Tacheles Rechtsprechungsticker KW 05/2020

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Sozialhilfe (SGB XII)

1.1 – Bundessozialgericht, Urteil vom 5. September 2019 (B 8 SO 14/18 R):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 20 SGB XII liegt vor, wenn diese Lebensform auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art gestattet und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der beiden Partner füreinander begründen, d. h. über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht.

An dieser Stelle ist nicht entscheidend darauf abzustellen, ob diese Partner ledig, verwitwet, geschieden oder mit einer dritten Person verheiratet sind. Ausschlaggebende Bedeutung hat hier, dass nach einer Ehescheidung eine Heirat rechtlich möglich ist.

Erfüllt die neue Lebensgemeinschaft die an eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zu stellenden Kriterien, dann stellt die wechselseitige Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen in dieser Partnerschaft lediglich eine rechtliche Folge der dem staatlichen Zugriff entzogenen Entscheidung in Bezug auf die Trennung vom bisherigen Ehepartner und die Zuwendung zu einem neuen Partner dar.

Frappierend sind hier Punkte wie die Verwendung der vom Antragsteller erhaltenen, einem Konto seiner Mitbewohnerin angewiesenen Rente, die sein Existenzminimum nicht vollständig deckt, die Frage, weshalb der Antragsteller an diesem Ort weiterhin wohnt bzw. wohnen kann sowie die Umstände seiner mehrmonatigen Auslandsaufenthalte.

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 17.12.2018 – L 4 AS 481/17

Leitsatz (Juris)
1. Das Gebiet des Landkreises Wittenberg stellt im Rahmen der Anwendung von § 22 Abs 1 SGB II keinen einheitlichen Vergleichsraum dar. Das Kreisgebiet unterfällt in die Vergleichsräume Lutherstadt Wittenberg und „Übriger Landkreis“, sodass der Landkreis Wittenberg aus zwei Vergleichsräumen besteht.

2. Für den Vergleichsraum Lutherstadt Wittenberg ist der vom Beklagten ermittelte Angemessenheitswert einer Bruttokaltmiete von 316,20 € für eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft nicht zu beanstanden.

3. Um bei einem sog schlüssigen Konzept nach Vollerhebung des Wohnungsmarktes eine zutreffende Ableitung für das untere Wohnungsmarktsegment vornehmen zu können, ist eine nach der Größe der Bedarfsgemeinschaften differenzierte Nachfrageanalyse zu erstellen. Folgt daraus für Ein- und Fünfpersonenhaushalte ein Nachfrager Anteil von 38 bzw 39%, der deutlich über dem Durchschnitt (25 bis 30%) liegt, reicht es nicht aus, einen Perzentil Wert von 40 für diese Wohnungsgrößen zugrunde zu legen.

4. Der kommunale Träger muss in die Angemessenheitsrichtlinie eine entsprechende Regelung aufnehmen, wenn der Konzeptersteller in der Mietwerterhebung bei bestimmten Wohnungsgrößenklassen festgestellt hat, dass aufgrund einer zu geringen Anzahl von Angebotsmieten ein Abgleich der Verfügbarkeit von Wohnungen auf dem aktuellen Mietwohnungsmarkt zum ermittelten Bestandsmietenwert als Angemessenheitswert nicht möglich und daher über die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach Einzelfallprüfung zu entscheiden ist. Trifft der kommunale Träger keine entsprechende Regelung, ist die Verwaltungsvorschrift insoweit rechtswidrig und der für die betroffene Wohnungsgröße festgelegte Angemessenheitswert beruht nicht auf einem schlüssigen Konzept.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.08.2019 – L 4 AS 345/18 – rechtskräftig

Orientierungssatz (Redakteur)
Konzept für den Landkreis Wittenberg nicht schlüssig.

Leitsatz (Juris)
1. Werden Daten von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern in einem ländlichen Vergleichsraum, der durch das Wohnen in solchen Gebäuden geprägt ist, nicht erhoben, liegt kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten vor.

2. Um die Repräsentativität der erhobenen Daten für ein Konzept sicherzustellen, ist der (lokale) Mietwohnungsmarkt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Die Datenerhebung muss ihm in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale möglichst ähnlich sein.

3. Eine fehlerhaft gezogene Stichprobe wird nicht durch eine größere Anzahl einbezogener Datenwerte repräsentativ.

4. Im Rahmen der Ermittlung angemessener Heizkosten bei zentraler Warmwasserbereitung ist der nach dem bundesdeutschen Heizspiegel bis 2013 allein ausgewiesene Wert für die Raumwärme um den angegebenen Wert für die Warmwasserbereitung zu erhöhen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 20.11.2019 – L 2 AS 693/15

Arbeitslosengeld II – Leistungsausschluss einer Auszubildenden während des Mutterschutzes

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Das der Klägerin gezahlte Mutterschaftsgeld ist als laufendes Einkommen zu behandeln (wie hier Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, Stand Januar 2015, § 11 SGB II, Rn. 537; für einmaliges Einkommen LSG Bayern, Beschluss vom 13. Februar 2014 – L 7 AS 755/13 NZB).

2. Die hierzu damals geltende Verteilungsregelung in § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F. („Für laufende Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen zufließen, gilt Absatz 3 (die Regelung zur Verteilung einmaliger Einnahmen) entsprechend“) ist nicht anzuwenden. Denn die mit dem Mutterschaftsgeld bewirkte Vorauszahlung auf das Elterngeld kann analog einer Nachzahlung auf laufend zu zahlenden und gezahlten Lohn als laufendes Einkommen behandelt werden (vgl. zu letzterem BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 154/11 R – zu der § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F. vorgehenden und gleichen Regelung in § 2 Abs. 3 der Arbeitslosengeld II-Verordnung a.F.).

3. Hier wurde in der laufenden Periode – erster Monat des Elterngeldanspruchs – der übrige laufend zustehende Anspruch mit erfüllt. Eine dem geschilderten Vorgehen entgegenstehende gesetzliche Festschreibung von Nachzahlungen als einmaliges Einkommen, wie sie sich seit dem 1. August 2016 in § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II findet, war für den Streitzeitraum nicht in Kraft.

Leitsatz (Juris)
1. Nach der bis zum 1. August 2016 geltenden Rechtslage im SGB II war eine Auszubildende, die dem Grunde nach Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatte, auch während der Mutterschutzzeit von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.

2. Das auf das Elterngeld angerechnete Mutterschaftsgeld ist nach der bis zum 1. August 2016 im SGB II geltenden Rechtslage einmaliger Vorauszahlung eine laufende Einnahme. Auf das mit dem Elterngeld zu verrechnendem Mutterschaftsgeld ist der für das Elterngeld geltende Freibetrag anzuwenden.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.4 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.08.2019 – L 4 AS 343/18

Leitsatz (Juris)
1. Werden Daten von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern in einem ländlichen Vergleichsraum, der durch das Wohnen in solchen Gebäuden geprägt ist, nicht erhoben, liegt kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten vor.

2. Um die Repräsentativität der erhobenen Daten für ein Konzept sicherzustellen, ist der (lokale) Mietwohnungsmarkt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Die Datenerhebung muss ihm in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale möglichst ähnlich sein.

3. Eine fehlerhaft gezogene Stichprobe wird nicht durch eine größere Anzahl einbezogener Datenwerte repräsentativ.

4. Im Rahmen der Ermittlung angemessener Heizkosten bei zentraler Warmwasserbereitung ist der nach dem bundesdeutschen Heizspiegel bis 2013 allein ausgewiesene Wert für die Raumwärme um den angegebenen Wert für die Warmwasserbereitung zu erhöhen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.5 – LSG NRW, Urt. v. 05.12.2019 – L 7 AS 845/19

Jobcenter zahlt Hartz-IV-Empfänger das Einfrieren von Spermien

Wegen einer medizinischen Behandlung drohte einem Mann der Verlust seiner Fruchtbarkeit – er beauftragte das Einfrieren seiner Spermien. Das Jobcenter muss dem Hartz-IV-Empfänger die Kosten nun erstatten.

Quelle: www.welt.de

Hinweis:
SGB II-Anspruch auf Kosten der Kryokonservierung
Droht einem Leistungsbezieher die Unfruchtbarkeit in Folge einer Chemotherapie, so hat er Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Kryokonservierung von Samenzellen nach dem SGB II.

Quelle: Pressemitteilung LSG NRW

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – SG Berlin, Beschluss vom 21.01.2020 – S 179 AS AS 4920/19 ER, Beitrag dazu von RA Kay Füßlein

Abermals: die elektronische Erreichbarkeit der JobCenter

Wie bereits mehrfach Thema hier nehmen JobCenter am elektronischen Rechtsverkehr teil, belehren hierüber aber in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht. Diese ist damit dann falsch und die Widerspruchsfrist beträgt ein Jahr.

Nun hat abermals das SG Berlin hierüber einen Beschluss getroffen (das JobCenter hatte die aufschiebende Wirkung eines nur vermeintlich verspäteten Widerspruchs zuerst nicht beachtet; dass Gerichte musste dann über die Verfahrenskosten entscheiden).

Diese Rechtsfrage ist insbesondere insofern relevant, als dass das Sanktionsurteil des BVerfG auf nicht bestandskräftige Sanktionsbescheide anzuwenden ist (siehe auch hier). Es kann sich somit ergeben, dass 60 % oder 100 % Sanktionsbescheide vor dem Urteil des BVerfG noch nicht bestandskräftig sind und damit noch abänderbar.

Quelle: www.ra-fuesslein.de

3.2 – SG Reutlingen Beschluss vom 13.11.2019, S 4 AS 2464/19 ER

Schädlingsbekämpfung, Bettwanzen, Kosten der Unterkunft

Leitsatz (Juris)
Kosten für die Schädlingsbekämpfung in einer Wohnung stellen Kosten der Unterkunft dar.

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Die im Zusammenhang mit der Durchführung einer notwendigen thermischen Schädlingsbekämpfung wegen Bettwanzenbefall entstehenden Aufwendungen (hier: nach Kostenvoranschlag EUR 1.200,- zuzüglich Stromkosten) stellen einen Bedarf für die Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar.

Bei einem Auftreten eines Schädlingsbefalls während des laufenden Mietverhältnis handelt es sich bei der Beseitigung dieses mietwidrigen Zustands um eine Obliegenheit der jeweiligen Mietpartei zur Sicherung eines menschenwürdigen Wohnens.

Eine zeitnahe Schädlingsbekämpfung liegt überdies im öffentlichen Interesse.

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 16.01.2020 – L 8 SO 109/18

Zur Rechtmäßigkeit eines Kostenbeitragsbescheides

Orientierungssatz (Redakteur)
Der angefochtene Kostenbeitragsbescheid ist bereits deswegen rechtswidrig, weil sich die Beklagte für eine Heranziehung des Klägers durch einen Verwaltungsakt auf keine Ermächtigungsgrundlage stützen kann, denn § 92a SGB XII enthält keine eigenständige Ermächtigung zum Erlass von Heranziehungsbescheiden (BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 17/12 R; Bayerisches LSG, Urteil vom 24.9.2014 – L 8 SO 26/14).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zum Asylrecht

5.1 – LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. September 2019 (L 8 AY 69/15):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Ein den Aufenthalt im Bundesgebiet beeinflussendes, rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG liegt dann nicht vor, wenn eine Ausreisepflicht des betr. Ausländers unabhängig von seinem Verhalten im gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs ohnehin nicht hätte vollzogen werden können.

Nur ein Verhalten, das unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls, der Situation des sich in der BR Deutschland aufhaltenden Ausländers und der speziellen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), führt zum Ausschluss von „Analog-Leistungen“.

Entsprechendes liegt z. B. bei Täuschungen über die wahre Identität, nicht aber bei einer Einreise in das Bundesgebiet über einen als sicher einzustufenden Drittstaat vor, denn dies allein beeinflusst nicht die Aufenthaltsdauer in einem besonderen Maße.

Dies ist nicht der Fall, wenn in Deutschland aufenthalts- oder asylverfahrensrechtlich zulässige Anträge (z. B. ein Asylantrag oder ein Antrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) gestellt wurden. Als entscheidend für die Bewertung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG hat es aufgefasst zu werden, wenn in der Zeit nach der Einreise in das Bundesgebiet beim Antragsteller erstmals die Symptome der später zweifelsfrei diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aufgetreten sind, was eine fachärztliche, behördlicherseits finanzierte (§§ 4 und 6 AsylbLG) Behandlung erforderlich machte, weshalb der Antragsteller in erheblicher Weise beeinträchtigt war, seinen ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten im hinreichenden Maße nachzukommen.

5.2 – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Januar 2020 (L 8 AY 22/19 B ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Die Ablehnung einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigten Person, eine Erklärung des Inhalts abzugeben, der zufolge eine freiwillige Rückkehr in das Heimatland beabsichtigt wäre, erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG.

Eine derartige Freiwilligkeitsklärung kann von der Ordnungsbehörde vom Antragsteller nicht gegen seinen Willen abverlangt werden.

Eine leistungsrechtliche Sanktionierung der Nichtabgabe dieser Äußerung nach § 60b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AufenthG rechtfertigt sich vor diesem Hintergrund nicht.

Ein entsprechendes Unterlassen stellt nur dann ein vom Antragsteller selbst zu vertretender Grund im Sinne des § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG dar, wenn die betr. Person von der Ordnungsbehörde gemäß § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG zuvor auf eine solche Obliegenheit ausdrücklich hingewiesen wurde.

5.3 – Sozialgericht Landshut, Beschluss v. 23.01.2020 – S 11 AY 79/19 ER

Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG – Anspruch auf Regelbedarfsstufe 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft

Teleologische Reduktion der Anspruchseinschränkung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Einstweiligen Rechtsschutz

Orientierungssatz (Redakteur)
1. Der Leistungsanspruch kann derzeit nicht nach § 1 a Abs. 7 S. 1 AsylbLG eingeschränkt werden, der Bescheid vom 16.12.2019 ist rechtswidrig.

2. Die Kammer hält eine teleologische Reduktion von § 1 a Abs. 7 S. 1 AsylbLG für geboten. Eine teleologische Reduktion ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle nicht zur Anwendung kommt, weil der Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen.

3. Offenbar wurde sanktioniert, dass der Antragsteller einen unzulässigen Asylantrag in Deutschland gestellt hat. Der Antrag stellt für sich indes kein Fehlverhalten dar. Schon aufgrund von § 14 AsylbLG ist eine hinreichende Bestimmtheit der Pflichtverletzung zu fordern. Es muss aus dem feststellenden Verwaltungsakt eindeutig hervorgehen, welche konkrete aktuelle Pflichtverletzung Grundlage der Leistungskürzung nach § 1 a Abs. 7 S. 1 AsylbLG ist. Aus § 14 Abs. 2 AsylbLG folgt, dass die Behörde spätestens nach Ablauf von sechs Monaten in eine neue Prüfung eintreten muss.

4. Die Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 verlangt ein tatsächliches gemeinsames Wirtschaften der mit dem Antragsteller untergebrachten Personen, denn Das gemeinsame Wirtschaften erscheint zumindest wahrscheinlicher in familiären Verbindungen; weniger indes bei der gemeinsamen Unterbringung mit fremden Personen, deshalb hat der Antragsteller Anspruch auf Regelbedarfsstufe 1.

Leitsatz (Juris)
1. Für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG ist im Wege der normerhaltenden, teleologischen Reduktion zu fordern, dass dem Leistungsberechtigten aktuell ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist. (Rn. 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)

2. Aus dem feststellenden Verwaltungsakt muss eindeutig hervorgehen, welche konkrete aktuelle Pflichtverletzung Grundlage der Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

3. Die Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 (vgl. § 3a Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 2 Nr. 2 b AsylbLG) verlangt ein tatsächliches gemeinsames Wirtschaften der mit dem Antragsteller untergebrachten Personen. (Rn. 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis:
Leistungsbescheide oft fehlerhaft oder verfassungswidrig. Widerspruch einlegen und ggf. Eilantrag und Klage einreichen!

weiter: www.nds-fluerat.org

5.4 – Sozialgericht Landshut, Beschluss v. 28.01.2020 – S 11 AY 3/20 ER

Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG – Anspruch auf Regelbedarfsstufe 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft

Orientierungssatz (Redakteur)
Die Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 verlangt ein tatsächliches gemeinsames Wirtschaften der mit dem Antragsteller untergebrachten Personen, denn Das gemeinsame Wirtschaften erscheint zumindest wahrscheinlicher in familiären Verbindungen; weniger indes bei der gemeinsamen Unterbringung mit fremden Personen, deshalb hat der Antragsteller Anspruch auf Regelbedarfsstufe 1.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

5.5 – Sozialgericht Freiburg, Beschluss vom 20. Januar 2020 (S 7 AY 5235/19 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG unter dem Aspekt des durch Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantierten Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wie auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Es fehlt an einer belastbaren empirischen Grundlage für die vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG pauschal getätigte Unterstellung, einer in einer Gemeinschaftsunterkunft nach § 53 Abs. 1 AsylG untergebrachte, nach § 1 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigte Person entstünden generell, d. h. in einer jeden entsprechenden Form der Unterbringung – unabhängig von der Art, der Größe, dem Zuschnitt und der Ausstattung – geringere Alltagsausgaben als Sozialleistungsbezieher, die bereits im Individualwohnraum leben.

Darüber hinaus besteht hier kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung von gemäß § 1 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigten Personen hier und Beziehern von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII dort, deren Wohnsituation der einer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft entspricht.

6.   Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

6.1 – Anmerkung zu: BSG 14. Senat, Urteil vom 11.07.2019 – B 14 AS 44/18 R

Autor: Dr. Stefan Meißner
Erscheinungsdatum: 30.01.2020

Leitsatz
Die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens bei der abschließenden Entscheidung erfolgt unabhängig vom Grund der Vorläufigkeit, erfasst alle Einkommensarten und alle Monate des Bewilligungszeitraums.

Orientierungssatz zur Anmerkung
Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs ist auch dann ein Durchschnittseinkommen zu bilden, wenn der Grund der vorläufigen Entscheidung nicht schwankendes Einkommen war.

weiter auf Juris

6.2 – Sozialrecht-Justament Januar 2020

Vorläufige Leistungsbewilligungen im SGB II – zur neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der hiervon abweichenden Verwaltungspraxis der Jobcenter

weiter: sozialrecht-justament.de

6.3 – LG Kiel: Beratungshilfe: Erledigungsgebühr für einen erfolgreichen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X

Beratungshilfe: Erledigungsgebühr für einen erfolgreichen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X!

Das LG Kiel hat mit Beschluss vom 24.01.2020 zum Aktenzeichen 5 T 53/19 die Entscheidung des AG Kiel bestätigt, wonach für ein erfolgreiches Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG i.V.m. Nr. 2508 (1) VV RVG zur Entstehung gelangt.

Zum Thema siehe auch schon: Beratungshilfe: Erledigungsgebühr für einen erfolgreichen Überprüfungsantrag?

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt

6.4 – Wohngeld ist im Zuflussmonat auf ALG II anzurechnen, ein Beitrag v. RA Helge Hildebrandt

weiter: sozialberatung-kiel.de

6.5 – Gegen Hartz-IV-Sanktionen Die neue deutsche Klagewelle

Die SPD will mit dem „Sozialstaatskonzept 2025“ Abschied von Hartz IV nehmen. Doch an den Sozialgerichten stapeln sich die Klagen gegen die Sanktionen der Jobcenter.

Beispiel SG Altenburg in Thüringen

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker