobcenter zur Bemessung der Angemessenheitsgrenze für die Stadt Augsburg in der Zeit vom 01.11.2013 bis 31.08.2015 herangezogene Grundsicherungsrelevante Mietspiegel in einem wesentlichen Punkt nicht den Vorgaben des BSG entspricht und dem Kläger höhere Leistungen zu zahlen sind.
weiter: www.juris.de
2.2 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.02.2017 – L 2 AS 390/15- rechtskräftig
Zur Kostenerstattung nach § 63 SGB X
Leitsatz (Juris)
1. Die Aufrechnung eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 63 SGB X mit einer Rückforderung nach den §§ 45ff SGB X durch den SGB II-Leistungserbringer kann nur bei Personenidentität zwischen Schuldner und Gläubiger erfolgen.
2. Die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind nicht Gesamtgläubiger iSv § 428 BGB eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 63 SGB X.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2.3 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 06.09.2017 – L 2 AS 567/17 B ER rechtskräftig
Anspruch des schulpflichtigen Kindes eines Unionsbürgers auf Leistungen der Grundsicherung und abgeleitetes Aufenthaltsrecht des sorgeberechtigten Elternteils – Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes nach Art. 4 VO (EG) 883/2004 und die neue Ausschlussreglung europarechtswidrig (vgl. Schleswig-Holsteinische LSG, Beschluss vom 17. Februar 2017, L 6 AS 11/17 B ER).
Leitsatz (Redakteur)
1. Über Art 10 der VO 492/11 EU kann sich ein Aufenthaltsrecht der Eltern ableiten, wenn das Kind während der unionsrechtlich bestehenden Freizügigkeitsberechtigung des Elternteils nach einem unfreiwilligen Arbeitsplatzverlust den regelmäßigen Schulbesuch aufgenommen hat (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. April 2016, L 2 AS 182/16 B ER, unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH).
2. Der Leistungsausschluss für ausländische Staatsangehörige nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c) SGB II (in der Fassung seit dem 29. Dezember 2016) dürfte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit europarechtswidrig sein (entgegen SG Halle, 22.02.2017 – S 25 AS 73/13 ER).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2.4 – LSG NSB, Urt. v. 31.05.2017 – L 13 AS 150/15 – Revision anhängig beim BSG- Az. B 14 AS 22/17 R
Mindert eine Heizkostenrückerstattung des Energieversorgungsunternehmens gem § 22 Abs 3 SGB 2 den Bedarf für Unterkunft und Heizung, wenn der Leistungsträger die Heizkostenvorauszahlung nur in angemessener Höhe übernommen hat und der Rückerstattungsbetrag vom Leistungsberechtigten teilweise allein aufgebracht worden ist?
Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Rückerstattung eines Heizkostenguthabens – keine Minderung der Leistungen für Unterkunft und Heizung bei Ansparung eines Teils der Heizkostenvorauszahlung aus der Regelleistung
Leitsatz (Juris)
Eine Heizkostenrückerstattung des Energieversorgers ist jedenfalls dann nicht nach § 22 Abs 3 SGB 2 auf den Bedarf für Unterkunft und Heizung anzurechnen, wenn der Grundsicherungsträger die Heizkosten nur in angemessener Höhe übernommen hat und der Rückerstattungsbetrag vom Hilfebedürftigen allein aus dem Regelbedarf erbracht worden ist. Dem steht neben dem Sinn und Zweck der Regelung auch der Wortlaut des § 22 Abs 3 SGB 2 in der ab 1.4.2011 (BGBl I, 850) geltenden Fassung entgegen (Abgrenzung zu BSG vom 12.12.2013 – B 14 AS 83/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 74; BSG vom 22.3.2012 – B 4 AS 139/11 R = BSGE 110, 294 = SozR 4-4200 § 22 Nr 55; Fortführung LSG Celle-Bremen vom 23.9.2015 – L 13 AS 164/14 = ZFSH/SGB 2016, 37). (Rn.21)
Rechtstipp:
LSG NSB, Urteil vom 23.09.2015, L 13 AS 164/14 – nachgehend BSG, 11. November 2016, Az: B 14 AS 56/15 R, sonstige Erledigung: Rücknahme
Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Rückerstattung eines Heizkostenguthabens – keine Minderung der Leistungen für Unterkunft und Heizung bei Ansparung eines Teils der Heizkostenvorauszahlung aus der Regelleistung
1. Eine Heizkostenrückerstattung des Energieversorgers ist jedenfalls dann nicht nach § 22 Abs. 3 SGB II auf den Bedarf für Unterkunft und Heizung anzurechnen, wenn der Grundsicherungsträger die Heizkosten nur in angemessener Höhe übernommen hat und der Rückerstattungsbetrag vom Hilfebedürftigen allein aus dem Regelbedarf erbracht worden ist. Dem steht neben dem Sinn und Zweck der Regelung auch der Wortlaut des § 22 Abs. 3 SGB II in der ab 1. April 2011 (BGBl. I 850) geltenden Fassung entgegen (Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 14 AS 83/12 R – ; BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 139/11 R -, BSGE 110, 294).
Hinweis:
aA LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23.08.2016 – L 4 AS 480/14 u. v. 02.03.2017 – L 5 AS 261/15 ; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil v. 15.12.2016 – L 2 AS 1409/14; offen gelassen LSG Berlin, Beschluss v. 25.10.2013 – L 25 AS 1711/13 B PKH
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
3.1 – Sozialgericht Halle vom 08.12.2017 – S 24 AS 3646/17 ER
Leitsatz RA Michael Loewy
Eine Vollstreckung aus endgültigen Leistungsfestsetzungsbescheiden ist rechtswidrig, sofern die ursprünglichen vorläufigen Leistungsbescheide noch rechtshängig und nicht bestandskräftig sind. Dies folgt aus der inzwischen überwiegend vertretenen Aufassung, dass auch endgültige Leistungsfestsetzungen nach vorangegangener vorläufiger Bewilligung als „Änderungsbescheide“ sowohl Gegenstand eines Widerspruchs als auch Klageverfahren werden. Damit werden auch diese Bescheide von der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage umfasst.
Quelle: www.anwaltskanzlei-loewy.de
3.2 – Sozialgericht Dortmund, Beschluss v. 27.11.2017 – S 32 AS 4747/17 ER – rechtskräftig
Aufrechnungsverwaltungsakte sind nach § 43 SGB II generell weder nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 SGB II noch nach § 86a Abs. 2 Nr. 1-3 SGG kraft Gesetzes sofort vollziehbar, unabhängig davon, ob es um Regelungen zum Grund oder zur Höhe bzw. um Grundlagenverwaltungsakte oder Ausführungsverwaltungsakte i. S. der noch weiter unten anzusprechenden, möglichen Differenzierung geht; deshalb kommt jedem Rechtsbehelf gegen einen Aufrechnungsverwaltungsakt kraft Gesetzes nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung („Suspensiveffekt“) zu,
Leitsatz (Juris)
1. Zur Auslegung von Eilrechtsschutzbegehren und zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – einstweilige Anordnung (Regelungsanordnung) – und § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (analog) – Feststellung der aufschiebenden Wirkung – bei Aufrechnungen nach § 43 SGB II.
2. Zum Entscheidungsmaßstab bei Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Regelungsanordnung) nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG über die Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung existenzsichernder Sozialleistungen.
3. Zur materiellen Beweislast bei streitiger Bekanntgabe eines belastenden Verwaltungsakts (hier: Aufrechnungsverwaltungsakt nach § 43 SGB II) und zu den Darlegungs- und Substantiierungsobliegenheiten des Bescheidadressaten beim Bestreiten des Zugangs.
4. Ausführungen in Bewilligungs- und Änderungsbescheiden über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die in einer Tabelle mit der Überschrift „Auszahlung der Leistung:“ unter „abweichender Zahlungsempfänger“ enthalten sind, und die besagen, dass für einen bestimmten Zeitraum das „JobCenter“ Zahlungsempfänger eines bestimmten monatlichen Betrags ist, stellen keinen für die Umsetzung oder Vollziehung erforderlichen „Ausführungsverwaltungsakt“ zu einer zuvor durch Verwaltungsakt verfügten Aufrechnung dar sondern lediglich einen Hinweis auf die Durchführung der Aufrechnung als Realakt oder eine wiederholende Verfügung; dies gilt jedenfalls bei einer Aufrechnung nach § 43 SGB II und fehlender Änderung der Höhe des Aufrechnungsbetrags und sowohl für den Bewilligungszeitraum, während dessen Laufzeit der Aufrechnungsverwaltungsakt erlassen worden ist, als auch für Folgebewilligungszeiträume; der Bewilligungszeitraum hat keine „Zäsurwirkung“ (Abgrenzung zu BSG, Beschluss vom 13.12.2016 – B 4 AS 14/15 R -; Abweichung von BSG, Urteil vom 09.03.2016 – B 14 AS 20/15 R -).
3.3 – Sozialgericht Chemnitz, Beschluss v. 28.11.2017 – S 26 AS 3938/17
Kein Rechtsschutzbedürfnis bei Umzug innerhalb des Vergleichsraums.
Leitsatz (Juris)
Eine Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II ist dem Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls im Falle eines Umzuges innerhalb des regionalen Vergleichsraums, für den der bisherige kommunale Träger örtlich zuständig bleibt, nicht zugänglich. Bei dem durch eine Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II für den Hilfebedürftigen vermittelten Grad an Planungssicherheit handelt es sich nicht um eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition, zu deren Wahrung einstweiliger Rechtsschutz vor den Sozialgerichten geboten ist. So weit reicht das grundgesetzliche Gebot effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – nicht. Der notwendige Grundrechtsschutz zur Sicherung des Grundbedürfnisses „Wohnen“ findet in diesen Fällen unmittelbar über die Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB II und ggf. auch über § 22 Abs. 6 SGB II statt. Die entsprechenden Entscheidungen des Grundsicherungsträgers sind dabei auch grundsätzlich dem Erlass einer einstweiligen Anordnung zugänglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1.8.2017 – 1 BvR 1910/12; Sächs LSG, Beschluss vom 29.8.2016 – L 8 AS 675/16 B ER).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)
4.1 – LSG München, Beschluss v. 07.11.2017 – L 10 AL 40/17
Arbeitslosmeldung als zwingende Voraussetzung
Normenkette:
SGB III § 137, § 138
Leitsatz (Juris)
1. Die Arbeitslosmeldung ist materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung, mit der der tatsächliche Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit angezeigt werden muss. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Hinweis, der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung habe den Kläger nicht auf das Erfordernis der Arbeitslosmeldung hingewiesen, trägt nicht. Er kann allenfalls das klägerische Ziel haben, im Rahmen des Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden, als ob zutreffend beraten worden wäre. Fehlende Tatbestandsmerkmale, die außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegen, können nicht durch rechtmäßige Amtshandlungen fingiert oder beseitigt werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Weder kann Beschäftigungslosigkeit, Verfügbarkeit noch eine Arbeitslosmeldung durch eine rechtmäßige Amtshandlung fingiert werden, denn solche Fiktionen sind dem Recht der Arbeitsförderung unbekannt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Quelle: www.gesetze-bayern.de
5. Entscheidungen der Landessozialgericht zur Sozialhilfe (SGB XII)
5.1 – LSG Celle-Bremen, Urt. v. 23.03.2017 – L 8 SO 397/13 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az. B 8 SO 13/17 R
Gilt die Zurechnungsregel zum Kindergeld des § 82 Abs 1 S 3 SGB 12 auch für minderjährige Kinder, die außerhalb des Haushalts des kindergeldberechtigten Elternteils in einer stationären Einrichtung leben?
Sozialhilfe – Eingliederungshilfe – stationäre Unterbringung – Heranziehung zu den Kosten des in der Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts – Einkommenseinsatz – Kindergeld
Orientierungssatz (Juris)
§ 82 Abs 1 S 3 SGB 12 ist dahingehend auszulegen, dass das Kindergeld dem minderjährigen Kind nur dann als Einkommen zuzurechnen ist, wenn das Kind mit seinen Eltern oder einem Elternteil eine Einsatzgemeinschaft iS des § 27 Abs 2 S 3 SGB 12 bildet, also ihrem Haushalt angehört.
Rechtstipp:
LSG Baden-Württemberg Urteil vom 7.12.2016, L 2 SO 5358/15
Sozialhilfe – Hilfe zum Lebensunterhalt – stationär untergebrachtes Kind – Einkommenseinsatz – Kindergeld
Leitsatz (Juris)
Die Zurechnungsregel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zum Kindergeld gilt nicht für volljährige oder außerhalb der Haushaltsgemeinschaft lebende Kinder; das Kindergeld bleibt damit Einkommen des berechtigten Elternteils.
6. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
6.1 – LSG Niedersachsen-Bremen: Schulpflichtiger Hartz IV-Empfänger hat Anspruch auf Kostenerstattung für Erwerb von Schulbüchern.
Schulmaterial-Kosten: Teilerfolg für Kläger
Jobcenter müssen für Familien, die Hartz IV beziehen, die Kosten für Schulbücher übernehmen. Das hat das Landessozialgericht in Celle am Montag entschieden. Es sei eine Pionierentscheidung, so ein Gerichtssprecher. Das Gericht habe festgestellt, dass die Kosten für Schulbücher nicht durch die sogenannte Schulbedarfs-Pauschale erfasst seien. Betroffene müssten jahrelang sparen, um sich die Schulbücher für ein Schuljahr leisten zu können. Sie seien daher als separate Leistung von Jobcenter zu tragen. Damit haben drei Oberstufen-Schülerinnen und ihre Eltern aus den Landkreisen Lüneburg, Nienburg und Hildesheim einen Teilerfolg erzielt.
weiter: www.ndr.de
6.2 – Jobcenter sind zu Kreditinstituten geworden
Bundesagentur beauftragt private Inkassounternehmen mit dem Forderungseinzug und treibt die Schuldner in die Insolvenz
weiter: gewerkschaftsforum-do.de
6.3 – BSG, Urt. v. 14.12.2017 – B 10 EG 7/17 R
Das BSG hat entschieden, dass Provisionen, die der Arbeitgeber im Bemessungszeitraum vor der Geburt des Kindes zahlt, das Elterngeld erhöhen können, wenn sie als laufender Arbeitslohn gezahlt werden.
Werden Provisionen hingegen als sonstige Bezüge gezahlt, erhöhen sie das Elterngeld nicht, so das BSG.
Kurzfassung:
Nach Auffassung des BSG hat der Gesetzgeber durch die ab dem 01.01.2015 geltende Neuregelung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG, gegen die verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, Provisionen von der Bemessung des Elterngeldes ausgenommen, die nach dem Arbeitsvertrag nicht regelmäßig gezahlt und verbindlich als sonstige Bezüge zur Lohnsteuer angemeldet werden. Mit dieser Regelung habe er auf die anderslautende Rechtsprechung des BSG reagiert.
Quelle: Pressemitteilung des BSG Nr. 62/2017 v. 14.12.2017: www.juris.de
6.4 – Gesetzliche Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht zum 01.01.2018
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat über die wesentlichen Änderungen und Neuregelungen zum 01.01.2018 in seinem Zuständigkeitsbereich informiert.
1. Arbeitsmarktpolitik, Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung für Arbeitsuchende
a) Neue Regelbedarfe in der Grundsicherung für Arbeitsuchende
weiter: www.juris.de
6.5 – OVG Lüneburg 4. Senat, Beschluss vom 29.11.2017, 4 PA 356/17
Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach Bescheinigung der Sozialleistungsbehörde
Ein Beitragsschuldner, der keine der in § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag genannten Sozialleistungen bezieht, ist gemäß § 4 Abs. 6 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien, wenn er durch Vorlage einer Bescheinigung der zuständigen Sozialleistungsbehörde nachweist, dass er die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von einer der in § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag genannten Sozialleistungen erfüllt. Das gilt aber nur dann, wenn sich aus der Bescheinigung ergibt, dass die zuständige Sozialleistungsbehörde die Anspruchsvoraussetzungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend geprüft hat.
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
6.6 – Hartz IV-Empfänger und ihre Kinder zwischen Pfennigfuchserei und den wahren Kosten der Schulbücher. Aber nicht nur die.
Es ist mehr als aufschlussreich für eine Bewertung der Verfasstheit des deutschen Grundsicherungssystems, wenn man sich die Fälle und die Entscheidungen der Sozialgerichte in diesem Land anschaut. Dann wird man regelmäßig Zeuge, um welche – scheinbaren – Kleinigkeiten dort teilweise erbittert gestritten wird. Dahin der stecken aber nicht selten fundamentale Probleme, die weit über einen konkreten Geldbetrag hinausreichen. Und zur fundamentalen Kritik am bestehenden Hartz IV-System gehört die seit langem vorgetragene Klage, dass gerade den Kindern und Jugendlichen keine ausreichenden Leistungen gewährt werden. Das betrifft vor allem die Regelleistungen, die von denen der Erwachsenen abgeleitet werden sowie die zwischenzeitlich entstandene Landschaft an begrenzten Sonderleistungen. Dazu gehört das höchst fragwürdige „Bildungs- und Teilhabepaket“, aus dem dann beispielsweise Zuschüsse für Sportvereine oder den Musikunterricht gezahlt werden können (die berühmten 10 Euro pro Monat), wenn auch in sehr überschaubarer Größenordnung und verbunden mit einem abenteuerlichen Verwaltungsaufwand. Und ein Teil der „Bedarfe für Bildung und Teilhabe“ nach § 28 SGB II ist die sogenannte Schulbedarfspauschale (§ 28 Abs. 3 SGB II).
weiter: aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de
6.7 – „BGH: Pfändungsschutzkonto – Verfügungen des Schuldners und deren Anrechnung“
Anmerkung von Rechtsanwältin Dr. Elske Fehl-Weileder, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH
BGH: Pfändungsschutzkonto – Verfügungen des Schuldners und deren Anrechnung
ZPO § 850k I 1 und 3
1. Ein Vollstreckungsschuldner verfügt nur dann über das Pfändungsschutzkonto, wenn er die kontoführende Bank anweist, einen Zahlungsvorgang auszulösen, und diese den beauftragten Zahlungsvorgang ausführt. Der vergebliche Versuch einer Barabhebung stellt keine Verfügung über den Freibetrag dar.
2. Verfügungen, die der Schuldner über sein pfandfreies Guthaben trifft, sind zunächst auf das übertragene Restguthaben aus dem Vormonat anzurechnen und erst nach dessen Erschöpfung auf den neuen Sockelfreibetrag des aktuellen Monats (First-in-first-out-Prinzip).
(Leitsätze des Gerichts)
BGH, Urteil vom 19.10.2017 – IX ZR 3/17 (LG Wuppertal), BeckRS 2017, 131675
Praxishinweis
Der BGH hat der in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Ansicht, dass die Übertragung des Guthabens auf dem P-Konto in den Folgemonat keine temporäre, sondern eine Beschränkung nur der Höhe nach bedeute, eine klare Absage erteilt. Er verweist als Begründung auf die Materialien aus dem Gesetzgebungsprozess, denen eindeutig zu entnehmen ist, dass der angemessene Ausgleich der Gläubiger- und Schuldnerbelange die zeitliche Begrenzung der Übertragungsmöglichkeit bedingt, und eine mehrfache Übertragung daher nicht möglich ist. Das vom BGH bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 (IX ZR 115/14) postulierte „First-in-first-out-Prinzip“ entschärft diese Auslegung für den Schuldner, denn so wird sichergestellt, dass jedwede Verfügung zunächst auf das übertragene „alte“ Guthaben angerechnet wird. Dadurch dürften sich die Fälle, in denen ein vorhandenes Guthaben auf dem P-Konto die Zwei-Monats-Grenze „überlebt“ in der Praxis auf seltene Ausnahmen beschränken.
weiter: rsw.beck.de
6.8 – Anwaltsgebühren: Selbst der Kostenprüfungsbeamte am Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht folgt der Kostenrechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel nicht mehr
Ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt, Kiel
Bereits mehrfach habe ich an dieser Stelle über die höchst eigentümliche Kosten(drückungs)rechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel berichtet. Nun zeichnet sich ab, dass selbst der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht der Kosten(drückungs)rechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel nicht mehr zu folgen gedenkt. In einem Eilverfahren hatte ich die Festsetzung meiner Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 300,00 € zuzüglich Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer, zusammen 380,80 €, beantragt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle am SG Kiel setzte meinen Gebühren auf 217,00 € zuzüglich Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer, zusammen 282,03 €, fest. Hiergegen legte ich Erinnerung ein und führte aus:
weiter: sozialberatung-kiel.de
Wir wünschen allen Lesern frohe Weihnachten!!
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de