Verwaltungsgericht Hamburg – Beschluss vom 20.09.21 – Az.: 19 K 3981/20

BESCHLUSS

In der Verwaltungsrechtssache

xxx,

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte(r):
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55,
37073 Göttingen,

g e g e n

Freie und Hansestadt Hamburg,
vertreten durch die Behörde für Inneres und Sport
-Polizei-
Justitiariat (J),
Bruno-Georges-Platz 1,
22297 Hamburg,

– Beklagte –

hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 19, am 20. September 2021 durch die Richterin am Verwaltungsgericht xxx als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5, Abs. 3 VwGO

beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§§ 92 Abs. 3 Satz 2 analog, 158 Abs. 2 VwGO).

GRÜNDE

I.
Nachdem die Beteiligten dieses Verfahren bereits im Dezember 2020 übereinstimmend für erledigt erklärt haben (vgl. Schriftsätze vom 9. und 28. Dezember 2020, Bl. 55 bzw. 60 d. A.), ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

II.
Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Beklagte zu tragen.

Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Hier entspricht es – der in § 155 Abs. 4 VwGO zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung folgend – billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.

Gemäß § 155 Abs. 4 VwGO können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Die Kosten dieses gerichtlichen Rechtsstreits wären nach der im Rahmen des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO lediglich angezeigten summarischen Prüfung nicht entstanden, hätte die Beklagte den Abhilfebescheid vom 15. November 2019 seinerzeit an den Klägervertreter als dem in diesem verwaltungsrechtlichen Verfahren Bevollmächtigten zugestellt. Dann hätte jener aller Voraussicht nach von der Erhebung der Klage am 19. September 2020 abgesehen. Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, infolge eines Schreibens des Klägervertreters vom 1. Dezember 2017 zu Recht von der Niederlegung dessen Mandats (auch) im verwaltungsrechtlichen Verfahren nach § 81b StPO ausgegangen zu sein, vermag das Gericht dieser Einschätzung nach summarischer Prüfung nicht zu folgen. Weder war die mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 erfolgte Anzeige der Mandatsniederlegung an die Beklagte (Polizei) gerichtet – sondern an die Staatsanwaltschaft Hamburg – , noch trug das Schreiben das diesem verwaltungsrechtlichen Verfahren zugeordnete Aktenzeichen „0581/17sva“ des Klägervertreters (vgl. zu diesem Aktenzeichen bereits den Widerspruch vom 27. September 2017, Sachakte) – sondern das dem Strafverfahren zugeordnete Aktenzeichen „0580/17sva“ (vgl. zu diesem Aktenzeichen: Anzeige der Strafverteidigung vom 27. September 2017, Sachakte). Ferner enthielten sämtliche das verwaltungsrechtliche Mandat betreffenden Schriftsätze des Klägervertreters die Betreffzeile „Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung des Bastian Brücker, Bescheid vom 28.08.2017 …“ und waren an die Polizei Hamburg adressiert. Im beklagtenseits angeführten, an die Staatsanwaltschaft Hamburg adressierten, Schreiben vom 15. November 2017 lautet die Betreffzeile hingegen „…wegen: Verdacht des schweren Landfriedensbruches, …“. Danach hätte die Beklagte nicht ohne Weiteres von der Niederlegung des Mandats (auch) in diesem verwaltungsrechtlichen Verfahren ausgehen dürfen. Im Zweifelsfalle wäre eine Bitte um Klarstellung angezeigt gewesen.

Unabhängig davon dürfte die Beklagte jedenfalls nach Erhalt des Erinnerungsschreibens des Klägervertreters vom 16. Dezember 2019 Kenntnis vom Fortbestehen dessen verwaltungsrechtlichen Mandats gehabt haben. Dies hätte sie zum Anlass nehmen sollen, ihn nachträglich über die Abhilfeentscheidung vom 15. November 2019 in Kenntnis zu setzen. Soweit sie den Erhalt des besagten Schreibens vom 16. Dezember 2019 zunächst unter Verweis auf eine fehlende Sendebestätigung bestritt, ist sie dem im Nachgang (aber noch vor Abgabe ihrer Erledigungserklärung) durch den Klägervertreter vorgelegten entsprechenden Fax-Sendebericht vom 29. Dezember 2019 nicht mehr entgegengetreten. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hat im Rahmen der Entscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht zu erfolgen.

Soweit die zunächst als Untätigkeitsklage gegen den Bescheid vom 28. August 2017 erhobene Anfechtungsklage aufgrund der im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits gegenüber Herrn Rechtsanwalt Elster erfolgten Abhilfeentscheidung abzuweisen gewesen wäre, führte dies im Rahmen des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu keiner anderen Ermessensentscheidung, da der Klägervertreter hiervon mangels Zustellung des Abhilfebescheids (auch) an ihn unstreitig keine Kenntnis hatte und die in § 155 Abs. 4 VwGO zum Ausdruck kommende gesetzliche Wertung (s. o.) vorgeht.

Keine andere Entscheidung im Rahmen des Ermessens nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO rechtfertigt die mit Schriftsatz vom 6. November 2020 erfolgte Klageänderung, zu der sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2020 in der Sache eingelassen hat (§ 91 Abs. 2 VwGO). Eine § 156 VwGO entsprechende Kostentragung hält das Gericht insoweit auch unter Berücksichtigung des Anerkenntnisses des geänderten Klageanspruchs mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2020 aufgrund der vorangegangenen Ausführungen zum Anlass der Klageerhebung für unbillig. (Die Auswechslung des Streitgegenstands durch die spätere Klageänderung dürfte sich dabei aber auch nicht zu Lasten der Beklagten auf den Wert [§§ 6, 39 GKG] auswirken, da eine Zusammenrechnung verschiedener Streitgegenstände nach § 39 GKG nur erfolgte, wenn die verschiedenen Streitgegenstände zumindest zeitweise nebeneinander verfolgt worden wären [vgl. Schindler in BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 34. Edition, Stand 1.07.2021, § 40 Rn. 8 f. ], was nicht geschah). Unabhängig davon dürfte angesichts des im Schriftsatz vom 2. Dezember 2020 erfolgten Hinweises der Beklagten, mit ihrer Erklärung, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren sei notwendig gewesen, sei nicht gesagt, dass der Klägervertreter als eben derjenige Bevollmächtigte anzusehen sei, das Vorliegen eines für die Anwendung des § 156 VwGO erforderlichen prozessualen Anerkenntnisses ohnehin zweifelhaft sein (vgl. Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO Großkommentar, 5. Auflage 2018, § 156 Rn. 12).