Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht – Urteil vom 06.10.2020 – Az.: 11 LC 149/16

Teil II des Urteils vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht:
Teil I ist hier zu finden
 

(g) Eine weitere tatbestandliche Einschränkung enthalten die maßgeblichen Vorschriften dadurch, dass die Beobachtung bzw. die Aufzeichnung zur Verhütung von Straftaten (§ 32 Abs. 3 Satz 3 NPOG) bzw. von Straftaten oder nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten (§ 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG) „erforderlich“ sein muss. Erforderlich ist eine Beobachtung nur, wenn kein ähnlich geeignetes, für die Betroffenen weniger einschneidendes Mittel zur Erfüllung des Zwecks zur Verfügung steht (vgl. Petri, in: Lisken/Denninger, a.a.O., Kap. G, Rn. 774). Durch das Erforderlichkeitskriterium wird zugleich gewährleistet, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in jedem Einzelfall gewahrt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.12.2018 – 1 BvR 142/15 -, a.a.O., juris, Rn. 100).

Insgesamt ist somit festzustellen, dass die in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 NPOG enthaltenen Regelungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots genügen.

bb) Die vorliegend maßgeblichen Regelungen wahren auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser erfordert, dass die Regelungen einen legitimen Zweck verfolgen (1.) und zur Erreichung des Zwecks geeignet (2.), erforderlich (3.) und verhältnismäßig im engeren Sinne (4.) sind.

(1.) Mit dem oben dargestellten (Primär-) Zweck der Regelung, durch die offene Beobachtungsmaßnahme die Begehung von Straftaten und nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten an öffentlich zugänglichen Orten zu verhüten und potenzielle Täter von der Begehung derartiger Taten abzuschrecken, verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.7.1999 – 1 BvR 2226/94 -, BVerfGE 100, 313, juris, Rn. 212; BVerwG, Urt. v. 25.1.2012 – 6 C 9/11 -, a.a.O., juris, Rn. 42; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.7.2003 – 1 S 377/02 -, a.a.O., juris, Rn. 49).

(2.) Die in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 NPOG normierte Videobeobachtung stellt auch ein zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignetes Mittel dar (vgl. Siegel, NVwZ 2012, 738, 741). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Geeignetheitsprognose ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zusteht, der erst dann überschritten ist, wenn sich die Maßnahme als objektiv oder evident untauglich erweist (st. Rspr., vgl. BVerfG, Urt. v. 14.7.1999 – 1 BvR 2226/94 -, a.a.O., juris, Rn. 214, m.w.N.). Anhaltspunkte für eine derartige objektive oder evidente Untauglichkeit sind vorliegend weder vom Kläger vorgetragen noch für den Senat ersichtlich.

(3.) Die in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 3 NPOG geregelte Videoüberwachung ist auch zur Erreichung ihres Zwecks erforderlich. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass ein gleich wirksames, die Grundrechtsträger aber weniger beeinträchtigendes Mittel nicht zur Verfügung steht, ist nicht zu beanstanden (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010 – 4 Bf 276/07 -, juris, Rn. 96). Dies gilt zunächst für die Alternative, einen Kriminalitätsrückgang durch den verstärkten Einsatz von Polizeikräften vor Ort herbeizuführen. Mit Blick auf die Situation der öffentlichen Haushalte im allgemeinen und die angespannte Personalsituation im Polizeibereich im Besonderen bestehen bereits Zweifel, dass die Steigerung der Polizeipräsenz in einem Maß, das eine mit einer Videokamera vergleichbare Überwachungswirkung gewährleistet, überhaupt realisierbar wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.7.2003 – 1 S 377/02 -, a.a.O., juris, Rn. 53; Nusser, in: Möstl/Trurnit, a.a.O., § 21, Rn. 30). Jedenfalls wäre eine solche vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung wegen deutlich höherer Kosten sowie im Hinblick auf die bei der technischen Überwachung bestehenden Möglichkeiten des Zoomens und des Aufzeichnens weniger effektiv und daher nicht in gleicher Weise wirksam wie die Videobeobachtung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.7.2003 – 1 S 377/02 -, a.a.O., juris, Rn. 53; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010 – 4 Bf 276/07 -, juris, Rn. 96). Eine verdeckte Beobachtung stellt ebenfalls kein gleich geeignetes, milderes Mittel dar, denn zum einen kann mit ihr aufgrund der fehlenden Offenheit der bezweckte Abschreckungseffekt nicht erzielt werden, so dass sie sich als weniger effektiv erweist (Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, a.a.O., § 15 a, Rn. 24). Zum anderen erschwert ein verdecktes Vorgehen den Betroffenen die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, so dass eine verdeckte Beobachtung für die Betroffenen auch kein milderes Mittel darstellt (Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, a.a.O., § 15 a, Rn. 24).

(4.) Die durch die Videobeobachtung bewirkte Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Gemeinwohlzwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Für den vom Gesetzgeber herbeizuführenden angemessenen Ausgleich kommt es auf grundrechtlicher Seite auf die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen an. Auf Seiten der Gemeinwohlinteressen ist das Gewicht der verfolgten Ziele und Belange maßgeblich, was unter anderem davon abhängt, wie groß die Gefahren sind, denen begegnet werden soll, und wie wahrscheinlich ihr Eintritt ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.7.1999 – 1 BvR 2226/94 -, a.a.O., juris, Rn. 221; dasselbe, Urt. v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348, juris, Rn. 137; BVerwG, Urt. v. 25.1.2012 – 6 C 9/11 -, a.a.O., juris, Rn. 47, jeweils m.w.N.).

An diesem Maßstab gemessen greifen die Regelungen in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 NPOG nicht unzumutbar in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen ein. Wie bereits oben ausgeführt, stellt die mit den genannten Vorschriften ermöglichte Videobeobachtung öffentlich zugänglicher Orte – insbesondere in der Form der Bildaufzeichnung – einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Hinzu kommt, dass der Eingriff nicht an ein störendes Verhalten des Betroffenen anknüpft, sondern anlasslos im Vorfeld der Begehung von Straftaten stattfindet und eine Vielzahl von Personen betrifft. Von der Videobeobachtung werden unterschiedslos alle Personen erfasst, die sich im überwachten Bereich aufhalten. Jedoch stehen diesen Beeinträchtigungen die öffentlichen Interessen an der Verhütung und Abwehr von Straftaten und damit ein Belang von hoher Bedeutung gegenüber (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.7.2003 – 1 S 377/02 -, a.a.O., juris, Rn. 58).

Vor diesem Hintergrund trägt der Niedersächsische Gesetzgeber mit den streitgegenständlichen Bestimmungen zu den Eingriffsvoraussetzungen der Videobeobachtung dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hinreichend Rechnung. Durch die tatbestandliche Einschränkung des Anwendungsbereichs ist gewährleistet, dass Grundrechtseingriffe dieser Art die Ausnahme bleiben und nicht etwa ein flächendeckendes Überwachungssystem etabliert wird. Vielmehr wird der Anwendungsbereich der Videobeobachtung sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht auf besondere öffentlich zugängliche Orte beschränkt, wodurch eine nachvollziehbare Eingriffsschwelle geschaffen und zugleich die Zahl der Betroffenen eingegrenzt wird. Das Gewicht der grundrechtlichen Belange relativiert sich schließlich dadurch, dass die Maßnahme offen erfolgt und lediglich das Verhalten der Betroffenen in der Öffentlichkeit betrifft (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.2012 – 6 C 9/11 -, a.a.O., juris, Rn. 48). Da nur öffentliche Straßen und Plätze sowie öffentlich zugängliche Orte betroffen sind, ist sichergestellt, dass im Rahmen von Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG besonders empfindliche und schutzbedürftige Bereiche wie zum Beispiel Wohnungen, Büros, Arztpraxen etc. der Überwachung vollkommen entzogen sind. Die streitgegenständliche Videoüberwachung greift somit nicht in den besonders schutzbedürftigen Bereich der Privat- oder Intimsphäre des Einzelnen ein, vielmehr werden dadurch ausschließlich Informationen über Lebensumstände und Verhaltensweisen berührt, die der an öffentlich zugänglichen Orten befindliche Betroffene ohnehin aufgrund freier Entschließung von sich aus jedenfalls teilweise der Beobachtung durch die Allgemeinheit preisgegeben hat (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010 – 4 Bf 276/07 -, juris, Rn. 101).

3. Gleichwohl ist der durch den Betrieb der Kameras 532, 533, 540, 576 und 580 bewirkte Grundrechtseingriff deshalb vorliegend nicht nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 und Satz 3 NPOG gerechtfertigt, weil die in diesen Normen enthaltenen tatbestandlichen Voraussetzungen gegenwärtig nicht erfüllt sind. Dem rechtmäßigen Betrieb der streitgegenständlichen Kameras steht bereits entgegen, dass die Beobachtung nicht – wie von § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG gefordert – hinreichend kenntlich gemacht ist
(a). Zudem hat die Polizeidirektion keine ausreichend überprüfbaren Anknüpfungstatsachen dargelegt, die – wie in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG vorausgesetzt – die Annahme rechtfertigen, dass im Wirkungsbereich der betroffenen Kamerastandorte im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einer Veranstaltung oder einem sonstigen Ereignis eine Straftat begangen wird, und die Beobachtung im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit diesem Ereignis zur Verhütung dieser Straftat erforderlich ist (b).

a) Die von der Polizeidirektion vorgenommene Kenntlichmachung entspricht nicht den maßgeblichen oben dargelegten Anforderungen des § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG.

aa) Ausweislich der von der Polizeidirektion vorgelegten Unterlagen nutzt sie für die Kenntlichmachung der streitgegenständlichen Standorte nunmehr ausschließlich DIN A4 große Aufkleber. Auf diesen Aufklebern befindet sich in einem blauen Feld ein weißes Videokamerapiktogramm sowie der Schriftzug „Videoüberwachung“. Bei den vorliegend streitgegenständlichen Veranstaltungskameras ist unterhalb des Schriftzugs „Videoüberwachung“ ebenfalls in weißer Schrift auf blauem Grund der Zusatz: „NUR bei Veranstaltungen!“ angebracht. Darunter sind Angaben zum Verantwortlichen aufgeführt (Polizeidirektion Hannover, Waterloostraße 9, 30169 Hannover, 0511 1090) sowie der Zusatz: „Weitere Informationen erhalten Sie im Internet: www.polizei-hannover.de“. Das von der Polizeidirektion dazu vorgelegte Dokument sieht dabei (verkleinert) wie folgt aus (siehe Beiakte 004, Anlage 10):

 

