URTEIL
Herr Marian Krischke-Ramaswamy,
xxx Göttingen
– Kläger –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen – 0528/16sva –
gegen
Polizeidirektion Göttingen,
Groner Landstraße 51,
37081 Göttingen
– Beklagte –
wegen Polizeirecht (Durchsuchung)
hat das Verwaltungsgericht Göttingen – 1. Kammer – auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2017 durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts xxx, den Richter xxx, die Richterin am Verwaltungsgericht xxx sowie die ehrenamtliche Richterin xxx und den ehrenamtlichen Richter xxx für Recht erkannt:
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten am 06.09.2016 durchgeführte Durchsuchung des Klägers rechtswidrig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
TATBESTAND
Der Kläger begehrt festzustellen, dass seine Durchsuchung durch die Polizei am 06.09.2016 am Theaterplatz in Göttingen rechtswidrig war.
Zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt am 06.09.2016 hatte die Polizeiinspektion Göttingen die Polizeipräsenz im Innenstadtbereich von Göttingen erhöht, da es im Vorfeld der am 11.09.2016 in Niedersachsen anstehenden Kommunalwahl in Göttingen mehrfach zu Auseinandersetzungen unterschiedlicher politischer Gruppierungen gekommen war. So hatte es insbesondere aufgrund einer für den 10.09.2016 angezeigten Demonstration der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, NPD – Unterbezirk Göttingen -, linksmotivierte Straftaten gegenüber Angehörigen der rechten Szene bzw. studentischen Verbindungen/Burschenschaften gegeben.
Am Abend des 06.09.2016 fielen PK xxx und PK xxx gegen 22.00 Uhr drei Personen im Bereich des Theaterplatzes in Göttingen auf, die sich auf einen Plakataufsteller der NPD zubewegten. Dabei handelte es sich um den Kläger sowie xxx, den Kläger des Klageverfahrens 1 A 290/16, und xxx. Die Polizisten beobachteten, dass der Kläger eines der Plakate fotografierte. Anschließend entfernte xxx das Plakat und zerriss es. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Dunkelheit bereits eingesetzt. Die zivilgekleideten Polizeibeamten sprachen den Kläger und seine Begleiter an und gaben sich als Polizeibeamte zu erkennen. Sie kannten die beiden Kläger bereits aus früheren Einsätzen. Sie belehrten xxx als Beschuldigten und die Kläger als Zeugen und führten bei allen dreien eine Identitätsfeststellung durch. Dabei händigten die Kläger und xxx ihnen ihre Personalausweise aus. Die Polizisten notierten die Personalien, führten einen Datenabgleich durch und durchsuchten den Kläger und seine Begleiter. Dabei wurde beim Kläger des Verfahrens 1 A 290/16 und bei xxx jeweils ein Tierabwehrspray gefunden, das diesen nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder ausgehändigt wurde. Eine Rechtsgrundlage für die Durchsuchung wurde dem Kläger und seinen Begleitern nicht genannt. Die Beklagte führt elektronische Kriminalakten über die beiden Kläger. Die den Kläger des vorliegenden Verfahrens betreffende Kriminalakte enthält den Vermerk „F-Gruppe (Kontrolle)“, die den Kläger des Verfahrens 1 A 290/16 betreffende Kriminalakte den inzwischen gelöschten Vermerk „Kontrolle soweit möglich“.
Die beiden Polizeibeamten gehören der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der 5. Bereitschaftspolizeihundertschaft (5. BPH) Göttingen an und unterstehen der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD).
Der Kläger hat am 12.12.2016 Fortsetzungsfeststellungsklage gegen seine Durchsuchung erhoben.
Seine Klage sei zulässig. Er würde auch über das notwendige besondere Feststellungsinteresse verfügen, da er ein Rehabilitationsinteresse habe und eine Wiederholungsgefahr bestehe.
