Racial Profiling – Oberverwaltungsgericht NRW erklärt Personenkontrolle am Bahnhof Bochum für rechtswidrig

Am heutigen Dienstag, dem 7. August 2018, verhandelte das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster einen Fall von ‚racial profiling‘ (Az. 5 A 294/16). Ein Schwarzer Deutscher war am Bahnhof Bochum einer verdachtsunabhängigen Personenkontrolle unterzogen worden. Er fühlte sich rassistisch diskriminiert und legte Klage gegen die Bundespolizei ein. Die Verhandlung endete mit einem Erfolg des Klägers und der Aufhebung des erstinstanzlich zum Teil klageabweisenden Urteils. Das Gericht verurteilte die Kontrolle des Klägers als Diskriminierungsverstoß.

Im November 2013 wartete der Kläger Ferdinand G.* abends gegen 22.00 Uhr nach dem Sport am Bahnhof Bochum auf seine Freundin, die er mit dem Zug erwartete. Wegen des schlechten Wetters hatte er sich die Kapuze seines Sweaters übergezogen. Nach kurzer Zeit wurde er von patrouillierenden Bundespolizeibeamten um seinen Ausweis gebeten und dies damit begründet, dass er illegal eingereist sein könnte. Erst im Klageverfahren gab die Bundespolizei dann zusätzlich an, dass es im Bochumer Bahnhof erfahrungsgemäß zu Eigentumsdelikten, Drogenhandel und -konsum käme, wobei die Täter oftmals jeweils dunkelhäutige Männer zwischen 20 und 30 Jahren seien. Außerdem käme es zu Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht, es habe generell die Gefahr islamistischen Terrors bestanden und in Bochum gäbe es eine Salafistenszene; auch hier habe das äußere Erscheinungsbild des Klägers auf das jeweilige Profil gepasst. Ferdinand G. erhob Klage gegen die Personenkontrolle. Diese war vor dem Verwaltungsgericht Köln nur teilweise erfolgreich (Urteil vom 10.12.2015, Az. 20 K 7847/13); die Kontrolle des Klägers im Bahnhof erachtete das Verwaltungsgericht für gerechtfertigt. In der heutigen Berufungsverhandlung suchte der Kläger die Feststellung zu erwirken, dass die Kontrolle in ihrer Gesamtheit rechtswidrig war. Er wurde von Sven Adam anwaltlich vertreten und vom Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) als gerichtlicher Beistand unterstützt.

Bei der Verhandlung wurde durch das Oberverwaltungsgericht klargestellt, dass die Hautfarbe auch als lediglich ein Kriterium unter mehreren grundsätzlich keine Rolle bei der Auswahl der zu kontrollierenden Person spielen darf. Deswegen war die Kontrolle des Klägers als nicht verfassungsgemäß einzustufen. Der Kläger äußerte: „Ich bin sehr froh über die heutige Entscheidung. Zwar glaube ich nicht, dass derartige Kontrollen nun aufhören, das Urteil ist jedoch ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Der Anwalt Sven Adam schätzt ein: „Mit dem heutigen Urteil hat das OVG deutlich gemacht, dass das Verbot rassistischer Diskriminierung bei Polizeikontrollen streng beachtet werden muss. Deswegen hat die Bundespolizei heute verloren und das ist erfreulich. Wenn das Gericht allerdings – wenngleich unter strengen Voraussetzungen – Ausnahmen von diesem Verbot andeutet, werden wir in weiteren Verfahren auch gegen solche Ausnahmen kämpfen, damit Kontrollen anhand der Hautfarbe aufhören.

Vera Egenberger vom Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung unterstreicht: “Wir leben in einem Einwanderungsland.  Ein Viertel unserer Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund. Es ist Zeit, dass auch die Bundespolizei diesen Fakt erkennt. Von der Hautfarbe auf irgendein Verhalten zu schließen ist schlichtweg absurd und darf nicht als rechtliches Kriterium herangezogen werden.

Seit 2011 wurden vermehrt Klagen bei Verwaltungsgerichten verhandelt, die die Praxis des ‚racial profiling’ hinterfragen. Die gerichtliche Einschätzung geht zunehmend dahin, solche  verdachtsunabhängigen Personenkontrollen, aufgrund der Hautfarbe – auch wenn dies nur ein Kriterium unter mehreren darstellt – als nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 3 GG) vereinbar, einzustufen.