Sozialgericht Kassel – Gerichtsbescheid vom 21.11.2021 – Az.: S 12 SO 22/21

Az.: S 12 SO 22/21 (verbunden mit S 12 SO 24/21)

GERICHTSBESCHEID

In den Rechtsstreiten

xxx,

Klägerin,

Prozessbevollm.: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

Werra-Meißner-Kreis, vertreten durch den Kreisausschuss Fachdienst Recht 3.1,
Schlossplatz 1, 37269 Eschwege,

Beklagter,

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Kassel am 21. November 2021 durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht xxx, ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Im Rechtsstreit S 12 SO 22/21 wird der Bescheid vom 13. Februar 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2019 teilweise aufgehoben und der Beklagte verurteilt, den bestandskräftigen Bescheid vom 26. Juni 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2018 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin im gesetzlichen Umfang unter Anrechnung der zeitgleich bereits erbrachten Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 kalte Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 207,90 € zu gewähren.
  2. Im Rechtsstreit S 12 SO 24/21 wird der Bescheid vom 20. Mai 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2019 abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin im gesetzlichen Umfang unter Anrechnung der zeitgleich bereits erbrachten Leistungen für die Zeit ab 1. Juli 2019 kalte Kosten der Unterkunft weiterhin in Höhe von monatlich 207,90 € zu gewähren.
  3. Der Beklagte hat der Klägerin in beiden Rechtsstreiten die Kosten der Rechtsstreite zu erstatten.
TATBESTAND

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer kalter Kosten der Unterkunft (KdU) im Streit, die die Klägerin im Rechtsstreit S 12 SO 22/21 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 und im Rechtsstreit S 12 SO 24/21 unmittelbar aus den angefochtenen Bescheiden für den Anschlusszeitraum vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 geltend macht, wobei beide Rechtsstreite unter dem führenden Az. S 12 SO 22/21 verbunden sind.

Die 19xx geborene Klägerin bewohnt zusammen mit ihrem 19xx geborenen Ehemann seit Januar 1996 eine 71,69 m2 große 3-Zimmer-Wohnung in der Kernstadt von Witzenhausen, wobei sie seit Juli 2016 durch den Beklagten als örtlich zuständigem Sozialhilfeträger mit Bescheid vom 15. September 2016 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe (SGB XII) zunächst für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. Juni 2017 bewilligt erhielt, deren Höhe zunächst monatlich 316,92 € betragen hatte. Vorgelegt worden war zuvor eine Mietbescheinigung, wonach die Grundmiete der von der Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann bewohnten Wohnung monatlich 293,24 € betrug, auf die kalten Nebenkosten monatlich 106,00 € entfielen und darüber hinaus monatliche Heizkostenvorauszahlungen für die mit Gas beheizte Wohnung i.H.v. 131,00 € zu zahlen waren.

Nachdem die Klägerin zuvor Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) bezogen hatte, waren seitens des Jobcenters Werra-Meissner bis zum 30. September 2014 dabei auch noch die seinerzeit zu leistenden Mietzahlungen entsprechend dem auf die Klägerin entfallenden Anteil zumindest bis 30. September 2014 in voller Höhe bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt worden, gleichzeitig war die Klägerin jedoch im März 2014 seitens des Jobcenters darüber informiert worden, dass ihre Unterkunftskosten für einen 2-Personen-Haushalt in Witzenhausen unangemessen hoch seien, wobei ihr ebenfalls seitens des Jobcenters die seinerzeit von diesem als angemessen angesehenen KdU für einen 2-Personen-Haushalt bekannt gemacht und im Weiteren dann mit Bescheid vom 19. September 2014 ab 1. Oktober 2014 als solche auch allein noch bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt worden waren.

