1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung nach dem (SGB II)
1.1 – BSG, Urt. v. 24.06.2020 – B 4 AS 9/20 R
Leitsatz (Redakteur)
Eine einmalige Einnahme kann im Verteilzeitraum nicht als Einkommen berücksichtigt werden, soweit sie bereits zu anderen Zwecken als zur Bestreitung einer aktuellen Notlage verwendet wurde und daher nicht mehr geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (zur Verwendung einer Einkommenssteuererstattung).
Orientierungshilfe (Redakteur)
1. Ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter kann nicht auf die Inanspruchnahme eines Dispositionskredits aufgrund einer weiterbestehenden Kontokorrentabrede zur Bestreitung seines Lebensunterhalts als “bereites Mittel” verwiesen werden, wenn er zuvor zugeflossenes Einkommen zur Rückführung des Solls auf diesem Konto verwandt hat (offengelassen in BSG Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 10/14 R).
2. Denn die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Dispositionskredits zur Bestreitung des Lebensunterhalts verbunden mit einer erhöhten Zinsbelastung stellt keine uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit über eine einmalige Einnahme und damit kein “bereites” Mittel dar, auch wenn der Betroffene nach dem Zufluss einer einmaligen Einnahme und der damit verbundenen Schuldentilgung aufgrund einer Kontokorrentabrede den eingeräumten Dispositionskreditrahmen nicht reduziert und damit die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Dispositionskredits aufrechterhalten hat.
Quelle: www.bsg.bund.de
1.2 – BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 (B 4 AS 8/20 R):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Eine Aufteilung der aus einer Betriebskostenabrechnung erlangten Gutschrift als Einkommen entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 22 Abs. 3 SGB II auf insgesamt sechs Monate gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II darf von einem Jobcenter auch dann nicht durchgeführt werden, wenn der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung dieses Guthabens als Einkommen im betr. Monat vollständig entfällt.
Ein aus unterkunftsbezogenen Rückzahlungen und Guthaben stammendes Einkommen ist stets unmittelbar von den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) abzusetzen, damit sich eine entsprechende Entlastung der kommunalen Träger einstellt.
Aus § 22 Abs. 3 SGB II geht eine Sonderregelung hervor, die einer Verteilung solcher Rückzahlungen und Guthaben als Einmalzahlung im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II entgegensteht.
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.08.2020 – L 13 AS 143/20 B ER
Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II – Umzug innerhalb des Vergleichsraums – einstweiliger Rechtsschutz – Vorwegnahme der Hauptsache
Leitsatz (Juris)
1. § 22 Abs. 4 SGB II gilt auch für Umzüge innerhalb des Vergleichsraums.
2. Bei Umzügen innerhalb des Vergleichsraums muss der örtlich zuständige Träger im Rahmen des Zusicherungsverfahrens nach § 22 Abs. 4 SGB II weiterhin die Erforderlichkeit des Umzugs prüfen.
3. Aus Gründen der Effektivität des Rechtschutzes ist es unter engen Voraussetzungen zulässig, den zuständigen Träger bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Erteilung einer endgültig wirkenden Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II zu verpflichten.
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
2.2 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 31.08.2020 – L 13 AS 132/20 B ER
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung – Nahrungsergänzungsmittel – Magen-Bypass-Operation – medizinische Notwendigkeit lebenslanger Supplementation von Nährstoffen
Leitsatz (Juris)
Ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II kommt in Betracht, wenn die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln medizinisch indiziert ist.
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
3.1 – SG Hannover, Urteil vom 11.06.2020 – S 43 AS 3130/19 – Sprungrevision zugelassen
Verteilung der Rückzahlung wegen Betriebskostenabrechnung auf die Monate des Bewilligungszeitraums bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs; keine Einbeziehung eines Erstattungsverwaltungsakts bei abschließender Feststellung des Leistungsanspruchs in die Klage gegen vorläufige Bewilligungsbescheide gemäß § 96 Abs. 1 SGG
Leitsatz (Juris)
a) Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs nach vorläufiger Bewilligung gemäß § 41a Abs. 4 SGB II ist bei Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind (hier: Rückzahlung aus Betriebskostenabrechnung), diese Rückzahlung bzw. Gutschrift auf die Monate des Bewilligungszeitraums als monatliches Durchschnittseinkommen zu verteilen, da § 41a Abs. 4 SGB II zu § 22 Abs. 3 SGB II hinsichtlich des Monats bzw. der Monate der Berücksichtigung des Einkommens die speziellere Regelung für abschließend festzustellende Bescheide enthält (lex specialis derogat lege generali). Im Übrigen bleibt der Regelungsgehalt von § 22 Abs. 3 SGB II bestehen, sodass bei der Rückzahlung bzw. Gutschrift keine Bereinigung um Absetzbeträge nach § 11b SGB II stattzufinden hat, da § 41a Abs. 4 SGB II nur partiell, nämlich hinsichtlich des Monats bzw. der Monate der Berücksichtigung des Einkommens eine Regelung trifft.
b) Erstattungsverwaltungsakte in Erstattungsbescheiden bei abschließender Feststellung des Leistungsanspruchs werden – anders als die Verwaltungsakte der endgültigen Feststellung des Leistungsanspruchs – nicht Gegenstand der Klage gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid gemäß § 96 Abs. 1 SGG, da es an einem identischen Regelungsgegenstand fehlt, da die Verfügungssätze der Erstattungsverwaltungsakte auf Erstattung und nicht auf Bewilligung lauten.
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
3.2 – Sozialgericht Hildesheim, Urteil vom 14. Juli 2020 (S 38 AS 1417/17):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Eine Sanktion wegen eines Meldeversäumnisses entsprechend § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann nicht erfolgen, wenn aus der vom Jobcenter gemäß § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 SGB III ausgefertigten Meldeaufforderung keine korrekte Rechtsfolgenbelehrung hervorgeht.
Eine Rechtsfolgenbelehrung darf auch keine überflüssigen oder falschen Informationen enthalten, die eine leistungsberechtigte Person verwirren oder abschrecken könnten.
Dies ist dann der Fall, wenn vom Jobcenter in der Rechtsfolgenbelehrung ausgeführt wird, eine Erkrankung könnte zwar einen wichtigen Grund darstellen, diesem Termin fernzubleiben, wofür aber eine Bettlägerigkeitsbescheinigung vorgelegt zu werden hat.
Hier handelt es sich nicht um die einzige Möglichkeit, dem SGB II-Träger gegenüber einen wichtigen Grund im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II nachzuweisen. Dies kann auch durch andere Beweismittel (wie z. B. Zeugen) geschehen.
Die Aufforderung zur Beibringung einer Bettlägerigkeitsbescheinigung ist lediglich in besonders begründeten Ausnahmefällen (z. B. bei mehrfachen Meldeversäumnissen) zulässig.
Eine unbegründete Verweigerung der Teilnahme an einer Arbeitshilfemaßnahme (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit den §§ 16 ff. SGB II) hat als eine Pflichtverletzung nach § 31 SGB II und nicht als ein Meldeversäumnis gemäß § 32 SGB II sanktioniert zu werden. Ausgesprochen war hier keine Ladung zu einem einfachen Meldetermin, sondern zu einem Termin zu einer Maßnahme zur beruflichen Eingliederung („Jobakademie“).
3.3 – SG Augsburg, Urt. v. 20. 05.2020 – S 11 AS 863/19
SG Augsburg: Landkreis Augsburg hat kein schlüssiges Konzept
Hartz IV: Landkreis muss Mietobergrenze neu berechnen
Einen höheren Zuschuss zu den Mietkosten muss das Jobcenter nach einem Urteil des Sozialgerichts Augsburg einer Hartz-IV-Empfängerin aus Stadtbergen zahlen. Vorübergehend wird für die Berechnung der sogenannten Angemessenheitsgrenze im Landkreis Augsburg nun die Wohngeldtabelle zugrunde gelegt. Damit könnten auch weitere Betroffene Anspruch auf einen höheren Zuschuss haben.
weiter: www.augsburger-allgemeine.de
Jetzt Volltext da: sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 – Sächsisches Landessozialgericht, Urt. v. 29.08.2019 – L 8 SO 6/18 – Revision anhängig BSG – B 8 SO 13/20 R
Orientierungshilfe (Redakteur)
Zur Erstattung von Reisekosten für eine Begleitperson für eine Urlaubsreise auf einem Kreuzfahrtschiff im Rahmen der Eingliederungshilfe, hier ablehnend.
Leitsatz (Redakteur)
1. Als Leistung zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben können im Einzel-fall auch Kosten für Urlaubsreisen und Ferienfreizeiten übernommen werden. Vorausset-zung hierfür ist allerdings, dass durch den Urlaub oder die Ferienfreizeit die Folgen der Behinderung mindestens gemildert werden und der Urlaub oder die Ferienfreizeit dazu beiträgt, den Anspruchssteller in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nicht behinderten Menschen zu fördern (§ 58 Nr. 1 SGB IX a. F.), wo-bei auch zu berücksichtigen ist, ob der behinderte Mensch nicht schon auf andere Weise in die Gesellschaft eingegliedert ist (siehe nur Landessozialgericht [LSG] Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.08.2016 – L 9 SO 15/15 – juris RdNr. 28; Hessisches LSG, Urteil vom 24.02.2016 – L 4 SO 27/14 – juris RdNr. 74 ff.; LSG Hamburg, Urteil vom 20.11.2014 – L 4 SO 31/12 – juris RdNr. 21; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.08.2012 – L 7 SO 1525/10 – Leitsatz 1; Thüringer LSG, Urteil vom 23.05.2012 – L 8 SO 640/09 – juris RdNr. 27; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.06.2010 – L 9 SO 163/10 – juris RdNr. 32; SG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.2010 – S 17 SO 109/09 – juris RdNr. 32; Wehrhahn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 54 RdNr. 51; Scheider, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 54 RdNr. 65.2; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 54 RdNr. 46).
2. Nicht jede Urlaubsreise verwirklicht damit bereits den Teilhabegedanken und verpflichtet damit den Sozialhilfeträger zur Übernahme der hierfür anfallenden Kosten. Die vom Kläger durchgeführte Kreuzfahrt dient – nicht Teilhabezielen im Sinne der Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Behinderung (§ 53 Abs. 3 SGB XII), sondern, wie bei nichtbehinderten Menschen auch, der Zweck der Erholung und des Erlebnisses steht im Vordergrund.
3. Die Übernahme von Kosten für eine Begleitperson (§ 22 Eingliederungshilfe-Verordnung) setzt voraus, dass diese als Folge einer notwendigen Maßnahme der Eingliederungshilfe entstanden sind. Daran fehlt es hier.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbL
5.1 – LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Juni 2020 (L 20 AY 40/19):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG geregelten Leistungen setzen Tag genau nach dem Ablauf der dort genannten Wartefrist ein.
Diese Hilfen sind nicht ab dem Monatsersten zu gewähren, der auf den Monat folgt, in dem diese Frist ablief.
§ 1 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG gelangt hier nicht zur Anwendung. Diese Norm regelt nur das Ende des Leistungsanspruchs als solchem, nicht aber den Übergang vom Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG („Grundleistungen“) zu dem nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG („Analogleistungen“) innerhalb einer nach wie vor bestehenden Leistungsberechtigung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG.
§ 1 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG betrifft die grundsätzliche Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG; § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG lediglich die Leistungsmodalitäten innerhalb einer im Rahmen des § 1 Abs. 1 AsylbLG bestehenden Anspruchsberechtigung.
Für die Berechnung der Frist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind deshalb einzig die §§ 187 ff. BGB anwendbar.
5.2 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.07.2020 – L 8 AY 52/20 B ER
Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG entsprechend der Bedarfsstufe 2 für in Sammelunterkünften Untergebrachte und (kein) einstweiliger Rechtsschutz
Leitsatz (Juris)
1. Unterschiedliche Angaben zur Identität (Name, Geburtsdatum etc.) während des Asylverfahrens stellen grundsätzlich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten iS des § 2 Abs 1 AsylbLG dar.
2. Inhaber einer Duldung nach § 60b AufenthG sind leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG.
3. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft iS des § 3a Abs 1 Nr 2 lit b, Abs 2 Nr 2 lit b AsylbLG.
4. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 3a Abs 1 Nr 2 lit b, Abs 2 Nr 2 lit b AsylbLG, nach der die Anwendung der Bedarfsstufe 2 als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die tatsächliche und nachweisbare gemeinschaftliche Haushaltsführung des Leistungsberechtigten mit anderen in einer Sammelunterkunft Untergebrachten voraussetzt, kommt trotz bestehender Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen jedenfalls in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht (ebenso LSG Berlin-Brandenburg vom 29.05.2020 – L 15 AY 14/20 B ER, L 15 AY 15/20 B ER PKH – juris Rn. 15 ff.; entgegen LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 10.06.2020 – L 9 AY 22/19 B ER – juris Rn. 17 ff.; SG Landshut vom 23.01.2020 – S 11 AY 79/19 ER – juris Rn. 40 ff.; SG Landshut vom 28.01.2020 – S 11 AY 3/20 ER – juris Rn. 63 ff.; SG München vom 10.02.2020 – S 42 AY 82/19 ER – juris Rn. 56 f.).
5. Bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes iS des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG ist, soweit es um die Bewilligung von laufenden lebensunterhaltssichernden Leistungen geht, jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich von einer Leistungsdauer von (maximal) zwölf Monaten auszugehen (Fortführung von LSG Celle-Bremen vom 12.12.2016 – L 8 AY 51/16 B ER = FEVS 68, 561 = juris RdNr 8, vom 17.8.2017 – L 8 AY 17/17 B ER – juris RdNr 4 sowie vom 12.09.2019 – L 8 AY 12/19 B ER – juris RdNr 10).
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
Rechtstipp:
aA. Ganz aktuell SG Marburg, Beschluss v. 28.08.2020 – S 9 AY 20/20 ER
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel seitens des Gerichts, ob § 2 AsylbLG überhaupt eine Grundlage für einen dauerhaften Ausschluss von Analogleistungen liefert (vgl. auch SG Landshut, Beschluss vom 06.05.2019 – S 11 AY 38/19 ER).
Die Kammer schließt sich insoweit der, soweit ersichtlich, mehrheitlich zu dieser Frage vertretenen Auffassung in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung an. Eine verfassungskonforme Auslegung der Norm gebietet, dass als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die tatsächliche und nachweisbare gemeinschaftliche Haushaltsführung des Leistungsberechtigten mit anderen in der Sammelunterkunft Untergebrachten vorausgesetzt wird, wofür die objektive Beweislast und im Eilverfahren die Darlegungslast beim Leistungsträger liegt (vgl. LSG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 10.06.2020 – L 9 AY 22/19 B ER –, Juris Rn. 17 ff.; Sächs. LSG, Beschluss vom 23.03.2020 – L 8 AY 4/20 B ER –, Juris Rn. 38; SG Landshut, Beschluss vom 28.01.2020 – S 11 AY 3/20 ER –, Juris Rn. 59 ff.; Beschluss vom 23.01.2020 S 11 AY 79/19 ER –, Juris Rn. 38 ff.; Beschluss vom 24.10.2019 – S 11 AY 64/19 ER –, Juris Rn. 53 ff.; SG Frankfurt, Beschluss vom 14.01.2020 – S 30 AY 26/19 ER –, Juris Rn. 12 ff.; SG Bremen, Beschluss vom 03.07.2020 – S 39 AY 55/20 ER, Juris Rn. 20 ff.; SG München, Beschluss vom 10.02.2020 – S 42 AY 82/19 ER –, Juris Rn. 57; SG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 20.01.2020 – S 7 AY 5235/19 ER –, Juris Rn. 33 ff.; Oppermann/Filges in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG Rn. 170; Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG Rn. 41 ff.).
6. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher
6.1 – Hilfe zum Lebensunterhalt darf nicht so einfach versagt werden, ein Beitrag von RA Helge, Hildebrandt
weiter: sozialberatung-kiel.de
6.2 – Anmerkung zu: LSG Essen 19. Senat, Urteil vom 19.12.2019 – L 19 AS 1426/18
Autor: Prof. Dr. Volker Wahrendorf, Vors. RiLSG a.D.
Beschränktes Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr und anschließender geförderter Weiterbildungsmaßnahme
Orientierungssätze
1. Die Fortgeltung des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers im Inland aufgrund einer Arbeitnehmereigenschaft ist bei Eintritt unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung zulässiger Weise gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU 2004 auf sechs Monate beschränkt, auch wenn der Unionsbürger an einer von der BA geförderten Weiterbildungsmaßnahme teilnimmt, und führt nach Ablauf der sechs Monate zum Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst b SGB II.
2. Die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind europarechtskonform.
3. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II betreffend den Ausschluss von Unionsbürger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ist verfassungsgemäß.
weiter auf Juris
Hinweis:
Revision anhängig beim BSG – B 4 AS 24/20 R
6.3 – Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), Beschluss vom 30. Juni 2010 (VG 3 L 240/20):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Das erhebliche gesundheitliche Risiko einer möglichen Infizierung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund der sich in einer Gemeinschaftsunterkunft (§ 53 Abs. 1 AsylG) darstellenden Verhältnisse stellt für einen Asylbewerber einen schweren und unzumutbaren Nachteil dar, der aber auf andere Weise abwendbar ist als durch die vorläufige Aufhebung der gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG ausgesprochenen Wohnsitzauflage.
Entsprechend § 53 Abs. 1 AsylG kann im besonders begründeten Fall auch ein Anspruch auf eine Einzelzimmerunterbringung geltend gemacht werden. Hierdurch wird das Risiko einer möglichen Infizierung mit dem Coronavirus deutlich minimiert werden.
Dies gilt gerade dann, wenn die Wohnverhältnisse des Antragstellers nicht in Einklang mit der aktuellen SARS-CoV-2-UmgangsVO stehen, d. h. der Asylbewerber mit zwei weiteren Personen in einem 24,38 qm großen Durchgangszimmer untergebracht ist, das ebenfalls die beiden Bewohner des unmittelbar dahinter liegenden Zimmers zur Betretung ihres Wohnraums stets zu durchqueren haben.
Durch den Verbleib in einem Gemeinschaftszimmer mit beliebigen dritten Personen, einem Wohnraum, in dem das Abstandsgebot gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 SARS-CoV-2-UmgangsVO sich nicht einhalten lässt, wird der Antragsteller einem erhöhten Risiko der Infektion mit SARS-CoV-2 dauerhaft ausgesetzt.
In dieser Situation kann aber lediglich ein Anspruch auf eine Einzelunterbringung, nicht aber auf eine Unterbringung außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft geltend gemacht werden.
6.4 – Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 3. Juli 2020 (VG 8 L 444/20.A):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
Bejahung der Unterbringung außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft (§ 53 Abs. 1 AsylG) im Fall einer körperlich schwer erkrankten Asylbewerberin, die aus medizinischen Gründen auf eine eigene Wohnung mit Badezimmer angewiesen ist.
Hier handelt es sich um eine Person mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf, von der entsprechend § 53 Abs. 1 AsylG vom Regelfall der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft abgewichen werden darf, und die zuständige Behörde eine geeignete Wohnung anzumieten hat, in der diese Antragstellerin einem wesentlich geringeren Infektionsrisiko ausgesetzt ist.
6.5 – Urlaub und Stütze
Arbeitslosengeld bei Erkrankung im Ausland?
Auch wer arbeitslos gemeldet ist, darf verreisen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld geht dadurch nicht verloren. Aber was gilt, wenn man während der Reise krank wird?
Wer arbeitslos ist, muss für eine Jobvermittlung erreichbar sein. Daher gibt es die sogenannte Residenzpflicht. Es ist dennoch möglich zu verreisen.
Wer dann während eines Auslandsaufenthalts krankgeschrieben wird, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das entschied das Sozialgericht Stuttgart (Az.: S 3 AL 3965/19), wie das Rechtsportal anwaltauskunft.de des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Quelle: www.n-tv.de
Hinweis:
SG Stuttgart, Urt. v. 28.02.2020 – S 3 AL 3965/19
Arbeitslosengeld für Zeitraum einer im Ausland bescheinigten Arbeitsunfähigkeit
Das SG Stuttgart hat entschieden, dass der Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs der Agentur für Arbeit einem Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nicht entgegensteht.
Kurzfassung: www.juris.de
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker