1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 AS 125/19 B ER und L 2 AS 126/19 B 15.05.2019
Leitsatz (Juris)
1. Zum Verhältnis zwischen Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und Erlass einer Regelungsanordnung nach der Rücknahme einer vorläufigen Bewilligung.
2. Zu den Anforderungen an die Ausgestaltung einer Tätigkeit als niedergelassener selbständiger Unionsbürger (hier: Schrotthändler/-sammler) durch die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs und die entsprechende Nutzungsberechtigung bei dem Vortrag, es werde „im Fahrzeug“ gesammelt.
3. Zur Maßgeblichkeit des Meldedatums nach § 7 Abs 1 Satz 4 SGB II und der Unmaßgeblichkeit eines tatsächlich nicht bestehenden materiellen Aufenthaltsrechts bei fehlender Ausreisepflicht.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.2 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 04.07.2019 – L 4 AS 246/19 B ER – rechtskräftig
Leitsatz (Juris)
Ausländerinnen und Ausländer, die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und die nicht mindestens fünf Jahre ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Die Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und 2b SGB II sind europarechtskonform.
Diese Personen erhalten nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB XII jedenfalls dann, wenn sie nicht dem Anwendungsbereich des Europäischen Fürsorgeabkommens unterfallen, mit Ausnahme von Überbrückungsleistungen gem. § 23 Abs. 3 Satz 3 bis 6 SGB XII und angemessenen Kosten der Rückreise, auch keine Leistungen nach dem SGB XII.
In einem solchen Fall besteht kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.08.2019 – L 7 AS 32/19
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Das ausgezahlte Arbeitslosengeld I bzw der Kinderzuschlag sind auch in dem Monat des Zuflusses als Einkommen zu berücksichtigen.
2. Bei der Auszahlung lag noch keine Belastung mit einem Rückzahlungsanspruch vor. Erst mit den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden, die bestandskräftig geworden sind, sind die Kläger mit Schulden gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit belastet worden (wie hier LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 14.11.2014 – L 34 AS 950/14). Solche Verpflichtungen sind grundsätzlich bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich. Die Rückzahlungsverpflichtung tritt erst zukünftig ein (BSG Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 165/10 R).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – Sozialgericht Kassel – Az.: S 6 AS 86/19 ER vom 15.08.2019
Normen: § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, § 86b Abs. 2 S. 2 SGG – Schlagworte: Kosten der Unterkunft, Werra-Meißner-Kreis, Analyse und Konzepte, Eilverfahren, Folgenabwägung, Darlehen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit
Orientierungssatz (Redakteur)
1. Es bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, ob das Konzept des Antragsgegners sich als schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R) erweist und die Begrenzung der KdU somit zutreffend erfolgt.
2. Ob die Wohnung der Antragsteller „erhaltenswert“ ist, weil sie dauerhaft über den vom Antragsgegner zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenzen liegt und daher auch zukünftig weitere Mietschulden auflaufen, hängt letztlich ebenfalls davon ab, ob sich das Konzept des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren als schlüssig erweist. Auch hier führt die vorzunehmende Folgenabwägung im Ergebnis dazu, dass den Antragsgegner die beantragte Leistung vorläufig zu gewähren ist.
Quelle: www.anwaltskanzlei-adam.de
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)
3.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat, Gerichtsbescheid vom 15.08.2019, L 13/15 SF 26/18 EK AL
Überlanges Gerichtsverfahren – Entschädigungsklage – offenkundig fehlende Erfolgsaussicht im Ausgangsverfahren – Widergutmachung auf andere Weise
Leitsatz (Juris)
Liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung vor, ist der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit auch bei substanzlosen Klagen verletzt. Dem Umstand, dass das Rechtsschutzbegehren von Anfang an erkennbar unbegründet war, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass eine Geldentschädigung versagt und gemäß § 198 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 GVG lediglich die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festgestellt wird (Anschluss an BGH, Urteil vom 17.04.2013 – X K 3/12).
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
4. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Asylrecht
4.1 – SG Osnabrück, Urt. v. 11.06.2019 – S 44 AY 14/17
Kürzung von Asylbewerberleistungen bei verweigerter Mitwirkung zur Passbeschaffung verfassungsgemäß
Das SG Osnabrück hat entschieden, dass bei einer verweigerten Mitwirkung zur Passbeschaffung die Kürzung von Asylbewerberleistungen verfassungsgemäß ist.
Nach Auffassung des Sozialgerichts hat der Kläger seit geraumer Zeit nicht an seiner Passbeschaffung mitgewirkt und damit gegen seine Mitwirkungspflichten nach § 48 Aufenthaltsgesetz verstoßen. Er sei mehrfach und auch hinreichend konkret zur Mitwirkung aufgefordert worden. Die Rechtsfolge des § 1a Abs. 2 AsylbLG sei verfassungsrechtlich noch vertretbar. Denn das vom BVerfG entwickelte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gelte nicht absolut. Der Gesetzgeber könne es in Teilen von der Erfüllung von Mitwirkungspflichten abhängig machen. Bisherige Entscheidungen des BVerfG zu dieser Thematik beträfen vor allem Fragen der allgemeinen Leistungshöhe des Regelsatzes und des Gleichheitsgebots; rechtsmissbräuchliches Handeln – wie im entschiedenen Falle – wird dagegen nicht thematisiert. Eine „Eins-zu-eins“-Übertragung der BVerfG-Entscheidungen auf den vorliegenden Fall sei daher nicht möglich.
Als problematisch sehe das Gericht jedoch an, dass auch das physische Existenzminimum unterschritten werde, indem dem Leistungsberechtigten die Bedarfe der Abteilung 3 (Bekleidung) grundsätzlich nicht gewährt werden. Die verfassungsrechtlichen Bedenken griffen hier aber deshalb letztlich nicht durch, da der Gesetzgeber insoweit in § 1a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG eine Härtefallregelung geschaffen habe, also derartige Bedarfe im Einzelfall gleichwohl abgedeckt werden könnten.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Sie kann mit der Berufung zum LSG Celle-Bremen angegriffen werden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Sozialgericht die Berufung zugelassen.
juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des SG Osnabrück v. 22.08.2019: www.juris.de
5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
5.1 – Pressemitteilung 2/2019 des Sozialgerichts Mainz
Assistenzkräftemodell ja, „Casemanagement“ nur bedingt
Das Sozialgericht Mainz verurteilte mit heute verkündetem Urteil das beklagte Land Saarland zur Zahlung eines persönlichen Budgets von 11.921 € monatlich für die ambulante Pflege und Eingliederungshilfe durch von dem Kläger selbst angestellte Assistenzkräfte.
weiter: sgmz.justiz.rlp.de
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker