URTEIL
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn xxx,
– Kläger –
Proz.-Bev.: Rechtsanwalt Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,
gegen
die Polizeidirektion Lübeck, Possehlstraße 4, 23560 Lübeck
– Beklagte –
Proz.-Bev.: Ministerium für Inneres, ländliche Räume und, Mühlenweg 166, 24116 Kiel
Streitgegenstand: Polizeirecht
hat die 3. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung am 13.06.2018 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht xxx als Einzelrichter für Recht erkannt:
Es wird festgestellt, dass die von für die Beklagte tätigen Beamten durchgeführte Sicherstellung des Mobilfunkgerätes des Klägers am 14.04.2015 rechtswidrig war.
Es wird festgestellt, dass die Durchsuchung des Klägers und des Rucksacks des Klägers durch für die Beklagte tätige Beamte am 14.04.2015 rechtswidrig war.
Es wird festgestellt, dass das durch für die Beklagte tätige Beamte gegenüber dem Kläger ausgesprochene Verbot der Anfertigung von Fotografien mittels des Mobilfunkgeräts des Klägers rechtswidrig war.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. Des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
TATBESTBESTAND
Der Kläger – ein Rechtsanwalt – befand sich anlässlich des G-7-Außenministertreffens am 14.04.2015 gemeinsam mit seinem Kollegen Rechtsanwalt xxx gegen 14:20 Uhr im Altstadtbereich der Hansestadt Lübeck. Kurz nachdem der Kläger und sein Begleiter die Holstenbrücke passiert hatten und sich auf der Holstenstraße bewegten, wurden er und sein Begleiter von Polizeibeamten aus Nordrhein-Westfalen, die für die verantwortliche Beklagte im Einsatz waren, angehalten. Der Kläger und sein Begleiter wurden aufgefordert, sich auszuweisen. Von einem Personalausweis war dabei -und auch später- nicht ausdrücklich die Rede. Der Kläger übergab daraufhin seinen Anwaltsausweis; den Personalweis, den er bei sich führte, zeigte er nicht vor. Der Polizeibeamte nahm den Anwaltsausweis gegen den Willen des Klägers an sich und weitere Polizeibeamte umstellten den Kläger und seinen Begleiter, so dass diese den Bereich der Kontrolle nicht mehr verlassen konnten. Der Kläger begann dann damit, mit seinem Mobiltelefon Fotos anzufertigen. Ein Polizeibeamter nahm dem Kläger das Mobiltelefon weg. Später gab der Beamte dem Kläger das Telefon zwar wieder zurück, verbot dem Kläger aber die Anfertigung von Fotos. Im weiteren Verlauf erhielt der Kläger die Anordnung, sich durchsuchen zu lassen. Der Kläger widersprach, was zur Androhung unmittelbaren Zwangs durch einen Polizeibeamten führte. Der Kläger ließ sich daraufhin durchsuchen, wies dabei aber darauf hin, dass es sich bei den durchsuchten Gegenständen im Rucksack um solche handele, die zur Ausübung seiner anwaltlichen Tätigkeit erforderlich seien. Die Durchsuchung wurde gleichwohl durchgeführt. Gegen 14:50 Uhr war die Durchsuchung beendet und der Kläger erhielt seinen Anwaltsausweis wieder ausgehändigt.
Ein Jahr später – am 14.04.2016 – hat der Kläger eine Feststellungsklage erhoben.
Der Kläger trägt vor:
Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zulässig, da es hier um ein gefahrenabwehrrechtliches Vorgehen der Polizeibeamten gegangen sei. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei die statthafte Klageart, da es um Verwaltungsakte der Polizei gehe, die sich erledigt hätten. Der Kläger habe auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Sicherstellung des Mobilfunkgerätes die Durchsuchung des Klägers und des Rucksacks sowie das ausgesprochene Verbot der Anfertigung von Fotografien rechtswidrig gewesen seien. Hier sei ein Rehabilitationsinteresse anzunehmen, weil die beanstandeten Verwaltungsakte auf offener Straße erfolgt seien und von anderen Personen in der Umgebung hätten beobachtet werden können. Der Kläger wolle von dem Makel des scheinbar gefährlichen Störers befreit werden. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass bei dem Kläger anlässlich anderer Großlagen ähnlich vorgegangen werde. Die Entscheidung solle dem Kläger daher als Richtschnur für künftiges Verhalten dienen. Es bestehe somit auch Wiederholungsgefahr. Auch stelle die Untersuchung einen nachhaltigen Grundrechtseingriff in das Recht der Handlungsfreiheit und der freien Berufsausübung dar.
Die polizeilichen Maßnahmen seien rechtswidrig gewesen. Die Eingriffsgrundlagen seien nicht mitgeteilt worden, und es gebe auch keine Rechtsgrundlage für die Durchsuchung und die Anordnungen bezüglich des Mobilfunkgerätes. Der Kläger habe sich durch seinen Anwaltsausweis korrekt ausgewiesen, so dass kein Anlass bestanden habe, ihn zu durchsuchen. Den mitgeführten Personalausweis habe er nicht vorgezeigt, weil nicht ausdrücklich danach gefragt worden sei, und der Anwaltsausweis völlig ausreichend sei. Der Polizei sei es in Wirklichkeit um die Suche nach gefährlichen Gegenständen gegangen, hierfür habe es aber keinen Anlass gegeben, zumal der Kläger nicht mit einer Gruppe verdächtiger Personen unterwegs gewesen sei. Der Kläger sei durch die Maßnahmen schwerwiegend in seinen Grundrechten beeinträchtigt worden, zumal er in seiner Berufsausübung als Rechtsanwalt behindert worden sei; so sei z.B. sein beruflich genutztes Notizbuch mit zahlreichen Einträgen im Rucksack gewesen und von den Polizeibeamten mit ausgepackt worden.
Der Kläger beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass die von Beamten der Beklagten durchgeführte Sicherstellung des Mobilfunkgerätes des Klägers am 14.04.2015 rechtswidrig war.
2. Es wird festgestellt, dass die Durchsuchung des Klägers und des Rucksacks des Klägers durch Beamte der Beklagten am 14.04.2015 rechtswidrig war.
3. Es wird festgestellt, dass das durch Beamte der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene Verbot der Anfertigung von Fotografien mittels des Mobilfunkgeräts des Klägers rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dass die Klage mangels eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig sei. Hilfsweise macht sie geltend, dass die polizeilichen Maßnahmen rechtmäßig gewesen seien.
Die Kammer hat den Rechtsstreit gemäß § 6 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Mit Urteil vom 08.11.2016 ist die Klage mit der Begründung abgewiesen worden, es fehle an dem für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresse. Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hat auf die zugelassene Berufung des Klägers hin das vorgenannte Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit gemäß § 130 Abs. 2 Nummer 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klage sei zulässig, da eine Wiederholungsgefahr anzunehmen sei.
Die Beteiligten haben auf Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Der Kläger hat Hilfsbeweisanträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist zulässig und begründet.
Das Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht hat die Zulässigkeit der vorliegenden Klage mit seinem Urteil vom 25.1.2018 (4 LB 36/17) bejaht. Das erkennende Gericht ist gemäß § 130 Abs. 3 VwGO an diese rechtliche Beurteilung der Berufungsentscheidung gebunden und legt sie der Entscheidung zugrunde.
Die Klage ist begründet, denn die vom Kläger beanstandeten polizeilichen Maßnahmen vom 14.04.2015 (Sicherstellung des Mobilfunkgerätes, Durchsuchung des Klägers und seines Rucksacks, Verbot der Anfertigung von Fotografien mit dem Mobilfunkgerät) waren rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die im Urteil vom 08.11.2016 erörterten Gesichtspunkte betreffend eine Mitverantwortung des Klägers an dem Geschehen und zum (eher geringen) Gewicht der geltend gemachten Grundrechtsverletzungen beziehen sich nur auf die Frage der Zulässigkeit der Klage und sind bezüglich der Begründetheit der Klage nicht entscheidungserheblich.
Die Voraussetzungen des § 181 Abs. 3 Satz 3 Landesverwaltungsgesetz (LVwG), unter denen eine Person und die mitgeführten Sachen zum Zwecke der Identitätsfeststellung durchsucht werden dürfen, lagen hier nicht vor, denn vorliegend hätte zunächst die mildere Möglichkeit genutzt werden können, den Kläger, der nur einen Anwaltsausweis vorgezeigt hatte, zur Aushändigung sämtlicher mitgeführter Papiere aufzufordern. Dies hätte eine Durchsuchung wahrscheinlich entbehrlich gemacht, denn der Kläger führte einen Personalausweis bei sich.
Die Voraussetzungen des § 210 LVwG für eine zeitweilige Sicherstellung des Mobilfunkgerätes des Klägers (für den Zeitraum der Durchsuchung) lagen nicht vor. Dass der Kläger während der Durchsuchungsmaßnahme Aufnahmen mit seinem Mobilfunkgerät zur Beweissicherung gemacht hat, mag lästig gewesen sein, war aber nicht mit einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbunden.
Soweit von der Polizei ein Fotografierverbot nach Abschluss der Maßnahme angeordnet wurde, liegen die Voraussetzungen einer Ordnungsverfügung nach der allein in Betracht kommenden polizeilichen Generalklausel (§ 174 LVwG in Verbindung mit § 176 LVwG) hier mangels einer Störung der bzw. einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO iVm § 709 ZPO.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.