Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht – Beschluss vom 16.03.2021 – Az.: 8 ME 12/21

BESCHLUSS

8 ME 12/21
7 B 6300/20

In der Verwaltungsrechtssache

Frau xxx,

– Antragstellerin und Beschwerdegegnerin –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Pflegekammer Niedersachsen KdöR
vertreten durch die Präsidentin,
Hans-Böckler-Allee 9, 30173 Hannover

– Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Rüping & Partner mbB,
Hohenzollernstraße 40, 30161 Hannover

wegen Untersagung einer öffentlichen Äußerung
– Beschwerde im Verfahren des vorl. Rechtsschutzes –

hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht – 8. Senat – am 16. März 2021 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – 7. Kammer – vom 4. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 EUR festgesetzt.

GRÜNDE

I.

Der Rechtsstreit betrifft die Stellungnahme der Antragsgegnerin im Rahmen der Anhörung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen vom 25. November 2020. Die Stellungnahme wurde im Rahmen einer Verbandsbeteiligung durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung abgegeben, welche vor der Einbringung des Gesetzentwurfs bei dem Landtag durchgeführt wurde. Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 4. Januar 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ihre Stellungnahme mit sofortiger Wirkung zurückzuziehen und die Veröffentlichung und Verbreitung dieser Stellungnahme zu unterlassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den mit ihr dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht stattgegeben hätte.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis.

a) Das Beschwerdevorbringen greift nicht durch, soweit es darin als unzulässig angesehen wird, dass im vorliegenden Verfahren auf die Antragsgegnerin mit dem Ziel eingewirkt werden solle, dass diese sich im Gesetzgebungsverfahren im Sinne der Antragstellerin positioniert. Damit wird der Charakter von Verfahren von der Art des vorliegenden verkannt. In der Antragsgegnerin besteht Pflichtmitgliedschaft (§ 2 PflegeKG). Das bewirkt einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, der aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung gerechtfertigt ist, legitime öffentliche Aufgaben einer Selbstverwaltungskörperschaft zu übertragen. Überschreitet die Kammer die ihr verfassungskonform zugewiesenen Kompetenzen, greift sie ohne gesetzliche Grundlage in die allgemeine Handlungsfreiheit ihrer Pflichtmitglieder ein. Diesen gibt Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, Kompetenzüberschreitungen der Kammer abzuwehren, und zwar unabhängig davon, ob sie durch die Kompetenzüberschreitung einen darüber hinausgehenden rechtlichen oder faktischen Nachteil erleiden (Senatsbeschl. v. 22.10.2020 – 8 ME 99/20 -, GewArch. 2021, 28, juris Rn. 26; vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 109; BVerwG, Urt. v. 23. 3.2016 – 10 C 4.15 -, BVerwGE 154, 296, juris Rn. 13 f. m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich bereits daraus, dass das Mitglied ein kompetenzüberschreitendes Handeln abwehrt. An der Abgrenzung dessen, was das Pflichtmitglied an Meinungsäußerungen der Körperschaft hinnehmen muss, und was seine allgemeine Handlungsfreiheit in unzulässiger Weise beeinträchtigt, hat es ein rechtliches Interesse (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1981 – 5 C 56.79 -, BVerwGE 64, 298, juris Rn. 14). Darauf, ob die Antragstellerin eine bestimmte Positionierung erreichen möchte, kommt es dementsprechend nicht an.

b) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht, soweit Gegenstand des Verfahrens eine Stellungnahme gegenüber einem Ministerium in einem Anhörungsverfahren zur Vorbereitung einer Gesetzesinitiative ist.

aa) Äußerungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gesetzlich geregelten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren können in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden (Senatsbeschl. v. 27.9.2018 – 8 PA 89/18 -; vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2004 – VI ZR 298/03 -, NJW 2005, 279, juris Rn. 18; v. 27.2.2018 – VI ZR 86/16 -, NJW 2018, 2489, juris Rn. 16 m.w.N.). Dafür besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, weil anderenfalls in unerträglicher Weise in die Führung des Ausgangsverfahrens eingegriffen würde. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Im Normalfall des Streits zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens stehen dem Verletzten bereits in diesem Verfahren prozessual wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen bereit.

Diese Grundsätze sind auf das Petitionsverfahren übertragen worden (vgl. Senatsbeschl. v. 27.9.2018 – 8 PA 89/18 -; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.2.2018 – VI ZR 86/16 -, NJW 2018, 2489, juris Rn. 26; anders in einem Fall bewusst wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen des Petenten BVerfG, Beschl. v. 12.12.1990 – 1 BvR 839/90 -, NJW 1991, 1475, juris Rn. 20 f.). Sie gelten zudem für Äußerungen über am Verfahren nicht beteiligte Dritte. Allerdings müssen die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen. Kann sich der Dritte in dem betreffenden Verfahren nicht gegen die Äußerung wehren, ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen geboten und dabei besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung hinnehmen muss (BGH, Urt. v. 10.12.2009 – I ZR 46/07 -, BGHZ 183, 309, juris Rn. 15; v. 19.7.2012 – I ZR 105/11 -, VersR 2013, 601, juris Rn. 15).

bb) Es kann offen bleiben, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auch auf die Abgabe einer Stellungnahme in der Verbandsbeteiligung eines Ministeriums im Vorfeld einer Gesetzesinitiative zu übertragen sind. Auch wenn man das bejaht, hat die Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Abwägung ergibt, dass ihr Interesse an der Durchsetzung ihres mitgliedschaftlichen Unterlassungsanspruchs schwerer wiegt als die durch eine Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses zu schützenden Interessen.

Der Schutz der Integrität des Verfahrens hat hier einen erheblich geringeren Stellenwert als im Grundfall des Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens. Allerdings besteht ein starkes öffentliches Interesse an einer unbeeinträchtigten Information des Ministeriums. Werden diesem Tatsachen und Wertungen der beteiligten Kreise vorenthalten, kann sich das auf die Qualität der Rechtsetzung auswirken. Eine solche Beeinträchtigung droht jedoch aufgrund der Natur des geltend gemachten Anspruchs nicht. Dieser richtet sich, wenn er besteht, nicht wie in Ehrenschutzsachen auf Unterlassung einer Äußerung schlechthin, sondern in der Regel auf Unterlassung von Äußerungen, die eine von einem bedeutenden Teil der Körperschaftsmitglieder vertretene Gegenposition unerwähnt lassen. Dass der von dem Mitglied angegriffene Inhalt der Stellungnahme gar nicht, auch nicht bei gleichzeitiger abwägender Darstellung der Gegenposition unterbreitet werden kann, wird allenfalls in besonderen Ausnahmefällen die Folge des Erlasses einer einstweiligen Anordnung sein. Zudem lässt sich eine gerichtliche Prüfung des Inhalts der Stellungnahme hier aufgrund des Handelns der Antragsgegnerin ohnehin nicht vermeiden. Diese hat die gegenüber dem Ministerium abgegebene Äußerung zusätzlich über das Internet verbreitet, was auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit und nicht nur des Ministeriums abzielt. Insoweit greifen die Grundsätze über das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses von vornherein nicht. Erweist sich die Stellungnahme als kompetenzwidrig, so könnte dem Ministerium diese gerichtliche Würdigung auch dann zur Kenntnis kommen, wenn man den Antrag, soweit er sich auf ein Zurückziehen der Stellungnahme gegenüber dem Ministerium richtet, als unzulässig ansähe.

Das Verfahren nach § 31 GGO ist zudem nicht wie ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren auf die Ermittlung eines bestimmten entscheidungserheblichen Sachverhalts ausgerichtet. Es unterscheidet sich diesbezüglich auch von dem Verfahren vor dem Petitionsausschuss, in dem eine Sachverhaltsermittlung erfolgen kann (vgl. Art. 24 NV, § 51 Abs. 3 GO LT). Die Körperschaftsmitglieder haben in der Verbandsbeteiligung keine Beteiligtenstellung. Dass sie in ihrer persönlichen Eigenschaft außerhalb der Verbandsbeteiligung Eingaben an das Ministerium richten können, bewirkt eine wesentlich schwächere Stellung als die Beteiligteneigenschaft in einem gerichtlichen Verfahren. Das Ministerium überprüft auch nicht die Einhaltung der Kompetenzgrenzen der angehörten Körperschaften, sondern leitet aus den eingegangenen Stellungnahmen ein Meinungsbild ab.

Das Interesse der Antragstellerin hätte allerdings nur mäßiges Gewicht, wenn man es dahin verstünde, dass dem Ministerium die Gegenposition zur Kenntnis gebracht werden sollte. Denn die Ablehnung der Tätigkeit der Antragsgegnerin durch einen im Vergleich zu anderen Körperschaften ungewöhnlich hohen Anteil ihrer Mitglieder ist allgemeinkundig und dem Ministerium, wie sich aus der Erarbeitung des Gesetzentwurfes ergibt, bekannt. Zudem kann die Darstellung des Inhalts der Stellungnahme durch das Ministerium und deren Veröffentlichung (LT-Drs. 18/8244, S. 7 ff.) nicht rückgängig gemacht werden. Der aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Anspruch hat aber eine andere Funktion. Er richtet sich gegen Kompetenzüberschreitungen und stellt im Bereich der Äußerungen die Zumutbarkeit für das dissentierende Mitglied her (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 110). Dieses muss Stellungnahmen der Körperschaft, der es zugerechnet wird, nur in dem gesetzlich vorgesehenen Rahmen hinnehmen. Im Hinblick auf die die Zumutbarkeit sichernde Funktion des Unterlassungsanspruchs besteht ein Interesse an seiner Durchsetzung auch im Rahmen der ministeriellen Verbandsbeteiligung, dass das Interesse an der von außen unbeeinflusster Durchführung des Verfahrens überwiegt. Ein Interesse der Antragsgegnerin, sich im Verfahren der Verbandsbeteiligung unter Überschreitung ihrer unten noch zu bestimmenden Kompetenzen äußern zu können, besteht ohnehin nicht. Sie befindet sich in einer fundamental anderen Lage als eine Person des Privatrechts in einem Gerichtsverfahren, der bei der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in Bezug auf Gegenstand und Einseitigkeit ihres Vortrags von vornherein nur die Grenzen des Strafrechts gesetzt sind.

2. Der Antrag ist begründet.

a) Es besteht ein Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin verlangen, dass sie die Stellungnahme zurückzieht und deren Veröffentlichung und Verbreitung unterlässt.

aa) Im Hinblick darauf, dass in dem Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin die Grundrechte ihrer Mitglieder nicht erwähnt werden, ist nochmals auszuführen, dass der Anordnungsanspruch grundrechtlich fundiert ist.

Anspruchsgrundlage ist die in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Handlungsfreiheit. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gibt dem Grundrechtsträger das Recht zur Abwehr „unnötiger“ Zwangsverbände. Die Begründung und die Ausgestaltung der Pflichtmitgliedschaft in einem solchen Verband müssen durch formelles Gesetz gedeckt und verhältnismäßig sein. Überschreitet die Kammer die ihr verfassungskonform zugewiesenen Kompetenzen, greift sie ohne gesetzliche Grundlage in die allgemeine Handlungsfreiheit ihrer Pflichtmitglieder ein. Diesen gibt Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, Kompetenzüberschreitungen der Kammer abzuwehren, und zwar unabhängig davon, ob sie durch die Kompetenzüberschreitung einen darüber hinausgehenden rechtlichen oder faktischen Nachteil erleiden (Senatsbeschl. v. 22.10.2020 – 8 ME 99/20 -, GewArch. 2021, 28, juris Rn. 26).

bb) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Maßstäbe für den Inhalt der Stellungnahme im Rahmen der Verbandsbeteiligung des Ministeriums zur Vorbereitung einer Gesetzesinitiative der Rechtsprechung zu öffentlichen Äußerungen entnommen. Mit der Abgabe der Stellungnahme erfüllt die Antragsgegnerin ihre Aufgabe nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG. Angesichts des Gegenstandes des Beteiligungsverfahrens, der Auflösung der Antragsgegnerin, sind das Anhörungsrecht nach Art. 57 Abs. 1 NV und die Erfüllung der Aufgabe des § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG die beiden Kehrseiten derselben Tätigkeit der Antragsgegnerin. Mit der Stellungnahme zum Fortbestand einer berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaft im Tätigkeitsbereich der Mitglieder betreibt die Antragsgegnerin eine besondere Form der Standesvertretung. Auf einen anderen Inhalt als die Belange der die Körperschaft bildenden Mitglieder ist das verfassungsrechtliche Anhörungsrecht nicht gerichtet. Insbesondere steht kein selbständiges Interesse der Körperschaft „als solcher“ neben dem Gesamtinteresse der Mitglieder, die die Körperschaft bilden.

(1) Aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG ergibt sich, dass Äußerungen der Antragsgegnerin rechtmäßig sind, wenn sie eine Thematik betreffen, die nachvollziehbare Auswirkungen auf die beruflichen Belange der Kammermitglieder hat, sachlich und zurückhaltend sowie unter Einhaltung der einschlägigen Verfahrensregeln zustande gekommen sind. Die notwendige Objektivität verlangt gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen sowie eine Abwägung der konfligierenden Positionen, wenn es sich um ein besonders umstrittenes Thema handelt. Denn zu bilden und zu verlautbaren ist das gehörig gebildete Gesamtinteresses der Kammermitglieder (ausführlich Senatsbeschl. v. 22.10.2020 – 8 ME 99/20 -, GewArch. 2021, 28, juris Rn. 27 ff.).

Diese Anforderungen sind § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG zu entnehmen, auch wenn die Vorschrift, anders als § 1 Abs. 1 IHKG, nicht ausdrücklich erwähnt, dass die maßgeblichen Interessen abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen sind, sondern zur Art und Weise der Wahrnehmung der gemeinsamen Belange keine Bestimmung trifft (vgl. auch Eisenmenger, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 3. Aufl. 2020, § 8 Rn. 60 f.). § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG beschreibt die Aufgabe der Standesvertretung durch eine öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft. Eine Standesvertretung hat auch dann zu erfolgen, wenn zwar gemeinsame berufliche Belange bestehen, unter den Mitgliedern aber in erheblicher Weise umstritten ist, welche Position eingenommen werden sollte. Der Gesetzgeber kann für einen solchen Fall nur entweder eine abwägende, Minderheitspositionen berücksichtigende Bildung des Gesamtinteresses oder das Übergehen der Minderheitsposition durch Mehrheitsbeschluss ins Auge gefasst haben. Dass die zuletzt genannte Möglichkeit dem Gesetz nicht zugrunde liegt, ergibt sich erstens daraus, dass der Gesetzgeber zugleich Pflichtmitgliedschaft angeordnet hat. Diese wäre unzumutbar, wenn erhebliche Minderheitspositionen in der Außendarstellung schlicht übergangen werden könnten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 110). Dementsprechend hat der Senat bereits im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in der Antragsgegnerin ausgeführt, dass zu den Aufgaben der Standesvertretung insbesondere zählt, die Interessen der verkammerten Berufsgruppen systematisch, professionell und kontinuierlich zu bündeln und sie – in Abwägung mit dem Allgemeininteresse – mit dem Anspruch auf Vollständigkeit und Verbindlichkeit nach innen sowie nach außen, insbesondere in Gesetzgebungsverfahren sowie sonstigen Entscheidungsprozessen mit Relevanz für die vertretenen Berufsgruppen, zu kommunizieren (Senatsurt. v. 22.8.2019 – 8 LC 116/18 -, NdsVBl. 2020, 44, juris Rn. 59). Der Antragsgegnerin ist nicht die Aufgabe zugewiesen, die (wirtschaftlichen) Einzelinteressen ihrer Mitglieder durchzusetzen, sondern sie soll das Gesamtinteresse des Berufsstandes bündeln und wahrnehmen (vgl. Senatsurt. v. 22.8.2019 – 8 LC 116/18 -, NdsVBl. 2020, 44, juris Rn. 62). Wenn § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG so auszulegen wäre, wie die Beschwerde vorträgt, bedürfte es des von der Landesregierung eingebrachten Auflösungsgesetzes nicht mehr, weil das PflegeKG bereits wegen Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG nichtig wäre. Zweitens hat der Gesetzgeber eine öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft errichtet. Bereits daraus ergibt sich die Pflicht, das höchstmögliche Maß an Objektivität walten zu lassen; die notwendige Objektivität verlangt gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitspositionen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.1962 – 1 BvR 514/57 -, BVerfGE 15, 235, juris Rn. 23; BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 – 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 32 f., 40).

Die Rechtsprechung zu den Maßstäben für öffentliche Äußerungen gilt auch, anders als die Beschwerde meint, nicht nur für Grundsatzerklärungen wie diejenige, die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2010 (- 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171) zugrunde lag, sondern wurde davon unabhängig allgemein für die nach außen gerichtete Interessenwahrnehmung entwickelt (vgl. bereits BVerfG, Beschl. v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57 – BVerfGE 15, 235, juris Rn. 23).

(2) Die Wahrnehmung des Anhörungsrechts nach Art. 57 Abs. 1 NV ist zugleich Standesvertretung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG. Die Garantie der Selbstverwaltung besagt nicht, dass der Inhalt der Stellungnahme im Rahmen der Anhörung die aufgezeigten Maßstäbe nicht einzuhalten bräuchte.

Gemäß Art. 57 Abs. 1 NV verwalten Gemeinden und Landkreise und die sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung.

(a) Der Inhalt der Selbstverwaltungsgarantie für die sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist trotz der scheinbaren Gleichsetzung durch den Wortlaut der Verfassungsbestimmung nicht mit dem der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. dazu NdsStGH, Rechtsgutachten v. 13.12.1989 – 1/89 -, StGHE 3, 84) identisch oder aus ihm abzuleiten, sondern eigenständig zu bestimmen (vgl. NdsStGH, Urt. v. 3.6.1980 – 2/79 -, StGHE 3, 1, juris Rn. 59 ff., 74; Elster, in: Korte/Rebe, Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, 2. Aufl. 1986, S. 507; Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 57 Rn. 17; a.A. Kluth, DÖV 2005, 368, 372; differenzierend Waechter, in: Epping u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 57 Rn. 117 ff.). Das folgt aus den die Errichtung von und Mitgliedschaft in Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung betreffenden Regelungen und damit aus einer systematischen Auslegung des Art. 57 Abs. 1 NV.

Die Gemeinden sind von vornherein ein wesentlicher Bestandteil der staatlichen Gesamtorganisation; sie sind ein Teil des Staates, in dessen Aufbau sie integriert und mit eigenen Rechten ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2014 – 2 BvL 2/13 -, BVerfGE 138, 1, juris Rn. 52). Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung sind nicht als notwendiger Bestandteil des Staatsaufbaus vorausgesetzt. Ihr Selbstverwaltungsrecht erhält seinen eigentlichen Inhalt erst durch den Gesetzgeber. Allein ihm liegt es ob, welche Rechte er im Einzelnen unter dem Begriff der Selbstverwaltung der damit ausgestatteten Körperschaft oder Anstalt verleihen will (OVG Lüneburg, Urt. v. 18.6.1952 – IV OVG A 636/51 -, OVGE 6, 272, 281). Entsprechend der Notwendigkeit kommunaler Selbstverwaltung als Teil des Staatsaufbaus setzen Bundes- und Landesverfassung die Mitgliedschaft in den Gemeinden als Gebietskörperschaft ebenso voraus wie die Staatsangehörigkeit. Einer grundrechtlichen Rechtfertigung für den Erwerb bedarf es nicht (vgl. Giegerich, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 16 Abs. 1 Rn. 81 (Sept. 2016); Kämmerer, in: Bonner Kommentar, Art. 16 Rn. 61 (Dez. 2015)). Die Pflichtmitgliedschaft in Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung greift demgegenüber in die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, ein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 81). Der weite Gestaltungsspielraum, über den der Gesetzgeber im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung verfügt und den der Senat in seinem die Antragsgegnerin betreffenden Urteil vom 22. August 2019 hervorgehoben hat (- 8 LC 116/18 -, NdsVBl. 2020, 44, juris Rn. 58, 60, 65), beruht nicht zuletzt auf der Einwirkung grundrechtlicher Erwägungen. Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 57 Abs. 1 NV trägt den Vorteilen der funktionalen Selbstverwaltung Rechnung. Entschließt der Gesetzgeber sich gleichwohl, eine Einrichtung der funktionalen Selbstverwaltung nicht zu errichten oder aufzulösen, wahrt er damit die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Mitglieder. Für seine Entscheidung gibt es bereits deswegen automatisch einen Grund des Gemeinwohls.

Dementsprechend hat der Staatsgerichtshof für die sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften zwar ein Recht auf Selbstverwaltung im Sinne einer Eigenverantwortlichkeitsgarantie angenommen, eine institutionelle Garantie hingegen nicht. In materieller Hinsicht steht der Auflösung einer Körperschaft kein besonderes verfassungsrechtliches Hindernis entgegen. Die Auflösung ist nur unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen verfassungsrechtlichen Missbrauchskontrolle nachprüfbar. Sie darf nicht willkürlich oder offenbar unvertretbar sein. Die getroffene Wahl darf nicht objektiv zweckuntauglich, offensichtlich fehlerhaft und eindeutig widerlegbar sein (vgl. NdsStGH, Urt. v. 3.6.1980 – 2/79 -, StGHE 3, 1, juris Rn. 59 ff.; vgl. Waechter, in: Epping u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 57 Rn. 117).

(b) In formeller Hinsicht ist der Gesetzgeber gehindert, die Auflösung ohne Anhörung der Körperschaft zu beschließen. Die Möglichkeit, zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen, entspricht nicht nur rechtsstaatlichen Gepflogenheiten (vgl. auch NdsStGH, Urt. v. 3.6.1980 – 2/79 -, StGHE 3, 1, juris Rn. 45). Sie ist auch dazu geeignet, dem Gesetzgeber den tatsächlichen Stellenwert zu vermitteln, den die bislang zur Selbstverwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten berufenen Kreise ihrer Partizipationsmöglichkeit tatsächlich beimessen. Hat sich die verfassungsrechtliche Annahme, dass die Selbstverwaltung einen hohen Nutzen stiftet, in dem konkreten Sachbereich bewahrheitet, wird dies dem Gesetzgeber durch die Anhörung vor Augen geführt und der Gefahr entgegengewirkt, den demokratischen und grundrechtlichen Wert der betroffenen Einrichtung der Selbstverwaltung falsch einzuschätzen. Die verfahrensrechtliche Sicherung der angemessenen Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte verwirklicht die Wertung der Verfassung, wonach eine möglichst weitgehende Selbstverwaltung grundsätzlich positiv zu bewerten ist (vgl. MR Dr. Danckwerts, Beratungen einer Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung, Verfassungsausschuss, 23.11.1950, S. 278).

(c) Das aus Art. 57 Abs. 1 NV abzuleitende Anhörungsrecht zielt nicht auf den Vortrag eines vom Gesamtinteresse der Mitgliedschaft abweichenden Interesses der Körperschaft „als solcher“ oder des Eigeninteresses der den Kammerorganen angehörenden Organwalter ab. Das Gericht teilt nicht die Annahme der Beschwerde, es wäre zulässig oder auch nur möglich, dass die Körperschaft nicht als Repräsentant und Interessenvertreter ihrer Mitglieder, sondern als Vertreter „ihrer selbst“ agiere.

Für eine solche Annahme bietet Art. 57 Abs. 1 NV keinen Ansatzpunkt. Die Verfassung enthält zwar eine Selbstverwaltungsgarantie aufgrund der mit der Selbstverwaltung allgemein verbundenen demokratischen und grundrechtsschützenden Vorteile. Sie besagt aber nicht, dass in jedem Sachbereich bei jeder vom Gesetzgeber geschaffenen Selbstverwaltungseinrichtung die Vorteile überwiegen müssten. Diese Bewertung überlässt sie dem einfachen Gesetzgeber. Daher ist Zweck der Anhörung nicht, ausschließlich für den Erhalt einer Körperschaft sprechende Gesichtspunkt herauszustellen. Die Körperschaft kann vielmehr das konkret am Fortbestand der Selbstverwaltung bestehende Interesse einbringen, das im Einzelfall hoch oder gering sein kann. Dem Gesetzgeber ist der tatsächliche Stellenwert der Selbstverwaltung für die dazu berufenen Mitglieder zu vermitteln. Dass es nicht um den Stellenwert ihres Bestandes für die Körperschaft „als solche“ gehen kann, folgt schon aus der Funktion der Selbstverwaltung als kollektiver Partizipationsmodus der Personen des Privatrechts, deren gemeinsame Angelegenheiten zu regeln sind, und nicht einer dieser Gruppe als eigenständige Organisation gegenübertretenden Einrichtung.

Dass Inhalt der Anhörung nicht allein Äußerungen sein können, die den Erhalt des Status quo bejahen, zeigt auch ein Vergleich mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. In diesem Bereich werden sich Gemeinden zwar in vielen Fällen gegen Änderungen aussprechen. Relevant kann aber genauso gut sein, dass der aktuelle Gemeindebestand im Widerspruch zur tatsächlichen örtlichen Verbundenheit steht. Akzeptanzdefizite können folglich in der Anhörung thematisiert werden (vgl. NdsStGH, Rechtsgutachten v. 13.12.1989 – 1/89 -, StGHE 3, 84, juris Rn. 58).

Folgt aus der Verfassung nicht, dass ein anderes als das Gesamtinteresse der Mitglieder Gegenstand der Anhörung sein könnte, so ergibt es sich erst recht nicht aus den einfachgesetzlichen Rechtsgrundlagen der Antragsgegnerin. Aus der Perspektive des Pflegekammergesetzes ist jede Stellungnahme zum Fortbestand der Antragsgegnerin die Wahrnehmung der gemeinsamen beruflichen Belange der Kammermitglieder i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG. Hierfür gelten die oben dargestellten Anforderungen an die Bildung des Gesamtinteresses. Ein Interesse der Körperschaft „als solche“, das sich von dem in dem geregelten Verfahren unter Beachtung der grundrechtlich fundierten inhaltlichen Maßstäbe gebildeten Gesamtinteresse unterschiede, ist dem Pflegekammergesetz unbekannt. Daraus folgt, dass eine Äußerung zum Fortbestand der Antragsgegnerin, die nicht das Gesamtinteresse in diesem Sinne zum Inhalt hätte, Art. 2 Abs. 1 GG verletzte. Dies wird durch Art. 57 Abs. 1 NV nicht legitimiert. Mithin sind es entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht die Gerichte, sondern das Grundrecht, welches dem Handeln der Antragsgegnerin in Bezug auf ihre Auflösung Grenzen zieht.

(d) Das Beschwerdevorbringen ist zudem verfehlt, weil die Verbandsbeteiligung durch das Ministerium im Vorfeld einer Gesetzesinitiative noch nicht die durch Art. 57 Abs. 1 NV vorgeschriebene Anhörung ist. Der Staatsgerichtshof sieht im Rahmen der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung die Anhörung als eine von dem Gesetzgeber zu erfüllende Pflicht an und meint damit ersichtlich das Verfahren vor dem Landtag. Vor der Einbringung des Gesetzentwurfs erfolgende Anhörungen sind nicht aus sich heraus solche nach Art. 57 Abs. 1 NV, sondern erlangen diesbezügliche Bedeutung nur, wenn der Gesetzgeber sie heranzieht. Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs steht es im Ermessen des Gesetzgebers, auf welche Art und Weise er die Anhörung der Betroffenen vornimmt. Sie ist verfassungsrechtlich nicht an bestimmte Förmlichkeiten gebunden. Der Gesetzgeber kann sie selbst schriftlich oder mündlich durchführen, auf die vor Einbringung des Auflösungsgesetzes von der Regierung zu diesen Maßnahmen durchgeführte Anhörung zurückgreifen oder die Regierung mit einer weiteren Anhörung beauftragen und sich das Ergebnis von ihr vortragen lassen (vgl. NdsStGH, Urt. v. 14.2.1979 – 2/77 -, StGHE 2, 1, juris Rn. 599). Es besteht kein Anlass, das aus der Garantie der funktionalen Selbstverwaltung folgende Anhörungsrecht in das Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens auszudehnen.

Im Gesetzgebungsverfahren über die Auflösung der Antragsgegnerin greift der Landtag nicht auf die Verbandsbeteiligung des Ministeriums zurück, sondern führt eine eigene Anhörung durch (Ausschussprotokoll Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung 18/103 (öffentlich) 14.01.2021, S. 31).

cc) Die angefochtene Stellungnahme erfüllt nicht die Anforderungen an Äußerungen der Antragsgegnerin.

Der Fortbestand der Antragsgegnerin ist, wie der Senat bereits festgestellt hat, eine unter den Mitgliedern besonders umstrittene Frage (vgl. Senatsbeschl. v. 22.10.2020 – 8 ME 99/20 -, GewArch. 2021, 28, juris Rn. 42). Daran ändert die Einstimmigkeit in der Kammerversammlung nichts. Ob eine in diesem Sinne höchst umstrittene Frage vorliegt, ist eine Tatsachenfrage. Es kann erforderlich sein, zur Existenz von Minderheitspositionen Tatsachenfeststellungen zu treffen, wenn diese nicht – wie hier – offenkundig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.10.2020 – 8 C 23.19 -, juris Rn. 28) oder etwa aufgrund von Abstimmungsergebnissen in den Gremien der Körperschaft feststeht. Es bedarf umgekehrt aber keiner Befassung der Kammerversammlung, um zu ermitteln, ob es sich um eine höchst umstrittene Frage handelt. Es trifft zwar zu, dass die Umstrittenheit einer Thematik sich auch aus dem Abstimmungsergebnis in der Kammerversammlung ergeben kann, wenn diese sich mit dem Gegenstand befasst hat. Der Umkehrschluss, allein auf diesem Wege könne festgestellt werden, ob eine Befassung der Kammerversammlung erforderlich ist, gilt jedoch nicht (vgl. Senatsbeschl. v. 4.2.2021 – 8 ME 119/20 -).

Die Gegenposition hätte in der Stellungnahme vom 25. November 2020 dargestellt werden müssen. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass das nicht erfolgt ist. Aus diesem Mangel ergibt sich die Unzulässigkeit des gesamten Inhalts der angegriffenen Stellungnahme, die durch das Weglassen der Gegenposition in allen Teilen nicht das Gesamtinteresse, sondern einseitig nur die für den Fortbestand anzuführenden Gesichtspunkte darstellt.

Zudem besteht der vom Verwaltungsgericht angenommene Verfahrensmangel, weil die Stellungnahme sich nicht auf eine vorab von der Kammerversammlung beschlossene Positionierung zumindest in den Grundzügen stützen konnte. Dass eine solche Festlegung bei Abgabe der Stellungnahme vorhanden gewesen wäre, trägt die Beschwerde nicht substantiiert vor.

Die Bildung einer solchen Grundposition ist keine laufende Geschäftsführung i.S.d. § 15 Satz 1 Nr. 6 PflegeKG, selbst wenn die darauf aufbauende Abfassung der Stellungnahme und das Beantworten von Einzelfragen Teil derselben ist (vgl. Senatsbeschl. v. 22.10.2020 – 8 ME 99/20 -, GewArch. 2021, 28, juris Rn. 34). Das Beschwerdevorbringen, dem Ministerium sei es darum gegangen, eine rechtliche Positionierung zu den sich im Zusammenhang mit dem übersandten Entwurf stellenden konkreten Fragen zu erhalten, ist aber auch nicht substantiiert worden; das von der Antragstellerin vorgelegte Schreiben des Ministeriums vom 3. November 2020 spricht gegen die Richtigkeit der Behauptung. Auch ein enges Zeitfenster für eine Stellungnahme macht die Bildung einer das Gesamtinteresse in einer besonders umstrittenen Frage zum Ausdruck bringenden Position nicht zur laufenden Geschäftsführung (vgl. auch Senatsbeschl. v. 22.10.2020 – 8 ME 99/20 -, GewArch. 2021, 28, juris Rn. 35).

Die Beschwerde trägt vor, die Kammerversammlung sei zu einer abwägenden Berücksichtigung der Gegenposition mangels ausreichender Kenntnis dieser Position nicht imstande. Auch das lässt den Verfahrensfehler nicht entfallen (vgl. Senatsbeschl. v. 22.10.2020 – 8 ME 99/20 -, GewArch. 2021, 28, juris Rn. 45). Der Kammerversammlung ist es jedenfalls möglich, die Gegenposition als solche darzustellen. Es erschließt sich auch nicht, warum nicht eine Auswertung der zahlreich vorhandenen Medienberichte über Proteste gegen die Errichtung und den Bestand der Antragsgegnerin es nicht ermöglichen sollte, die insoweit vertretenen Argumente zumindest in Grundzügen anzugeben. Ist das nicht leistbar, bleibt der Antragsgegnerin die Möglichkeit, in der Äußerung darzustellen, warum sie zu einer über die Existenz der Gegenposition hinausgehenden abwägenden Darstellung nicht in der Lage ist. Im vorliegenden Zusammenhang hätte auch das einen Informationswert bezüglich der Erfüllung der der Antragsgegnerin vom Gesetzgeber ursprünglich zugedachten Funktion.

Eine nachträgliche Genehmigung durch die Kammerversammlung reicht nicht aus. Das Gesamtinteresse kann nur von der Kammerversammlung definiert, nicht aber nachträglich von ihr genehmigt werden. Kommt es ungeachtet dessen zur Veröffentlichung eines ohne erforderliche Beteiligung der Kammerversammlung erstellten Grundsatzpapiers, liegt jedenfalls im Vorgang der Veröffentlichung eine Überschreitung der rechtlichen Befugnisse der Körperschaft und damit eine Verletzung der Rechte ihrer Pflichtmitglieder (Senatsbeschl. v. 22.10.2020 – 8 ME 99/20 -, GewArch. 2021, 28, juris Rn. 36; zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 – 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 50). Bereits, weil es um die Abwehr einer Kompetenzüberschreitung und nicht allein um den Inhalt der Stellungnahme geht, führt die nachträgliche Genehmigung nicht dazu, dass das Fordern des Widerrufs und der Unterlassung treuwidrig wäre. Insoweit geht es um das an einem Verfahrensfehler leidende und deswegen kompetenzwidrige Handeln der Antragsgegnerin. Es ist nicht identisch mit einer verfahrensfehlerfreien Neuvornahme. Auch zu einer analogen Anwendung von Heilungsvorschriften besteht kein Anlass, weil nicht feststeht, dass eine verfahrensfehlerfrei zustandegekommene Äußerung inhaltlich identisch wäre. Die Kammerversammlung hat zwar am 8. Dezember 2020 eine nachträgliche Billigung ausgesprochen. Das Gesetzgebungsverfahren ist aber mittlerweile eingeleitet und in dessen Rahmen findet eine Anhörung statt (Ausschussprotokoll Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung 18/103 (öffentlich) 14.01.2021 S. 31). Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass die Kammerversammlung sich dabei bereitfindet, die Gegenposition darzustellen, und deswegen auch die hier umstrittene Stellungnahme nicht mehr unverändert abgegeben würde.

dd) Der auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhende Anspruch richtet sich auf Widerruf der abgegebenen Stellungnahme gegenüber dem Ministerium und Unterlassen ihrer Weiterverbreitung. Entgegen dem Beschwerdevorbringen wird dadurch nicht das Anhörungsrecht aus Art. 57 Abs. 1 NV beeinträchtigt. Abgesehen davon, dass es bei der Verbandsbeteiligung durch das Ministerium noch nicht betroffen ist (s.o. bb) (2)(b)), wird die Antragsgegnerin nicht daran gehindert, eine den rechtlichen Maßstäben genügende Stellungnahme nachzuschieben.

b) Das den Anordnungsgrund betreffende Beschwerdevorbringen greift nicht durch. Ob die Antragstellerin im Gesetzgebungsverfahren selbst Stellung nehmen könnte, ist unerheblich, weil sich ihr Anspruch auf das Unterlassen von Handlungen richtet, die die gesetzlichen Aufgaben der Antragsgegnerin überschreiten. Der Antragsgegnerin wird eine Äußerung in der Verbandsbeteiligung nicht unmöglich gemacht. Sie ist nicht gehindert, dem Ministerium eine rechtmäßige Stellungnahme vorzulegen. Diese wäre zwar nicht mehr fristgemäß, der dadurch entstehende Nachteil ist aber geringer als derjenige, der sich daraus ergibt, dass dem Ministerium ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung nur eine Stellungnahme vorliegt, die die Antragsgegnerin so nicht hätte abgeben dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).