Sozialgericht Hildesheim – Beschluss vom 02.07.2019 – Az.: S 42 AY 89/19 ER

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

xxx,

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Stadt Göttingen, vertreten durch den Oberbürgermeister,
Hiroshimaplatz 1-4, 37083 Göttingen

– Antragsgegnerin –

hat die 42. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim am 2. Juli 2019 durch den Richter am Sozialgericht xxx beschlossen:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung privilegierte Leistungen gemäß § 2 Absatz 1 AsylbLG in Verbindung mit SGB XII analog für die Zeit vom 31. Mai bis zum 31. Juli 2019 zu gewähren.


Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

GRÜNDE

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Antragsteller vorläufig privilegierte Leistungen nach § 2 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) verfolgt, hat Erfolg.

Nach § 86 b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des I. Rechtzuges.

Voraussetzung für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes (vgl. Beschlüsse des Hessischen Landessozialgerichtes (LSG) vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER -, und vom 12. Februar 1997 – L 7 AS 225/06 ER -; Berlit, info also 2005, 3, 8).

Der Antragsteller hat sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft dargelegt. Eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet ist nach summarischer Prüfung nicht erkennbar, wobei die Behörde die Beweislast trägt. Die Nachzeitverfügung hatte mangels Bekanntgabe zum Zeitpunkt des Überstellungsversuches keine Wirksamkeit. Ob mit dem Aufenthalt in Hannover der rechtsmissbräuchliche Zweck verfolgt wurde, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu vereiteln, ist im Hauptsacheverfahren abschließend zu klären bzw. anhand möglicher Überstellungsversuche zu überprüfen. Jedenfalls hat der Antragsteller für den Aufenthalt einen plausiblen Grund genannt, der nicht rechtsmissbräuchlich wäre. Aufgrund der konkludenten Leistungsbewilligung war die Geltungsdauer der einstweiligen Anordnung zeitlich zu begrenzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG analog.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 172 Absatz 3 Nr. 1, 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).