1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12.09.2018 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – BSG, Urt. v. 12.09.2018 – B 4 AS 33/17 R
Noch gegen das Jobcenter oder gegen den Sozialhilfeträger Anspruch auf Übernahme der Kosten für seinen neuen türkischen Reisepass als Zuschuss.
Kurzfassung:
Die Kosten für einen solchen Reisepass sind grundsätzlich im Regelbedarf nach § 20 SGB II enthalten, denn sie sind in dessen Ermittlung aufgrund der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) nach dem vorliegend noch anzuwendenden RBEG 2011 eingeflossen. Die Abteilung 12 „Andere Waren und Dienstleistungen“ der Regelbedarfsermittlung umfasst nach den der EVS zugrunde liegenden Ausfüllhinweisen ua zahlreiche sonstige Dienstleistungen, einschließlich der Kosten für Personalausweis und Reisepass. Berücksichtigt bei der Ermittlung der monatlichen Verbrauchsausgaben wurden für diese Position 25 Cent im Hinblick auf die Kosten eines Personalausweises von circa 30 Euro. Soweit die Kosten bei ausländischen Pässen höher liegen, sind diese aufgrund des pauschalierten Systems der Regelbedarfsermittlung und –zahlung durch interne Ausgleiche abzufangen. Des Weiteren kann ein Darlehen nach § 24 Abs 1 SGB II beantragt werden, was der Kläger indes nicht begehrt hat.
Quelle: www.bsg.bund.de
Hinweis. S.a. dazu:
Passbeschaffungskosten für Leistungsberechtigt nach SGB II von Claudius Voigt, GGUA
Die Frage, ob das Jobcenter oder das Sozialamt die teilweise extrem hohen Kosten für die Beschaffung oder Verlängerung eines ausländischen Reisepasses übernehmen muss, ist in der Beratungspraxis mit großer Unsicherheit verbunden. Unklar ist die Rechtsgrundlage hierfür und ebenso unklar ist, ob die Kostenübernahme als Beihilfe oder als Darlehen erfolgen muss.
Prinzipiell gibt es für Leistungsberechtigte nach SGB II vier Möglichkeiten:
Beihilfe als Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 6 SGB II vom Jobcenter. Diese muss erbracht werden, sofern es sich um einen „unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf“ handeln würde, der nicht vom Regelsatz gedeckt ist. Da bei den Passbeschaffungskosten nur schwerlich argumentiert werden kann, dass es sich dabei um einen laufenden Bedarf handele, scheidet diese Möglichkeit wohl aus. Auch die bisherige Rechtsprechung lehnt eine Kostenübernahme nach dieser Norm ab.
Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II vom Jobcenter. Dieses muss erbracht werden, wenn ein Bedarf im Regelsatz enthalten sind, der Bedarf „unabweisbar“ ist, aber das Geld nicht angespart werden konnte. Klassisches Beispiel hierfür ist die Waschmaschine, die zuvor schon vorhanden war und dann kaputt geht. Das Darlehen wird mit zehn Prozent des maßgeblichen Regelsatzes abgezahlt.
Beihilfe oder Darlehen nach § 73 SGB XII vom Sozialamt. Diese „Hilfe in sonstigen Lebenslagen“ kann erbracht werden, wenn ein Bedarf nicht im Regelsatz enthalten ist und „wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen“. Hierunter können auch die Passkosten fallen und diese SGB XII-Leistung steht als spezielle Sozialhilfeleistung auch Personen zu, die dem Grunde nach leistungsberechtigt nach SGB II sind (ähnlich wie Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe usw.). Das Landessozialgericht Niedersachsen hat in zwei Verfahren anerkannt, dass für Passkosten der § 73 SGB XII prinzipiell eröffnet ist (L 8 SO 234/16; L 7 AS 1794/15).
Niemand übernimmt die Kosten für die Passbeschaffung. Die Betroffenen werden zwischen dem Sozialamt und dem Jobcenter hin- und hergeschickt und beide Behörden sagen, es gebe keine Rechtsgrundlage für die Übernahme der Passbeschaffungskosten. Dies ist eindeutig die häufigste behördliche Entscheidungspraxis.
