Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Beschluss vom 09.07.2019 – Az.: L 8 AY 7/19 ER

BESCHLUSS

L 8 AY 7/19 B ER
S 42 AY 10/19 ER Sozialgericht Hildesheim

In dem Beschwerdeverfahren

xxx,

– Antragsteller und Beschwerdeführer –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Stadt Göttingen, Referat Recht,
Hiroshimaplatz 1 – 4, 37083 Göttingen

– Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin –

hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 9. Juli 2019 in Celle durch die Richter xxx und xxx und die Richterin xxx beschlossen:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 12.2.2019, soweit mit diesem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 1.2.2019 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in den beim Sozialgericht Hildesheim anhängigen Klageverfahren – S 42 AY 19/19 -, – S 42 AY 32/19 -, – S 42 AY 63/19 – und – S 42 AY 82/19 – oder betreffend die zugunsten des Antragstellers erfolgte Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG für die Zeit von Juni bis Dezember 2019, längstens jedoch bis zum 31.12.2019, vorläufig Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII unter Anrechnung bereits für diesen Zeitraum bewilligter Leistungen zu gewähren. Im Übrigen wird der Eilantrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

GRÜNDE
I.

Im Streit ist die Höhe vorläufig zu gewährender Leistungen nach dem AsylbLG für die Zeit ab Ende Januar 2019, insbesondere die Rechtmäßigkeit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG.

Der nach eigenen Angaben am xxx geborene Antragsteller gibt sich als libanesischer Staatsangehöriger aus, reiste ohne Personaldokumente unerlaubt nach Deutschland ein und suchte Anfang November 2015 in Oldenburg um Asyl nach. Nach einem Aufenthalt in Friedland wurde er auf die Antragsgegnerin verteilt; ein Antrag auf Umverteilung nach Oldenburg zu einem dort lebenden Bruder hatte im November 2016 keinen Erfolg. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch (bestandskräftigen) Bescheid vom 22.4.2017 ab. Seither verfügt der Antragsteller wegen Passlosigkeit über eine (mehrfach verlängerte) Duldung.

Auf die (erstmalige) Aufforderung der Ausländerstelle der Antragsgegnerin zur Beschaffung eines Heimatpasses vom 24.7.2017 reichte der Antragsteller ein Hinweisblatt der Botschaft des Libanon in Berlin zur Ausländerakte, auf dem seine Vorsprache am 10.8.2017 dokumentiert und als Voraussetzung für die Ausstellung eines Nationalpasses u.a. die Vorlage eines gültigen Aufenthaltstitels für Deutschland aufgeführt ist (vgl. Ziff. 7 des Hinweisblattes). Im Weiteren wurde der Antragsteller wiederholt (am 17.8., 10.11. und 19.12.2017) dazu aufgefordert, der Ausländerstelle einen Heimatpass (oder Registerauszug aus dem Libanon) vorzulegen. Von August bis Dezember 2018 erklärte der Antragsteller bei den nahezu wöchentlichen Terminen zur Ausstellung der Duldungen, dass er die von ihm geforderten Unterlagen nicht vorlege, einen Passersatzantrag nicht unterschreibe und über keine Unterlagen verfüge, die seine Identität glaubhaft nachweisen würden.

Nach dem Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, zuletzt bewilligt durch Auszahlung von 377,60 € für den Monat September 2017 (einschl. Abzug für Haushaltsenergie: 31,40 €), und Anhörung des Antragstellers zu einer Anspruchseinschränkung bewilligte die Antragsgegnerin ihm ab dem 1.10.2017 neben der Gewährung von Unterkunft und Heizung als Sachleistungen nur noch nach § 1a Abs. 3 AsylbLG eingeschränkte (Geld-) Leistungen in monatlicher Höhe von 180,49 €.

Am 25.9.2018 erhob der Antragsteller gegen die Gewährung der Leistungen nach dem AsylbLG „im aktuellen Zeitraum“ Widerspruch und beschränkte den Gegenstand des Verfahrens auf den Zeitraum von November 2017 bis Oktober 2018 (Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 17.10.2018, Bl. 261 d. VA). Mit Widerspruch vom 25.1.2019 griff er auch die Leistungsgewährung ab November 2018 an.

Ebenfalls am 25.1.2019 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Hildesheim im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Leistungen nach dem AsylbLG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in gesetzlicher Höhe begehrt, hilfsweise die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 25.9.2018 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.9.2017. Das SG hat den Eilantrag durch Beschluss vom 12.2.2019 mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller gegen seine ausweisrechtlichen Pflichten aus § 48 Abs. 3 AufenthG verstoßen habe und dies ursächlich für den Nichtvollzug aufenthaltsbeenden der Maßnahmen (gewesen) sei. Eine Befristung der Anspruchseinschränkung sei wegen der konkludenten Bewilligung von Leistungen in diesem Einzelfall nicht erforderlich gewesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 14.2.2019. Während des Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin den Widerspruch vom 25.9.2018 gegen die Leistungsgewährung für den Zeitraum von November 2017 bis Oktober 2018 und den Widerspruch vom 25.1.2019 gegen diejenige ab November 2018 durch gesonderte Widerspruchsbescheide vom 13.2.2019 zurückgewiesen. Gegen diese (zwei) Entscheidungen hat der Antragsteller beim SG jeweils fristgerecht Klage erhoben (- S 42 AY 20/19 -, – S 42 AY 19/19 -) und den Streitgegenstand der zweiten Klage auf den Zeitraum von November 2018 bis Februar 2019 beschränkt (vgl. Klageschrift vom 26.2.2019). Ab März 2019 hat der Antragsteller weiterhin nach § 1a Abs. 3 AsylbLG eingeschränkte Leistungen erhalten und zwar für März 2019 in Höhe von 179,73 € durch Bescheid vom 15.2.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2019 (Klage beim SG anhängig: – S 42 AY 32/19 -), für April 2019 durch Bescheid vom 5.4.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.4.2019 (Klage beim SG anhängig: – S 42 AY 63/19 -) und für Mai 2019 durch Auszahlung von 179,73 € (gegen den insoweit ergangenen Widerspruchsbescheid vom 10.5.2019 ist ebenfalls eine Klage anhängig: – S 42 AY 82/19). Durch Bescheid vom 6.6.2019 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen – der Höhe nach ohne Änderung – für Januar und Februar 2019 jeweils von 180,49 € und für März bis Juni 2019 in monatlicher Höhe von 179,73 € bewilligt. Ob der Antragsteller hiergegen Widerspruch erhoben hat, ist dem Gericht nach Aktenlage (Stand: Juni 2019) nicht bekannt. Über den Antrag des Antragstellers aus Mai 2019 auf Zustimmung zum Bezug einer gemeinsamen Wohnung mit seiner schwangeren Freundin (voraussichtlicher Entbindungstermin im Dezember 2019), einer deutschen Staatsangehörigen, ist noch keine Entscheidung ergangen; der Antragsteller hat insoweit die Vaterschaft anerkannt.

Im Beschwerdeverfahren macht der Antragsteller weiterhin geltend, dass er die Anforderungen der libanesischen Botschaft zur Ausstellung eines Nationalpasses, insbesondere die Vorlage eines gültigen Aufenthaltstitels, nach wie vor nicht erfüllen könne und eine Anspruchseinschränkung gemäß § 14 Abs. 1 AsylbLG zwingend zu befristen sei. Zur Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit der Sache hat er eine eidesstattliche Versicherung vom 18.6.2019 und aktuelle Auszüge seines Girokontos zur Gerichtsakte gereicht.

Die Antragsgegnerin hält die Entscheidung des SG für zutreffend und macht geltend, dass der Antragsteller jegliche Mitwirkung im aufenthaltsrechtlichen Verfahren ausdrücklich verweigert. Der Antragsteller habe noch Verwandte im Libanon, über die oder durch Einschaltung eines Vertrauensanwalts er sich um Ausweispapiere bemühen könnte, um seinen Mitwirkungspflichten in irgendeiner Weise nachzukommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der vom SG beigezogenen Gerichtsakten (- S 42 AY 19/19 -, – S 42 AY 20/19 – und – S 42 AY 32/19 -) sowie der Leistungs- und Ausländerakten der Antragsgegnerin (4 Bände und 3 Hefter) verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige, mit einer monatlichen Beschwer von über 175,00 € auch statthafte (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG; vgl. zur Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes i.S. des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffend laufende lebensunterhaltssichernde Leistungen Senatsbeschluss vom 12.12.2016 – L 8 AY 51/16 B ER – juris Rn. 8) Beschwerde ist begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.

Der Eilantrag ist gerichtet auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S. des § 86b Abs. 2 SGG und als solcher statthaft. Er ist nicht nach Maßgabe des § 86b Abs. 1 SGG zu beurteilen, nach dem das Gericht u.a. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen kann (Nr. 2). Durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen (- S 42 AY 19/19 – und – S 42 AY 20/19 -) gegen die seit Oktober 2017 verfügte Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG würde der Antragsteller sein Rechtsschutzziel nicht erreichen, weil sich die Leistungsgewährung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bis September 2017 nicht auf Folgezeiträume erstrecken kann; sie ist nicht durch eine unbefristete Bewilligung erfolgt (sog. Dauerverwaltungsakt), sondern befristet Monat für Monat, erstmals für die Monate März und April 2017 durch Bescheid vom 4.4.2017 und im Weiteren durch Auszahlung des Leistungsbetrags (vgl. die Empfangsbestätigungen Bl. 81, 93, 96, 99, 101, 118, 125 und 131 der Leistungsakte; zur sog. konkludenten Bewilligung durch Auszahlung der Leistung vgl. etwa BSG, Urteil vom 17.6.2008 – B 8 AY 11/07 R – juris Rn. 10).

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung des Hauptsacheverfahrens nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005 – 1 BvR 569/05 – NVwZ 2005, 927) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Art. 19 Abs. 4 GG stellt jedoch besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In einem solchen Fall müssen die Gerichte nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfG, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht überspannen; Fragen des Grundrechtsschutzes sind einzubeziehen. Ist dem Gericht hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, ebenda, vgl. auch die Senatsentscheidungen vom 2.4.2008 – L 8 SO 11/08 ER -, 13.5.2008 – L 8 SO 36/08 ER -, 22.10.2013 – L 8 SO 241/13 B ER -, 20.2.2014 – L 8 AY 98/13 B ER – juris Rn. 14 und zuletzt vom 6.6.2019 – L 8 AY 17/19 B ER -).

Nach diesen Maßgaben entscheidet der Senat auf Grund einer Folgenabwägung, weil nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht die Höhe des Leistungsanspruchs des Antragstellers nach dem AsylbLG ohne weitere Ermittlungen nicht mit Gewissheit beurteilt werden kann und es in diesem Einzelfall nicht Aufgabe des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (in zweiter Instanz) ist, den Sachverhalt im Einzelnen aufzuklären.

Das einer einstweiligen Anordnung zugängliche Streitverhältnis der Beteiligten betrifft zum einen – für die Monate Januar und Februar 2019 – die in dem beim SG anhängigen Klageverfahren – S 42 AY 19/19 – aufgrund der ausdrücklichen Befristung des Verfahrensgegenstands streitbefangene Leistungsbewilligung für November 2018 bis Februar 2019. Die Antragsgegnerin hat insoweit auf den Widerspruch des Antragstellers vom 25.1.2019 den (Ausgangs-) Bescheid vom 28.9.2017 trotz Verstreichens der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) in der Sache geprüft und die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit ab 1.11.2018 abgelehnt. Der Bescheid vom 28.9.2017 ist nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) als unbefristeter Leistungsbescheid (sog. Dauerverwaltungsakt) auszulegen. Ein Dauerverwaltungsakt liegt vor, wenn sein Regelungsgehalt vom Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes her nach seinen rechtlichen Wirkungen in die Zukunft fortwirken soll, sich also über eine einmalige Gestaltung der Rechtslage hinaus auf eine gewisse bestimmte oder unbestimmte zeitliche Dauer in der Zukunft erstreckt (zum Dauerverwaltungsakt in der Sozialhilfe vgl. etwa BSG, Urteil vom 2.2.2012 – B 8 SO 5/10 R – juris Rn. 21). Maßgebend für die Beurteilung der Frage, für welche Zeit Leistungen bewilligt werden sollen, ist entsprechend §§ 133, 157 BGB, wie ein Empfänger die Erklärung nach den Umständen des Einzelfalles verstehen muss (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rn. 11). Eine über den konkret benannten Leistungszeitraum hinausgehende Bewilligung kann im Regelfall nur angenommen werden, wenn die Bewilligung ohne Angabe eines Endzeitpunktes “ab” einem bestimmten Datum, mit Wirkung von einem bestimmten Datum “für die Zukunft” bzw. “bis auf Weiteres” erfolgt ist oder sich aus den Umständen des Falles beispielsweise aus früheren Leistungsbescheiden eine Kenntnis des Leistungsempfängers von einer Fortwirkung der Bewilligung ergibt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urteil vom 25.2.2016 – L 8 AY 85/13 – und Senatsbeschluss vom 10.3.2016 – L 8 SO 322/15 B ER – sowie vom 6.4.2017 – L 8 SO 96/17 B ER -).

Dies zu Grunde gelegt, spricht der für die Auslegung in erster Linie maßgebliche Verfügungssatz des Bescheides vom 28.9.2017, nachdem dem Antragsteller “für den Monat 10/2017” Geldleistungen in Höhe von 180,49 € gewährt werden, zwar für eine auf einen Monat befristete Regelung des Leistungsfalls. In der ersten Zeile der Begründung heißt es jedoch, dass der Antragsteller „ab dem 01. Oktober 2017“ eine Leistungsgewährung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG erhalte. Diese Formulierung spricht aus Sicht eines mit dem Sachverhalt vertrauten Bescheidempfängers für eine grundlegende Umstellung des Leistungsfalls auf das Niveau nach § 1a AsylbLG eingeschränkter Leistungen auf unbestimmte Dauer. Auch mit Rücksicht auf frühere Bescheide drängt sich eine andere Auslegung nicht auf, weil für den Antragsteller eine einheitliche Bescheidungspraxis nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen ist; die Antragsgegnerin hat in der zurückliegenden Zeit mit Ausnahme der die Leistungen für Juni und Juli 2016 und März und April 2017 regelnden Bescheide vom 4.7.2016 und 4.4.2017 keine schriftlichen Bewilligungsentscheidungen erlassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn der Bescheid vom 28.9.2017 als sog. Grundlagenbescheid über die generelle Leistungskürzung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG (für die Zukunft) anzusehen ist, weil damit konkludent auch die Ablehnung von Analog-Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG – mit Dauerwirkung für unbestimmte Zeit – verbunden ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY 7/12 R – juris Rn. 15).

Von dem Eilverfahren sind zum anderen die beim SG anhängigen Klageverfahren betreffend die Leistungsbewilligung für die Monate März (- S 42 AY 32/19 -), April (- S 42 AY 63/19 -) und Mai 2019 (- S 42 AY 82/19 -) betroffen. Die Bescheide vom 15.2.2019 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.3.2019 für März 2019), 5.4.2019 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.4.2019 für April 2019) und die Leistungsbewilligung durch Auszahlung der Leistungen (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2019 für Mai 2019) sind nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens (- S 42 AY 19/19 -) geworden, weil der Antragsteller den Streitgegenstand dieser Klage in zeitlicher Hinsicht ausdrücklich bis zum 28.2.2019 beschränkt hat. Ob die Leistungsbewilligung ab Juni 2019 – u.a. geregelt durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 6.6.2019 – vom Antragsteller angefochten worden ist, lässt sich nach dem Kenntnisstand des Senats nicht beantworten; wegen der Umstände des Einzelfalls, nach denen der Antragsteller gegen sämtliche Verfügungen der Antragsgegnerin vorgegangen ist, und der (wahrscheinlich) noch nicht abgelaufenen Widerspruchsfrist steht dieser Umstand einer einstweiligen Regelung allerdings nicht im Wege.

Ob sich der Leistungsanspruch des Antragstellers (der Höhe nach) seit Ende Januar 2019 nach § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG, § 3 Abs. 2 AsylbLG oder § 2 Abs. 1 AsylbLG beurteilt, kann nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht zweifelsfrei beurteilt werden. Hierzu bedarf es noch weiterer Sachverhaltsermittlungen.

Der Antragsteller ist als Inhaber einer Duldung leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG.

Nach § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG (in der seit 24.10.2015 geltenden Fassung vom 20.10.2015, BGBl. I 1722; zuvor § 1a Nr. 2 AsylbLG) erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG, also vollziehbar ausreisepflichtige Personen mit oder ohne Duldung, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen in entsprechender Anwendung des § 1a Abs. 2 AsylbLG. Für sie endet der Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG mit dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Vollziehbarkeit einer Abschiebungsanordnung folgenden Tag (§ 1a Abs. 3 Satz 2 AsylbLG). Ein leistungsmissbräuchliches Verhalten i.S. des § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG stellt insbesondere der Verstoß gegen die in § 48 Abs. 3 AufenthG normierte Pflicht eines Ausländers ohne gültigen Pass oder Passersatz dar, an der Beschaffung eines Identitätspapiers und der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit mitzuwirken (BSG, Urteil vom 12.5.2017 – B 7 AY 1/16 R – juris Rn. 15 m.w.N. zu der Vorgängervorschrift des § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F.). Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG setzt ferner voraus, dass ein dem Ausländer vorwerfbares Verhalten vorliegt und dieses Verhalten ursächlich für die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist, wobei das BSG bislang offengelassen hat, ob auch ein bloß fahrlässiges Verhalten den Tatbestand einer Anspruchseinschränkung erfüllen kann (BSG, a.a.O., Rn. 17). Zusätzlich muss ein ernsthaftes Bestreben der Ausländerstelle vorliegen, den Betroffenen in sein Heimatland zurückzuführen (BSG, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben spricht der Umstand, dass der Antragsteller jedenfalls seit Mitte 2018 jegliche Mitwirkung bei der Beschaffung von Dokumenten (Heimatpass, Registerauszug) verweigert, im Grundsatz für die Verletzung von ausweisrechtlichen Pflichten nach § 48 AufenthG und damit für die Annahme des Tatbestandes des § 1a Abs. 3 AsylbLG. Nach § 48 Abs. 3 AufenthG ist ein Ausländer, der keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden, sonstigen Unterlagen und Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist der Ausländer damit – auch unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Libanon (dazu auch gleich) – verpflichtet, es nicht nur bei der Einreichung der erforderlichen Unterlagen und einer Vorsprache bei der Auslandsvertretung seines Heimatstaates zu belassen, sondern darüber hinaus, falls ihm das Identitätspapier nicht in angemessener Zeit ausgestellt wird, regelmäßig nachzufragen, sich nach den Gründen für die Bearbeitungsdauer zu erkundigen und beharrlich um die Ausstellung des Papiers nachzusuchen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2018 – OVG 3 B 4.18 – juris Rn. 22; VG München, Beschluss vom 5.9.2018 – M 25 S 18.2249 – juris Rn. 17; VG Hamburg, Urteil vom 2.11.2010 – 8 K 1605/10 – juris Rn. 20). Allerdings muss die Ausländerbehörde gesetzliche Mitwirkungspflichten z.B. zur Beschaffung von Identitätspapieren (§ 48 Abs. 3 AufenthG) konkret gegenüber dem Betroffenen aktualisiert haben, um aus der mangelnden Mitwirkung negative aufenthaltsrechtliche Folgen ziehen zu können (BVerwG, Urteil vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 – juris Rn. 17). Ferner folgt aus § 82 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Hinweispflicht für die Ausländerbehörde, die in aller Regel über bessere Kontakte und Kenntnisse hinsichtlich der bestehenden Möglichkeiten zur Beschaffung von Heimreisepapieren verfügt (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.2.2017 – OVG 3 B 14.16 – juris Rn. 24 m.w.N.).

Diese Grundsätze sind auf die Beurteilung eines leistungsrechtlich nach § 1a Abs. 3 AsylbLG relevanten Verhaltens zu übertragen, allerdings mit der Maßgabe einer restriktiven Auslegung bezogen auf eindeutige und nachhaltige Verstöße gegen aufenthaltsrechtliche Mitwirkungspflichten (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 6.6.2019 – L 8 AY 17/19 B ER -; vgl. auch Oppermann, in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG, 2. Überarbeitung, Rn. 122; zur restriktiven Auslegung des § 1a AsylbLG alter Fassung schon SG Hildesheim, Beschluss vom 27.12.2012 – S 42 AY 9/12 ER – juris Rn. 4 m.w.N.; SG Hamburg, Beschluss vom 7.8.2014 – S 20 AY 111/10 – juris Rn. 51 m.w.N.).

Danach sind in diesem Einzelfall die besonderen Verhältnisse, die sich aus der von der Ausländerstelle nicht bezweifelten Staatsangehörigkeit des Antragstellers ergeben, besonders in den Blick zu nehmen. Dem Senat ist auch aus anderen Gerichtsverfahren bekannt, dass die Botschaft des Libanon die Ausstellung eines Heimatpasses entsprechend dem vom Antragsteller vorgelegten Hinweisblatt von dem Nachweis eines gültigen Aufenthaltstitels bzw. der Versicherung der Ausländerstelle abhängig macht, dass der Pass zur Ausstellung oder Verlängerung eines Titels benötigt wird. Dies wird durch den Inhalt der beigezogenen Akten bestätigt, insbesondere nach dem innerdienstlichen E-Mail-Verkehr der Ausländer- und der Leistungsstelle vom 27.2.2019 (Bl. 391 der Leistungs- bzw. Bl. 291 der Ausländerakte), nach dem die Passbeschaffung von libanesischen Staatsangehörigen im Ausland nur bedingt möglich und es nach den Erfahrungen der Auskunft gebenden Mitarbeiterin der Ausländerstelle noch nicht vorgekommen sei, dass ein ausreisepflichtiger Libanese ein Passersatzpapier bekommen hat. Diese besonderen Umstände führen nach Auffassung des Senats zu erhöhten Anforderungen an die Konkretisierung der vom Antragsteller zu erfüllenden Mitwirkungspflichten durch die Ausländerstelle, insbesondere bei der (grundsätzlich zumutbaren) Beschaffung von Geburtsurkunden, Personenstandsauszügen oder anderen Auszügen aus den im Heimatland geführten Registern unter Einschaltung von im Ausland lebenden Verwandten oder über Vertrauensanwälte. Dieses mögliche Fehlverhalten ist von der Ausländerstelle der Antragsgegnerin etwa in den innerdienstlichen Mitteilungen vom 21.3.2019 und 25.4.2019 (Bl. 386, 517 der Ausländerakte) aufgezeigt worden, ohne dass den Akten jedoch zu entnehmen ist, dass auch der Antragsteller – zumindest mündlich – von der Ausländerstelle auf die für ihn bestehenden Möglichkeiten zur Beschaffung von Heimreisepapieren, ggf. unter weiteren Hilfestellungen (Angabe der zuständigen Stellen im Libanon und der Voraussetzungen für die Ausstellung von Dokumenten unter Einschaltung von Verwandten oder Vertrauensanwälten, Aushändigung einer entsprechenden Anwaltsliste o.Ä.), hingewiesen worden ist. Dies geht zu Lasten der Antragsgegnerin, die die objektive Beweislast für die anspruchseinschränkenden Tatsachen trägt (vgl. Senatsurteil vom 8.12.2016 – L 8 AY 33/13 -; Oppermann in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG, 2. Überarbeitung, Rn. 90).

Welche rechtlichen Folgen es hat, dass die Antragsgegnerin die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG entgegen der Vorgabe aus § 14 Abs. 1 AsylbLG nicht befristet hat, muss hier nicht abschließend beantwortet werden (ebenfalls offen gelassen im Senatsbeschluss vom 3.7.2019 – L 8 AY 9/19 -). In Rechtsprechung und Literatur wird insoweit vertreten, dass eine unbefristete Leistungseinschränkung wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz per se rechtswidrig ist (Bayer. LSG, Beschluss vom 19.3.2018 – L 18 AY 7/18 B ER – juris Rn. 24; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21.6.2018 – L 9 AY 1/18 B ER – juris Rn. 47; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.6.2018 – L 7 AY 1511/18 ER-B – juris Rn. 10; SG Magdeburg, Beschluss vom 30.9.2018 – S 25 AY 21/18 ER – juris Rn. 23; Oppermann in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 9 ff.; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 14 Rn. 10).

Unter diesen Umständen kann auch nicht zweifelsfrei beantwortet werden, ob dem Antragsteller für den Fall, dass sich eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG nach weiterer Sachverhaltsermittlung als rechtswidrig erweist, nicht sogar Leistungen auf Sozialhilfeniveau nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren sind.

Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Nach der Rechtsprechung des BSG (grundlegend: Urteil vom 17.6.2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rn. 32 ff.) setzt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten in diesem Sinne in objektiver Hinsicht ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus, das in subjektiver Hinsicht vorsätzlich im Bewusstsein der objektiv möglichen Aufenthaltsbeeinflussung getragen ist. Eine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liegt schon dann vor, wenn bei generell-abstrakter Betrachtungsweise das rechtsmissbräuchliche Verhalten typischerweise die Aufenthaltsdauer verlängern kann. Es kommt nicht darauf an, ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten während des Aufenthalts in Deutschland stattgefunden hat; ein Rechtsmissbrauch kann auch durch ein Verhalten vor der Einreise begründet werden (BSG, a.a.O., Rn. 40). Dabei genügt angesichts des Sanktionscharakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Art, Ausmaß und Folgen der Pflichtverletzung wiegen für den Ausländer so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss. Daher führt nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation eines Ausländers in Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Ausschluss von Analog-Leistungen (BSG, a.a.O. Rn. 33).

Die zeitlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf sog. Analog-Leistungen erfüllt der sich jedenfalls seit Anfang November 2015 in Deutschland aufhaltende Antragsteller. Der Tatbestand des Rechtsmissbrauchs i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist allerdings nicht dadurch erfüllt, dass der Antragsteller sich seit seiner Einreise weigert, Deutschland freiwillig zu verlassen. Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist nicht bereits darin zu sehen, dass ein Asylbewerber, sofern ihm die Ausreise überhaupt zumutbar war, nicht freiwillig ausgereist ist (BSG, Urteil vom 17.6.2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rn. 35). Zu fordern ist ein über die Nichtausreise hinausgehendes sozialwidriges Verhalten unter Berücksichtigung des Einzelfalls, das nicht nur eine objektive, sondern auch eine subjektive Komponente (Vorsatz, bezogen auf die die Aufenthaltsdauer beeinflussende Handlung, mit dem Ziel der Beeinflussung der Aufenthaltsdauer) enthält (BSG, Urteil vom 17.6.2008 – B 8 AY 9/07 R – juris Rn. 15). Selbst wenn der Antragsteller ab 2017 bzw. Mitte 2018 vorwerfbar gegen seine aufenthaltsrechtlichen Pflichten nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verstoßen haben sollte (s.o.), bedarf es noch unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der Prüfung, ob die spätestens seit Mitte 2018 zu verzeichnende Verweigerungshaltung des Antragstellers ein hinreichendes sozialwidriges Verhalten i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG darstellt. In diesem Zusammenhang bedarf es womöglich noch der abschließenden Prüfung, ob ein rechtsmissbräuchliches Verhalten mit Rücksicht auf die Praxis der Botschaft des Libanon auszuschließen ist, weil eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können (vgl. dazu BSG, Urteil vom – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rn. 44).

Die nach den Maßgaben des BVerfG (s.o.) vorzunehmende Folgenabwägung geht in der Sache zu Gunsten des Antragstellers aus, auch weil mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Leistungsberechtigung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG besteht. Die Leistungsumstellung auf Sozialhilfe-niveau stellt nach Ablauf der 15-Monatsfrist aus § 2 Abs. 1 AsylbLG den Regelfall dar. Zudem sind die Folgen einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 1a Abs. 2 AsylbLG derart gravierend, dass im Zweifel, also bei einer Ungewissheit über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen, keine Einschränkung des Leistungsanspruchs zu erfolgen hat (Senatsbeschluss vom 6.6.2019 – L 8 AY 17/19 B ER -). Ob § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 1a Abs. 2 AsylbLG mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, muss im vorliegenden Verfahren nicht beantwortet werden (ebenfalls offen gelassen durch Senatsbeschluss vom 25.10.2017 – L 8 AY 19/17 B ER – m.w.N.; zum Meinungsstand vgl. auch Deibel, Sozialrechtaktuell 2019, S. 52 Rn. 3). Der Antragsteller hat durch die eidesstattliche Versicherung vom 18.6.2019 auch die besondere Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht.

Die einstweilige Anordnung betrifft aus verwaltungspraktischen Gründen den Zeitraum ab 1.2.2019 – eine rückwirkende Regelung ab Eingang des Eilantrags beim SG am 25.1.2019 erscheint wegen der aufgrund der Senatsentscheidung nachzuzahlenden Leistungen nicht erforderlich – und ist abhängig von einer rechtskräftigen Entscheidung über die zugunsten des Antragstellers erfolgten Leistungsbewilligungen nach dem AsylbLG für die Zeit bis Mai 2019 in den beim SG anhängigen Klageverfahren (- S 42 AY 19/19 -, – S 42 AY 32/19 -, – S 42 AY 63/19 – und – S 42 AY 82/19 -) sowie bis Dezember 2019, die dem Senat zum gegenwärtigen Verfahrensstand nicht im Einzelnen bekannt sind. Um die notwendigen Sachverhaltsermittlungen (von Amts wegen) zu ermöglichen und die Antragsgegnerin nicht über Gebühr zu binden, ist die Anordnung in zeitlicher Hinsicht befristet bis Ende Dezember 2019. Hierbei hat der Senat auch den voraussichtlichen Entbindungstermin der Freundin des Antragstellers berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen. Wegen der rechtskräftigen Verpflichtung der Antragsgegnerin, die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren erster und zweiter Instanz zu erstatten, besteht für den PKH-Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (ähnlich BVerfG, Beschluss vom 1.8.2017 – 1 BvR 1910/12 – juris Rn. 20).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.