Tacheles Rechtsprechungsticker KW 19/2019

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Sozialhilfe (SGB XII) und zur Grundsicherung (SGB II)

1.1 – BSG, Urt. v. 28.11.2018 – B 14 AS 34/17 R

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Die materielle Rechtswidrigkeit der Erstattungsforderung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 1629a BGB. Die Vorschrift knüpft allein an das Vorhandensein fremdverantworteter Verbindlichkeiten an, setzt kein Verschulden des Vertreters voraus und unterliegt keiner Bagatellgrenze.

Quelle: www.bsg.bund.de

1.2 – BSG, Urt. v. 28.11.2018 – B 14 AS 48/17 R

Arbeitslosengeld II – Mehrbedarf – unabweisbarer laufender besonderer Bedarf – Aufwendungen für Besuchsfahrten zu dem im Ausland inhaftierten volljährigen Kind

Orientierungssatz (Redakteur)
1.Die Rechtsprechung zur Übernahme der Kosten des Umgangsrechts mit minderjährigen Kindern ist nach § 21 Abs 6 SGB II nicht auf Besuche zwischen Eltern und volljährigen Kindern zu übertragen.

2. Dennoch kann sich aus dem Härtefallmehrbedarf, da er der Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG dient (BVerfG vom 9.2.2010 -1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -), in einer Sondersituation ein Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für den Besuch eines nahen Angehörigen, zB bei dessen Inhaftierung, ergeben und zwar auch im Ausland, nämlich hier nach § 73 SGB XII.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.3 – BSG, Urt. v. 06.12.2018 – B 8 SO 7/17 R

Integrationshelfer für Nachmittagsbetreuung in Offener Ganztagsschule nicht ausgeschlossen.

Orientierungssatz (Redakteur)
Behinderte Kinder können gegen den Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer (Schulbegleiter) als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch für Angebote der Nachmittagsbetreuung in einer Offenen Ganztagsschule haben.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 20.03.2019 – L 11 AS 904/18

Orientierungssatz (Redakteur)
Die Regelungen zur Festlegung der Leistungshöhe in Bezug auf den Regelbedarf sind nicht verfassungswidrig.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – SG Cottbus, Gerichtsbescheid v. 25.03.2019 – S 41 AS 1653/15

Orientierungssatz RA Dr. Jur. Jens-Torsten Lehmann
Sanktion: „optische Mängel“ führen zur Unwirksamkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung

Quelle: ra-jtlehmann.de

Rechtstipp:
vgl. SG München, Gerichtsbescheid v. 10.08.2016 – S 13 AS 2433/14
Eine Rechtsfolgenbelehrung erfüllt ihre Warnfunktion nicht, wenn sie formal in einer Schriftgröße gehalten ist, die deutlich unterhalb der Schriftgröße des übrigen Schreibens liegt.

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. v. 12.07.2017 – L 9 SO 6/14

Orientierungssatz (Redakteur)
Zur Erstattung von Kosten für den erfolgten Umbau seines Badezimmers einschließlich des Einbaus einer Thermostatarmatur sowie eines Bodenablaufs in der dortigen Dusche, hier ablehnend, da der derzeitige Wohnraum nach sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten nicht erhaltenswert sei.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Sozialgerichte zum Asylrecht

5.1 – Sozialgericht Stade, Urt. v. 11.04.2019 – S 19 AY 5/19

Zur Frage, ob die Leistungsbezieher aus § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG einen einklagbaren Anspruch darauf haben, dass ihre Leistungen auch ohne Veröffentlichung durch das Bundesministerium oder eine Entscheidung des Gesetzgebers entsprechend der Erhöhung der Regelbedarfe nach dem SGB XII angepasst werden, hier bejahend

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Vorläufig Anspruch auf angepasste höhere Regelbedarfe nach dem AsylbLG (vgl. SG Stade, Beschluss vom 6. März 2019 (Az.: S 19 AY 1/19 ER).

2. Soweit § 3 Abs. 5 AsylbLG vorschreibt, dass bei einer neuen bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsprobe die notwendigen persönlichen Bedarfe und die Höhe des notwendigen Bedarfs neu festgesetzt wird, führt dies entgegen der Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nicht dazu, dass bei einer Unterlassung dieser Neufestsetzung keine Erhöhung nach § 3 Abs. 4 AsylbLG mehr zu erfolgen hat. Bis zu einer tatsächlichen Neufestsetzung durch den Gesetzgeber ist weiterhin die gesetzliche vorgeschriebene Erhöhung nach § 3 Abs. 4 AsylbLG durchzuführen (entgegen Birk in: LPK-SGB XII/ Bieritz-Harder/Conradis/Thie, 11. Aufl. 2018, AsylbLG § 3 Rn. 26).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

6.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

6.1 – Hinweis BSG: Am 08.05.2019 wird der 14. Senat des BSG zur Grundsicherung nach dem SGB II sich mit folgenden Themen befassen:

1. Gibt es Schulbücher vom Jobcenter?

2. Ist eine Erbschaft als Vermögen oder Einkommen zu behandeln?

3. Sind einmalige Kosten für die Beschaffung von Heizmaterial als aktueller Bedarf im Monat der Fälligkeit gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II auch dann zu übernehmen, wenn durch die Bevorratung mit Heizmaterial allein im Monat der Beschaffung Hilfebedürftigkeit entsteht?

Quelle: www.bsg.bund.de

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker