OVG Niedersachsen: Polizeiliche Kameraüberwachung in Hannover über Jahre weitgehend rechtswidrig

Mit Urteil vom 06.10.2020 hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen (Az.: 11 LC 149/16) die jahrelange anlasslose Videoüberwachung durch Kameras der Polizeidirektion Hannover für rechtswidrig erklärt. Mit der Entscheidung geht ein indes neun Jahre lang laufender Rechtsstreit zuende. Geklagt hatte ein Mitglied der Initiative freiheitsfoo aus Hannover, der bereits 2010 und 2011 vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hannover erfolgreich auf die Untersagung der Nutzung diverser Kameras geklagt hatte.

Gegenstand des nun entschiedenen Verfahrens waren im Jahr 2011 insgesamt 78 Kameras, die von der Polizeidirektion Hannover anlasslos und teils rund um die Uhr betrieben wurden. Nachdem bereits das VG Hannover mit Urteilen vom 14.07.2011 und 09.06.2016 gerichtlich die Kennzeichnung etlicher Kameras verfügte sowie die Nutzung von 56 Kameras untersagte, schaltete die PD Hannover einen Großteil der streitigen Kameras ab oder gab diese an die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr zur dortigen Nutzung ab. Dennoch legte die PD Hannover wegen der Nutzung von einer dauerhaft und sieben temporär genutzten Kameras, deren Betrieb das Verwaltungsgericht untersagt hatte, die Berufung zum Oberverwaltungsgericht ein. Das OVG bestätigte nun aber die Rechtswidrigkeit der Nutzung dieser Kameras. Die Kameras seien hiernach nicht oder nur unzureichend kenntlich gemacht und die jährliche polizeiliche Kriminalstatistik begründe jedenfalls keine Erforderlichkeit temporär eingesetzter Kameras, wie das Gericht in der mündlichen Urteilsbegründung erläuterte.

Wir sind überzeugt, dass das Niedersächsische Polizeigesetz (“NPOG”) auch hinsichtlich der anlasslosen Kameraüberwachung verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspricht. Die mangelnde Kenntlichmachung der Überwachung und die unzureichende Begründung der Überwachung sind nur zwei unserer vielen Kritikpunkte an der anlasslosen Überwachung” stellt Michael Ebeling fest, der die Klage für die Initiative freiheitsfoo geführt hat. “Aber auch wenn wir gerne die gesetzlichen Grundlagen dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt hätten, ist dieses Urteil ein Riesenerfolg.” so Ebeling weiter. “Dass die Polizeikameras im Wesentlichen gar keinen präventiven, also straftatsverhindernden Effekt ausüben, haben Kriminologen jüngst erst in einer Studie erneut belegt. Das alleine sollte doch als Grund genügen, den Einsatz der stationären Polizeikameras per se in Frage zu stellen.

Die Polizeidirektion muss nun sämtliche noch streitgegenständlichen Kameras abschalten und auch hinsichtlich weiterer Kameras, die noch nicht Gegenstand der Klage waren, die Kenntlichmachung völlig neu konzipieren sowie die Kameras auf ihre Erforderlichkeit prüfen” erläutert der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der den Kläger rechtlich vor dem OVG vertreten hat, die Bedeutung des Verfahrens. “Aktuell dürfte jedenfalls keine polizeilich verwendete stationäre Kamera in Hannover den gesetzlichen Vorgaben entsprechen” so Adam abschließend.

Für Rückfragen stehen Michael Ebeling (Mobil: 01577 / 39 19 170) und RA Sven Adam unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.