Vom Beklagten ab Juli 2016 berücksichtigt worden waren dann an kalten monatlichen Mietkosten ab Juli 2016 insoweit dann auch nicht die tatsächlichen, in Höhe von monatlich 399,24 € (293,24 € + 106,00 €) anfallenden kalten Mietkosten, sondern allein monatlich 337,28 € bzw. auf die Klägerin entfallende monatlich 168,64 € (337,28 € : 2). Insoweit war der Klägerin mit einem weiteren Anschreiben vom 15. September 2016 mitgeteilt worden, dass nach § 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung nur in voller Höhe übernommen würden, wenn diese angemessen seien, wonach entsprechend den Richtlinien des Beklagten im Falle der Klägerin an kalten KdU monatlich allein 337,28 € bzw. in Höhe von anteilig monatlich 168,64 € angemessen seien, wobei es nach entsprechender Prüfung auf dem Wohnungsmarkt auch genügend Angebote für günstigere Wohnungen gebe und der Beklagte die unangemessenen Unterkunftskosten nur solange übernehmen könne, wie es der Klägerin oder ihrer Bedarfsgemeinschaft nicht zuzumuten sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten, durch Einsparung der Betriebskosten auf andere Weise, die Kosten zu senken, wobei in der Regel eine Übernahme der unangemessenen Unterkunftskosten längstens für 6 Monate im Betracht komme. Insoweit gebe der Beklagte der Klägerin Gelegenheit, bis zum 14. Oktober 2016 zu den Umständen Stellung zu nehmen und zu erläutern, welche Umstände im Falle der Klägern Einfluss auf die Angemessenheit der Unterkunft sowie auf die Zumutbarkeit kostensenkender Maßnahmen haben könnten, was der Beklagte weiter darlegte. Sollte sich die Klägerin bis zum 4. Oktober nicht geäußert haben oder keine Umstände vorgetragen haben, die ein Absehen von der Kostensenkung rechtfertigten, müsse sie mit einer konkreten Aufforderung zur Kostensenkung und nach einer angemessenen Zeit mit einer tatsächlichen Kürzung der ihr gewährten Leistungen auf einen angemessenen Betrag rechnen.

Dass dies bereits durch den Bescheid vom 15. September 2016 wie auch bereits zuvor seit Jahren selbst erfolgt war, blieb unbeachtet.

Nachdem die Klägerin hierauf am 7. Oktober 2016 mitgeteilt hatte, auf der Suche nach einer angemessenen Wohnung zu sein, sie aber noch keine entsprechende Wohnung gefunden hätten, war ihr unter dem 7. November 2016 wiederum ein gleichlautendes Schreiben übersandt worden, worauf seitens der Klägerin ausweislich entsprechender Aktenvermerke (Bl. 80 der Verwaltungsakte der Beklagten) seitens der Klägerin dann auch in der Folgezeit wiederholt mitgeteilt worden, noch keine entsprechende Wohnung gefunden zu haben. Nachweise hierzu waren seitens des Beklagten selbst nicht angefordert worden.

Ein erster Änderungsbescheid war nach Aktenlage schließlich am 13. Dezember 2016 für die Zeit ab 1. Januar 2017 ergangen, ohne dass sich hinsichtlich der als angemessen in die Bedarfsberechnung eingeflossenen KdU insoweit jedoch etwas geändert hätte. Gleiches galt für weitere Änderungsbescheide vom 20. Januar 2017, 15. Februar 2017 und 24. April 2017, soweit diese den laufenden Bewilligungszeitraum bis 30. Juni 2017 betroffen hatten. Gleichzeitig waren diese Bescheide insoweit sämtlich bestandskräftig geworden.

Mit weiterem Bescheid vom 24. April 2017 waren der Klägerin dann Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch für den Nachfolgezeitraum vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018 weiterbewilligt worden. Auch hier wiederum unter Zugrundelegung auf die Klägerin entfallender, monatlich nach Auffassung des Beklagten allein angemessener kalter KdU i.H.v. 168,64 €, wobei die Klägerin auch gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch eingelegt hatte. Dies war auch nicht gegen weitere hinsichtlich der KdU unveränderte Änderungsbescheide vom 18. Juli 2017, 6. September 2017 und vom 30. Oktober 2017.

Erstmals mit Eingängen vom 13. Dezember 2017 meldete sich dann der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese beim Beklagten und machte für die Klägerin unter Verweis auf § 44 SGB X eine Überprüfung der Leistungsgewährung dieser gegenüber rückwirkend ab dem 1. Juli 2017 geltend. Dies im Weiteren mit Eingang am 12. Januar 2018 auch hinsichtlich der Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017, was für sämtliche zur Überprüfung geltend gemachten Zeiträume damit begründet wurde, dass hier zu niedrige KdU bewilligt worden seien.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2018 waren der Klägerin hierauf zwar rückwirkend ab dem 1. Januar 2017 höhere Heizkosten nachgezahlt worden, im Übrigen waren die Überprüfungsanträge jedoch abgelehnt worden, wobei seitens des Beklagten ausgeführt worden war, dass die KdU ab Juli 2016 bis fortlaufend korrekt ermittelt worden und der angemessene Unterkunftskostenbetrag i.H.v. 337,28 € gewährt worden sei. Das Jobcenter Werra-Meissner habe bereits ein ordentliches Kostensenkungsverfahren hinsichtlich der Angemessenheit der KdU und Heizkosten durchgeführt und eine Absenkung der KdU und Heizkosten auf einen angemessenen Betrag vorgenommen gehabt. Insoweit könne der Beklagte lediglich die vorliegenden Tatsachen ab dem 1. Juli 2016 überprüfen, wobei Ausführungen dann im weiteren jedoch allein hinsichtlich der Heizkosten erfolgt waren, der Bescheid vom 22. Juni 2018 zu den kalten KdU dann selbst jedoch keine weiteren Ausführungen enthalten hatte.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2018 waren der Klägerin dann im Rahmen einer Folgebewilligung Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung ab Juli 2018 schließlich auch für einen weiteren Folgebewilligungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 bewilligt worden, wobei der Beklagte im Rahmen der Bedarfsberechnung zwischenzeitlich von angemessenen kalten KdU in Höhe von monatlich 344,32 € ausging bzw. einem hiervon auf die Klägerin entfallenden Anteil in Höhe von monatlich 172,16 €. Tatsächlich belaufen hatte sich die monatliche Netto-Kaltmiete dabei zwischenzeitlich seit dem 1. Januar 2018 auf 466,24 €.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 29. Juni 2018 waren dann aber entsprechende Leistungen auch noch für die Monate Mai und Juni 2018 nachbewilligt worden, was damit begründet worden war, dass auf der Grundlage einer Aktualisierung der Werte über die Angemessenheit der Unterkunftskosten im Werra-Meister-Kreis im Sinne des §§ 42a i.V.m. § 35 SGB XII rückwirkend ab Mai 2018 an monatlichen kalten KdU jetzt 344,32 €, bzw. auf die Klägerin entfallende 172,16 € berücksichtigt werden könnten.

Beidem hatte wiederum zugrunde gelegen, dass bereits zuvor die erkennende Kammer für den Bereich des SGB XII als auch die 3. Kammer des Sozialgerichts Kassel für den Bereich des SGB II in mehreren Urteilen das zuvor auf dem Gutachten der Firma Analyse und Konzepte mit Endbericht März 2014 beruhende Konzept des Werra-Meissner-Kreises zur Ermittlung der angemessenen KdU als unschlüssig angesehen hatte, nachdem dieses Konzept und die auf ihm fußenden Richtlinien allein auf einem Vergleichsraum beruhten, was mit der 3. Kammer des Gerichts und der erkennenden Kammer als unschlüssig angesehen worden war, worauf die Firma Analyse und Konzepte im Mai 2018 das bisherige Konzept überarbeitet und den Werra-Meister-Kreis nunmehr in 4 Vergleichsräume eingeteilt hatte, wodurch sich vorliegend die als angemessen angesehenen kalten KdU von monatlich 337,28 € auf jetzt monatlich 344,32 € erhöht hatten.

Gegen den Bescheid vom 26. Juni 2018, den Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 betreffend, legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dann mit Eingang beim Beklagten am 3. Juli 2018 Widerspruch ein, mit der er unter ausführlicher Darlegung und von ihm in Bezug genommener Rechtsprechung davon ausging, dass der Ermittlung der als angemessen angesehen KdU bzw. berücksichtigten Mietkosten hier ein unschlüssiges Konzept zu Grunde liege, dem der Beklagte im weiteren mit erläuternden Schreiben vom 24. August 2018 entgegengetreten war und dabei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch den vorgenannten Endbericht vom 18. Mai 2018 zur weiteren Verwendung übersandt hatte.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Juni 2018, den Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 betreffend, selbst wies der Beklagte dann mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2018, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 3. November 2018, als unbegründet zurück.

