Tacheles Rechtsprechungsticker KW 22/2018

1.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 03.05.2018 – L 11 AS 257/18 NZB

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Zur Übernahme für eine Privathaushaftpflichtversicherung für ein selbstbewohntes Eigenheim.

2. Die Kosten für die Versicherung gehören bei einer selbst bewohnten Immobilie nicht zu den Kosten der Unterkunft

Leitsatz (Redakteur)
Eine Hausbesitzerhaftpflichtversicherung hat der Kläger nicht abgeschlossen, er legt vielmehr lediglich Unterlagen zu einer Privathaftpflichtversicherung vor. Die Kosten hierfür sind aber nicht als Kosten der Unterkunft und Heizung erstattungsfähig (vgl. dazu Beschluss des Senats vom heutigen Tag in dem vom Kläger genannten Verfahren L 11 AS 250/18 NZB zu S 13 AS 532/16 mwN).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.2 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 03.05.2018 – L 11 AS 255/18 NZB

Orientierungssatz (Redakteur)
Zur Übernahme der Kosten für eine Hausratversicherung für einen Eigenheimbesitzer.

Leitsatz (Redakteur)
Eine Hausratversicherung stellt keine Aufwendung dar, die als Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden könnten. Auch in einem Mietverhältnis wird eine solche von einem Vermieter nicht abgeschlossen und auf den Mieter umgelegt. Es handelt sich allenfalls um eine im Rahmen der Einkommenserzielung abziehbare Aufwendung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.11.2009 – L 7 B 234/09 AS – und LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.11.2011 – L 2 AS 229/11 B ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
Bay LSG, Beschluss v. 03.05.2018 – L 11 AS 252/18 NZB – Beiträge zu einer solchen, auch den Hausrat schützenden Versicherung gehören nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.11.2011 – L 2 AS 229/11 B ER – Rn. 66; so auch für eine Hausrat- und Glasversicherung: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.11.2009 – L 7 B 234/09 AS NZB

1.3 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 03.05.2018 – L 11 AS 254/18 NZB

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Zur Erstattung der Kosten für die Anschaffung einer Tischkreissäge und eines Ersatzteiles für einen Balkenmäher des Klägers, welcher im Eigenheim wohnt.

2. Diese Kosten gehörten nicht zu den Kosten der Unterkunft und eine Kostenübernahme gemäß § 22 Abs. 2 SGB II komme nicht in Betracht, da weder die Tischkreissäge noch das Ersatzteil für den Rasenmäher eine unabweisbare Aufwendung für Instandhaltung und Reparatur des selbstbewohnten Wohneigentums darstelle.

Leitsatz (Redakteur)
1. Eine Tischkreissäge und ein Ersatzteil für den Rasenmäher gehören nicht zu den Kosten der Unterkunft, insbesondere nachdem der Kläger mitgeteilt hat, dass die Tischkreissäge bei der Bearbeitung von Hölzern für den Gartenzaun kaputtgegangen sei. Soweit eine Tischkreissäge für die – vorliegend unterstellte – Instandhaltung der Wohnung benötigt wird, sind die Kosten hierfür in der Regelleistung enthalten (vgl. dazu Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.04.2014 – L 7 AS 536/11 NZB – unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19.03.2008 – B 11b AS 31/06 R – und Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R).

2. Die Aufwendungen für ein Ersatzteil für den Rasenmäher gehören ebenfalls nicht zu den Kosten der Unterkunft, zumindest aber gehören sie nicht zu den unabweisbaren Kosten einer Unterkunft (vgl. dazu Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4.Auflage, § 22 Rn. 162) bei einem selbstbewohnten Eigenheim; die Aufwendungen hierfür sind als Reparatur eines Haushaltsgerätes in der Regelleistung enthalten.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.4 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 03.05.2018 – L 11 AS 253/18 NZB

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Zur Übernahme der Kosten für die teilweise Erneuerung eines Gartenzaunes.

2. Die Kosten für den Ersatz eines Teiles des Gartenzaunes gehören nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung.

3. Abgelehnte Kostenübernahme für Ersatz eines Gartenzaunes im selbstbewohnten Eigenheim

Leitsatz (Redakteur)
Ein Gartenzaun, auch wenn er der Absturzsicherung vom/zum Nachbargrundstück dient, gehört nicht zu den Unterkunftskosten (vgl. dazu hinsichtlich eines Gartentores: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.05.2011 – L 13 AS 274/15). Von § 22 Abs. 2 SGB II wird auch nur das zur Sicherung der Substanz Notwendige, was die Bewohnbarkeit aufrechterhält, erfasst (vgl. Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 22 Rn. 162).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis:
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.09.2014 – L 4 AS 637/12

Ausgaben für Instandsetzung und Instandhaltung sind nur dann als KdU gemäß § 22 SGB II vom Jobcenter zu übernehmen, wenn diese Kosten zum Erhalt der Bewohnbarkeit der selbstgenutzten Immobilie notwendig sind- Ein maroder Außenzaun führe nicht zu einer beachtlichen Verringerung der Wohnqualität.

Leitsätze (Redakteur)
Die Errichtung eines Maschendrahtzaunes zur Abwehr drohender Übergriffe von Dritten betrifft nicht den Kernbereich der Unterkunft und ist auch für die Nutzung des eigentlichen Wohnraums nicht unerlässlich. Ähnlich wie bei einem Hoftor, gehört ein Maschendrahtzaun nicht zum Kernbereich des Wohnens, sondern zum bloßen Außenbereich und kann nicht den Unterkunftskosten zugeordnet werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. Mai 2011, L 13 AS 274/10).

Anmerkung:
Ähnlich im Ergebnis: LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10.05.2012 – L 5 AS 293/11 B – Keine Übernahme der Reparaturkosten eines Grundstückszaunes als Kosten der Unterkunft

2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Sozialgericht Berlin, Urt. v. 16.04.2018 – S 197 AS 3386/16

Leitsatz (Juris)
Die in § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X normierte Ausnahme von der Zehn-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte mit Dauerwirkung ist auf die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II praktisch nicht anwendbar, weil SGB II-Leistungen von vornherein nur für zeitlich begrenzte Bewilligungszeiträume von maximal zwölf Monaten gewährt werden und es damit mehr als zehn Jahre nach Bekanntgabe des (potentiell) zurückzunehmenden Bescheids faktisch unmöglich ist, dass “diese” (d.h. die mit dem Bescheid gewährten) Leistungen noch gezahlt werden.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – Sozialgericht Freiburg, Urteil vom 6. Juli 2017 – S 16 AS 3644/16

Orientierungssatz (Redakteur)
Kosten für PKW Stellplatz kann zu KdU zu zählen sein.

Leitsatz (Redakteur)
1. Die Kosten für den einer Mietwohnung vertraglich zugeordneten Stellplatz (hier: EUR 20,- monatlich) können durchaus zu den übernahmefähigen Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu zählen sein.

2. Maßgeblicher Bezugspunkt ist hier der Mietvertrag und das in diesem Rahmen Vereinbarte, nämlich was zu Wohnzwecken angemietet und zum untrennbaren Gegenstand dieses Vertrags erklärt wurde.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)

3.1 – SG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 05.03.2018 – S 10 AL 96/16

Vorläufige Erbringung von Geldleistungen – Keine vorläufige Feststellung einer Sperrzeit

Leitsätze (Juris)
1. § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III erlaubt nur die vorläufige “Erbringung von Geldleistungen” durch die Agentur für Arbeit, nicht aber deren vorläufige Versagung. (Rn. 47 – 52)

2. Daher kann auch der Eintritt einer Sperrzeit nicht vorläufig festgestellt werden. (Rn. 52)

3. Ein Leistungsbewilligungsbescheid regelt nur die Höhe des täglichen Leistungsbetrags. (Rn. 38 – 52)

4. Er enthält keine Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit und ersetzt auch den Erlass eines solchen Feststellungsbescheides nicht. (Rn. 38 – 45)

Quelle: www.gesetze-bayern.de

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Asylrecht

4.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 28.03.2018 – L 15 AY 15/14

“Einreise, um Sozialhilfe zu erlangen” – Palästinenser – Libanon

Kurztext Gericht:
1. Nach der Rechtsprechung des BSG ist Voraussetzung für die Anwendung des § 23 Abs. 3 SGB XII a.F., dass der Zweck, Sozialhilfe zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat, d.h. es muss ein finaler Zusammenhang zwischen Einreise und Sozialhilfebezug bestehen (BSG, Urteil vom 18. November 2014, Az. B 8 SO 9/13 R, juris Rn. 25 = SozR 4-3500 § 25 Nr. 5), und zwar im Sinne eines ziel- und zweckgerichteten Handelns (Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand 2. November 2017, § 23 SGB XII, Rn. 55). Hierfür genügt ein nur fahrlässiges Verhalten bei der Einschätzung der Hilfebedürftigkeit und der Möglichkeit, sich selbst helfen zu können, nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass nach den objektiven Umständen von einem Wissen und Wollen mindestens im Sinne eines Vorsatzes ausgegangen werden kann, der für den Entschluss zur Einreise von prägender Bedeutung gewesen sein muss, ohne dass hierin auch ein “unlauteres Verhalten” gesehen werden müsste. Das Wissen und Wollen setzt nicht die Kenntnis des deutschen Sozialhilferechts mit seinen vielfältigen Möglichkeiten voraus.

2. Der erforderliche Zusammenhang zwischen der Einreise und der missbilligten Inanspruchnahme von Sozialhilfe besteht nicht nur, wenn der Wille, Sozialhilfe zu erlangen, der einzige Einreisegrund ist. Beruht die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhangs auch erfüllt, wenn der Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss von zumindest prägender Bedeutung ist; es genügt aber nicht, dass der Sozialhilfebezug beiläufig verfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne (nur) billigend in Kauf genommen wird.

3. Es ist nicht bewiesen, dass der Kläger im Sinne eines zielgerichteten Handelns eingereist ist, um Sozialhilfe zu erlangen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

5.1 – Übergangsunterkünfte: Frankfurts Flüchtlinge sollen sich an Wohnkosten beteiligen

Die Stadt Frankfurt will Flüchtlinge mit eigenem Einkommen in Übergangsunterkünften künftig in moderater Form an den Wohnkosten beteiligen. Damit reagiert die Stadt auf eine Gesetzesänderung und stellt sicher, dass sie auch künftig einen Teil der Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen vom Bund erstattet bekommt, wie Frankfurts Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU) am Donnerstag in Frankfurt erläuterte. Die Stadtverordnetenversammlung soll der Planung nach noch bis zum Sommer der neuen Satzung als Entwurf des Magistrats zustimmen.

weiter: www.faz.net

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de