Sozialgericht Hildesheim – Beschluss vom 03.03.2020 – Az.: S 42 AY 244/19 ER

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

xxx,

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Stadt Göttingen, vertreten durch den Oberbürgermeister,
Hiroshimaplatz 1-4, 37083 Göttingen

– Antragsgegnerin –

hat die 42. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim am 3. März 2020 durch den Richter am Sozialgericht xxx beschlossen:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung privilegierte Leistungen gemäß § 2 Absatz 1 AsylbLG i.V.m. SGB XII analog in Höhe monatlich weiterer 80,– Euro für die Zeit vom 20. bis zum 31. Dezember 2019 und für die Zeit vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2020 weiterer 88,– Euro zu gewähren, falls nicht zuvor über den Widerspruch vom 20. Dezember 2019 entschieden wird.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für das Verfahren des ersten Rechtszuges Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen, bewilligt.

GRÜNDE

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Antragsteller Analogleistungen nach § 2 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erstrebt, hat Erfolg.

Nach § 86 b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des I. Rechtzuges.

Voraussetzung für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes (vgl. Beschlüsse des Hessischen Landessozialgerichtes (LSG) vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER -, und vom 12. Februar 1997 – L 7 AS 225/06 ER -; Berlit, info also 2005, 3, 8).

Der Antragsteller hat sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft dargelegt. Die Antragsgegnerin hat es während des gerichtlichen Verfahrens nicht vermocht darzulegen, weshalb der Antragsteller seinen Aufenthalt im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst habe, obgleich sie die Beweislast trifft. Da auch keine Ausländerakten vorgelegt wurden, konnte das Gericht — auch bei völligem Fehlen von behördlichen Vortrag — nicht nachprüfen, ob ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorlag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG analog.

Dem Antragsteller war Prozesskostenhilfe wegen der Erfolgsaussicht zu gewähren (§§ 73a SGG, 114 ff. ZPO).

Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 172 Absatz 3 Nr. 1, 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG die Beschwerde statthaft.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.