Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Urteil vom 07.08.2018 – Az.: 5 A 294/16

URTEIL

In dem Verwaltungsrechtsstreit

des xxx,
Klägers,
Prozessbevollmächtigter:  Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,
 

gegen
 

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, dieses vertreten durch die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin, Bundesgrenzschutzstraße 100, 53757 Sankt Augustin,
Beklagte,

wegen Identitätsfeststellung
hat der 5. Senat
auf die mündliche Verhandlung
 

vom 7. August 2018

durch
die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts   xxx,
die Richterin am Oberverwaltungsgericht   xxx,
den Richter am Oberverwaltungsgericht   xxx,
den ehrenamtlichen Richter   xxx,
die ehrenamtliche Richterin   xxx,

für Recht erkannt:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 10. Dezember 2015 wird geändert, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass die Aufforderung der Beamten der Beklagten an den Kläger am 12. November 2013, seine Ausweispapiere vorzuzeigen, rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

TATBESTAND:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer am 12. November 2013 am Hauptbahnhof Bochum durchgeführten Feststellung der Identität des Klägers. Der Kläger war damals 38 Jahre alt, er ist deutscher Staatsangehöriger und dunkler Hautfarbe.

Er betrat am Abend des 12. November 2013 gegen 22:00 Uhr den Bochumer Hauptbahnhof, um dort seine damalige Lebensgefährtin, die Zeugin Rechtsanwältin xxx abzuholen. Das konkrete Verhalten des Klägers bei Betreten des Bochumer Hauptbahnhofs ist zwischen den Beteiligten streitig. Die beiden an diesem Abend eingesetzten Beamten der Beklagten, die Zeugen POK xxx und PHM xx, beobachteten den Kläger. Als dieser in der Halle wartete, begaben sie sich zu ihm. Nachdem POK xxx ihn zur Vorlage eines Ausweispapiers aufgefordert hatte, erkundigte sich der Kläger nach dem Grund für die Kontrolle. Daraufhin entwickelte sich ein Gespräch über die Gründe und die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, zu dem die Lebensgefährtin des Klägers hinzustieß, sich hieran beteiligte und den Vorwurf rassistischer Diskriminierung erhob. POK xxx hielt an der Aufforderung der Vorlage eines Ausweispapiers fest, der Kläger und seine Lebensgefährtin verlangten die Vorlage des Dienstausweises. Da POK xxx seinen Dienstausweis nicht mit sich führte, begaben sich die Beteiligten zur Polizeiwache am Bochumer Hauptbahnhof, wo der Kläger seinen Personalausweis vorzeigte, ohne dass es zu einer Aufnahme der Personalien kam. POK xxx legte seinen Dienstausweis vor.

Der Kläger erhob am 18. Dezember 2014 Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die handelnden Beamten.

Am selben Tag hat er Klage erhoben, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung begehrt hat. Er ist der Ansicht, in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei ungerechtfertigt eingegriffen worden. Zur Begründung hat er vorgetragen: Er habe sich nicht in einer Art und Weise verhalten, die eine Kontrolle gerechtfertigt habe. Insbesondere habe er sich entgegen der Äußerungen der Polizeibeamten nicht die Kapuze seiner Jacke ins Gesicht gezogen, als er an ihnen vorbeigelaufen sei. Er habe die Kapuze beim Betreten der Bahnhofshalle nur aufgezogen, da er nasse Haare gehabt habe. Er habe auch nicht versucht, sich den Blicken der Polizeibeamten hinter einem Aufzugschacht zu entziehen. Die Kontrolle sei ausschließlich aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe erfolgt. Dies habe sich eindeutig aus dem Gespräch zwischen ihm, seiner Lebensgefährtin und den Polizeibeamten ergeben. Die Anknüpfung an seine Hautfarbe zur Begründung polizeilicher Maßnahmen stelle eine gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstoßende Diskriminierung dar.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die von Beamten der Beklagten durchgeführte Identitätsfeststellung am 12. November 2013 rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.
 

Sie hat ausgeführt, die Täter der vielfach am Bochumer Hauptbahnhof begangenen Eigentumsdelikten seien nach den vorliegenden Erkenntnissen mehrheitlich Männer aus dem nordafrikanischen Raum (Marokko, Algerien, Tunesien) im Alter zwischen Anfang 20 bis Mitte 30. Auch komme es an diesem Hauptbahnhof zu den in § 12 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Bundespolizei (BPolG) genannten Straftaten im Zusammenhang mit illegaler Einreise. Ferner habe es im Jahr 2013 Erkenntnisse über eine verstärkte Reisetätigkeit islamistischer Extremisten in Deutschland gegeben, die sich zum Teil in Bochum aufgehalten hätten. Zwar sei der Hauptbahnhof Bochum nach dem „Befehl Nummer 5 der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin für Maßnahmen der Bundespolizei im Zusammenhang mit der Gefährdungslage islamistischer Terrorismus” anders als nach dem Vorgängerbefehl Nummer 1 nicht mehr als dauerhaft gefährdetes Objekt eingestuft. Er liege jedoch zwischen den entsprechend eingestuften Hauptbahnhöfen in Essen und Dortmund. Schließlich würden am Hauptbahnhof Bochum vermehrt Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz durch Täter dunkler Hautfarbe begangen.

Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Erkenntnisse habe das Verhalten des Klägers am Abend des 12. November 2013 ausreichende Anhaltspunkte für eine Identitätsfeststellung gegeben. Er habe sich, als er die Polizeibeamten gesehen habe, die Kapuze seiner Jacke über den Kopf und, als er an den Beamten vorbei gegangen sei, weiter ins Gesicht gezogen. Danach sei er hinter einem Aufzugschacht stehen geblieben. Dies habe den Eindruck erweckt, er wolle sich vor den Polizeibeamten verstecken. Aufgrund dieses Verhaltens habe der POK xxx die Entscheidung getroffen, den Kläger anzusprechen. Als er den Kläger zur Vorlage von Ausweispapieren aufgefordert habe, habe dieser sofort geantwortet „Warum?”. POK xxx habe daraufhin auf die allgemeine Lage am Hauptbahnhof Bochum und die dort begangenen Straftaten hingewiesen und mitgeteilt, dass einige dieser Taten von Personen aus Nordafrika begangen würden und es auch vermehrt zu Fällen illegaler Einreise aus Syrien und dem nordafrikanischen Raum gekommen sei.

Das Verwaltungsgericht Köln hat in der mündlichen Verhandlung am 23. April 2015 den Kläger angehört sowie Rechtsanwältin xxx, POK xxx, und PHM xxx, als Zeugen vernommen.

Nach Verzicht der Beteiligten auf eine weitere mündliche Verhandlung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Dezember 2015 festgestellt, dass die im Rahmen der Identitätsfeststellung vom 12. November 2013 durch die Beamten des Beklagten durchgeführten polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren, soweit auf der Wache der Personalausweis des Klägers kontrolliert wurde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Sie sei aber nur teilweise begründet. Die polizeiliche Aufforderung an den Kläger im Hauptbahnhof Bochum, sich auszuweisen, sei gestützt auf § 23 Abs. 1 Nr. 4 BPoIG rechtmäßig ergangen. Insbesondere hätten Tatsachen die Annahme gerechtfertigt, dass in dem Objekt Straftaten begangen würden, durch die Personen in dem Objekt oder das Objekt selbst unmittelbar gefährdet würden. Insoweit habe die Beklagte ausreichende und nachvollziehbare Fakten zur Begehung von Eigentums- und Betäubungsmitteldelikten im Hauptbahnhof Bochum vorgelegt. Die von § 23 Abs. 1 Nr. 4 BPoIG verlangte Erforderlichkeit der Maßnahme gegenüber dem Kläger habe sich aus dessen Verhalten ergeben. Das Verwaltungsgericht folge insofern den glaubhaften Aussagen der handelnden Polizeibeamten, die übereinstimmend und nachvollziehbar ein verdächtiges Verhalten des Klägers beschrieben hätten. Die Angaben des Klägers seien nicht geeignet, diese Aussagen zu entkräften. Es sei bereits nicht nachvollziehbar, warum er erstmals in der mündlichen Verhandlung sein Verhalten konkret dargelegt habe. Seine Angabe, von welcher Seite er den Hauptbahnhof betreten habe, sei nicht glaubhaft. Die Kammer gehe davon aus, dass der Kläger in Ansehung der auf ihn gerichteten Blicke der Polizeibeamten — sei es auch unwillkürlich — die von diesen beschriebenen Handlungen vorgenommen habe.

Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Es sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Polizeibeamten neben den Lageerkenntnissen und dem Verhalten des Betroffenen auch dessen äußeres Erscheinungsbild und seine Hautfarbe — wovon vorliegend auszugehen sei — mit einbezögen. Dies stelle insbesondere keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG dar, wenn Erkenntnisse vorlägen, dass Delikte von Personen aus bestimmten Herkunftsländern begangen würden. Die Hautfarbe des Betroffenen dürfe allerdings nicht das allein ausschlaggebende Kriterium sein. Davon sei vorliegend jedoch nicht auszugehen.