Er meint, er sei nur deshalb durchsucht worden, weil seine elektronische Kriminalakte den Vermerk „F-Gruppe (Kontrolle)“ enthalte. Die Polizisten hätten ihn bei der Identitätsfeststellung nicht zu ihrer Eigensicherung durchsucht. § 22 Abs. 2 Nds. SOG scheide als Rechtsgrundlage für die Durchsuchung deshalb von vornherein aus. Darüber hinaus lägen aber auch die Eingriffsvoraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor. Die Durchsuchung sei formell rechtswidrig, weil die Polizeibeamten PK xxx und PK xxx als Angehörige BFE der 5. BHP für die Durchsuchungen weder zuständig noch im Dienst gewesen seien. Die Durchsuchungen seien auch materiell rechtswidrig. Eine Durchsuchung nach § 22 Absatz 2 Nds. SOG setze eine rechtmäßige Identitätsfeststellung voraus. Daran fehle es hier. Die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 163b Ab StPO hätten nicht vorgelegen, weil der Kläger den Beamten bekannt gewesen sei. Sie hätten ihn namentlich begrüßt. Darüber hinaus dürften nach § 163 b Absatz 2 StPO Durchsuchungen nicht gegen den Willen der betroffenen Zeugen stattfinden.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die von Beamten der Beklagten durchgeführte Durchsuchung des Klägers am 06.09.2017 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Durchsuchung zur Eigensicherung nach § 22 Absatz 2 Nds. SOG hätten gegenüber dem Kläger vorgelegen. Es sei nicht auszuschließen gewesen, dass dieser Waffen oder gefährliche Gegenstände mit sich führte, die er während der Identitätsfeststellung gegen die Beamten hätte einsetzen können. Dies gelte insbesondere mit Blick darauf, dass Angehörige der BFE von der linken Szene in Göttingen, der auch der Kläger angehöre, kritisch beobachtet würden. Es habe deshalb die Möglichkeit bestanden, dass der Kläger die Beamten als Angehörige der BFE erkenne. Die Durchsuchung des Klägers nach § 22 Absatz 2 Nds. SOG sei auch nicht erst nach Abschluss der Identitäts-feststellung erfolgt. Vielmehr sei es so gewesen, dass PK xxx die beiden Kläger durchsucht habe, während PK xxx zeitgleich die festgestellten Personalien in sein Merkbuch notiert und einen Datenabgleich vorgenommen habe. Nach der Durchsuchung habe PK xxx noch eine weitere telefonische Überprüfung einer Personalie vorgenommen. Im Übrigen komme es im Rahmen von § 22 Absatz 2 Nds. SOG auf die zeitliche Abfolge von Identitäts-feststellung und Durchsuchung nicht an.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung die Polizeibeamten PK xxx und PK xxx als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die von der Staatsanwaltschaft Göttingen beigezogene Strafakte (32 Js 36816/16) Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig.
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist nach § 40 Absatz 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, weil der Streitgegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Nach § 40 Absatz 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich – rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die streitige polizeiliche Maßnahme gehört zu den sogenannten doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei, die sich nicht ohne weiteres als Maßnahmen der Gefahrenabwehr – dann wäre der Verwaltungsrechtsweg eröffnet – oder der Strafverfolgung – dann wären gem. § 23 Absatz 1 EGGVG die Strafgerichte zuständig – einordnen lassen. Die Durchsuchung könnte sowohl präventiv nach § 22 Absatz 2 Nds. SOG als auch repressiv nach § 163 b Absatz 2 StPO vorgenommen worden sein. In einem solchen Fall ist der Rechtsweg danach zu bestimmen, ob der Grund oder das Ziel des polizeilichen Einschreitens oder ggfs. dessen Schwerpunkt der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung dienten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 08.11.2013 – 11 OB 263/13 -, Rn. 3 ff, juris, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Durchsuchung offensichtlich präventiv. Dies ergibt sich aus den Angaben der Polizeibeamten PK xxx und PK xxx. Beide Beamte haben sowohl schriftlich (Stellungnahme vom 17.02.2017, Bl. 28, 29 Gerichtsakte) als auch in der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2017 (Sitzungsprotokoll Seiten 4 unten, 5 oben und 7 Mitte) erklärt, die Durchsuchungen des Klägers des vorliegenden Verfahrens und des Klägers in dem Verfahren 1 A 290/16 seien zur Eigensicherung im Rahmen der Identitätsfeststellung nach § 22 Absatz 2 Nds. SOG erfolgt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben unzutreffend sind und die Durchsuchungen (auch) repressiv zu Beweissicherungszwecken nach § 163b Abs. 2 Satz 3 StPO erfolgten. Beim Kläger wurde auch kein Beweismittel sichergestellt. Aber auch das bei dem Kläger des Verfahrens 1 A 290/16 während der Durchsuchung gefundene Tierabwehrspray wurde nicht sichergestellt, sondern dem Betroffenen wieder zurückgegeben. Es wurde auch von keiner Seite vortragen, dass und nach welchen Beweismitteln die Polizeibeamten beim Kläger hätten suchen können. An dem präventiven Charakter der Durchsuchung würde auch nichts ändern, wenn die Durchsuchung – wie der Kläger meint – allein aufgrund des Vermerks in seiner elektronischen Ermittlungsakte „F-Gruppe (Kontrolle)“ erfolgt wäre. Der Verwaltungsrechtsweg wäre auch dann eröffnet.
Die Klage ist analog § 113 Absatz 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Die Durchsuchung des Klägers stellt nicht nur einen Realakt dar, sondern beinhaltet zugleich einen (erledigten) Verwaltungsakt, nämlich eine konkludente Duldungsverfügung dahingehend, dass der Kläger die Durchsuchung zu dulden habe (vgl. Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage, 2012, Kap. E Rn. 576). Als Adressat dieses belastenden Verwaltungsakts im Zeitpunkt der Erledigung ist der Kläger auch klagebefugt. Er verfügt unter den Gesichtspunkten des Rehabilitierungsinteresses und der Wiederholungsgefahr auch über das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse (vgl. Klageschrift vom 09.12.2016 Seiten 3 unten und 4 oben).
Die Polizeidirektion Göttingen ist auch die richtige Klagegegnerin. Nach § 78 Absatz 1 Nr. 2 VwGO ist die Klage, sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst zu richten, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Eine dementsprechende landesrechtliche Regelung enthält § 79 Absatz 2 Niedersächsisches Justizgesetz (NJG). Die Klage war nicht gegen die Zentrale Polizeidirektion (ZPD) zu richten, auch wenn die Beamten PK xxx und PK xxx, die den Kläger durchsucht haben, dieser angehör(t)en. Denn die beiden Beamten haben die streitbefangene Durchsuchung gemäß § 100 Absatz 6 Satz 1 Nds. SOG für die Beklagte vorgenommen, weil sie von dieser für den 06.09.2016 von der ZPD gemäß § 100 Absatz 5 Satz 1 Nr. 2 Nds. SOG angefordert worden waren. Insoweit wird auf die entsprechenden Angaben von PHK xxx in der mündlichen Verhandlung verwiesen (s. Seiten 3 unten und 4 oben Sitzungsprotokoll), an deren Richtigkeit zu zweifeln das Gericht keinen Anlass hat.
Die Klage ist auch begründet. Die streitbefangene Durchsuchung war rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Eingriffsnorm des § 22 Absatz 2 Nds. SOG lagen nicht vor. Nach dieser Vorschrift können die Verwaltungsbehörden und die Polizei eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll oder die an einer Kontrollstelle (§ 14) angetroffen wird, nach Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Explosivmitteln durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Die Vorschrift setzt somit voraus, dass die Durchsuchung im Rahmen einer (rechtmäßigen) Identitätsfeststellung erfolgt. Unerheblich ist, auf welcher Rechtsgrundlage diese erfolgt.
Die Identitätsfeststellung des Klägers erfolgte nach § 163b Absatz 2 Satz 1 StPO. Danach kann, wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist. Es reicht aus, dass die Identität des Betroffenen dem ermittelnden Beamten nicht zweifelsfrei bekannt ist und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser als Zeuge benötigt wird. Zulässige Maßnahmen zur Feststellung der Identität sind insbesondere das Anhalten des Betroffenen, die Frage nach seinen Personalien (vgl. hierzu § 111 OWiG) und die Aufforderung, sich auszuweisen und seine Ausweispapiere dem kontrollierenden Beamten auszuhändigen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO Komm., 60. Aufl., 2017, § 163b Rn. 6).
Nach diesen Maßgaben war die Identitätsfeststellung des Klägers nach § 163b Abs. 2 Satz 1 StPO rechtmäßig. Der Kläger begleitete im maßgeblichen Zeitpunkt xxx, der in Anwesenheit des Klägers eine Sachbeschädigung begangen hatte. Damit kam er zweifellos als Zeuge für die von xxx begangene Straftat in Betracht. Die Identität des Klägers war den beiden Polizeibeamten nicht zweifelsfrei bekannt. PK xxx kannte den Kläger lediglich als Mitglied der Göttinger linken Szene (s. S. 4 unten Sitzungsprotokoll); PK xxx war der Name des Klägers nicht bekannt (S. 7 unten Sitzungsprotokoll). Für eine Identitätsfeststellung als Zeuge einer Straftat sind neben dem Namen des Zeugen weitere Personalien, insbesondere eine ladungsfähige Anschrift (vgl. § 111 OWiG) erforderlich. Diese war auch PK xxx nicht bekannt und kann sich erfahrungsgemäß kurzfristig ändern, sodass deren erneute Feststellung bzw. Überprüfung zur Ausräumung von Zweifeln in der Regel ohnehin angezeigt ist. Unerheblich ist, ob PK xxx – wie der Kläger behauptet und woran sich weder PK xxx (s. S. 5 unten Sitzungsprotokoll) noch PK xxx (s. S. 8 oben Sitzungsprotokoll) erinnern konnten – den Kläger namentlich angesprochen hat. Denn hieraus folgt nicht, dass ihm die zur Identitätsfeststellung des Klägers notwendigen Personalien bekannt waren. Im Übrigen kannte er nach seinen Angaben auch nur den Nachnamen des Klägers (s. S. 5 unten Sitzungsprotokoll).
Die Durchsuchung des Klägers nach § 22 Absatz 2 Nds. SOG erfolgte auch im Zuge der Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 2 Satz 1 StPO. § 22 Absatz 2 Nds. SOG setzt nach seinem Sinn und Zweck voraus, dass die Identitätsfeststellung noch nicht abgeschlossen ist, während die Durchsuchung erfolgt. Denn die Durchsuchung zur Eigensicherung im Sinne dieser Vorschrift soll den Polizisten ermöglichen, die Identitätsfeststellung ohne Eigengefährdung durchzuführen. Ist die Identitätsfeststellung aber bereits abgeschlossen, ist eine Eigensicherung zu diesem Zweck nicht mehr notwendig. Nach Auffassung der Kammer ist die Identitätsfeststellung nicht bereits dann abgeschlossen, wenn die Betroffenen ihre Ausweispapiere an die Beamten übergeben haben, sondern erst beendet, wenn die Polizeibeamten die Daten aus den Ausweispapieren notiert haben (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 14.12.2010 – 1 S 338/10 -, Rn. 33 ff., juris, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 27.01.1992 – 2 BvR 658/90 – Rn. 19 ff., juris;). Es liegt auf der Hand, dass die Identitätsfeststellung nur Sinn macht, wenn die Personalien der Überprüften auch schriftlich festgehalten werden.
Die Polizeibeamten PK xxx und PK xxx haben bei ihrer Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung zur zeitlichen Abfolge von Identitätsfeststellung und Durchsuchung im Wesentlichen übereinstimmend angegeben, dass diese zeitgleich erfolgt seien. Der Zeuge hat erklärt, nach seiner Erinnerung hätten er und PK xxx die Personalausweise des Klägers und seiner Begleiter entgegengenommen. Anschließend habe er die Kläger des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 1 A 290/16 durchsucht, während PK xxx deren Personalien notiert und telefonisch einen Datenabgleich vorgenommen habe. PK xxx und er seien ein eingespieltes Team; sie hätten sich nonverbal verständigt. Als er gesehen habe, dass PK xxx die Personalien aufgenommen habe, sei für ihn klar gewesen, dass er arbeitsteilig die Durchsuchung durchführen werde (s. Seiten 4 unten und 6 oben Sitzungsprotokoll). Diesen Ablauf hat PK xxx bei seiner Zeugenvernehmung im Wesentlichen bestätigt. Er konnte sich zwar nicht mehr genau an die zeitliche Abfolge von Notieren der Personalien und Datenabgleich erinnern. Er hat angegeben, in der Regel notiere er zunächst die Personalien und führe anschließend einen Datenabgleich durch (s. S. 7 oben Sitzungsprotokoll). Zu der entscheidenden Frage, wann die Durchsuchung des Klägers stattgefunden hat, hat er erklärt, PK xxx habe mit der Durchsuchung begonnen, als er selbst telefonisch einen Datenabgleich durchgeführt habe. Nachdem er die Personalien notiert habe, habe er nach Abschluss der Durchsuchung die Ausweise zurückgegeben (s. Seiten 6 unten und 7 oben Sitzungsprotokoll). Demnach hat auch nach Angaben von PK xxx die Durchsuchung des Klägers während der Identitätsfeststellung stattgefunden. Denn PK xxx hat offenbar vor Abschluss und damit noch während der Durchsuchung des Klägers durch PK xxx die Personalien notiert.
Letztlich kommt es im vorliegenden Fall auf die zeitliche Abfolge von Maßnahmen der Identitätsfeststellung und Durchsuchung aber auch nicht entscheidungserheblich an, weil es jeden-falls an einer Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 22 Absatz 2 Nds. SOG fehlt. Nach § 22 Absatz 2 Nds. SOG muss die Durchsuchung nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich sein. Dies erfordert zwar keine Gefahr im Sinne von § 2 Nr. 1 a) Nds. SOG und damit keine konkrete Gefahr, d.h. keine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Es müssen jedoch tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die durchsuchte Person gerade deshalb Anlass zu der Annahme bietet, dass von ihr eine Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person ausgeht, weil sie Waffen, gefährliche Werkzeuge oder Explosivmittel mit sich führt. Waffen i.S.d. Absatz 2 sind Waffen im Sinne des Waffengesetzes. Gefährliche Werkzeuge sind Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und nach der Art ihrer Benutzung geeignet sind, nicht nur leichte Körperverletzungen herbeizuführen. Explosivmittel sind alle explosionsfähigen Stoffe (s. Neuhäuser in Möstl/Weiner, Beck Online Kommentar Polizei und Ordnungsrecht Niedersachsen, 7. Edition, Stand: 10.08.2017, § 22, Rn. 40 ff.; Dr. Belz/Eizermann, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, Kommentar, 4. Aufl., § 23, Rn. 9).
Hier lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass von dem Kläger eine Gefahr für Leib oder Leben hätte ausgehen können, weil er Waffen, gefährliche Werkzeuge oder Explosivmittel mit sich geführt hätte. Dies ergibt sich aus den Zeugenaussagen von PK xxx und PK xxx in der mündlichen Verhandlung. Keiner der Zeugen hat Umstände genannt, die Anlass zu der Annahme geboten hätten, dass vom Kläger bei der Identitätsfeststellung eine Gefahr im eben genannten Sinne hätte ausgehen können. Im Gegenteil hat PK xxx erklärt, er habe keine direkten Anhaltspunkte dafür gehabt, dass der Kläger Waffen oder Ähnliches mit sich geführt habe. Der Kläger sei ihm als Mitglied der Göttinger linken Szene bekannt gewesen, er wisse nicht, ob Mitglieder der Göttinger linken Szene ständig Waffen oder ähnliche Gegenstände mit sich führen würden. Die Atmosphäre bei der Identitätsfeststellung sei angespannt, aber ruhig gewesen. Auch nachdem er den Kläger und seine Begleiter als Zeugen bzw. Beschuldigten belehrt hätte, hätten diese lediglich geschwiegen und allenfalls genickt. Zu einem Gespräch sei es nicht gekommen. Von dem Kläger und seinen Begleitern sei auch keine Bedrohung ausgegangen, sodass er Anlass gehabt hätte, diese schon vor der Identitätsfeststellung zu durchsuchen (s. S. 5 Sitzungsprotokoll). Diese Angaben enthalten keine Gesichtspunkte, die auch nur ansatzweise dafürsprechen, dass der Kläger im oben genannten Sinne gefährlich gewesen wäre.
Nichts Anderes folgt aus der Aussage des Zeugen PK xxx. Der Zeuge hat angegeben, der Kläger und seine Begleiter seien ihm als Mitglieder der linken Szene in Göttingen bekannt gewesen. Im Vorfeld des in Rede stehenden Ereignisses habe es Ausschreitungen gegeben. An dem betreffenden Abend sei es bereits dunkel gewesen und ein Begleiter des Klägers, xxx, sei Beschuldigter einer Straftat gewesen. Auch wenn der Kläger und seine Begleiter sich ruhig verhalten und nichts gesagt hätten, habe er aufgrund seiner polizeilichen Erfahrung nicht ausschließen können, dass dies nicht so bleibe. Er wisse aus Erfahrung, dass auch von zunächst kooperativen und unauffälligen Personen es noch zu Übergriffen auf Polizeibeamte kommen könne. Er könne nicht sagen, ob der Kläger und seine Begleiter konkret gewaltbereit gewesen seien. Er wisse auch nicht, ob sie in der Vergangenheit bereits Gewalt gegen Polizeibeamte ausgeübt hätten; er selbst sei jedenfalls bisher nicht Opfer von Übergriffen des Klägers oder seiner Begleiter gewesen (s. S. 7 Sitzungsprotokoll). All diese Angaben beinhalten ebenfalls keine Gesichtspunkte, die nur im Ansatz dafürsprechen, dass der Kläger im Sinne von § 22 Absatz 2 Nds. SOG hätte gefährlich werden können. Soweit der Zeuge wie auch die Beklagte in ihrer Klageerwiderung von Februar 2017 auf die allgemein aufgeheizte Stimmung in Göttingen am 06.09.2016 abstellen, ist hierdurch die Durchsuchung nach § 22 Absatz 2 Nds. SOG ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Denn die gefahrbegründenden Umstände im Sinne dieser Vorschrift müssen gerade von der durchsuchten Person ausgehen. Eine allgemein unsichere Lage und aufgeheizte Stimmung kann aber nicht konkret dem Kläger zugerechnet werden.
Damit fehlt es an der Eingriffsvoraussetzung von gefahrbegründenden Umständen im Sinne von § 22 Absatz 2 Nds. SOG. Die Durchsuchung des Klägers war deshalb rechtswidrig. Nicht mehr zu beantworten ist die Frage, ob die Durchsuchung verhältnismäßig war oder ob mit Blick darauf, dass zwei weitere Polizeibeamte die Identitätsfeststellung gesichert haben (s. Seiten 6 unten und 7 oben Sitzungsprotokoll) mildere Maßnahmen zur Eigensicherung der Polizeibeamten bei der Identitätsfeststellung möglich gewesen wären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.