Nach den von der Polizeidirektion für die fünf streitgegenständlichen Veranstaltungskameras vorgelegten Beschilderungsplänen wurden an den jeweiligen Zuwegungen je nach den örtlichen Gegebenheiten an sechs (Standort 580) bis 13 (Standort 533) vorhandenen Pfosten entsprechende Aufkleber angebracht (siehe Bl. 506 – 559 GA).

bb) Zwar sind aus Sicht des Senats weder die von der Polizeidirektion für die Kennzeichnung gewählten Standorte noch die jeweils durch die örtlichen Verhältnisse geprägte Anzahl der Kennzeichnungen zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es insbesondere nicht erforderlich, weitere, zusätzliche Kennzeichnungen anzubringen, die über das jeweilige Verlassen der von den Kameras erfassten Bereiche informieren. Ebenso wenig muss die Polizeidirektion im Einzelnen potenzielle Alternativrouten in nicht videoüberwachten Bereiche darlegen. Anhand der von der Polizeidirektion vorgelegten Beschilderungspläne wird vielmehr deutlich, dass im Regelfall die Möglichkeit besteht, eine Alternativroute zu wählen, um die videoüberwachten Bereiche zu meiden.

Der Senat hält die auf den Aufklebern enthaltenen Angaben auch grundsätzlich für geeignet, um die Videobeobachtung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG kenntlich zu machen. Entgegen der vom Kläger und teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht, wonach mehrsprachig auf die Videoüberwachung hinzuweisen sei (so zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen: Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 12. Aufl. 2018, § 15 a, Rn. 5), erachtet der Senat eine mehrsprachige Kennzeichnung nicht als verpflichtend (so auch in Bezug auf Nordrhein-Westfalen: Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, a.a.O., § 15 a, Rn. 18). Dies folgt bereits daraus, dass die Staatssprache Deutsch ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 3.7.2019 – 12 MC 93/19 -, juris, Rn. 31, m.w.N., dasselbe, Urt. v. 13.11.2019 – 12 LC 79/19 -, a.a.O., juris, Rn. 46, jeweils in Bezug auf die Kenntlichmachung der Abschnittskontrolle nach § 32 Abs. 6 Satz 4 NPOG) und es somit an einem rechtlichen Anknüpfungspunkt dafür fehlt, eine mehrsprachige Kennzeichnungspflicht zu fordern. Hinzu kommt, dass die Verwendung des Videokamerapiktogramms aus sich heraus und damit unabhängig von der Sprache der darunter befindlichen textlichen Angaben anschaulich und verständlich ist (vgl. Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, a.a.O., § 15 a, Rn. 18, m.w.N.). Schließlich würde eine mehrsprachige Ausführung den Umfang der textlichen Angaben deutlich vergrößern und damit zugleich die gewünschte schnelle und leichte Wahrnehmung erschweren (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 3.7.2019 – 12 MC 93/19 -, juris, Rn. 31, m.w.N.).

Entgegen der Ansicht des Klägers dürften auch aus Art. 13 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 27. April 2016 (sog. JI-Richtlinie) keine weitergehenden Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der bei der Kennzeichnung anzugebenden textlichen Informationen folgen. Denn anders als etwa die Datenschutz-Grundverordnung bedarf die JI-Richtlinie der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, so dass in ihrem Anwendungsbereich grundsätzlich allein das zu ihrer Umsetzung geschaffene nationale Recht anzuwenden ist (Albrecht, in: Möstl/Weiner, a.a.O., § 32, Rn. 23; vgl. auch Schröder, in: Möstl/Schwabenbauer, a.a.O., JI-RL, Rn. 22, jeweils m.w.N.).

cc) Letztlich bedarf die schwierige Frage nach der Reichweite der JI-Richtlinie bei der polizeilichen Videoüberwachung (siehe dazu: Albrecht, in: Möstl/Weiner, a.a.O., § 32, Rn. 22 ff.) vorliegend aber mangels Entscheidungserheblichkeit keiner abschließenden Beurteilung. Denn die von der Polizeidirektion vorgenommene Kenntlichmachung genügt unabhängig davon deshalb nicht den oben dargelegten Anforderungen des § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG, weil die auf den runden Pfosten angebrachten Aufkleber für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer nicht hinreichend erkennbar und wahrnehmbar sind.

Der erforderlichen hinreichenden Erkennbarkeit und Wahrnehmbarkeit der von der Polizeidirektion vorgenommenen Kenntlichmachung steht dabei bereits entgegen, dass die auf den runden Pfosten angebrachten Aufkleber aufgrund der Krümmung der Pfosten beim Passieren in Geh- und Fahrtrichtung im Regelfall nicht als Ganzes, sondern nur ausschnittsweise wahrgenommen werden können. Wie auch aus den vom Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 2020 als „Eingabe Nr. 1“ vorgelegten Fotos (Bl. 586 f. GA) sowie aus den von der Polizeidirektion vorgelegten Beschilderungsplänen (Bl. 507 bis 559 GA) ersichtlich wird, ist aufgrund der Krümmung der Pfosten innerhalb einer Sichtachse bzw. beim Passieren in Geh- und Fahrtrichtung oft nicht einmal das Videokamerapiktogramm als Ganzes erkennbar. Vielmehr können die Aufkleber insbesondere bei dünneren Pfosten nur dann als Ganzes erkannt und wahrgenommen werden, wenn die Pfosten abweichend von der Geh- und Fahrtrichtung umrundet werden (siehe insbesondere Bl. 507, 515, 523, 524, 535, 536, 537, 538, 540, 547, 551 GA). Ein derartiges Verhalten kann jedoch von (motorisierten) Verkehrsteilnehmern nicht erwartet werden und würde insbesondere im fließenden Verkehr seinerseits eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen.

Zudem sind die Aufkleber der Polizeidirektion auch aufgrund ihres Erscheinungsbilds an den zugleich mit zahlreichen anderen Aufklebern bedeckten Pfosten im öffentlichen Raum nicht hinreichend wahrnehmbar. Wie sich den vorgelegten Fotos entnehmen lässt, befinden sich auf den betroffenen Pfosten eine Vielzahl von sonstigen Aufklebern/Zetteln (siehe z.B. Bl. 517, 518, 519, 520, 522, 523, 526, 528, 529, 533, 536, 537, 538, 554, 556, 557, 558, 559). Derartige Aufkleber/Zettel werden in der Regel von Privatpersonen oder Vereinigungen angebracht, um damit auf private oder politische Belange aufmerksam zu machen (z.B. Suche nach entlaufenen Haustieren, Hinweise auf Veranstaltungen, Kundgabe von politischen Ansichten etc.). Bei einer derartigen Ausgangslage ist es für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer weder erwartbar noch hinreichend erkennbar, dass sich auf solchen Pfosten auch Aufkleber von Behörden befinden, die rechtlich relevante Informationen enthalten. Hinzu kommt, dass beim Anbringen von weiteren Aufklebern/Zetteln in der Regel wenig Rücksicht darauf genommen wird, ob dadurch zuvor angebrachte Aufkleber verdeckt werden. Insofern besteht auch permanent die Gefahr, dass die Aufkleber der Polizeidirektion von anderen Aufklebern/Zetteln überdeckt werden. Der Vortrag der Polizeidirektion, die Unversehrtheit der Aufkleber werde zweimal jährlich überprüft, erscheint vor dem geschilderten Hintergrund nicht ausreichend, um einem Überkleben verlässlich entgegenzuwirken.

Im Hinblick auf mögliche zukünftige Rechtsstreitigkeiten weist der Senat klarstellend darauf hin, dass die früher von der Polizeidirektion teilweise zur Kennzeichnung genutzten rechteckigen Schilder in einer Größe von 315 x 420 mm aus seiner Sicht (unabhängig von der Frage, welche sonstigen textlichen Informationen auf den Schildern enthalten sein sollten) den Anforderungen an eine hinreichende Wahrnehmbarkeit entsprechen. Diese Schilder enthielten – wie die aktuell genutzten Aufkleber – ein weißes Videokamerapiktogramm auf blauem Untergrund und waren ebenfalls an Pfosten angebracht. Anders als die aktuell genutzten Aufkleber waren sie jedoch wie Verkehrsschilder quer zur Geh- bzw. Fahrtrichtung ausgerichtet und waren so nicht nur deutlich besser erkennbar, sondern konnten auch beim Passieren in Geh- bzw. Fahrtrichtung ohne Weiteres als Ganzes wahrgenommen werden (vgl. den von der Polizeidirektion vorgelegten Beschilderungsplan vom 23.7.2013, Bl. 374 GA, sowie die undatierten Fotos zur Kennzeichnung des Kamerastandorts Königsworther Platz, Bl. 426, 428 und 431 GA). Zudem hat die Polizeidirektion selbst vorgetragen, dass sie die Schilder früher an Stellen angebracht hat, an denen die Aufkleber im fließenden Verkehr nicht hinreichend wahrnehmbar waren. An dieser fehlenden ausreichenden Wahrnehmbarkeit der Aufkleber hat sich durch die neue Gestaltung der Aufkleber nichts geändert. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die gegenwärtige Gestaltung der Aufkleber nicht auch auf Schilder übertragen werden könnte. Soweit die Polizeidirektion als Grund dafür, gegenwärtig keine Schilder, sondern nur noch Aufkleber zu verwenden, angegeben hat, dass Aufkleber kostengünstiger seien und bei Beschädigung schneller ersetzt werden könnten, rechtfertig dies keine andere Beurteilung. Zwar liegt es auf der Hand, dass eine Kenntlichmachung mit Aufklebern kostengünstiger ist als eine mit „echten“ Schildern. Demgegenüber erscheint die Annahme, dass Schilder im gleichen Umfang beschädigt – insbesondere überklebt – werden, wie die an den Pfosten angebrachten Aufkleber, nicht gesichert. Unabhängig davon vermag keiner dieser Aspekte etwas daran zu ändern, dass die Aufkleber aus den dargelegten Gründen nicht hinreichend wahrnehmbar sind. Im Übrigen ist auch der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG davon ausgegangen, dass die „deutliche Kenntlichmachung […] im Regelfall […] durch Hinweisschilder“ zu erfolgen hat (siehe LT-Drucks. 18/850, S. 55, sowie obige Ausführungen dazu). Dass eine Kenntlichmachung durch Aufkleber im Vergleich zu Schildern kostengünstiger ist, dürfte dabei auch dem Gesetzgeber bekannt gewesen sein. Gleichwohl sind Aufkleber in der Gesetzesbegründung nicht erwähnt. Insofern ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die durch eine Kenntlichmachung mit Schildern für die Polizei anfallenden Kosten als hinnehmbar angesehen hat. Im Übrigen entspricht es auch der gängigen Praxis, dass Behörden im öffentlichen Verkehrsraum rechtlich relevante Informationen – unabhängig von der Frage, ob andere Kennzeichnungsformen ggf. kostengünstiger sind – in Form von Schildern vermitteln. Auch vor diesem Hintergrund stellen die von der Polizeidirektion genutzten Aufkleber keinen adäquaten Ersatz für „echte“ Hinweisschilder dar.

Soweit teilweise vertreten wird, dass sich Betroffene, die sich gerichtlich gegen polizeiliche Überwachungsmaßnahmen wenden, aufgrund ihrer (spätestens) im gerichtlichen Verfahren erlangten Kenntnis von den Maßnahmen nicht auf eine ungenügende Kenntlichmachung berufen könnten (vgl. zur Abschnittskontrolle: Niedersächsisches OVG, Urt. v. 13.11.2019 – 12 LC 79/19 -, a.a.O., juris, 54; zur Videoüberwachung: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.7.2003 – 1 S 377/02 -, a.a.O., juris, Rn. 80; a.A. i.E.: VG Hannover, Urt. v. 14.7.2011 – 10 A 5452/10 -, a.a.O., juris, Rn. 37 ff.), folgt der Senat dem nicht. Wie oben ausgeführt, lässt die tatsächliche Kenntnis von einer Überwachungsmaßnahme weder den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entfallen, noch kann die Kenntnis der Maßnahme als Grundrechtsverzicht gewertet werden (vgl. dazu obige Ausführungen sowie BVerwG, Urt. v. 25.1.2012 – 6 C 9/11 -, a.a.O., juris, Rn. 25; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.7.2003 – 1 S 377/02 -, a.a.O., juris, Rn. 38). Zudem dient das Erfordernis der hinreichenden Kenntlichmachung – wie ebenfalls oben dargelegt – auch dazu, den verfassungsrechtlichen Anforderungen in Bezug auf die Transparenz des Eingriffs hinreichend Rechnung zu tragen, mithin den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu rechtfertigen und zugleich Rechtsschutzmöglichkeiten zu eröffnen (vgl. dazu obige Ausführungen zur Verfassungsgemäßheit von § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 NPOG). Auch vor diesem Hintergrund kann es Betroffenen nicht verwehrt werden, sich trotz einer tatsächlichen Kenntnis von einer Überwachungsmaßnahme auf eine ungenügende, nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Kenntlichmachung zu berufen. Anderenfalls würde der Rechtsschutz in Bezug auf die Frage, ob eine Überwachungsmaßnahme hinreichend kenntlich gemacht und (auch) deshalb verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, faktisch ausgehebelt.

b) Der Rechtmäßigkeit des Betriebs der streitgegenständlichen Veranstaltungskameras steht schließlich – selbstständig tragend – entgegen, dass die Polizeidirektion nicht, wie von § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG verlangt, ausreichend überprüfbare Anknüpfungstatsachen dargelegt hat, die die Annahme rechtfertigen, dass an den betroffenen Kamerastandorten im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einer Veranstaltung oder einem sonstigen Ereignis eine Straftat oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeit begangen wird. Die von der Polizeidirektion vorgelegten Kriminalitätsstatistiken zu sämtlichen im Laufe eines Kalenderjahres im Wirkungsbereich der betroffenen Kamerastandorte erfassten Straftaten stellen für eine anlassbezogene Videobeobachtung nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG keine ausreichend überprüfbaren Anknüpfungstatsachen dar.

Wie oben ausgeführt, müssen die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer entsprechenden Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Dies ist in Bezug auf die von der Polizeidirektion vorgelegten Kriminalitätsstatistiken deshalb nicht der Fall, weil sie nicht nur die im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einer Veranstaltung, sondern sämtliche in einem Kalenderjahr erfassten Taten ausweisen. Derartige Jahreswerte sind nicht geeignet, den nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG erforderlichen Zusammenhang zwischen einer Veranstaltung und einer im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dieser Veranstaltung zu erwartenden Straftat darzulegen. Wie ebenfalls bereits dargelegt, wollte der Gesetzgeber durch die in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG enthaltenen Worte „im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang“ klarstellen, dass die Straftat/Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit einer Veranstaltung oder einem sonstigen Ereignis zu erwarten sein muss (LT-Drucks. 18/3723, S. 33). Das Vorliegen dieses Zusammenhangs kann vom Senat aufgrund der von der Polizeidirektion vorgelegten Jahresstatistiken nicht überprüft werden. Um eine entsprechende Überprüfung für einen anlassbezogenen Kamerabetrieb nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG vornehmen zu können, wäre es vielmehr erforderlich gewesen, dass die Polizeidirektion die Zeiträume, in denen sie die betroffenen Kameras aktiviert hat, sowie die in diesen Zeiträumen im Wirkungsbereich der Kameras erfassten Taten dokumentiert. An beidem fehlt es hier.

Soweit die Polizeidirektion pauschal einwendet, dass die betroffenen Orte außerhalb von Veranstaltungen kaum aufgesucht würden, kann dies nicht dazu führen, die Anforderungen an die Darlegung der in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen zu modifizieren oder zu reduzieren. Unabhängig davon überzeugt dieser pauschale Einwand auch deshalb nicht, weil die streitgegenständlichen Standorte in dieser Hinsicht nicht einheitlich betrachtet werden können. Während es beispielsweise in Bezug auf den Schützenplatz (580) nachvollziehbar erscheint, dass dieser Standort außerhalb von Veranstaltungen kaum aufgesucht wird, lässt sich dies etwa für den Standort Lister Platz (540) nicht in gleichem Maße feststellen. Denn beim Lister Platz handelt es sich um eine große, viel befahrene Straßenkreuzung, an der zudem die am Hauptbahnhof beginnende „Lister Meile“ – eine beliebte, teilweise als Fußgängerzone ausgestaltete Einkaufsstraße – endet und an der sich eine große U-Bahn-Station sowie diverse Bushaltestellen befinden. Aufgrund dieser örtlichen Gegebenheiten liegt es auf der Hand, dass dieser Standort auch außerhalb der von der Polizeidirektion in Bezug genommenen „vereinzelten Veranstaltungen“, bei denen die Kamera 540 aktiviert wird, regelmäßig von einer Vielzahl von Personen aufgesucht wird. Eine auf das jeweilige Kalenderjahr bezogene Statistik zu den an diesem Standort dokumentierten Straftaten lässt somit nicht den Rückschluss zu, dass die Straftaten im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit den „vereinzelt“ stattfindenden Veranstaltungen begangen wurden. Schließlich kann auch ohne die Vorlage belastbaren Datenmaterials nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass an allen betroffenen Standorten bei sämtlichen Veranstaltungen regelmäßig Straftaten begangen werden. Ein derartig allgemeiner, nicht mit Zahlen belegter und daher einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglicher Erfahrungssatz ist nicht ausreichend, um für sämtliche im Rahmen des Unterlassungsbegehrens noch streitgegenständlichen Standorte das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG darzulegen.

II. Der vom Kläger in Bezug auf die Standorte 520 (Königsworther Platz) und 566 (Theodor-Heuss-Platz) gestellte Feststellungsantrag hat Erfolg. Er ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Der Zulässigkeit des diesbezüglichen Klageantrags steht nicht entgegen, dass die Polizeidirektion die Kameras an den Standorten 520 und 566 nach ihren eigenen Angaben am 2. und 3. März 2020 demontiert hat. Zwar haben diese Demontagen – anders als eine schlichte Abschaltung weiterhin vorhandener Kameras – dazu geführt, dass sich die Hauptsache des Rechtsstreits in Bezug auf den Unterlassungsantrag aus tatsächlichen Gründen erledigt hat. Der Kläger hat auf diese Erledigung jedoch prozessrechtlich dadurch reagiert, dass er seinen ursprünglich auf Unterlassung der Bildübertragung und -aufzeichnung gerichteten Klageantrag auf eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO umgestellt hat. Eine solche Umstellung ist auch im Berufungsverfahren möglich (vgl. Möstl, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.7.2020, § 43, Rn. 7; zur Zulässigkeit einer Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Berufungsverfahren vgl. Senatsurt. v. 26. April 2018 – 11 LC 288/16 -, a.a.O., juris, Rn. 25, m.w.N.).

a) Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (BVerwG, Urt. v. 28.5.2014 – 6 A 1/13 -, BVerwGE 149, 359, juris, 20; Möstl, in: Posser/Wolff, a.a.O., § 43, Rn. 1, jeweils m.w.N.). Gegenstand der Feststellungsklage kann auch ein vergangenes Rechtsverhältnis sein (BVerwG, Urt. v. 28.5.2014 – 6 A 1/13 -, a.a.O., juris, 20). Ein vergangenes Rechtsverhältnis liegt vor, wenn sich die Rechtsbeziehungen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits erledigt haben (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43, Rn. 18; Möstl, in: Posser/Wolff, a.a.O., § 43, Rn. 7). Die Erledigung kann dabei auch erst während eines bereits anhängigen Gerichtsverfahrens eintreten (Möstl, in: Posser/Wolff, a.a.O., § 43, Rn. 7). Da vergangene Rechtsverhältnisse immer die Anwendung von Rechtsnormen auf einen bestimmten Sachverhalt betreffen, liegt in solchen Fällen in der Regel auch ein hinreichend konkretes, feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor (vgl. Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Jan. 2020, § 43, Rn. 21). Die Feststellungsklage nimmt dabei für Fallkonstellationen, die mangels des Vorliegens eines Verwaltungsaktes nicht von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erfasst werden, für hoheitliches Handeln ohne Verwaltungsaktcharakter diejenige Funktion wahr, die die Fortsetzungsfeststellungsklage in Bezug auf Verwaltungsakte einnimmt (vgl. Möstl, in: Posser/Wolff, a.a.O., § 43, Rn. 7). Aus dieser Funktionsgleichheit folgt, dass auch bei der auf vergangene Rechtsverhältnisse bezogenen allgemeinen Feststellungsklage vergleichbar qualifizierte Anforderungen an das Feststellungsinteresse zu stellen sind, wie bei der Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. Senatsbeschl. v. 17.12.2018 – 11 LA 66/18 -, Veröff. n.b.; Sächsisches OVG, Beschl. v. 7.3.2014 – 3 A 798/13 -, juris, Rn. 7; Möstl, in: Posser/Wolff, a.a.O., § 43, Rn. 7 und Rn. 25; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 43, Rn. 25; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43, Rn. 90). Zu den diesbezüglich anerkannten Fallgruppen zählen die Wiederholungsgefahr, das Rehabilitationsinteresse, bei einer nach Klageerhebung eingetretenen Erledigung auch ein Präjudizinteresse, sowie sich kurzfristig erledigende Grundrechtseingriffe, bei denen Art. 19 Abs. 4 GG verlangt, dass ein effektiver Hauptsacherechtsbehelf zur Verfügung steht (vgl. Möstl, in: Posser/Wolff, a.a.O., § 43, Rn. 25; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, a.a.O., § 113, Rn. 136 ff.; Sodan, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 43, Rn. 90 ff., jeweils m.w.N.).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben ist vorliegend die Zulässigkeit der Feststellungsklage zu bejahen.

Zunächst liegt ein hinreichend konkretes, feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, da es um die Anwendung konkreter Rechtsnormen – des § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 NPOG -, auf einen bestimmten Sachverhalt – die bis zum 2. bzw. 3. März 2020 an den Kamerastandorten 520 und 566 erfolgte Bildübertragung und -aufzeichnung – geht, von der der Kläger als Einwohner Hannovers auch (potenziell) betroffen war.

Das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist vorliegend jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (BVerwG, Urt. v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 -, juris, Rn. 20; Senatsurt. v. 22.9.2005 – 11 LC 51/04 -, NordÖR 2005, 536, juris, Rn. 32; BayVGH, Beschl. v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 -, juris, Rn. 8; Sodan, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 43, Rn. 91).

Die Polizeidirektion hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass die eingesetzte Videotechnik an einigen Standorten nicht mehr dem gegenwärtigen Stand der Technik entspreche. Sie sei deshalb in ein Prüfungsverfahren eingetreten, um die alte Kameratechnik schrittweise durch eine zeitgemäße aktuelle Videoüberwachung zu ersetzen. Dabei seien zunächst die Kameras an den Standorten 520 und 566 demontiert worden. Am Standort 520 würden die entsprechende Halterung und die technischen Anschlüsse vor Ort weiter vorgehalten. Es werde allerdings auch erwogen, die Kamera an einem tiefer gelegenen Montageort anzubringen, der eine weniger steile Sichtperspektive ermögliche. Am Standort 566 fänden gegenwärtig Bauarbeiten statt, deren Fertigstellung Ende 2020 zu erwarten sei. Die weitere Nutzung des Standorts 566 sei erst wieder nach Abschluss der Bauarbeiten sinnvoll. Mit dem Ersatz beider Kameras sei aus haushaltswirtschaftlichen Gründen erst im Jahr 2021 zu rechnen.

Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass die Polizeidirektion beabsichtigt, die Kamerastandorte 520 und 566 im Jahr 2021 unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen wieder in Betrieb zu nehmen. Der in Bezug auf den Standort 520 vorgebrachte Einwand, dass auch ein tiefer gelegener Montagestandort erwogen werde, der eine weniger steile Sichtperspektive ermögliche, steht der Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Denn selbst wenn die neue Kamera im Jahr 2021 etwas tiefer oder leicht versetzt angebracht wird, als dies im Zeitraum von 2010 bis März 2020 der Fall war, führt dies nicht zu einer die Annahme einer Wiederholungsgefahr ausschießenden wesentlichen Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände. Vielmehr bliebe es auch bei einer leichten örtlichen Verschiebung des Kamerastandorts dabei, dass die Örtlichkeit des Königsworther Platzes einer auf § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 NPOG gestützten Videobeobachtung und -aufzeichnung unterzogen würde.

Auch der weitere Einwand der Polizeidirektion, dass ein „Wiederbetrieb“ nur auf der Basis einer Neubewertung des jeweiligen Standorts erfolge, steht der Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Wie die Polizeidirektion im anderen Zusammenhang selbst vorgetragen und dargelegt hat, werden die im Wirkungsbereich eines Kamerastandorts registrierten Straftaten bei sämtlichen Standorten stets einer jährlichen Überprüfung dahingehend unterzogen, ob der betroffene Standort auch zukünftig weiter betrieben wird. Der Einwand verweist somit lediglich auf eine Vorgehensweise, die für alle Standorte gilt und die im Übrigen durch die gesetzlichen Anforderungen vorgegeben ist; Besonderheiten in Bezug auf die Standorte 520 und 566 sind diesbezüglich weder dargelegt noch erkennbar. Vielmehr zeigt die Entwicklung dieser beiden Standorte in der Vergangenheit, dass die Polizeidirektion jedenfalls in den letzten zehn Jahren stets zu der Einschätzung gelangt ist, dass die ermittelten Daten eine (weitere) Videobeobachtung und -aufzeichnung rechtfertigen. Dass die Polizeidirektion selbst davon ausgeht, dass dies auch zukünftig der Fall sein wird, wird schließlich auch dadurch ersichtlich, dass sie am Standort 520 weder die Haltungsvorrichtungen abgebaut noch an beiden Standorten – nach dem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung – die zur Kenntlichmachung genutzten Aufkleber entfernt hat. Insgesamt besteht somit auch unter Berücksichtigung der von der Polizeidirektion vorgetragenen Einwände die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die Bildbeobachtung und -aufzeichnung an den Standorten 520 und 566 zukünftig unter im Wesentlichen unveränderten Umständen wiederaufgenommen wird.

2. Die auf die Kamerastandorte 520 und 566 bezogene Feststellungsklage ist auch begründet. Die an diesen Kamerastandorten von der Polizeidirektion durchgeführte Bildübertragung und -aufzeichnung war zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses (vgl. zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bei Erledigung: Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 113, Rn. 152; Decker, in: Posser/Wolff, a.a.O., § 113, Rn. 88) – hier die Demontage der Kameras Anfang März 2020 – rechtswidrig.

a) Hinsichtlich des Standorts 566, der die temporäre Videoüberwachung am Theodor-Heuss-Platz betraf, bestehen – wie oben ausführlich dargelegt – keine Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der maßgeblichen Normen in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 NPOG. Die Rechtswidrigkeit der bis zur Demontage der Kamera vorgenommenen Bildübertragung und -aufzeichnung folgt daraus, dass auch der Kamerastandort 566 nicht ausreichend i.S.d. § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG kenntlich gemacht war und die Polizeidirektion das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen anlassbezogenen Betrieb nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG nicht nachvollziehbar dargelegt hat. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf obige Ausführungen zu den anderen Veranstaltungskameras, die Gegenstand des Unterlassungsbegehrens sind, verwiesen, die hinsichtlich des Standorts 566 entsprechend gelten.

b) Die am Standort 520 (Königsworther Platz) durchgeführte dauerhafte Bildübertragung und -aufzeichnung kann grundsätzlich auf § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 und Satz 3 NPOG gestützt werden. Auch die Vorschrift des § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 NPOG ist verfassungsgemäß und insbesondere hinreichend bestimmt. Indem § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 NPOG verlangt, dass an den beobachteten Orten „wiederholt Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten begangen wurden und die Beobachtung zur Verhütung entsprechender Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erforderlich ist“, wird deutlich, dass es hinsichtlich der betroffenen öffentlich zugänglichen Orte einer – nachprüfbaren und nachvollziehbaren – (statistischen) Erfassung von Straftaten oder nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten sowie einer Prognoseentscheidung bedarf, dass die Beobachtung zur Verhütung entsprechender Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erforderlich ist. Durch das Abstellen auf wiederholte Deliktsbegehungen wird die Videoüberwachung nach dieser Vorschrift auf solche Orte beschränkt, an denen die festgestellte Anzahl der Taten ein gewisses Gewicht und eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen, die den betroffenen Ort von anderen Orten in der jeweiligen Region unterscheiden (vgl. Albrecht, in: Möstl/Weiner, a.a.O., § 32, Rn.105; LT-Drucks. 18/850, S. 55). Im Übrigen gelten obige Ausführungen zur Verfassungsgemäßheit von § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 NPOG entsprechend.

Anders als bei den Veranstaltungskameras spricht aus Sicht des Senats auch einiges dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 3 NPOG in Bezug auf den Standort 520 vorlagen. Insbesondere hat der Senat keine grundsätzlichen Bedenken, dass die von der Polizeidirektion jeweils jährlich für die Zeit von 2008 bis 2018 vorgelegten Kriminalitätsstatistiken im Ausgangspunkt geeignet sind, ausreichende und einer gerichtlichen Überprüfung zugängliche Anknüpfungstatsachen darzustellen, die die Annahme rechtfertigen, dass im Wirkungsbereich des Kamerastandorts 520 künftig erneut Straftaten begangen werden. Die vom Kläger hinsichtlich der Erfassung dieser Daten vorgebrachten Einwände teilt der Senat nicht. Zudem lässt sich den vorgelegten Kriminalitätsstatistiken entnehmen, dass die an diesem Standort in den Jahren 2016 bis 2018 registrierten Straftaten gegenüber den Jahren 2014 und 2015 – worauf das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung maßgeblich abgestellt hat – deutlich gestiegen sind. Auch gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2018 weist die Anzahl der Straftaten in den Jahren 2016 bis 2018 überwiegend eine steigende, über dem zehnjährigen Durchschnitt liegende Entwicklung auf. Aus diesen Zahlen wird somit auch ersichtlich, dass der festgestellten Anzahl der Taten ein gewisses Gewicht und eine gewisse Regelmäßigkeit zukommt. Auch im Vergleich zu anderen Standorten, zu denen die Polizeidirektion Statistiken für die Jahre 2008 bis 2018 bzw. teilweise auch für 2019 vorgelegt hat, lässt sich feststellen, dass die Anzahl der am Standort Königsworther Platz dokumentierten Straftaten jedenfalls im oberen Bereich liegt.

Letztlich bedarf es hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 3 NPOG vorliegend jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil auch die am Standort 520 erfolgte Bildübertragung und -aufzeichnung nicht ausreichend i.S.d. § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG kenntlich gemacht war und somit jedenfalls aus diesem Grund rechtswidrig war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der ungenügenden Kenntlichmachung auf obige Ausführungen verwiesen, die für den Standort 520 entsprechend gelten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in Bezug auf die Unterlassungsklage des Klägers hinsichtlich der von dem Beklagten nicht mehr betriebenen Kamerastandorte (501-518, 520, 525-528, 534-536, 542-543, 545, 547-550, 552-561, 566, 568-573 und 575) übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen, dass der Beklagte die Verfahrenskosten trägt. Denn die Polizeidirektion hat durch die Aufgabe des Betriebs dieser Kamerastandorte die Erledigung herbeigeführt und sich dadurch zugleich in die Rolle der unterlegenen Partei begeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.