Am 12. September hat nun der für das SGB II zuständige 4. Senat des Bundessozialgerichts über die Frage der Passkosten entschieden (B 4 AS 33/17 R). Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor, sondern nur ein Terminbericht. Besonders erhellend ist dieser jedoch nicht. Das BSG hat darin der knappen Mitteilung zufolge offenbar entschieden, dass
weiter zur Quelle: ggua.de
1.2 – BSG, Urt. v. 12.09.2018 – B 14 AS 7/18 R, B 14 AS 4/18 R, B 4 AS 39/17 R
§ 41a Abs 3 SGB II enthält keine Präklusionsregelung.
Kurzfassung:
Die Regelung über die abschließende Entscheidung in dem zum 1.8.2016 eingeführten § 41a Abs 3 SGB II ist nicht auf Bewilligungszeiträume anzuwenden, die vor diesem Datum beendet waren.
Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut der Übergangsregelung in § 80 Abs 2 SGB II, die für vor dem 1.8.2016 beendete Bewilligungszeiträume nur die Geltung des § 41a Absatz 5 Satz 1 SGB II anordnet und nur für vor dem 1.8.2016 noch nicht beendete Bewilligungszeiträume die Geltung des gesamten § 41a SGB II. Demgegenüber ist die ggf anders zu verstehende Begründung im Gesetzentwurf zu § 41a SGB II (vgl BT-Drs 18/8041 S 62) nicht maßgeblich, zumal mit der Ablösung des § 328 SGB III durch den § 41a SGB II eine erhebliche Rechtsänderung einherging, die unter Vertrauensschutzgesichtspunkten klare Überleitungsvorschriften erfordert, die nicht im Zweifel zu Lasten der Leistungsberechtigten auszulegen sind.
Soweit § 41a Abs 3 SGB II anzuwenden ist, enthält er keine Präklusionsregelung. Vielmehr hat er bei seiner Nachprüfung des Ausgangsbescheides über eine abschließende Entscheidung im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens auch solche Unterlagen zu berücksichtigen, die erst im Widerspruchsverfahren vorgelegt werden. Dass § 41a Abs 3 SGB II eine Präklusionsvorschrift sei, kann schon dessen Wortlaut nicht entnommen werden, wenn er mit typischen Präklusionsvorschriften, wie zB § 106a Abs 3 SGG, verglichen wird.
Aus systematischen Zusammenhängen und der Begründung des Gesetzentwurfs folgt nichts anderes. Beiden ist vielmehr zu entnehmen, dass § 41a Abs 3 SGB II der Konkretisierung der mit dem Untersuchungsgrundsatz der Behörde nach § 20 Abs 1 Satz 1 SGB X korrespondierenden Mitwirkungspflicht der Beteiligten nach § 21 Abs 2 Satz 1 SGB X dienen soll.
Quelle: www.bsg.bund.de
1.3 – BSG, Urt. v. 12.09.2018 – B 14 AS 45/17 R
Höherer Bedarf an Heizstrom setzt keine technische Ermittlung des Verbrauchs voraus.
Orientierungssatz (Redakteur)
Wie das BSG in seinem Urteil vom 7.12.2017 (B 14 AS 6/17 R) ausgeführt hat, besteht ein Anspruch auf Berücksichtigung eines Warmwassermehrbedarfs über die Warmwasserpauschale hinaus, soweit die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für die Warmwassererzeugung durch die Warmwasserpauschale nicht vollständig gedeckt werden und sie nicht unangemessen sind. Die Anerkennung eines abweichenden Warmwassermehrbedarfs setzt keine separate Verbrauchserfassung durch technische Einrichtungen – wie zB einen Verbrauchszähler – voraus, sondern erfordert grundsätzlich Ermittlungen und hierauf gestützte Feststellungen.
Quelle: www.bsg.bund.de
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.08.2018 – L 10 AS 854/18 B PKH
Sanktion: LSG verweist auf verfassungsrechtliche Bedenken bei einer 100%-Sanktion für unter 25-Jährige
Quelle: RA Dr. Lehmann, Cottbus: ra-jtlehmann.de
2.2 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 20.08.2018 – L 18 AS 1372/18 B ER – rechtskräftig
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Zur Übernahme von Stromschulden i. S. d. § 22 Abs. 8 SGB II aus Krankheitsgründen – Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigungen und eines nicht mehr rückgängig zu machenden Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit des Antragstellers, die unter dem besonderen Schutz der verfassungsrechtlichen Ordnung steht (vgl Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 27.06.2018 – L 12 AS 783/18 B ER – rechtskräftig
Grundsicherung für Arbeitsuchende – örtliche Zuständigkeit des Grundsicherungsträgers – ausländerrechtliche Wohnsitzauflage
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Auch bei einer Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 1 AufenthG kann nur in dem Gebiet, in dem die Antragsteller ihren Aufenthalt zu nehmen haben, die Zuständigkeit des Jobcenters begründet werden (vgl. hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 05.03.2018, L 15 AS 32/18 B).
2. Der Wohnsitzauflage kommt Tatbestandswirkung zu; sie ist für den Träger der Grundsicherung bindend, bis sie von der Ausländerbehörde oder im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird.
3. Die von der Antragstellerin erhobenen allgemeinen Bedenken gegen die Wohnsitzauflage, die die Zwecke der Integration und der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip betreffen, können die Bestimmung des Leistungsträgers nach § 36 SGB II nicht durchschlagen (vgl. LSG Hamburg Beschluss vom 08.05.2018, L 4 AS 114/17 B ER).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
3.1 – Sozialgericht Berlin, Urt. v. 10.08.2018 – S 37 AS 2967/16
Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung – Die Werte der AV-Wohnen sind nicht schlüssig.
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Die Tabellenwerte der Berliner Mietspiegel liefern keine repräsentative Abbildung des für Transferleistungsempfänger relevanten Wohnungsmarktes (2015 u. 2016).
2. Damit keine Vermutung begründen, dass es zu den gewichteten Mietspiegeldaten anmietbaren Wohnraum in nennenswerter Zahl gibt
3. Und dass allein auf der Grundlage der Mietspiegel und anderer öffentlicher Quellen zum Berliner Wohnungsmarkt kein schlüssiges Konzept entwickelt werden kann.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Rechtstipp:
S. a. Das Ende des qualifizieren Mietspiegels als Berechungsgrundlage für die Kosten für Unterkunft und Heizung in Berlin? – Urteil des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 31.01.2018 – L 32 AS 1223/15 – Ein Beitrag von RA Kay Füßlein, Berlin
weiter: www.ra-fuesslein.de
Hinweis: S. a. Leitsatz (Juris)
Schlüssiges Konzept – Mietspiegel – unvorhersehbare Preissprünge – Verfügbarkeitsprüfung
1. Die Berliner Tabellenmietspiegel liefern keine repräsentative Abbildung des für Transferleistungsempfänger relevanten Wohnungsmarktes.
2. Unter den Bedingungen eines angespannten Wohnungsmarktes (Mietpreisbremse) begründen gewichtete Mietspiegelwerte keine Vermutung, dass es zu diesen Werten hinreichend verfügbaren Wohnraum gibt.
3. Unter „unvorhersehbaren Preissprüngen“, die eine Aktualisierung der zur Entwicklung eines schlüssigen Konzepts herangezogenen Daten erfordern, sind Preisschocks auf der Nachfrageseite zu verstehen; der Begriff ist ökonomisch, nicht normativ zu interpretieren.
4. Ohne Verfügbarkeitsprüfung kann auch unter Heranziehung gewichteter Mietspiegeldaten für Wohnungen in mittlerer Lage kein schlüssiges Konzept entwickelt werden.
3.2 – Sozialgericht München, Beschluss v. 08.08.2018 – S 46 AS 1477/15
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Die Jahresfrist nach § 40 SGB II gilt auch bei der Umwandlung von Darlehen in einen Zuschuss.
2. Weil es bei der Umwandlung von Darlehen in einen Zuschuss um die Erbringung von Sozialleistungen und nicht um eine Rückforderung einer zuvor gewährten Sozialleistung geht, ist die Einjahresfrist anwendbar.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3.3 – Sozialgericht Gotha, Urteil vom 17. August 2018 (Az.: S 26 AS 3971/17):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Der Besitz eines internetfähigen PC/Laptops nebst notwendigem Zubehör und Serviceleistungen (Kosten: EUR 600,-) ist für Schüler der achten Klasse einer weiterführenden Schule unabweisbar im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II. Ohne dieses Hilfsmittel ist Schülern die Befolgung organisatorischer Vorgaben der Schule zu großen Teilen heute gar nicht mehr möglich.
2. Es handelt sich hier auch um einen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II. Der Computer/Laptop wird zwar nur einmal bezahlt, er erfüllt jedoch einen laufenden Bedarf, nämlich sachgerecht in ordnungsgemäßer Weise eine Schule besuchen zu können, ohne als Schüler im Unterricht „abgehängt“ zu sein. Ein Vorgang, der über mehrere Jahre andauert.
3.4 – Sozialgericht Cottbus, Urteil vom 26. Juli 2018 (Az.: S 31 AS 62/17):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Die Bestimmung des Vergleichsraums zur Konkretisierung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft erfolgt nicht nur nach objektiven Kriterien. Dieses Vorgehen ist nicht an die Stadt- oder Landkreisgrenzen gebunden. Es kann hier nicht schematisch auf das Gebiet des zuständigen kommunalen Trägers oder auf den kommunalverfassungsrechtlichen Gemeindebegriff abgestellt werden.
2. Ausgeschlossen ist es nicht, dass auch in unmittelbarer Nähe liegende Gemeinden im Landkreis infrastrukturell und verkehrstechnisch in der Weise an die Stadt angebunden sind, so dass sich insgesamt ein homogener Lebens- und Wohnbereich ergibt.
3. Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen.
4. Es bedarf hier einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstands der Beobachtung (welche Art von Wohnungen / ggf. Differenzierung nach dem Standard der Wohnungen, Brutto- oder Nettokaltmiete, Differenzierung nach der Wohnungsgröße). Es müssen konkrete Angaben über den Beobachtungszeitraum erfolgen. Die Art und Weise der Datenerhebung, die Erkenntnisquellen, müssen festgestellt werden Der Umfang der eingezogenen Daten hat repräsentativ zu sein. Es bedarf der Validität der Datenerhebung und der Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung. Letztlich sind Angaben über die gezogenen Schlüsse (Spannoberwert oder Kappungsgrenze) erforderlich.
3.5 – Sozialgericht Cottbus, Urteil vom 19. Juli 2018 (Az.: S 31 AS 1237/15):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Eine vom Jobcenter bereits vor drei Jahren in Auftrag gegebene Ermittlung der Bedarfe der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann aktuell nicht mehr zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten herangezogen werden.
2. Eine Deckelung der Kosten der Unterkunft aufgrund eines schlüssigen Konzepts darf nicht auf unbestimmte Zeit erfolgen. Auch die Angemessenheitsgrenzen unterliegen tatsächlichen Marktveränderungen und sind turnusmäßig anzupassen.
3. Es ist nicht davon auszugehen, dass mehr als drei Jahre alte Daten noch eine zeit- und realitätsgerechte Abbildung des aktuellen Quadratmeterpreises darstellen können (vgl. auch § 22c Abs. 2 SGB II).
4. Auch qualifizierte Mietspiegel müssen alle zwei Jahre an aktualisierte Daten angepasst (§§ 558c Abs. 3 und 538d Abs. 2 Satz 1 BGB) und alle vier Jahre neu erstellt werden (§ 558d Abs. 2 Satz 3 BGB).
4. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)
4.1 – Sozialgericht Regensburg, Urt. v. 05.06.2018 – S 12 AL 265/16
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Kein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Deutschland bei ausschließlicher Vorbeschäftigung in der Schweiz.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
5.1 – Sozialgericht Münster, Urt. v. 28.06.2018 – S 11 SO 176/16
Orientierungssatz (Redakteur)
Keine Sozialhilfe bei zumutbarer Selbsthilfe.
Leitsatz (Redakteur)
1. Ein Bürger hat dann keinen Anspruch auf steuerfinanzierte Sozialhilfe, wenn er durch Kündigung eines mit einem Bestattungsunternehmen geschlossenen privaten Bestattungsvorsorgevertrages Vermögen (zurück-)erlangen kann und die spätere Bestattung anderweitig gesichert ist.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
6. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zum Asylrecht
6.1 – LSG Hessen, Beschluss vom 11. Juli 2018 (Az.: L 4 AY 9/18 B ER):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. In Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG in der Weise geboten, dass die Tatbestandsmerkmale der Unerlässlichkeit und der Sicherung der Gesundheit weit auszulegen sind.
2. Hinreichend ist die Erforderlichkeit zur Sicherung der Gesundheit im Sinne eines Behandlungsbedarfs, der über reine Bagatellerkrankungen hinausgeht.
3. Geboten ist zumindest bei Personen, die sich nicht nur kurzzeitig in der BR Deutschland aufhalten, die medizinische Versorgung mit sämtlichen Leistungen nach den §§ 47 ff. SGB XII bzw. gemäß dem SGB V.
4. Da entsprechend § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG die Behandlung von Erkrankungen mit lediglich chronischem Verlauf ohne akute Krankheitszustände ausgeschlossen ist, kann hier eine Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG in Betracht kommen.
5. Grundsätzlich ist das nach dem SGB XII vom Gesetzgeber festgelegte, hiesige Leistungsniveau der Hilfen zur Gesundheit der §§ 47 ff. SGB XII bzw. nach dem SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) als Existenzminimum sicherzustellen, soweit die Legislative nicht besondere Minderbedarfe festgestellt und leistungsrechtlich geregelt hat.
6. Über § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG kann das zum SGB XII und SGB V äquivalente Leistungsniveau dort hergestellt werden, wo keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, dass der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer bedürftiger Personen in der BR Deutschland signifikant abweicht.
7. Die antivirale Therapie einer chronischen Hepatitis C unterfällt dem Anspruch auf Versorgung mit Arzneimittel nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 48 SGB XII.
6.2 – Sozialgericht Regensburg, Urt. v. 30.05.2018 – S 7 AY 4/17
Zur Gewährung von Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der Kläger hat die Dauer seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst und ist daher von Leistungen nach § 2 AsylbLG ausgeschlossen.
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Begibt sich ein Leistungsberechtigter ins Kirchenasyl, um den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern, begründet dies die Annahme eines rechtsmissbräuchliches Verhaltens nach § 2 Abs. 1 AsylbLG (ebenso SG Lüneburg vom 22.2.2018 – S 26 AY 26/17; aA SG Stade vom 17.3.2016 – S 19 AY 1/16 ER).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
7. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
7.1 – Hilfe zur Pflege trotz Erlöses aus Zwangsversteigerung – LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.04.2018 – L 7 SO 4981/14
Hinsichtlich der Gewährung von Hilfe zur Pflege und erheblichen Ertrags aus Zwangsversteigerung hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschieden.
Die Beteiligten stritten über die Übernahme von Kosten, die für die stationäre Unterbringung eines Verstorbenen bis zu dessen Tod entstanden waren. Ein beim Landkreis gestellter Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wurde wegen vorhandenen Vermögens dann lediglich in Form einer darlehensweisen Leistungsbewilligung stattgegeben.
weiter: immobilienpool.de
7.2 – BGH zur Beratungspflicht der Sozialbehörden (§ 14 SGB I), ein Beitrag von Herbert Masslau
weiter: www.herbertmasslau.de
7.3 – Anmerkung zu: EuGH, Urteil vom 21.03.2018 – C-551/16
Autor: Nicole Behrend, Ri’inBSG
Zahlung von Arbeitslosengeld bei Arbeitsuche in anderem EU-Mitgliedstaat länger als drei Monate?
Orientierungssatz
Art. 64 Abs. 1 Buchst c der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (juris: EGV 883/2004) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die es dem zuständigen Träger zur Pflicht macht, grundsätzlich jeden Antrag auf Verlängerung des Zeitraums für den Export von Leistungen bei Arbeitslosigkeit über drei Monate hinaus abzulehnen, es sei denn, nach Ansicht dieses Trägers würde die Ablehnung des Antrages zu einem unangemessenen Ergebnis führen.
weiter auf Juris: www.juris.de
7.4 – Gründungszuschuss – Pflicht zur erneuten Entscheidung bei Verwendung von Textbausteinen, ein Beitrag von Rechtsanwalt
Raik Pentzek, ETL Rechtsanwälte GmbH
Der Gründungszuschuss nach dem SGB III hat seit der Neugestaltung der gesetzlichen Regelung erwartungsgemäß eine Reihe von Rechtsfragen aufgeworfen. Eine wichtige Frage war dabei, ob der Vorrang der Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung als zentrales Argument für eine Ablehnung des Antrages gelten kann. Zwischenzeitlich ist der Vorrang der Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung von den Gerichten als sachliches Argument anerkannt. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass per Textbaustein der Antrag mit dem pauschalen Verweis auf den Vorrang der Vermittlung abgelehnt wird.
Zur Frage der Abwägungsanforderungen bei Ablehnung des Antrages auf Gründungszuschuss hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) mit Urteil vom 22.08.2018, L 18 AL 9/17, wie folgt entschieden:
weiter: www.anwalt.de
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker