BESCHLUSS
L 8 SO 121/19 B
S 34 SO 129/17 Sozialgericht Hildesheim
In dem Beschwerdeverfahren
xxx,
– Kläger und Beschwerdeführer –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen
gegen
Landkreis Göttingen, Stabsstelle Justitiariat, vertreten durch den Landrat,
Reinhäuser Landstraße 4, 37083 Göttingen
– Beklagter –
hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 24. Juni 2019 in Celle durch die Richter xxx, xxx und xxx beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 15. April 2019 aufgehoben.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
GRÜNDE:
I.
Im Rahmen einer Prozesskostenhilfebewilligung ist die Änderung der Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts anstelle des entpflichteten im Streit, insbesondere der Mehrkostenvorbehalt zugunsten der Landeskasse.
Zur gerichtlichen Durchsetzung eines Anspruchs auf Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten aus Sozialhilfemitteln wurde dem Kläger durch Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hildesheim vom 1. März 2018 ratenfreie Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt. Nach Zahlung eines Vorschusses aus der Landeskasse wurde dem Kläger, der sich bereits Anfang März 2018 nicht mehr von dem (zunächst) beigeordneten Anwalt vertreten lassen wollte, antragsgemäß unter Abänderung des Beschlusses vom 1. März 2018 ein anderer Rechtsanwalt ohne Ratenzahlung beigeordnet (Beschluss des SG vom 19. Februar 2019). Mit Rücknahme der Klage Ende März 2019 beantragte (auch) der nunmehr beigeordnete Anwalt beim SG die Erstattung der Gebühren und Auslagen durch die Landeskasse.
Das SG hat daraufhin – ohne Anhörung des Klägers und ohne Begründung – „unter Klarstellung des Beschlusses vom 19. Februar 2019“ u.a. entschieden, dass bereits während der Beiordnungszeit des entpflichteten Rechtsanwalts entstandene Gebührenansprüche bei dem nunmehr beigeordneten Rechtsanwalt anzurechnen sind, soweit derselbe Gebührentatbestand betroffen ist (Beschluss vom 15. April 2019). Am 24. April 2019 hat das SG zudem die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts auf 380,80 € festgesetzt, aber die Auszahlung des Betrags unter Berufung auf den Beschluss des SG vom 15. April 2019 verweigert. Über die hiergegen eingelegte Erinnerung ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden.
Gegen den Beschluss des SG vom 15. April 2019 richtet sich die Beschwerde des Klägers vom 26. April 2019. Er macht geltend, dass die Beiordnung durch Beschluss des SG vom 19. Februar 2019 nicht unter der Bedingung erfolgt sei, dass der Landeskasse keine Mehrkosten entstehen, und der Beschluss vom 15. April 2019 insoweit nachträglich keine Wirkung entfalten könne. Unter diesen Bedingungen hätte der beigeordnete Rechtsanwalt die Prozessvertretung nicht übernommen.
Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthaft; ein Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 b) SGG ist bei der Aufhebung bzw. hier der Änderung einer bereits erfolgten PKH-Bewilligung nach § 73a SGG i.V.m. § 124 ZPO nicht einschlägig (vgl. Karl in juris-PK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 172 Rn. 165 m.w.N.). Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat den Beschluss vom 19. Februar 2019 über die Entpflichtung des zunächst beigeordneten Rechtsanwalts und die Beiordnung des neuen zu Unrecht durch Beschluss vom 15. April 2019 geändert.
Mögliche Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses ist § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 1 ZPO. Danach soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe in bestimmten Fällen, etwa bei einer unrichtigen Darstellung des Streitverhältnisses (Nr. 1) oder bei unrichtigen Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse (Nr. 2), aufheben. Der Senat lässt insoweit offen, ob der Anwendungsbereich des § 124 ZPO – über die Vorschrift des § 120a ZPO hinaus (nachträgliche Änderung der Bewilligung aufgrund einer wesentlichen Veränderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse) – auch die Änderung einer PKH-Entscheidung aus anderen Gründen umfassen kann (vgl. hierzu etwa Kießling in Sänger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 124 Rn. 2). Vor einer Aufhebung bzw. Änderung einer PKH-Bewilligung ist der Betroffene notwendig anzuhören (vgl. etwa Brandenburgisches Oberlandesgericht – OLG -, Beschluss vom 22. August 2018 – 13 WF 147/18 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben enthält der Beschluss des SG vom 15. April 2019 in der Sache nicht bloß eine Klarstellung der Beiordnungsbedingungen des neuen Rechtsanwalts, sondern eine inhaltliche Änderung des Beschlusses vom 19. Februar 2019. Neben der möglichen Entpflichtung auf Antrag des beigeordneten Rechtsanwalts nach § 48 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann auch eine Partei bzw. ein Beteiligter jederzeit die Entpflichtung des ihr beigeordneten Rechtsanwalts verlangen, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegen muss. Einen Anspruch auf Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts hat sie jedoch nur, wenn der Staatskasse dadurch keine höheren Kosten entstehen, es sei denn, eine weitere Zusammenarbeit mit dem bisherigen Anwalt war ihr ohne ihr Verschulden nicht mehr zuzumuten (vgl. etwa OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. Januar 2003 – 4 W 66/03 – juris Rn. 6 ff. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1991 – XII ZR 212/90 – juris Rn. 2). Dieser Mehrkostenvorbehalt zugunsten der Landeskasse ist durch den angefochtenen Beschluss im Nachhinein angeordnet worden. Eine bloße Klarstellung des Beschlusses vom 19. Februar 2019 liegt nicht vor, weil dessen Formulierung keinerlei Ansatz für einen solchen (festzustellenden) Vorbehalt aufweist.
Der Beschluss ist – wegen der unterbliebenen Anhörung des Klägers – sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Beschlusses des SG vom 19. Februar 2019 nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Der Kläger hat im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Entpflichtung des bisherigen Rechtsanwalts und auf Beiordnung des neuen und der Frage der Zumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit mit dem zunächst beigeordneten Rechtsanwalt keine unrichtigen Angaben gemacht; auch im Übrigen sind die Tatbestände des § 124 Abs. 1 ZPO für eine Änderung des Beschlusses nicht einschlägig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.