1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 08.11.218 – L 4 AS 839/17 B rechtskräftig
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Eingliederungsleistung – Eingliederungsverwaltungsakt – Geltungsdauer – “bis auf Weiteres” – Rechtswidrigkeit – Höchstfrist von 6 Monaten
Orientierungssatz (Redakteur)
Auch nach der Neuregelung der Eingliederungsvereinbarung in § 15 Abs. 3 S. 1 SGB II zum 01.08.2016 ist bei Eingliederungsverwaltungsakten gemäß § 15 Abs. 3 S. 3 SGB II die zu § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II a.F., ergangen Rechtsprechung anzuwenden. Der Eingliederungsverwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Überprüfungsfrist von 6 Monaten ohne Ermessensausübung überschritten wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Mai 2018 (Az.: L 9 AS 4118/17).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Rechtstipp:
aA LSG NSB, Beschluss vom 05.07.2018 – L 15 AS 172/18 B ER
1.2 – Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 06.11.2018 – L 10 AS 271/18 B ER
Leitsatz (Juris)
Bewilligt der Leistungsträger ungekürzte Leistungen für das gesamte Jahr, obwohl er im laufenden Bewilligungsabschnitt eine Kürzung der Kosten der Unterkunft oder Heizung beabsichtigt, so richtet sich die Aufhebung – wenn der Leistungsträger die Möglichkeit des § 41 Abs. 3 Nr. 2 SGB II nicht nutzt bzw. die beabsichtigte Kürzung nicht bereits im Bewilligungsbescheid umsetzt – bei der späteren Umsetzung der Kostenabsenkung auf die Angemessenheit nicht nach § 48 SGB X, sondern nach § 45 SGB X
Quelle: www.landesrecht-mv.de
1.3 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 11. Senat, Beschluss vom 28.09.2018, L 11 AS 30/18 NZB
Leitsatz (Juris)
Die Rechtsfrage, ob ein SGB II-Leistungsberechtigter Anspruch auf zusätzliche Leistungen (Mehrbedarfsleistungen) zur Anschaffung einer Ausstattung für den Katastrophenfall hat (sog. Notfallbevorratung), hat keine grundsätzliche Bedeutung:
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – Sozialgericht Darmstadt, Beschluss v. 15.11.2018 – S 19 AS 892/18 ER
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Die Aufforderung zur Beantragung vorzeitiger, abschlagsbehafteter Altersrente ist unbillig im Sinne des § 6 UnbilligkeitsV.
Leitsatz (Juris)
Die Unbilligkeit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente nach § 6 UnbilligkeitsV ist durch eine prognostische Beurteilung zu treffen, die sich an den Kriterien des Satz 2 bemisst.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2.2 – SG Osnabrück, Urteil vom 08.09.2015 – S 37 AS 764/12
Orientierungssatz (Redakteur)
Zur Verwertbarkeit von zwei Eigentumswohnungen – Zuschuss statt als Darlehen – besondere Härte aufgrund atypischer schwerer Belastung der Klägerin bei einer Verwertung wegen besonderer familiärer Situation.
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
Hinweis: aufgehoben durch LSG NSB, U rt. 17.10.2017 – L 7 AS 1577/15
2.3 – Sozialgericht Nürnberg, Beschl. v. 15.11.2018 – S 22 AS 1038/18 ER
Orientierungssatz (Redakteur)
Zur Anrechnung von Familiengeld nach dem Bayerischen Familiengeldgesetz (BayFamGG).
Kurzfassung:
Die Rechtsfrage, ob Familiengeld nach dem BayFamGG als Einkommen nach § 11 SGB II auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II anzurechnen ist, ist zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern politisch höchst umstritten:
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vertritt die Auffassung, dass es anzurechnen sei.
Der Landesgesetzgeber geht hingegen von einer Anrechnungsfreiheit des Familiengeldes aus.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann eine hinreichend tiefe Auseinandersetzung mit den von beiden Seiten vorgebrachten Argumenten nicht erfolgen.
Das Gericht vermag den Ausgang des sich ggf. anschließenden Hauptsacheverfahrens deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorherzusehen.
Für die Anrechenbarkeit des Familiengeldes spricht jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichts, dass die Zweckgebundenheit des Familiengeldes durchaus zweifelhaft erscheint.
Der Bundesgesetzgeber wollte mit der Ausnahmeregelung in § 11a Abs. 3 SGB II erreichen, dass Einnahmen nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn sie aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts erbracht werden und die erbrachten Leistungen ausdrücklich einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II zu dienen bestimmt sind. Eine allgemeine Zweckrichtung reicht nach seinem Dafürhalten hierfür nicht aus (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 94). Insoweit wird in der Hauptsache zu prüfen sein, ob eine allgemeine sozialpolitische Intention wie die “Anerkennung der Erziehungsleistung bayerischer Eltern”, völlig unabhängig vom gewählten Lebensmodell und verbunden mit einem Beitrag zur größeren finanziellen Flexibilität der Eltern, ausreicht, einen solchen Zweck zu begründen. Selbst wenn sich, wie im Rechtsgutachten der Bayerischen Staatsregierung vertreten, wegen einer Vergleichbarkeit des Familiengeldes mit Erziehungsgeld aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in der Fassung vom 09.02.2004 i.V.m. § 27 Abs. 2 BEEG eine Anrechnungsfreiheit ergeben würde, müsste das Verhältnis dieser Vorschrift zu den §§ 11 Abs. 1, 11a Abs. 3 SGB II eingehend geprüft werden.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)
3.1 – Sozialgericht Karlsruhe v. 31.10.2018 – S 4 AL 2140/18
Leitsatz (Juris)
1. Für eine isolierte Feststellung, ob ein von der BA bereits anerkannter Anspruch auf Alg auf der Verfügbarkeitsfiktion des § 145 SGB III beruht, fehlt es grundsätzlich am erforderlichen Feststellungsinteresse.
2. Der Normzweck der Regelung in § 145 SGB III besteht nicht darin, einen Arbeitslosen vor unzumutbaren Anforderungen an seine Mitwirkung zu schützen.
Mit der Regelung soll eine Belastung von Versicherten durch unterschiedliche Beurteilungen des Leistungsvermögens durch die BA und den Träger der Rentenversicherung vermieden werden. Der Anwendungsbereich der Norm ist daher nicht mehr einschlägig, wenn Alg bewilligt wurde.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 8. Senat, Urteil vom 26.04.2018, L 8 SO 371/14, anhängig BSG, Az: B 8 SO 12/18 R
Sozialhilfe – Vermögenseinsatz – Ansparungen aus Entschädigungsleistungen nach dem OEG – Härte
Leitsatz (Juris)
1. Der Einsatz von Vermögen aus angesparter Grundrente nach dem OEG stellt ohne Hinzutreten weiterer, besonderer Umstände keine Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII dar.
2. Die Wertungen des Gesetzgebers, die dieser mit der zum 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Änderung des § 25 f Abs. 1 BVG (BGBl I S. 1114) in Bezug auf die Kriegsopferfürsorge zum Ausdruck gebracht hat, sind auf die Sozialhilfe übertragbar. Es ist nicht Ziel einer Grundrente, damit Vermögen aufzubauen. Vielmehr sollen mit der monatlich gezahlten Grundrente laufende Mehraufwendungen bestritten werden, die ein gesunder Mensch nicht hat.
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
5. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zum Asylrecht
5.1 – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. April 2018 (Az.: L 8 AY 8/18 B ER):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Zur Bejahung eines besonderen Härtefalls nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII bei einem geduldeten kamerunischen Staatsangehörigen, der eine berufsbildende Schule für Metalltechnik im Bildungsgang Konstruktionsmechaniker besucht.
2. Das mit der Neufassung des § 60a AufenthG 2016 zum Ausdruck gelangende politische Ziel, die Integration von geduldeten Ausländern stärker zu fördern und gleichzeitig dem Interesse der Wirtschaft an zusätzlichen Fachkräften Rechnung zu tragen, würde konterkariert, wenn eine nichtdeutsche, geduldete Person ihre Ausbildung abbrechen müsste, weil sie mit der typischerweise geringen Vergütung und einer ggf. gewährten Berufsausbildungsbeihilfe (§§ 56 ff. SGB III) ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann.
5.2 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 08.11.2018 – L 7 AY 4468/16
Leitsatz (Juris)
1. Die fehlende Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten stellt einen typischen Anwendungsfall des § 1a AsylbLG (Fassung ab 24. Oktober 2015) dar.
2. Eine fehlende Mitwirkung liegt auch vor, wenn der Ausländer über Jahre hinweg nur unzureichende Bemühungen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten unternimmt.
3. Gegen die Neuregelung in § 1a Abs. 3 AsylbLG bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5.3 – Sozialgericht Magdeburg, Beschluss vom 30. September 2018 (Az.: S 25 AY 21/18 ER):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Eine gemäß § 1a AsylbLG unbefristet verfügte Leistungseinschränkung entspricht nicht der eindeutigen Gesetzeslage. Nach § 14 Abs. 1 AsylbLG sind Anspruchseinschränkungen entsprechend diesem Gesetz auf sechs Monate zu befristen.
Fehlt eine derartige Befristung, dann führt dies zur Rechtswidrigkeit des nach § 1a AsylbLG erlassenen Bescheids. § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG verweist nicht nur auf die Rechtsfolgen des § 1a Abs. 2 Satz 2 AsylbLG, sondern auch auf die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen.
2. Eine Anspruchseinschränkung kann dann nicht verfügt werden, wenn die Ausreise aus Gründen, die die Antragsteller in keiner Weise zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden kann. Sofern eine Abschiebung ausgeschlossen ist, kann behördlicherseits eine freiwillige Ausreise nicht verlangt werden, so dass diese Antragsteller unverschuldet am Verlassen des Bundesgebiets gehindert sind.
Rechtstipp:
SG Landshut, Beschluss v. 17.10.2018 – S 11 AY 153/18 ER – § 14 Abs. 2 AsylbLG lässt keine befristeten Kettenanspruchseinschränkungen zu; die Norm ist keine Rechtsgrundlage für Daueranspruchseinschränkungen (Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 14 AsylbLG 1. Überarbeitung, Rn. 14; a. A. Landes-sozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. September 2018 – L 23 AY 19/18 B ER -).
6. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
6.1 – Sozialhilfe für Flüchtlinge
Der EuGH hat sein Urteil zu der Frage verkündet, ob anerkannten Flüchtlingen weniger Sozialhilfe als eigenen Staatsangehörigen gewährt werden darf, wenn ihnen nur ein befristetes Aufenthaltsrecht zuerkannt wurde.
Flüchtlingen, denen ein auf drei Jahre befristeter Aufenthaltstitel erteilt worden sei, müssten daher Sozialleistungen in gleicher Höhe erhalten wie die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, der ihnen den Flüchtlingsstatus zuerkannt habe.
weiter: www.juris.de
6.2 – Keine Spur vom Spurwechsel
Ausbildungsduldung und Beschäftigungsduldung: Die Änderungen im
„Fachkräfteeinwanderungsgesetz“
ein Beitrag von Claudius Voigt
weiter: ggua.de
6.3 – Familie aus dem Landkreis Göttingen erstreitet vor dem Bundessozialgericht eine Grundsatzentscheidung zur Verzinsung von Nachzahlungsansprüchen aus dem AsylbLG, ein Beitrag v. RA Sven Adam, Göttingen
„Das Bundessozialgericht hat heute erstmals für den Rechtsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) festgelegt, dass erfolgreich eingeklagte und damit zuvor rechtswidrig vorenthaltene Nachzahlungen zu verzinsen sind“, freut sich der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der die Kläger vertritt, über den Erfolg des Verfahrens. Bislang hat die Rechtsprechung die Klagen auf die Verzinsung von Nachzahlungsansprüchen im Bereich des AsylbLG in der Regel damit zurückgewiesen, dass für die Verzinsung keine Rechtsgrundlage bestünde. „Das BSG sieht dies anders und hat den Landkreis zur Gewährung von Prozesszinsen nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verurteilt. Diese Entscheidung wirkt sich auf alle Verfahren aus, in denen höhere AsylbLG-Leistungen durch eine Klage erstritten werden“ so Adam weiter zur Bedeutung des Verfahrens.
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker