BESCHLUSS
In der Verwaltungsrechtssache
xxx,
– Antragstellerin –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen
gegen
Pflegekammer Niedersachsen
vertreten durch die Präsidentin,
Hans-Böckler-Allee 9, 30173 Hannover
– Antragsgegnerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Rüping & Partner mbB,
Hohenzollernstraße 40, 30161 Hannover
wegen Untersagung einer öffentlichen Äußerung
hat das Verwaltungsgericht Hannover – 7. Kammer – am 24. September 2020 beschlossen:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Pressemitteilung vom 7. September 2020 („Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“) mit sofortiger Wirkung von ihrer Homepage zu entfernen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EURO festgesetzt.
GRÜNDE
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Entfernung einer Pressemitteilung von der Homepage der Antragsgegnerin.
Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um die Kammer für die Heilberufe in der Pflege für Niedersachsen, die im Jahr 2017 gegründet wurde. Kammermitglied ist unter anderem, wer die Erlaubnis hat, die Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“, „Altenpflegerin“ oder „Altenpfleger“, „Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin“ oder „Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger“ zu führen und diesen Beruf in Niedersachsen ausübt.
Die Antragstellerin ist Kammermitglied.
Nachdem es unter anderem Proteste sowie eine Online-Petition gegen die Antragsgegnerin gegeben hatte, entschied die Landesregierung, die Mitglieder der Antragsgegnerin zu deren Fortbestand und Zukunft zu befragen (vgl. bereits Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands [SPD] Landesverband Niedersachsen und der Christlich-Demokratischen Union [CDU] in Niedersachsen für die 18. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages, 2017 bis 2022, Bl. 65, Zeilen 1630 bis 1633).
In der Zeit vom 29. Juli 2020 bis zum 6. September 2020 fand eine Online-Befragung statt.
Am 7. September 2020 veröffentlichte die Antragsgegnerin auf ihrer Homepage die folgende Pressemitteilung:
„Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden
Das Ergebnis der Online-Befragung des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung unter den Mitgliedern der Pflegekammer ist keine valide Entscheidungsgrundlage gegen die Pflegekammer Niedersachsen.
Von den 78.000 angeschriebenen Pflegekräften haben nur knapp 15.100 Teilnehmende, also nur 19 % online geantwortet. Aus dem Ergebnis, dass etwa 13,7 % der Befragten eine Pflegekammer ablehnen, kann kein Auftrag abgeleitet werden, die Pflegekammer infrage zu stellen. Nach Angaben des Niedersächsischen Sozialministeriums hatten sich bei der Umfrage 70,6 % der 15.100 Antwortenden gegen den Fortbestand der Pflegekammer ausgesprochen, 22,6 % stimmten für einen Fortbestand der Kammer, 6,8 % der Antwortenden enthielten sich. Die Umfrage war vom 29. Juli bis zum 6. September 2020 unter 78.000 Mitgliedern der Pflegekammer Niedersachsen durchgeführt worden.
‚Die Pflegekammer Niedersachsen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Sie beruht auf einem gesetzlichen Auftrag, den der Landtag des Landes Niedersachsen erteilt hat. Er kann nicht einfach auf der Basis eines Minderheitenvotums revidiert werden. Dies ist rechtlich mehr als fragwürdig‘, betont Nadya Klarmann, Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen.
Selbst bei einem Volksentscheid, bei dem die Wahlberechtigten dem Landtag einen gesetzlichen Auftrag erteilen können, bedarf es eines Quorums von 25 % Zustimmung aller Wahlberechtigten. Hiervon sind die Ergebnisse der Online-Umfrage weit entfernt. Nur 13,7 % der Befragten haben sich gegen den Fortbestand der Pflegekammer Niedersachsen ausgesprochen. Eine Bewertung der Arbeit der Pflegekammer aufgrund dieser Ergebnisse entbehrt jeder Grundlage. Der gesetzliche Auftrag und die begonnene Arbeit der Pflegekammer Niedersachsen muss im Interesse der Pflegekräfte weiter aufgebaut und ausgebaut werden. Einen großen Berufsstand in die selbstverwaltete Autonomie zu führen, braucht mehr als zwei Jahre. Dennoch hat die Pflegekammer seit der konstituierenden Sitzung der Kammerversammlung im August 2018 unter großem Zeitdruck bereits zahlreiche Projekte realisiert.
Beispielhaft seien genannt:
– Die Pflegekammer Niedersachsen hat einen ersten Bericht zur Lage der Pflegefachberufe auf Grundlage einer Vollerhebung veröffentlicht. Damit stehen valide Daten zur Grundgesamtheit der Pflegefachberufe und zur pflegerischen Versorgung in Niedersachsen zur Verfügung. Der Bericht ist vor allem für Kommunalpolitiker eine wichtige Grundlage für zukunftsfähige Entscheidungen in der Pflege.
– Die Pflegekammer Niedersachsen hat landesweit 25 Regionalkonferenzen durchgeführt. Auf diesen haben die Kammermitglieder über die Inhalte der zu erstellenden Berufsordnung diskutiert. Erstmals hatten Pflegende gemeinsam die Möglichkeit sich mit ihrem Berufsverständnis auseinanderzusetzen.
– Die Pflegekammer Niedersachsen hat eine Ethikkommission errichtet. Diese berät die Mitglieder der Pflegekammer. Bisher hatten Pflegekräfte kaum die Möglichkeit, sich mit ethisch versierten Fachleuten auszutauschen.
– Die Pflegekammer Niedersachsen vertritt ihre Mitglieder in verschiedenen Gremien auf Landesebene (z.B. der Landespflegeausschuss des Landtags Niedersachsen). In den Gremien haben die dort engagierten Pflegekammermitglieder jetzt einen Sitz und Stimme.
– Die Pflegekammer Niedersachsen hat in Zusammenarbeit mit den anderen beiden Pflegekammern Vertreter in der Konzertierten Aktion Pflege auf Bundesebene gestellt, die sich für die Verbesserung der Pflege einsetzen.
– Die Pflegekammer Niedersachsen ist Ansprechpartner bei pflegefachlichen und pflegeberuflichen Anliegen. Allein 2019 hat sie fast 20.000 Anfragen im Bereich der Mitgliederkommunikation beantwortet. Auch in Zeiten von Corona vertritt die Pflegekammer die Interessen der Pflegekräfte:
– Die Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen hat sich dafür eingesetzt, dass nicht nur diejenigen Anspruch auf eine Kindernotbetreuung haben, wenn beide Elternteile in der Pflege arbeiten, sondern dass jede Pflegekraft unabhängig vom Beruf des Partners Anspruch auf die Kindernotbetreuung hat.
– Bereits am 15. März dieses Jahres hat die Präsidentin Nadya Klarmann die Systemrelevanz der Pflegekräfte deutlich gemacht und ausreichend Schutzmaterial und regelmäßige Testungen gefordert.
– Derzeit arbeitet die Kammer an einer neuen Weiterbildungsordnung. Das Land Niedersachsen hat die Weiterbildungsordnung 18 Jahre nicht erneuert. Die Pflegekammer hat auf den dringenden Bedarf reagiert und begonnen eine am Bedarf der Pflege ausgerichtete Weiterbildungsordnung zu erstellen.
– Die Pflegekammer arbeitet aktuell am Aufbau einer unabhängigen Meldestelle, um Missstände anzuzeigen. Als Behörde wird sie bei anderen Behörden weitaus besser wahrgenommen als einzelne Pflegefachpersonen.
Nadya Klarmann, Präsidentin der Pflegekammer fordert daher: ‚Das niedersächsische Gesundheitsministerium soll der Pflegekammer die notwendige Zeit geben, ihren gesetzlichen Auftrag weiter zu erfüllen. Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden! Die systemrelevante Berufsgruppe der Pflegekräfte braucht eine starke Stimme, die ihre mehr als berechtigten Interessen vertritt.‘
Die Pflegekammer Niedersachsen
Die Pflegekammer Niedersachsen ist die dritte und größte Pflegekammer Deutschlands. Sie besteht seit dem 01. Januar 2017. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihr Sitz ist in Hannover. Über 90.000 Pflegefachpersonen mit Abschlüssen in der Altenpflege, Gesundheits- und Kranken- sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sind Mitglied der Kammer. Die Pflegekammer setzt sich dafür ein, die Situation der Pflegefachberufe zu verbessern, den Pflegeberuf weiterzuentwickeln und die professionelle Pflege der Bevölkerung sicherzustellen.“ (vgl. https://www.pflegekammer-nds.de, letzter Abruf: 23. September 2020).
Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung veröffentlichte ebenfalls am 7. September 2020 die folgende Pressemitteilung:
„Pflegekammer Niedersachsen wird aufgelöst
Abstimmung zur Zukunft der Pflegekammer abgeschlossen – 70,6 Prozent der Mitglieder stimmen gegen Fortbestand
In den letzten Monaten ist kontrovers über die Pflegekammer Niedersachsen diskutiert und gestritten worden. Insbesondere hatten sich Mitglieder der Kammer selbst aus unterschiedlichen Gründen wiederholt und auf breiter Basis vehement gegen den Fortbestand der Pflegekammer positioniert. Die Landesregierung hatte sich daher entschieden, die Mitglieder der Pflegekammer selbst zum Fortbestand und zur Zukunft der Pflegekammer zu befragen. […] Die Befragung […] ist abgeschlossen und hat ein eindeutiges Ergebnis erbracht: An der Abstimmung über die Zukunft der Pflegekammer haben insgesamt 15.100 von rund 78.000 der befragten Mitglieder der Pflegekammer Niedersachsen teilgenommen (= 19,4 Prozent). Mit den abgegebenen Stimmen haben sich 22,6 Prozent der Mitglieder für den Fortbestand der Pflegekammer ausgesprochen, 6,8 Prozent haben sich enthalten; eine Mehrheit von 70,6 Prozent hat sich jedoch dafür ausgesprochen, die Pflegekammer aufzulösen. Sozialministerin Dr. Carola Reimann hatte im Vorfeld angekündigt, dass das Ergebnis der Mitgliederbefragung für die Landesregierung politisch bindend sein werde. Vor dem Hintergrund des mehrheitlichen Ergebnisses der Mitgliederbefragung wird die Landesregierung jetzt die Auflösung der Pflegekammer einleiten. Dazu ist ein Gesetzentwurf vorzulegen, mit dessen Erarbeitung bereits begonnen wurde. Im Vorfeld sind zunächst anstehende Sachfragen zu klären; u.a. ist zu entscheiden, wer künftig die der Kammer übertragenen Aufgaben wahrnehmen wird. […]“ (vgl. https://www.ms.niedersachsen.de, letzter Abruf: 23. September 2020).
Mit Schreiben vom 9. September 2020 forderte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Antragsgegnerin dazu auf, die Pressemitteilung unverzüglich zurückzuziehen, diese von der Homepage zu entfernen und nicht weiter zu verbreiten.
Am selben Tag hat die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts zu den Grenzen zulässiger Äußerungen von Industrie- und Handelskammern sei auf die Äußerungen der Antragsgegnerin als berufsständische Kammer zu übertragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 C 20/09 -, jeweils juris). Es fehle in der streitbefangenen Pressemitteilung an der ausgewogenen Darstellung sämtlicher Auffassungen, die zu dem hoch umstrittenen Thema der Zukunft der Antragsgegnerin vertreten würden. Dort würde die Meinung derjenigen, die für eine Abschaffung der Antragsgegnerin seien, nicht ausreichend dargestellt. Für eine Pressemitteilung mit diesem Inhalt hätte es zudem der Entscheidung durch die Kammerversammlung bedurft. Es handele sich nicht um eine Angelegenheit des laufenden Geschäfts, die Frage der Abschaffung oder des Fortbestands der Antragsgegnerin stelle vielmehr eine grundsätzliche Frage dar. Selbst wenn es im Vorfeld Telefonate oder eine Videokonferenz zwischen der Präsidentin der Antragsgegnerin und einzelnen Mitgliedern der Kammerversammlung gegeben habe, erfüllten diese nicht die gesetzlichen Anforderungen an ein rechtmäßiges Verfahren. Die Einladung zu einer Kammerversammlung erfolge öffentlich, nur so hätten die Mitglieder der Antragsgegnerin die Möglichkeit, auf die Mitglieder der Kammerversammlung vor der Abstimmung Einfluss zu nehmen. Die Antragstellerin könne sich auf die Einhaltung des vorgesehenen Beteiligungsverfahrens nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, da eine Entscheidung des Hauptsacheverfahrens erst zu einem Zeitpunkt ergehen würde, wenn das Thema längst nicht mehr aktuell sei. Durch die Pressemitteilung seien die Grundrechte der Antragstellerin verletzt, so dass ein schwerer Nachteil entstehen könne. Überdies bestehe die Gefahr, dass die Landesregierung durch die Pressemitteilung beeinflusst werde und von der Abwicklung der Antragsgegnerin Abstand nehme.
Die Antragstellerin beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Pressemitteilung vom 7. September 2020 („Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“) mit sofortiger Wirkung von ihrer Homepage zu entfernen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: Die Antragsgegnerin habe ihre Kompetenzen durch den Erlass der Pressemitteilung nicht überschritten; die Pressemitteilung sei sachlich und zurückhaltend. Die Äußerung betreffe eine für die Antragsgegnerin „existenzielle Frage“, eine Stellungnahme müsse ihr daher möglich sein. Ziel des Eilantrags sei es, jegliche Teilnahme der Antragsgegnerin an der momentan stattfindenden Diskussion zu unterbinden. In der Pressemitteilung seien Tatsachen zutreffend wiedergegeben und überdies die Auffassung der Gegner des Fortbestehens der Antragsgegnerin erläutert worden: So sei auf Seite 1 der Pressemitteilung ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass 13,7 % der befragten Mitglieder den Fortbestand der Antragsgegnerin ablehnten. Bei der Frage des Fortbestands der Antragsgegnerin handele es sich nicht um eine kontrovers diskutierte Frage; so seien sich die Mitglieder des Vorstands sowie diejenigen der Kammerversammlung darüber einig, dass die Antragsgegnerin dringend benötigt werde. Zwar befänden sich unter den Kammermitgliedern selbstverständlich Kritiker, die Rechtsprechung habe allerdings niemals gefordert, dass die Antragsgegnerin in ihren Verlautbarungen darauf hinweisen müsse. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge daher keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Darstellung der Position der Gegner des Fortbestands der Antragsgegnerin (unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 C 20/09 -, juris). Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe zudem ein Grundsatzpapier und nicht – wie hier – eine Pressemitteilung. Der Hinweis in der Pressemitteilung darauf, dass die Antragsgegnerin mehr Zeit für die Durchsetzung ihrer Ziele benötige, sei zutreffend. Die Antragsgegnerin sei ferner berechtigt, die Auffassung zu verbreiten, dass das Vorhaben des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung rechtlich fragwürdig sei, da dessen Vorgehensweise mit Blick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs rechtswidrig sei (unter Verweis auf die Entscheidung des Bayerischen VGH, Beschluss vom 21. November 2016 – Vf. 15-VIII-14, Vf. 8-VIII-15 -, NVwZ 2017, S. 319). Auch die Kammerversammlung habe das Ministerium am 16. Juni 2020 aufgefordert, eine neue Befragung der Mitglieder unter anderem mit eindeutigen Fragestellungen durchzuführen. Die Herausgabe von Pressemitteilungen stelle – anders als etwa ein Grundsatzpapier – ein Geschäft der laufenden Verwaltung dar, daher habe es nicht einer Entscheidung der Kammerversammlung bedurft. Überdies erfordere die Pressearbeit eine schnelle Reaktion, so dass die vorherige Einberufung der Kammerversammlung nicht verlangt werden könne; dies würde Pressearbeit mit Bezug zu aktuellen Themen unmöglich machen und zu einer Lähmung der Antragsgegnerin führen. Zudem habe sich die Mehrheit der Mitglieder der Kammerversammlung für die Veröffentlichung der Pressemitteilung ausgesprochen: Am 6. September 2020 habe eine Videokonferenz der Kammerversammlung stattgefunden, an der 15 der insgesamt 31 Mitglieder der Kammerversammlung teilgenommen hätten. Diese hätten sich einstimmig für die Veröffentlichung der Pressemitteilung ausgesprochen. Am selben Tag habe auch ein weiteres Mitglied der Kammerversammlung gegenüber der Präsidentin der Antragsgegnerin die Zustimmung zu der Veröffentlichung der Pressemitteilung erklärt. Die Mitglieder der Kammerversammlung seien zu diesen Zeitpunkten über das Ergebnis der Online-Befragung informiert gewesen. Die Antragsgegnerin vertritt schließlich die Auffassung, dass eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt werde und kein Anordnungsgrund vorliege. Ein schwerer Nachteil sei nicht glaubhaft gemacht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig; er ist insbesondere statthaft nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht den Mitgliedern einer Kammer dann, wenn es zu Konflikten um Äußerungen einer Kammer kommt, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen; hier kann auch im Eilrechtsschutz etwaigen Überschreitungen der Kompetenzen einzelner Kammerorgane entgegengetreten werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, juris, Rn. 73).
Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Jedenfalls eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) durch die Inanspruchnahme als Mitglied einer Zwangskorporation erscheint dann möglich, wenn die Kammer bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich gesetzten Grenzen nicht einhält (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 C 20/09 -, juris, Rn. 21).
2. Der Antrag ist auch begründet.
Auf Antrag kann das Gericht – auch schon vor Klageerhebung – eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Voraussetzung ist hierbei, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Über den Erfolg des Antrags ist aufgrund einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Ergibt die überschlägige rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der verfügbaren und vom Antragsteller glaubhaft zu machenden Tatsachenbasis, dass von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen ist, besteht regelmäßig ein Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 22. September 2017 – 4 B 268/17 -, juris).
Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Wird mit der begehrten Entscheidung allerdings die Hauptsache – wie hier – vorweggenommen, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BayVGH, Beschluss vom 18. März 2016 – 12 CE 16.66 -, juris, Rn. 4).
a) Gemessen an diesen Maßstäben hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Prüfungsmaßstab für den Schutz vor der Inanspruchnahme als Mitglied einer Zwangskorporation ist Art. 2 Abs. 1 GG. Die Antragstellerin hat als Pflichtmitglied der Antragsgegnerin einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Tätigkeit, die ihr gesetzlich gesetzten Grenzen einhält. Denn die Pflichtzugehörigkeit zu dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaft und der darin liegende Eingriff in das Grundrecht der Pflichtmitglieder aus Art. 2 Abs. 1 GG ist allein durch die – nach der maßgeblichen Einschätzung des Gesetzgebers – im öffentlichen Interesse liegende und deshalb notwendige Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben gerechtfertigt (so auch BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 C 20/09 -, juris, Rn. 21 m.w.N.).
aa) Für die rechtliche Beurteilung der Pressemitteilung der Antragsgegnerin sind diejenigen Maßstäbe anzuwenden, die das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Grenzen zulässiger Äußerungen von Industrie- und Handelskammern entwickelt hat (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 C 20/09 -, juris). Zwar bestehen zwischen der Antragsgegnerin und einer Industrie- und Handelskammer Unterschiede: So betrifft die Verkammerung der Pflegekräfte zuvörderst abhängig Beschäftigte und nicht Selbstständige, zudem erfüllen die Kammern jeweils unterschiedliche – gesetzlich vorgeschriebene – Zwecke (vgl. dahingehend etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 22. August 2019 – 8 LC 116/18 -, juris, Rn. 75 und § 1 Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern [IHKG] einerseits sowie § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Kammergesetzes für die Heilberufe in der Pflege [PflegeKG] andererseits). Gleichwohl begründet das Bundesverwaltungsgericht die im Folgenden dargestellten Maßgaben insbesondere damit, dass sich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit gesetzlich vorgeschriebener Zwangsmitgliedschaft bei der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben nach dem gesetzlich vorgegebenen Zweck richten müsse. Nach § 1 Abs. 1 IHKG haben die Industrie- und Handelskammern unter anderem den Zweck, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dieser Ansatz ist, da die Antragsgegnerin ebenfalls in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, eine Pflichtmitgliedschaft vorgesehen ist und die Aufgaben der Kammer gesetzlich vorgegeben sind (vgl. §§ 9 ff. PflegeKG), auf diese zu übertragen. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin eine Übertragung der Maßgaben des Bundesverwaltungsgerichts mit dem Argument ablehnt, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe eine Grundsatzerklärung, in der hier streitbefangenen Konstellation sei allerdings eine Pressemitteilung streitbefangen, verfängt dieser Einwand nicht. Die Maßgaben des Bundesverwaltungsgerichts sind abstrakt formuliert und beziehen sich auf sämtliche „Äußerungen“:
„Ist thematisch der Kompetenzbereich der Industrie- und Handelskammer eröffnet, und damit die Frage, ob sie sich zu einem bestimmten Sachverhalt äußern darf, bejaht, ist bei der Form, die sie dabei zu wahren hat, sozusagen dem ‚Wie‘ der Äußerung, zu beachten, dass die Industrie- und Handelskammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Daraus ergibt sich eine generelle Beschränkung ihrer Tätigkeit im Vergleich zu Interessenverbänden und politischen Parteien […]. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt auch die den Industrie- und Handelskammern übertragene Aufgabe der Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat keine reine Interessenvertretung dar […]. Sie müssen stets auf das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft ausgerichtet sein und dürfen die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe lediglich abwägend und ausgleichend berücksichtigen. Es ist ihnen die gesetzliche Verantwortung dafür auferlegt, dass sie im Rahmen ihrer Aufgabe, die gewerbliche Wirtschaft im Ganzen zu fördern, als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen […]. Das setzt voraus, dass die Äußerungen der Industrie- und Handelskammern sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren. Damit sind nicht nur Anforderungen an die Formulierung gestellt, was polemisch überspitzte oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegte Aussagen ausschließt; die notwendige Objektivität verlangt auch eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien und gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen. Da das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft Bezugspunkt der Aufgabenwahrnehmung ist und dies eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Gewerbezweige erfordert, muss eine Äußerung, die zu besonders umstrittenen Themen erfolgt, auch diese Abwägung erkennen lassen.“
bb) Ausgehend von diesen Maßgaben des Bundesverwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin die Grenze zulässiger Äußerungen durch die streitbefangene Pressemitteilung überschritten.
(1) Den normativen Ausgangspunkt der Prüfung bildet § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG. Aus dieser Vorschrift folgt, dass es unter anderem Aufgabe der Antragsgegnerin ist, im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit gemeinsame berufliche Belange der Kammermitglieder wahrzunehmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die Norm so auszulegen, dass die Kammer die berufsständischen Interessen der Pflege bündeln soll (vgl. LT-Drs. 17/5110, S. 35). Zu den Hauptaufgaben der Antragsgegnerin als Organ der Selbstverwaltung gehört es daher, im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit die gemeinsamen beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder zu wahren (ibid.). Sowohl aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG als auch aus der Gesetzesbegründung folgt, dass die Antragsgegnerin nicht allein einzelne Interessen ihrer Mitglieder wahrnehmen und vertreten, sondern sämtliche Interessen der Kammermitglieder im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung berücksichtigen muss.
(2) Die streitbefangene Pressemitteilung lässt das im Einzelfall erforderliche Maß an Objektivität an zwei Stellen vermissen. Zudem fehlt es an einer ausgewogenen Darstellung der vertretenen Auffassungen aller Mitglieder. Diese drei Gründe tragen die Entscheidung jeweils selbstständig.
Im Einzelnen:
Bereits die Überschrift, die durch die Schriftgröße und den Fettdruck besonders hervorgehoben wird, besagt, dass „Pflege […] nicht auf stumm geschaltet werden“ dürfe und enthält ein Zitat der Präsidentin der Antragsgegnerin (vgl. Zeile 62 f. der Pressemitteilung). Diese Formulierung führt zu einer Verengung der Darstellung. Sie suggeriert, dass sich alle in der Pflege in Niedersachsen tätigen Personen (nur) über die Antragsgegnerin äußern (wollen) und es keine andere Möglichkeit für diesen Personenkreis gibt, sich Gehör zu verschaffen. Es wird unterstellt, dass die Antragsgegnerin die einzige „Stimme“ der in der Pflege Tätigen in Niedersachsen ist. Durch die Online-Befragung des Ministeriums ist allerdings gerade deutlich geworden, dass jedenfalls etwa 10.661 Personen (70,6 % von 15.100 Personen) nicht durch die Antragsgegnerin repräsentiert werden wollen. Soweit die Wendung, dass „Pflege […] nicht auf stumm geschaltet werden“ dürfe, in den Zeilen 62 und 63 der Pressemitteilung wiederholt wird, erachtet die Kammer diese Formulierung allerdings nicht als unzulässige Überschreitung der Grenze rechtmäßiger Äußerungen, da die Wendung in diesem Kontext als Direktzitat der Kammerpräsidentin kenntlich gemacht wird.
Es tritt selbstständig tragend hinzu, dass im dritten Absatz der Pressemitteilung (Zeile 17) erklärt wird, eine Bewertung der Arbeit der Antragsgegnerin aufgrund der Ergebnisse der Online-Befragung entbehre „jeder Grundlage“. Dass überhaupt keine Grundlage für die Bewertung der Arbeit der Antragsgegnerin existiert, ist vor dem Hintergrund des Ausgangs des Mitgliedervotums und der etwa 10.661 Personen, die den Fortbestand der Antragsgegnerin ablehnen, objektiv nicht zutreffend.
Ungeachtet dessen, fehlt es an einer ausgewogenen Darstellung der vertretenen Auffassungen der Gesamtheit der Kammermitglieder. Anders als der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin in seinem Schriftsatz vom 23. September 2020 meint, sind nicht allein die Aussagen der Organe der Antragsgegnerin, sondern auch diejenigen der Mitglieder zu beachten. Dem Plädoyer für den Fortbestand der Antragsgegnerin, der Kritik an dem Verfahren der Online-Befragung durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sowie der umfassenden Darstellung der Argumente der Befürworter eines Fortbestands der Antragsgegnerin – etwa durch die Zitate der Kammerpräsidentin und die Aufzählung in den Zeilen 23 bis 59 der Pressemitteilung – wird an keiner Stelle die Argumentation der Gegner eines Fortbestands gegenübergestellt, die Pressemitteilung ist insoweit einseitig. Diese Frage des Fortbestands der Antragsgegnerin ist jedoch hoch umstritten. Dass kein einheitliches Meinungsbild besteht, wird unter anderem bereits durch das Ergebnis der durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung durchgeführten Befragung der Mitglieder der Antragsgegnerin deutlich: Diese hat ergeben, dass die Mehrheit derjenigen, die an der Abstimmung teilgenommen haben, für eine Abschaffung der Antragsgegnerin gestimmt haben. Ausweislich der streitbefangenen Pressemitteilung haben 70,6 % aller Teilnehmer der Befragung (und damit etwa 10.661 Personen, 70,6 % von 15.100 Personen, vgl. bereits zuvor) gegen den Erhalt der Antragsgegnerin gestimmt. Dem stehen etwa 3.413 Personen gegenüber, die den Erhalt befürworten (22,6 % von 15.100 Personen). Welche Auffassung diejenigen Personen, die nicht an der Online-Befragung teilgenommen haben, vertreten, ist ungewiss. So wird erkennbar, dass eine nicht unwesentliche Anzahl von Mitgliedern der Antragsgegnerin deren Fortbestand nicht befürwortet. Das Interesse und die Argumente dieser Personen werden durch die Pressemitteilung nicht in ausreichender Form gewürdigt, obgleich § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG die Wahrung der Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder vorschreibt. Es trifft zu, dass die Antragsgegnerin in der streitbefangenen Pressemitteilung die Tatsache darstellt, dass 13,7 % der befragten Mitglieder der Antragsgegnerin sich gegen ihren Fortbestand ausgesprochen haben. Diese Tatsache wurde aber stets eingebettet in die Wertung, dass diese Anzahl von Personen nicht repräsentativ sei und daraus kein politischer Handlungsauftrag hergeleitet werden könne.
(3) Die beschließende Kammer verkennt schließlich nicht, dass es sich bei der Frage nach dem Fortbestand der Antragsgegnerin um eine in hohem Maße umstrittene Frage handelt, zu der sich auch die Antragsgegnerin selbst äußern möchte. Daher ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen nicht das „Ob“ der Äußerung, sondern allein das „Wie“ – mithin die konkrete Formulierung und insbesondere die Ausgewogenheit der Pressemitteilung – betreffen. Die Kammer stellt klar, dass es der Antragsgegnerin nicht verwehrt ist, sich zu diesen Vorgängen zu äußern, solange die dargestellten Maßgaben beachtet werden. Gerade weil es sich jedoch um eine derart gewichtige Frage – mit gegebenenfalls einschneidenden Konsequenzen für die Akteure – handelt, und es um den Bestand der Antragsgegnerin geht, muss eine Darstellung der verschiedenen Interessen der Gesamtheit der Mitglieder erfolgen und erkennbar sein.
cc) Die darüber hinaus von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen – etwa ob die Antragsgegnerin Verfahrensvorgaben verletzt hat, und ob die zuständigen Organe beteiligt worden sind – können hier offenbleiben.
b) Der Antragstellerin steht überdies ein Anordnungsgrund für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite. Eine Eilbedürftigkeit ist gegeben. Der Anordnungsgrund für einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ergibt sich zuvörderst aus dem Inhalt des Rechtsschutzbegehrens selbst, das auf eine sofortige Verpflichtung der Antragsgegnerin gerichtet ist (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, juris, Rn. 73). Der von der Pressemitteilung betroffene Vorgang ist zudem politisch außergewöhnlich. Es ist naheliegend, dass es auch in der Zukunft eine andauernde öffentliche Debatte zu den streitigen Punkten geben wird. Davon ist bereits deshalb auszugehen, da die niedersächsische Sozialministerin angekündigt hat, dass sie das Votum der Kammermitglieder als bindend erachte und daher beabsichtige, zunächst dem Kabinett und sodann dem Niedersächsischen Landtag einen Vorschlag zur Umsetzung des Mitgliederentscheides vorzulegen. Im Zuge dieses Verfahrens wird die streitbefangene Pressemitteilung weiterhin Wirkung entfalten. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen vor. Die einstweilige Anordnung erscheint nötig, da durch die Veröffentlichung der Pressemitteilung die Auffassung der Antragstellerin sowie eines nicht unerheblichen Teils der Mitgliederschaft durch die Antragsgegnerin, deren Pflichtmitglied die Antragstellerin ist, nicht hinreichend in der weiterhin zu erwartenden öffentlichen Diskussion dargestellt wird.
c) Es handelt sich schließlich um eine zulässige Vorwegnahme der Hauptsache, da effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf andere Weise nicht zu erreichen ist. Würde die Antragstellerin auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen, könnte die politische Debatte und Entscheidung über die Zukunft der Antragsgegnerin bereits abgeschlossen sein.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11). Eine Reduzierung des Streitwerts erfolgt nicht, da der Antrag die Vorwegnahme der Hauptsache zum Gegenstand hat (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2020 – 20 L 1781/20 -, juris, Rn. 94).
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.