Sozialgericht Hildesheim – Beschluss vom 21.09.2021 – Az.: S 42 AY 4012/21 ER

BESCHLUSS

S 42 AY 4012/21 ER

In dem Rechtsstreit

xxx,

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis Hildesheim OE 908/Rechtsangelegenheiten,
vertreten durch den Landrat,
Bischof-Janssen-Straße 31, 31134 Hildesheim

– Antragsgegner –

hat die 42. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim am 21. September 2021 durch den Richter am Sozialgericht xxx beschlossen:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung privilegierte Leistungen gemäß § 2 Absatz 1 AsylbLG i.V.m. SGB XII analog für die Zeit vom 01. Juni bis zum 31. Dezember 2021 nach der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren, falls zuvor nicht über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. April 2021 entschieden wird.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

GRÜNDE

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, einer vorläufigen Gewährung von privilegierten Leistungen nach § 2 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Verbindung mit dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – analog nach der Regelbedarfsstufe 1, hat Erfolg.

Nach § 86 b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des I. Rechtzuges.

Voraussetzung für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes (vgl. Beschlüsse des Hessischen Landessozialgerichtes (LSG) vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER -, und vom 12. Februar 1997 – L 7 AS 225/06 ER -; Berlit, info also 2005, 3, 8).

Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Kammer nimmt vollumfänglich Bezug auf den Beschluss des Landessozialgerichtes (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 11. Februar 2021 – L 8 AY 76/20 B ER – und schließt sich den Ausführungen bezüglich der Qualität der Leistung und der Regelbedarfsstufe vollumfänglich an. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse in Bezug auf den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit nach Ablauf des Geltungszeitraums der vorläufig bewilligten Leistungen zum 31. Mai 2021 ist zur Überzeugung des Gerichts nicht eingetreten. Der Antragsteller hat weder nachweislich über seine Identität getäuscht noch eine Mitwirkung zur Erfüllung der ausländerrechtlichen Pflichten verweigert, wobei allein die Behörde die Darlegungs- und Beweislast trifft. Das Vorbringen des Antragsgegners erschöpft sich im Wesentlichen im Unverständnis mit der obergerichtlichen Entscheidung, die mangels Konformität mit ausländerrechtlichen Wertungen nicht akzeptiert wird, so dass es den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit überlassen bleibt, in weiteren (kostenpflichtigen) Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes der Sach- und Rechtslage gerecht zu werden. Mit einer vorläufigen Regelung bis zum Ausgang der Hauptsacheverfahren würde man diese, (vor dem Hintergrund der bekannten Rechtsauffassung des LSG) nicht notwendigen Verfahren und zusätzliche Kosten für den Steuerzahler vermeiden können und zur Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit beitragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG analog.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.