Die Maßnahme sei auch insoweit rechtmäßig, als die Beklagte die Maßnahme als Gefahrerforschungseingriff auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 BPoIG gestützt habe. Entgegen dem Vortrag des Klägers sei schließlich darauf hinzuweisen, dass keine Maßnahme auf der Grundlage von § 22 Abs. 1a BPoIG bezweckt gewesen sei. Die Vorschrift normiere ein Befragungsrecht und erlaube die Identitätsfeststellung lediglich als Begleitmaßnahme, wenn sich deren Erforderlichkeit aus der Befragung ergebe. Eine Befragung sei hier aber nicht erfolgt. Die Maßnahme sei auch erkennbar nicht auf die Verhinderung oder Unterbindung einer unerlaubten Einreise gerichtet gewesen. Denn die Polizeibeamten hätten übereinstimmend angenommen, dass der Kläger den Hauptbahnhof von außen betreten habe.

Rechtswidrig sei die Maßnahme jedoch insoweit, als der Personalausweis des Klägers auf der Polizeiwache kontrolliert worden sei. Nach dem Gespräch auf dem Hauptbahnhof habe kein dies rechtfertigender Gefahrenverdacht mehr bestanden.

Mit seiner mit Beschluss des Senats vom 17. November 2017 zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen. Die Maßnahme habe entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts einzig auf § 22 Abs. 1a BPoIG gestützt werden können. Denn die Polizeibeamten hätten nach ihrem eigenen Bekunden insbesondere die Verhinderung illegaler Einreise im Blick gehabt. Dem entspreche es, dass die Maßnahme mit dem einfachen Vorzeigen des Personalausweises ihr Ende gefunden habe. Es überzeuge auch nicht, eine auf § 22 Abs. 1a BPoIG gestützte Maßnahme abzulehnen, weil nicht zunächst eine Befragung erfolgt sei. Gingen die Polizeibeamten auf der Grundlage des § 22 Abs. 1a BPoIG vor, bleibe diese Vorschrift Grundlage des Handelns, auch wenn ihre Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 4 BPoIG hätten ebenfalls nicht vorgelegen. Die Beklagte selbst habe diese Vorschrift zunächst nicht zur Rechtfertigung der Maßnahme herangezogen. Konkrete Tatsachen im Hinblick auf eine Gefährdungslage seien nicht genannt worden, die Ausführungen zu einer erhöhten Delinquenz nordafrikanischer Männer würden durch nichts belegt. Für eine unmittelbare Gefährdung sei ebenfalls nichts vorgetragen; ebenso bleibe unklar, warum die Feststellung der Identität des Klägers diese habe beseitigen können. Jedenfalls seien auch mildere Maßnahmen in Betracht gekommen, etwa die Frage an den Kläger, weshalb er sich am Hauptbahnhof aufhalte und ggf. ein gemeinsames Warten auf die Lebensgefährtin. Die Voraussetzungen für einen auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 BPoIG NRW gestützten Gefahrerforschungseingriff hätten ebenfalls nicht vorgelegen. Bei allen in Rede stehenden Ermächtigungsgrundlagen hätte jedenfalls das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG berücksichtigt werden müssen. Dieses verbiete jedoch eine — hier unstreitig vorliegende — an die Hautfarbe anknüpfende polizeiliche Maßnahme.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 10. Dezember 2015 zu ändern, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und festzustellen, dass die Aufforderung der Beamten der Beklagten an den Kläger am 12. November 2013, seine Ausweispapiere vorzuzeigen, rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Die Maßnahme sei zu Recht auf § 23 Abs. 1 Nr. 4 BPoIG und auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 BPoIG gestützt worden. Die Hautfarbe des Klägers habe nicht den alleinigen Anknüpfungspunkt für die Identitätsfeststellung dargestellt. Vielmehr sei dessen auffälliges Verhalten ausschlaggebend gewesen. Deshalb liege auch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor. Sie habe ferner hinreichend nachvollziehbare und überprüfbare Erkenntnisse vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg und führt zur Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts, soweit dieses angegriffen worden ist.

Die Klage ist zulässig (1.) und auch insoweit begründet, als die Beamten der Beklagten den Kläger in der Bahnhofshalle zum Vorzeigen seiner Ausweispapiere aufgefordert haben (2.). Die Rechtswidrigkeit der Kontrolle der Ausweispapiere auf der Polizeiwache ist schon rechtskräftig durch das Verwaltungsgericht festgestellt und nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Die Aufforderung an den Kläger, sich auszuweisen, stellte einen Verwaltungsakt dar,

vgl. nur Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E, Rn. 48 f.;
Pieroth/ Schlink/ Kniesel, POR, 9. Aufl. 2016, § 12, Rn. 11,

der sich vor Klageerhebung durch die ohne Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten erfolgte Erfüllung der auferlegten Handlungspflicht durch den Kläger erledigt hat.

Der Kläger verfügt über das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ein solches ist wegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG anzunehmen, wenn sich die angegriffene Maßnahme typischerweise so kurzfristig erledigt, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 -, juris, Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 12. Dezember 2017 – 5 A 2428/15 -, juris, Rn. 22.

Dies ist bei der Identitätsfeststellung der Fall, da diese sich typischerweise kurzfristig dadurch erledigt, dass der Betroffene einer entsprechenden Aufforderung Folge leistet.

2. Die Klage ist auch begründet. Die am 12. November 2013 durchgeführte Identitätsfeststellung war insgesamt, also auch bezogen auf die Aufforderung zur Vorlage von Ausweispapieren in der Bahnhofshalle, rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten.

a) Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BPoIG, wonach die Bundespolizei zur Abwehr einer Gefahr die Identität einer Person feststellen kann, lagen vor.

aa) Die Polizeibeamten handelten zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 BPoIG. Eine solche Gefahr lag in Form eines Gefahrenverdachts vor.

Für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 BPoIG bzw. der entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen anderer Polizeigesetze ist ein solcher Gefahrenverdacht ausreichend. Er ist gegeben, wenn die Polizei aufgrund objektiver Umstände das Vorhandensein einer Gefahr für möglich hält, sich aber nicht sicher ist, ob diese vorliegt. Besteht ein solcher durch Tatsachen begründeter Gefahrenverdacht, so ist die Polizei auf der Grundlage der Vorschrift berechtigt, die Maßnahmen zu treffen, die zur weiteren Erforschung und Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind.

Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 2013 – 7 A 10816/12 juris, Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Juni 2012 – OVG 1 N 28.11. -, juris, Rn. 5; Drewes/ Malmberg/Walter, BPolG, 2015, § 23 Rn. 15; Keller, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, 12 Rn. 11 zur entsprechenden Vorschrift des PolG NRW.
 

Es ist gerade kennzeichnend für die Identitätsfeststellung durch Befragung und Verlangen des Vorzeigens von Ausweispapieren (vgl. § 23 Abs. 3 BPolG), dass hierdurch nicht schon eine konkrete Gefahr abgewehrt wird, sondern vielmehr die weitere Gefahrenabwehr durch Aufklärung des Sachverhalts ermöglicht werden soll.

Vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E, Rn. 327 f.
 

Die handelnden Polizeibeamten konnten einen entsprechenden Verdacht des Vorliegens einer Gefahr annehmen. Angesichts der erheblichen Anzahl von Straftaten am Bochumer Hauptbahnhof reichte hierfür das von ihnen beobachtete auffällige Verhalten des Klägers aus, das den Schluss zuließ, dass dieser jedenfalls möglicherweise versuchte, seiner Identifizierung durch die Polizeibeamten zu entgehen, indem er sich die Kapuze über den Kopf zog und sich den Blicken der Polizeibeamten durch ein Verweilen hinter dem Aufzugschacht entzog. Dies konnte bei den handelnden Polizeibeamten aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht den Eindruck erwecken, dass der Kläger möglicherweise eine Straftat begehen oder verdecken wollte.

Der Senat folgt insoweit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, das ein entsprechendes Verhalten des Klägers festgestellt hat. Dieses hat sich hierfür auf die übereinstimmenden und in sich stimmigen Aussagen der handelnden Polizeibeamten gestützt. Es hat insbesondere ausgeführt, der Kläger habe sich möglicherweise unwillkürlich in Ansehung der Blicke der Polizeibeamten wie von diesen beschrieben verhalten. Anlass, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen, besteht nicht.

Vgl. zu den Voraussetzungen der Wiederholung einer Beweisaufnahme Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 128, Rn. 9.

Der Kläger hat mit der Berufung keine neuen Anhaltspunkte vorgetragen, die eine Wiederholung der Einvernehmung der Zeugen erforderlich machen würde. Soweit er in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, die Beweiswürdigung sei fehlerhaft gewesen, weil das Verwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass sich die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten vorab mit der Prozessvertreterin der Beklagten getroffen hätten, folgt der Senat dem nicht. Allein die von der Beklagten schon in der ersten Instanz eingeräumte Tatsache, dass ein solches Treffen stattgefunden habe, ist nicht geeignet die Zeugenaussagen als unglaubhaft zu beurteilen. Es ist nicht ersichtlich und wird durch den Kläger auch nicht im Ansatz substantiiert vorgetragen, inwieweit hierbei eine von den tatsächlichen Geschehnissen abweichende Absprache der Polizeibeamten erfolgt sei.

bb) Der Kläger war auch gemäß § 17 BPoIG möglicher Adressat der Maßnahme.

cc) Die Aufforderung, den Personalausweis vorzuzeigen war auch im Sinne des § 15 Abs. 1 BPoIG erforderlich. Soweit der Kläger vorträgt, die Beamten hätten ihn nach dem Zweck seines Aufenthalts befragen und daran anschließend gegebenenfalls mit ihm auf seine Lebensgefährtin warten müssen, dringt er nicht durch. Ein solches Vorgehen war kein gleich geeignetes, weniger beeinträchtigendes Mittel. Eine entsprechende Rangfolge von Befragung und dem Verlangen nach Aushändigung der Ausweispapiere schreibt § 23 Abs. 3 Satz 1 und 2 BPoIG nicht vor. Beide Vorgehensweisen der Polizei haben unterschiedliche Zielrichtungen, so dass nicht von einer gleichen Eignung ausgegangen werden kann. Es ist zudem nicht erkennbar, dass eine solche Maßnahmen weniger beeinträchtigend gewesen wäre, da je nach persönlicher Situation des Betroffenen die Frage nach dem Zweck des Betretens des Hauptbahnhofs als genauso belastend empfunden werden kann, wie die Aufforderung zur Vorlage von Ausweispapieren. Letztere Maßnahme stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, bei ersterem mag sich bei einem Bürger jedoch das Gefühl einer staatlichen Verhaltenskontrolle aufdrängen. Bezüglich der vom Kläger gerügten stigmatisierenden Wirkung ist ebenfalls nicht erkennbar, inwieweit diese mit einer Befragung durch die Polizeibeamten in geringerem Umfang einhergegangen wäre als mit der Aufforderung zum Vorzeigen eines Ausweispapiers.

b) Die Maßnahme erfolgte allerdings ermessensfehlerhaft, da die Ausübung des Ermessens gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstieß.

aa) Bei der Ausübung des Ermessens nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BPoIG sind neben dem das Gesetz leitenden Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr, die Wertungen der Verfassung und insbesondere deren Grundrechte zu berücksichtigen.

Vgl. Sachs, in: Stelkens/ Bonk/ Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, Rn. 85 ff.; Pieroth/ Schlink/ Kniesel, POR, 9. Aufl. 2016, § 10, Rn. 5 ff.; Wagner, DÖV 2013, S. 113 (115).

Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Verfassungsnorm konkretisiert den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und setzt damit der dort eingeräumten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wie auch den Handlungsspielräumen der Verwaltung feste Grenzen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 -1 BA 1025/82, u.a. -, juris, Rn. 52, und Beschlüsse vom 18. Juni 2008 – 2 BvL 6/07 -, juris, Rn. 48, sowie vom 11. April 1967 – 2 BvL 3/62 -, juris, Rn. 32.

Eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich verbotene Differenzierung liegt auch dann vor, wenn eine Maßnahme an ein dort genanntes Merkmal kausal, als (mit-)tragendes Kriterium („wegen”) neben anderen Gründe in einem Motivbündel, anknüpft.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2011 -1 BvR 1409/10 -, juris, Rn. 52.

Die Berücksichtigung der Hautfarbe innerhalb eines Motivbündels ist demnach grundsätzlich ebenfalls eine an ein durch Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verpöntes Merkmal anknüpfende Behandlung.

Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. April 2016 – 7 A 11108/14 -, juris, Rn.106; zustimmend Liebscher, NJW 2016, 2779 (2781).

Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht festgestellt werden kann, dass ein inkriminiertes Motiv für die Entscheidung offensichtlich irrelevant war, mit anderen Worten die Entscheidung auch ohne jenen Aspekt zwingend identisch ausfallen musste. Hypothetischer Betrachtungen, ob die Entscheidung auch ohne jenes Merkmal in rechtmäßiger Weise identisch getroffen hätte werden können, bedarf es jedoch nicht. Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen der Ermessensfehlerlehre.

Vgl. Ruffert, in: Knack/ Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 40, Rn. 53; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 114, Rn. 177.

Ausnahmsweise kann allerdings eine an sich verbotene Anknüpfung an eines der in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmale — wie auch im Falle anderer vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte — nach Maßgabe verfassungsimmanenter Grenzen im Rahmen einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung gerechtfertigt sein.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 -1 BvR 1025/82 -, juris, Rn. 55, Beschlüsse vom 25. Oktober 2005 – 2 BvR 524/01 -, juris, Rn. 25, vom 28. April 2011 -1 BvR 1409/10 -, juris, Rn. 53 und vom 7. November 2008 – 2 BvR 1870/07 -, juris, Rn. 26, 32, sowie Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 254; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, 79. EL Dezember 2016, Art. 3 Abs. 3 Rn. 73; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 3 Rn. 135; für eine Rechtfertigungsmöglichkeit durch der Bedeutung des Diskriminierungsverbots entsprechender „besonders schwerwiegender Gründe” Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 33. Edition, Stand: 1. Juni 2017, Art. 3 Rn. 214.
 

Eine ausschließliche Anknüpfung an die Hautfarbe ist bei den hier in Rede stehen polizeilichen Standardmaßnahmen nach Auffassung des Senats allerdings grundsätzlich nicht rechtfertigungsfähig. Denn hierdurch wird das in Art. 3 Abs. 3 GG enthaltene Verbot negiert. Ob in Sonderkonstellationen hiervon Ausnahmen anzuerkennen sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Vgl. zur Rechtfertigung von Regelungen, die an das Geschlecht anknüpfen, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur bei Frauen oder Männern auftreten können, erforderlich sind BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 -1 BvR 1025/82 u.a. -, juris, Rn. 55; kritisch zur Möglichkeit einer Rechtfertigung bei Anknüpfung an das Merkmal der Rasse Drohla, ZAR 2012, 411 (414); Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 33. Edition, Stand: 1. Juni 2017, Art. 3 Rn. 214.1; zur wohl nicht möglichen Rechtfertigung von Anknüpfungen an die Hautfarbe nach Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention vgl. EGMR, Urteile vom 13. Dezember 2005 – 55762/00 u.a., Timishev/Russland —, Rn. 58 („exclusively or to a decisive extent”), und vom 13. November 2007 — 57325/00, D.H. u.a/Tschechien -, Rn. 176 = NVwZ 2008, 533 (534) („ausschließlich oder wesentlich”).
 

Eine Rechtfertigungsmöglichkeit besteht für den Bereich der polizeilichen Standardmaßnahmen jedenfalls, wenn die Anknüpfung an die Hautfarbe nur ein Motiv in einem Motivbündel ist.

Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu u.a., GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 63; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. April 2016 – 7 A 11108/14 -, juris, Rn. 106 und die „Allgemeine Politische Empfehlung Nr. 11 der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz”, die nur die „ohne objektive und vernünftige Begründung erfolgende polizeiliche Berücksichtigung” der ethnischen Herkunft verbietet.

Dies setzt aber entsprechend der Bedeutung der besonderen Diskriminierungsverbote gem. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ein kollidierendes Gut mit Verfassungsrang voraus. Hier kommt insbesondere die staatliche Pflicht in Betracht, Leib und Leben sowie das Eigentum der Bürger vor unrechtmäßigen Zugriffen Dritter zu schützen. Die kollidierenden Verfassungsgüter müssen hierbei in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden, der sowohl der Wertung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, grundsätzlich nicht an die dort genannten Eigenschaften anzuknüpfen, als auch der für eine wirksamen Aufgabenerfüllung erforderlichen Einschätzungsspielräume der Ordnungs- und Polizeibehörden Rechnung trägt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 -1 BvR 518/02 -, juris, Rn. 88, 91 f.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anknüpfung an die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG wiederum stigmatisierende Wirkung zukommen kann, weshalb erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung eines entsprechenden Grundrechtseingriffs bestehen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 -1 BvR 518/02 -, juris, Rn. 111 f.
 

Daraus folgt, dass bei Vorliegen belastbarer Anhaltspunkte für eine bestimmte äußerlich erkennbare Tätergruppe bei der polizeilichen Arbeit auch auf die entsprechenden Charakteristika innerhalb eines Motivbündels abgestellt werden darf und zwar auch dann, wenn diese Charakteristika eines der Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG betreffen. Die sich auf solche Anhaltspunkte berufende Behörde trifft allerdings eine erhöhte Darlegungslast, weshalb diese Anknüpfung zur effektiven Gefahrenabwehr erforderlich ist. Nur diese Darlegungslast ermöglicht es, zwischen beiden Verfassungsgütern praktische Konkordanz herzustellen.

Siehe Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu u.a., GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 63.
 

Der erhöhten Darlegungslast kann aufgrund der Bedeutung des betroffenen Diskriminierungsverbots nicht durch bloße Behauptungen genügt werden. Angesichts der Schwierigkeiten in diesem Bereich belastbares Datenmaterial vorzulegen – insbesondere würde eine Erfassung von Tätern nach Hautfarbe wiederum gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen – dürfen die Anforderungen hier jedoch auch nicht überspannt werden. Es reicht aus, ist aber gleichzeitig auch erforderlich, dass die jeweilige Polizeibehörde anhand von auf die Örtlichkeit oder Situation bezogenen Lagebildern eine erhöhte Delinquenz bestimmter Zielgruppen darlegt. Dies verlangt zumindest eine Unterfütterung der Behauptungen durch konkret geschilderte Erkenntnisse. Ob daneben unter Umständen auch die ergänzende Heranziehung von Statistiken in Betracht kommt, kann hier dahinstehen. Dies setzt jedenfalls voraus, dass bei der Erstellung der Statistik Vorurteile reproduzierende Verzerrungseffekte ausgeschlossen werden.

bb) Gemessen an diesen Maßstäben stellt sich die polizeiliche Maßnahme als rechtswidrig dar. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Hautfarbe des Klägers, ein — wenn auch nicht der allein oder wesentlich ausschlaggebende — Anknüpfungspunkt für die Identitätsfeststellung war. Das Verwaltungsgericht hat sich hierfür unter anderem auf die von den Polizeibeamten gefertigten schriftlichen Stellungnahmen und deren Zeugenaussagen gestützt. Aus diesen ergibt sich deutlich, dass die Hautfarbe des Klägers für den entscheidenden Polizeibeamten ein mitausschlaggebender Aspekt für die Entscheidung zur Identitätsfeststellung war. Anlass, an dieser Sachverhaltswürdigung zu zweifeln, besteht nicht. Die Beklagte selbst hat diese Anknüpfung nicht bestritten.

Es ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, dass die Kontrolle auch bei einer Person weißer Hautfarbe hätte durchgeführt werden müssen, so dass das Anknüpfen an die Hautfarbe unerheblich wäre. Zwar hat der Zeuge PHM xxx ausgeführt, der Kläger habe die Kontrolle gewissermaßen durch sein Verhalten provoziert. Er hat aber selbst hinzugefügt, dass er den Kläger nicht kontrolliert hätte, während sich sein Kollege zu der Kontrolle entschloss. Eine letztlich von der Hautfarbe unabhängige Kontrolle wird damit nicht nahegelegt.

Die Beklagte hat auch keine dem dargestellten Maßstab genügenden Anhaltspunkte vorgetragen, die das Anknüpfen an die Hautfarbe des Klägers rechtfertigen könnten. Sie hat sich insoweit insbesondere darauf berufen, dass Taschendiebstähle am Bahnhof mehrheitlich, etwa in zwei Dritteln der Fälle von männlichen Tätern (ca. 20 bis Mitte 30 Jahre) aus den Maghreb-Staaten begangen würden. Bei Diebstählen in Zügen seien ebenfalls mehrheitlich nordafrikanische Staatsangehörige, aber durchaus auch Schwarzafrikaner tatverdächtig. Weiterhin sei es in jener Zeit vermehrt zu illegaler Migration gekommen. Zudem hätten sich in Bochum Anhänger des Salafismus aufgehalten und in jener Zeit sei seine verstärkte Reisetätigkeit dieser Gruppe zu verzeichnen gewesen. Schließlich gebe es am Hauptbahnhof Bochum eine Betäubungsmittel- und Trinkerszene. Der Handel mit Betäubungsmittel gehe dabei überwiegend von nord- und schwarzafrikanischen Tätern aus. Die Beklagte hat eine polizeiliche Kriminalstatistik vorgelegt und angegeben, es sei nicht mehr nachvollziehbar, ob damals schriftliche Lagebilder oder Lageerkenntnisse vorgelegen hätten.

Mit diesem Vortrag hat die Beklagte den Darlegungsanforderungen nicht genügt. Aus ihrer Kriminalitätsstatistik „Schwerpunkt Bochum” ergibt sich, soweit hier von Belang, im Wesentlichen, dass die Anzahl an Straftaten, in denen Tatverdächtige ermittelt wurden, von 2012 zu 2013 leicht gesunken, die Anzahl der Diebstahlsdelikte jedoch gestiegen ist. Von den insgesamt ermittelten Tatverdächtigen hatten 161 im Jahr 2012 bzw. 129 im Jahr 2013 die deutsche und 25 bzw. 36 keine deutsche Staatsangehörigkeit. Weitere Unterlagen hat die Beklagte nicht vorgelegt. Die Statistik deckt nur einen Teil der am Bochumer Hauptbahnhof begangenen Straftaten ab, eine Delinquenz von ausländischen Tätern in einer Größenordnung von zwei Dritteln begangener Straftaten legt sie nicht ansatzweise dar. Auch die Aussage der Beklagten, dass Diebstähle weit überdurchschnittlich vorkämen, bleibt ohne Aussagekraft, da schon der Bezugspunkt nicht offen gelegt wird und es weiterer Darlegungen bedurft hätte, welchen Zusammenhang es zwischen einer überdurchschnittlichen Anzahl an Diebstählen und ausländischen Tätergruppen und zwar solchen mit schwarzer Hautfarbe gab.

Die behauptete erhöhte Delinquenz nordafrikanischer Täter— zu denen der Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, in Trinidad und Tobago geboren wurde und dessen Vater aus Nigeria und dessen Mutter aus Österreich stammen, ersichtlich ohnehin nicht gehört — wird auch im Übrigen und auch bezüglich der Betäubungsmitteldelikte nicht belegt. Der Vortrag der Beklagten, es sei nicht mehr nachvollziehbar, ob damals schriftliche Lagebilder oder sonstige schriftliche Lageerkenntnisse vorlagen, geht zu ihren Lasten. Denn wenn sie (auch) an die Hautfarbe anknüpfende Standardmaßnahmen vorsehen will, so muss sie die dem zugrundeliegenden Erkenntnismittel für den Zeitraum, in dem eine Klage erhoben werden kann, vorhalten. Dies ist hier — soweit es solche Erkenntnisse je gab — nicht geschehen. Der Kläger hat ca. fünf Wochen nach dem Vorfall Klage erhoben, die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts konnte jedenfalls innerhalb eines Jahres zulässig erhoben werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 6 C 7.98 -, juris, Rn. 19 ff. zur Unanwendbarkeit der Fristbestimmungen der VwGO auf die Fortsetzungsfeststellungsklage bei vor Klageerhebung erledigten Verwaltungsakten und die Heranziehung des Rechtsinstituts der Verwirkung.
 

Die weiteren von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen ebenfalls keine Anknüpfung an die Hautfarbe des Klägers. Bezüglich der Diebstähle in Zügen gilt das soeben Ausgeführte entsprechend. Völlig unergiebig ist die Aussage, diese würden „auch” von Schwarzafrikanern begangen. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung wird es kaum eine Bevölkerungsgruppe geben, die keine Taschendiebstähle begeht. Die fehlende Plausibilität einer Bekämpfung illegaler Einreisen bei einer von außen den Bochumer Hauptbahnhof betretenden Person hat schon das Verwaltungsgericht dargelegt. Schließlich rechtfertigt auch eine in Bochum zur damaligen Zeit existierende salafistische Szene nicht die Identitätsfeststellung. Die Bundespolizei selbst hatte in dem „Befehl Nummer 5 der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin für Maßnahmen der Bundespolizei im Zusammenhang mit der Gefährdungslage islamistischer Terrorismus” anders als nach dem Vorgängerbefehl Nummer 1 den Hauptbahnhof Bochum nicht mehr als dauerhaft gefährdetes Objekt eingestuft. Inwieweit die von der Beklagten angeführte, verstärkte Reisetätigkeit von Salafisten die erfolgte Anknüpfung an die Hautfarbe rechtfertigen konnte, hat die Beklagte selbst nicht deutlich gemacht.

c) War die Ermessensausübung damit fehlerhaft, so ist eine Korrektur dieser Erwägungen nach Erledigung des Verwaltungsakts nicht mehr möglich.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Dezember 2017 – 5 A 2428/15 -, juris, Rn. 39.
 

Die Möglichkeit, die konkrete Identitätsfeststellung neu und ohne Rückgriff auf die ermessensfehlerhafte Berücksichtigung der Hautfarbe des Klägers zu begründen, besteht also nicht.

d) Erweisen sich die Ermessenserwägungen für ein auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 BPoIG gestütztes Vorgehen damit als rechtswidrig, so gilt das Gleiche für die vom Verwaltungsgericht parallel herangezogene Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 BPoIG. Auch im Rahmen dieser Vorschrift war das Anknüpfen an die Hautfarbe auf Basis der von der Beklagten vorgetragenen Erkenntnisse mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar.

Es kann deshalb dahinstehen, ob das Handeln – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – auf § 23 Abs. 1 Nr. 4 BPoIG gestützt werden konnte. Allein eine generell erhöhte Kriminalität an den von der Vorschrift genannten gefährdeten Orten dürfte für die Heranziehung der Vorschrift dabei nicht ausreichen, da diese – auf eine Anknüpfung an die Störereigenschaft verzichtende Vorschrift – der Abwehr von objektbezogenen Gefahren dient. Anknüpfungspunkt ist demnach nicht, dass der Ort „gefährlich” ist im Sinne eines vermehrten Vorkommens von Straftaten, sondern dass aufgrund von im Einzelfall vorliegenden Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass das Objekt selbst oder die sich darin befindlichen Personen „gefährdet” sind.

Vgl. Pieroth/ Schlink/ Kniesel, POR, 9. Aufl. 2016, § 14, Rn. 32 ff.
 

e) Die Maßnahme war schließlich — wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat — nicht auf § 22 Abs. la BPoIG gestützt. Denn bezüglich des den Hauptbahnhof von außen betretenden Klägers fehlte es an Anhaltspunkte für eine illegale Einreise. Zudem sind die Polizeibeamten gerade nicht verdachtsunabhängig vorgegangen, sondern haben nach ihren eigenen glaubhaften Aussagen aufgrund bestimmter verdachtsbegründender Anhaltspunkte gehandelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Abs. 10 Satz 1, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.