Tacheles Rechtsprechungsticker KW 08/2018

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 14.02.2018 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

BSG, Urteil v. 14.02.2018 – B 14 AS 17/17 R

Orientierungssatz (Redakteur)
Allein die Versagung von Leistungen nach dem SGB II wegen mangelnder Mitwirkung rechtfertigt bei der Einkommensprüfung keine Abweichung vom Kopfteilprinzip.

Leitsatz (Redakteur)
Keine Abweichung vom Kopfteilprinzip bzgl. der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Falle einer Leistungsversagung gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. v. 11.07.2016 – L 6 AS 210/13 – rechtskräftig

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Hier fehlender Nachweis der Umzugserforderlichkeit i.S. des § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II a.F. bzw. des (insoweit gleichlautenden) § 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II in der geltenden Fassung – Umzug aus gesundheitlichen Gründen – die Nichterweislichkeit der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erforderlichkeit des Umzugs geht zu Lasten der Antragstellerin (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 3/08 KR R).

2. Das bloße subjektive Empfinden der leistungsberechtigten Personen, im näheren Umfeld naher Angehöriger besser aufgehoben zu sein, reicht für einen Anspruch nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II a.F. nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010).

Leitsatz (Redakteur)
1. Gesundheitliche Gründe können allerdings die Umzugserforderlichkeit generell begründen und sind auch grundsätzlich geeignet, einen Umzug nicht nur innerhalb des Referenzgebiets in eine leidensgerechte Wohnung sondern auch in das Gebiet eines anderen kommunalen Trägers zu rechtfertigen, wenn dort – z.B. wegen der Möglichkeit einer Betreuung durch nahe Angehörige – substanzielle Aussichten auf eine Besserung oder die Verhinderung einer drohenden Verschlechterung des Gesundheitszustands bestehen. Dies ist im Einzelfall auf Grundlage einer objektiv-nachträglichen Prognose auf Grundlage gesicherter ärztlicher Befunde nachzuvollziehen.

2. Das bloße subjektive Empfinden der leistungsberechtigten Personen, im näheren Umfeld naher Angehöriger besser aufgehoben zu sein, reicht für einen Anspruch nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II a.F. nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 14 AS 7/09 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – Sächsisches Landessozialgericht, Urt. v. 10.08.2017 – L 3 AS 650/16

Arbeitslosengeld II – Mehrbedarf – unabweisbarer laufender besonderer Bedarf – Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechts der Großeltern mit ihrem Enkelkind – atypischer Bedarf – bei der Prüfung, ob ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II für den Umgang von Großeltern mit ihren Enkelkindern besteht, sind auch die verfassungsrechtlichen Implikationen zu berücksichtigen

Die Klägerin (Großmutter) hat eine atypische Bedarfslage dargetan, die nicht mehr als allgemeiner und üblicher Umgang von Großeltern mit ihren Enkelkindern als Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen angesehen werden kann, sondern darüber hinausgeht.

Leitsatz (Redakteur)
Die Großmutter hatte einen Anspruch auf Übernahme ihrer Fahrtkosten mit dem Auto aufgrund ihres Umgangsrechts mit ihren Enkelkindern, denn im Gegensatz zum üblichen Verhältnis zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern bestand hier die Besonderheit, dass die Klägerin die Mutter der Kinder als engste Bezugsperson ersetzte und faktisch in deren Rolle eingetreten war.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis:
LSG Niedersachsen-Bremen, 19.12.2013 – L 7 AS 1470/12 – Fahrtkosten von Großeltern anlässlich der Ausübung ihres Umgangsrechts mit Enkelkindern sind nicht vom Grundsicherungsträger nach § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen.

2.3 – Sächsisches Landessozialgericht, Urt. v. 17.11.2016 – L 3 AS 428/14 – Revision anhängig BSG – B 14 AS 48/17 R

Arbeitslosengeld II – Mehrbedarf – unabweisbarer laufender besonderer Bedarf – Aufwendungen für Besuchsfahrten zu dem im Ausland inhaftierten volljährigen Kind – kein Mehrbedarf mangels rechtlicher Verpflichtung

Können Aufwendungen für Besuche bei einem im Ausland in Untersuchungshaft genommenen volljährigen Kind eines SGB II-Leistungsbeziehers einen Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II begründen?

Orientierungssatz (Juris)
Die Reisekosten für Besuchsfahrten zu dem im Ausland inhaftierten volljährigen Kind begründen mangels rechtlicher Verpflichtung keinen Mehrbedarf iS des § 21 Abs 6 SGB 2.

2.4 – LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.08.2017 – L 6 AS 353/16 – Revision anhängig BSG B 14 AS 34/17 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende – vorläufige Entscheidung – Erstattung erbrachter Leistungen nach abschließender Entscheidung – Unpfändbarkeit eines Smartphones – keine Beschränkung der Minderjährigenhaftung

Gilt die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a Absatz 1 BGB auch bei der Erstattung erbrachter Leistungen nach abschließender Entscheidung gemäß § 40 Absatz 2 Nummer 1 SGB II alte Fassung in Verbindung mit § 328 Absatz 3 Satz 2 SGB III ?

Orientierungssatz (Juris)
1. Ein Smartphone ist unpfändbar iS des § 811 Abs 1 Nr 1 ZPO, wenn der Betroffene weder über einen Fernseher noch über einen Computer verfügt. (Rn.24)

2. Die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a Abs 1 BGB greift nicht bei der Erstattung erbrachter Leistungen nach abschließender Entscheidung gemäß § 40 Abs 2 Nr 1 SGB 2 aF iVm § 328 Abs 3 S 2 SGB 3. (Rn.27)

2.5 – LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juni 2017 (Az.: L 32 AS 416/16):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Elterngeld stellt kein nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II privilegiertes Einkommen dar.

2. Der Gesetzgeber hat in Bezug auf diese Sozialleistung keinen konkreten Verwendungszweck vorgegeben.

3. Die sachlichen Gründe, die die Legislative mit der Anknüpfung des Elterngeldes an die Höhe des bisherigen Erwerbseinkommens verbunden hat, rechtfertigen auch eine unterschiedliche Behandlung bei8m Erhalt existenzsichernder Leistungen.

4. Mit der Anknüpfung an ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes für eine unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe der nach dem SGB II berechtigten Personen im Sinne einer Privilegierung trotz des Nachranggrundsatzes verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Differenzierungsziel.

5. Wohngeld ist nicht als ein Einkommen der Kinder, für die Leistungen nach dem WoGG bewilligt wurden, nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Personen, die nicht Mieter der betr. Wohnung sind, kommen nicht als Anspruchsinhaber für einen Anspruch auf Wohngeld in Betracht. Eine dem gemäß § 6a BKGG gewährten Kinderzuschlag oder dem Kindergeld vergleichbare Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB II, wonach einer anderen Person (nämlich dem jeweiligen Kind) als dem Anspruchsberechtigten (dem jeweiligen Elternteil) der Kinderzuschlag bzw. das Kindergeld als Einkommen zugerechnet wird, besteht im Wohngeldrecht nicht.

6. Das einer von Wohngeld ausgeschlossenen, aber als Mieter wohngeldberechtigten Person (hier: der Mutter) bewilligte Wohngeld ist bei einer Gewährung von Sozialleistungen nicht als deren Einkommen zu berücksichtigen (§ 40 WoGG).

Rechtstipp:
aA.: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 31.08.2017 – L 20 AS 1182/15 – Berufung anhängig beim BSG unter dem Az. : B 14 AS 37/17 R – Berücksichtigung von sog „Kinderwohngeld“ – Wohngeld als vorrangige Leistung ggü Leistungen nach dem SGB 2 – Berücksichtigung als Einkommen beim Kind trotz Wohngeldberechtigung des Elternteils – Anrechnung von Kindergeld beim Einkommen des Kindergeldberechtigten

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Freiburg, Beschluss vom 26. Mai 2017 (Az.: S 15 AS 1874/17 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Zur Europarechtswidrigkeit der aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II 2017 hervorgehenden Ausschlussnorm.

2. Hier nach sind vom gänzlichen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II erwerbsfähige Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern und sonstige der Bedarfsgemeinschaft angehörende Familienmitglieder erfasst, die hier nicht mehr erwerbstätig sind.

3. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wurde aber zum Ausdruck gebracht, dass das durch Art. 10 VO (EG) Nr. 492/2011 gewährleistete Aufenthaltsrecht gerade nicht von den Voraussetzungen der RL 2004/38/EG abhängig ist, d. h. dieser Personenkreis nicht über ausreichende Existenzmittel und Versicherungsschutz gegen Krankheit zu verfügen hat. Würde dem die tatsächliche Sorge ausübenden Elternteil die Gewährung notwendiger Sozialleistungen zur Existenzsicherung im Fall der Bedürftigkeit nicht bewilligt, dann liefe das durch Art. 10 VO (EG) Nr. 492/2011 eingeräumte Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat bereits aus rein wirtschaftlichen Gründen ins Leere. Die praktische Wirksamkeit des EU-Rechts wäre überdies erheblich beeinträchtigt, denn die Außerkraftsetzung des aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 abzuleitenden Aufenthaltsrechts könnte Unionsbürger davon abhalten, von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch zu machen.

Rechtstipp:
SG Speyer, Beschluss v. 17.08.2017 – S 16 AS 908/17 ER – Europarechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der seit dem 29.12.2016 geltenden Fassung

3.2 – Sozialgericht Freiburg, Urteil vom 6. Juli 2017 (Az.: S 16 AS 3644/16):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Die Kosten für den einer Mietwohnung vertraglich zugeordneten Stellplatz (hier: EUR 20,- monatlich) können durchaus zu den übernahmefähigen Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu zählen sein.

2. Maßgeblicher Bezugspunkt ist hier der Mietvertrag und das in diesem Rahmen Vereinbarte, nämlich was zu Wohnzwecken angemietet und zum untrennbaren Gegenstand dieses Vertrags erklärt wurde.

3. Bei Einbeziehung der Vermietung eines Stellplatzes oder einer Garage in den jeweils abgeschlossenen Wohnraummietvertrag ist regelmäßig von einem Bestehen eines einheitlichen Mietverhältnisses auszugehen, wo eine Teilkündigung zur Verringerung der unterkunftsbezogen entstehenden Aufwendungen nicht möglich ist. Hier handelt es sich um für die Mietpartei unausweichliche Wohnnebenkosten und damit um unter § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II subsumierbare Aufwendungen.

4. Bei einer solchermaßen fehlenden „Abtrennbarkeit“ des Stellplatzes sind die hierfür entstehenden Kosten vom Jobcenter zu übernehmen, sofern die Inklusivmiete noch dem Angemessenheitskriterium des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II entspricht.

5. Aus § 22 SGB II geht keine weitere Grundlage hervor, die für einen mit angemieteten Stellplatz entstehenden Kosten darüber hinaus gesondert zu behandeln und insoweit von einem Bestehen einer besonderen Kostensenkungsobliegenheit auszugehen, der erwerbsfähige Leistungsberechtigte hier durch hinreichende Eigenbemühungen nachzukommen haben.

Rechtstipp:
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2014 – L 2 SO 4042/14 – Zu den Anforderungen an den Nachweis, dass ein PKW-Stellplatz nicht untervermietet werden kann.

3.3 – SG Berlin, Beschluss vom 12.12.2017 – S 96 AS 14965/17 ER

Der unzumutbare Vermittlungsvorschlag, ein Beitrag von RA Kay Füßlein, Berlin

Meine Mandantin hat eine Halbtagsstelle in einem – fast- öffentlichen-rechtlichen Unternehmen. Das JobCenter übermittelte ihr einen Vermittlungsvorschlag für eine Zeitarbeitfirma (Vollzeit), der eine kaufmännische Ausbildung voraussetzt. Auf diesen Vermittlungsvorschlag hat sich meine Mandantin nicht beworben.

Es stellte sich also die Frage, ob die Sanktion wegen Nichtbewerbens auf den Vermittlungsvorschlag rechtmäßig war.

Das eingelegte Rechtsmittel gegen die Sanktion hatte Erfolg!

Das SG Berlin führt in seinem Beschluss vom 12.12.2017 aus, dass es nicht zumutbar ist eine sichere Arbeitsstelle, auch wenn diese ein nicht „bedarfsdeckendes “ Einkommen erwirtschaftet, zu kündigen, um in ein Arbeitsverhältnis zu wechseln, wenn dieses nicht in der Lage die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen.

Auch muss aus dem Vermittlungsvorschlag sich klar ergeben, welcher Lohn gezahlt wird und unter welchen Bedingungen (Probezeit, Befristung) die Einstellung erfolgen wird.

Beschluss des SG Berlin vom 12.12.2017 – S 96 AS 14965/17 ER: www.ra-fuesslein.de

Dazu Leitsätze von Dr. Manfred Hammel
1. Entsprechend § 10 Abs. 2 Nr. 5 SGB II ist es einer Alg II beziehenden Person durchaus zumutbar, eine von ihr ausgeübte, aber nicht bedarfsdeckend vergütete Tätigkeit zugunsten einer den notwendigem Lebensunterhalt voll und ganz deckenden Arbeit aufzugeben.

2. Ein maßgebender Punkt stellt hier das über die Verrichtung der neuen Tätigkeit nach Abzug der Abgaben und Werbungskosten konkret zur Verfügung stehende Einkommen dar.

3. Ein Unzumutbarkeitsgrund liegt allerdings vor, wenn das Jobcenter zwar eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung vermittelt, bei dieser Zeitarbeitsfirma aber kaum ein höherer Verdienst als über die bislang verrichtete Teilzeittätigkeit erzielbar ist, d. h. der notwendige Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft weiterhin nicht vollständig gedeckt werden kann.

4. Bei derartigen Gegebenheiten wäre es eher vertretbar, wenn der SGB II-Träger die auch ein Kind erziehende Antragstellerin weiterhin in ihrem unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnis tätig sein lässt und stattdessen ihrem hilfebedürftigen Partner eine Teil- oder Vollzeittätigkeit anbietet.

5. Wenn aus einem vom Jobcenter einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unterbreiteten Vermittlungsvorschlag keine Aussagen darüber hervorgehen, ob die angebotene Arbeit überhaupt zu einer Verringerung der Hilfebedürftigkeit führen würde, ob hier eine Probezeit zurückzulegen ist und ob es sich hier um ein (un-)befristetes Arbeitsverhältnis handelt, dann ist dieser Vorschlag nicht hinreichend bestimmt genug (§ 33 Abs. 1 SGB X) und damit rechtlich angreifbar.

3.4 – Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 30. Oktober 2017 (Az.: S 32 AS 3983/17 ER).

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Die Kosten für die periodische Anschaffung von Heizmaterial wie Heizöl, Kohle oder Brennholz sind, wenn der Wohnraum nicht mit einem Energieträger beheizt wird, der über eine Leitung in das Grundstück führt und für den regelmäßige Abschläge fällig werden, als Kosten der Heizung im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen.

2. Dies kann grundsätzlich durch Vorlage einer entsprechenden Rechnung beantragt werden. Die Bewilligung einer Vorleistung durch das Jobcenter ist nur dann möglich, wenn die Brennstoff-Firma nur gegen Vorkasse anliefert. Es ist hier einer hilfesuchenden Person nicht zuzumuten, erst nach einem gänzlichen Aufbrauchen seiner Vorräte an Heizmaterial einen solchen Antrag zu stellen.

3. Die Entscheidung des Jobcenters, keinerlei Leistungen zu bewilligen, weil der SGB II-Träger – gestützt insbesondere durch die Verwehrung der Ausführung eines vom Jobcenter veranlassten Hausbesuchs durch den Antragsteller – davon ausgeht, bei diesem Antragsteller wären noch weit größere Mengen an Heizstoff als beantragt gelagert, und es bestünde insoweit kein Bedarf, ist deshalb angreifbar.

4. Bei dieser Bevorratung von Heizmaterial handelt es sich um keine entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II finanzierten Brennmaterialien, sondern um ein gemäß § 12 Abs. 1 und 2 SGB II anrechnungsfreies Vermögen des Antragstellers.

5. Schließlich ist kaum davon auszugehen, dass das Jobcenter in jedem Fall eines neuen Hilfesuchenden die Wohnung nach verwertungspflichtigen Vermögensgegenständen durchsuchen lässt und bei einer Verwehrung dieser Hausprüfung durch den Antragsteller bei ihm ein zu hohes Vermögen unterstellen kann und deshalb eine Ablehnung der Bewilligung von Leistungen verfügt.

3.5 – Sozialgericht München, Urt. v. 24.01.2018 – S 46 AS 1426/15

Schlüssiges Konzept zu den Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II

Leitsatz (Juris)
Die Ermittlung der Nettokaltmiete über zahlreiche online verfügbare Angebotsmieten und die Ermittlung der kalten Betriebskosten aufgrund der Daten von Leistungsbeziehern nach SGB II kann ein schlüssiges Konzept für die Bruttokaltmiete nach der Rechtsprechung des BSG darstellen und zu einer zutreffenden Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II führen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.6 – Sozialgericht Cottbus, Beschluss vom 31. August 2017 (Az.: S 31 AS 1700/17 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Mietverträge unter Verwandten (hier: Mutter und volljähriger Sohn) müssen einem Fremdvergleich nicht standhalten, es hat eine Vermietung des betr. Raumes auf dem freien Wohnungsmarkt nicht ohne Weiteres möglich zu sein, sofern und soweit damit ein günstiges (Mit-) Wohnen ermöglicht, und die Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) hierdurch niedrig gehalten werden können.

2. Die Tatsache, dass nur das vormalige Jugendzimmer des Sohnes und die Mitbenutzung von Küche und Bad Gegenstande des mit der Mutter abgeschlossenen Mietvertrags sind, hat als belanglos aufgefasst zu werden.

3. Gegen ein rechtlich unbeachtliches Scheingeschäft (§ 117 BGB) spricht hier die fehlende Verpflichtung der Mutter zum Barunterhalt und zur Gewährung eines kostenfreien Wohnens in ihrem Haus, die bisherige Bereitschaft des erwachsenen Sohnes zur Tragung von Unterkunftskosten sowie die Versteuerung dieser Einnahmen durch die Mutter als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)

4.1 – Sozialgericht Karlsruhe, Urt. v. 24.01.2018 – S 2 AL 3795/17

Zum Anspruch von Asylbewerbern mit Aufenthaltsgestattung auf Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III; Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.05.2017, L 14 AL 52/17 B ER

Leitsatz (Juris)
Ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt im Sinne von § 132 Abs. 1 SGB III kann nur bei solchen Asylbewerbern angenommen werden, die aus einem Herkunftsland mit einer Gesamtschutzquote von 50 % stammen und deren Asylantrag nicht rechtskräftig abgelehnt worden ist.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 24.07.2017 – L 8 SO 26/17 B ER – rechtskräftig

Zur Frage der Übernahme von Bestattungskosten –  zur Obliegenheit der Selbsthilfe- Ausgleichsansprüche der Antragsteller – bereite Mittel Beweislast

Leitsatz (Juris)
Die erforderlichen Kosten einer Bestattung sind im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu übernehmen, wenn Ausgleichsansprüche des Bestattungspflichtigen gegen andere Verpflichtete nicht ersichtlich sind. Eine vorrangige Verpflichtung zur Selbsthilfe setzt voraus, dass ein möglicher Anspruch des Hilfebedürftigen hinreichend klar ersichtlich ist. Der Hilfebedürftige muss nicht nachweisen, dass keine bereiten Mittel – hier in Form von Ausgleichsansprüchen gegenüber Erben – vorhanden sind.

6.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

6.1 – Flüchtlingsstatus für Syrer bei Wehrdienstentziehung

Das VG Osnabrück hat entschieden, dass Flüchtlingen aus Syrien, die sich dem Kriegsdienst entzogen haben, die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen ist, denn das syrische Regime betrachtet Kriegsdienstverweigerer als illoyal und vermutet bei ihnen regimekritische politische Überzeugungen und verfolgt sie bereits bei bloßem Verdacht mit Misshandlungen und Folter bis zum Tod.

Quelle: Pressemitteilung des VG Osnabrück Nr. 4/2018 v. 13.02.2018: www.juris.de

Hinweis:
Wehrpflichtige Syrer haben Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus

Das OVG Bautzen hat entschieden, dass Flüchtlinge aus Syrien, die sich durch ihre Flucht dem Wehrdienst entzogen haben, Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus haben.

Die Revision zum BVerwG wurde vom Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Die jeweils unterlegenen Beteiligten können aber binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde zum BVerwG erheben.

Quelle: Pressemitteilung des OVG Bautzen Nr. 4/2018 v. 08.02.2018: tacheles-sozialhilfe.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de