Die Klägerin habe ab 1. Juli 2018 keinen höheren monatlichen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach den 4. Kapitel des SGB XII als den vom Beklagten bereits bewilligten. Der Beklagte habe hier in zutreffender und rechtmäßiger Weise auf der Grundlage des von der Firma Analyse und Konzepte, Hamburg erstellten Konzepts zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meissner-Kreis die angemessenen Unterkunftskosten für einen 2-Personen-Haushalt in Witzenhausen zugrunde gelegt. Die Leistungsberechnung sei rechtmäßig und zutreffend und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Nach dem ab Mai 2018 geltenden Konzept lägen die angemessenen Unterkunftskosten für einen 2-Personen-Haushalt in Witzenhausen bei 344,32 €. Insoweit seien die tatsächlichen Mietkosten der Klägerin unangemessen hoch, wobei hierzu bereits im Jahr 2014 eine sprechendes Kostensenkungsverfahren seitens des Jobcenters des Werra-Meitner-Kreises durchgeführt worden sei, was der Beklagte im Einzelnen weiter darlegte. Auf die o.a. Vergleichsraumproblematik habe der Beklagte reagiert, ohne dass dies seiner Auffassung nach bedeuten würde, dass die Vergleichsraumbildung nach dem ursprünglichen Konzept fehlerhaft gewesen wäre. Insoweit gehe der Beklagte nach wie vor von der Schlüssigkeit auch des vorangegangenen Konzepts aus, was der Beklagte weiter erläuterte. Ein Umzug sei vorliegend auch nicht unzumutbar. Es seien weder Gründe angegeben worden, warum ein Umzug aus der bisherigen Wohnung nicht möglich sei, noch sei eine Suche nach alternativem Wohnraum nachgewiesen. Ausweislich der Aufzeichnungen des Beklagten sei auch im Hinblick auf 2-Personen-Haushalte im Mittelzentrum Witzenhausen adäquater Wohnraum vorhanden und anwendbar, wozu auch Bad Soden-Allendorf und Neu-Eichenberg zählten.

Von der Klägerin war hierauf gegen den Bescheid vom 26. Juni 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2018, die Leistungsgewährung vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 betreffend, am 5. Dezember 2018 unter dem Aktenzeichen S 11 SO 127/18 Klage vor dem Sozialgericht in Kassel erhoben worden, worauf seitens des Beklagten die Unzulässigkeit der Klageerhebung wegen einer Versäumung der Klagefrist geltend gemacht worden war und die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Eingang am 7. Januar 2019 die Klage dann zurückgenommen hatte.

Gleichzeitig war vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Eingang beim Beklagten am 11. Januar 2019 den vorgenannten Leistungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 und konkret den Bescheid vom 26. Juni 2018 betreffend dann aber auch ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt worden, den der Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2019 neben einem weiteren, hier nicht streitbefangenen Überprüfungsantrag, der die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2018 betroffen hatte, zurückwies.

Über die Gewährung der KdU und Heizung für die Zeiträume vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018 und vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 sei mit Widerspruchsbescheiden vom 1. November 2018 sowie 2. November 2018 entschieden worden. Die hiergegen erhobenen Klagen seien wegen Verfristung zurückgenommen worden. Durch die mit diesen Widerspruchsbescheiden getroffenen Entscheidungen ergebe sich keine Änderung. Die Bescheide seien rechtskräftig entschieden. Eine erneute Überprüfung für die betreffenden Zeiträume erfolge nicht.

Den gegen den Bescheid vom 13. Februar 2019, unter anderem den hier breitbefangenen Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 betreffenden, unter weiterer Darlegung vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. Februar 2019 eingelegten Widerspruch, wies der Beklagte schließlich mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2019 als unzulässig zurück.

Der Widerspruch sei neben dem Widerspruch, den hier nicht streitbefangen Leistungszeitraum vom 1. Juni 2018 bis 30. Juni 2018 betreffend, zwar form- und fristgerecht erhoben worden, es fehle jedoch in beiden Fällen am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Die Widersprüche seien deshalb als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt worden sei. Durch die Rücknahme der Klagen vom 5. Dezember 2018 hätten sich die gerichtlichen Verfahren in dieser Angelegenheit in der Hauptsache erledigt gehabt. Die Bescheide vom 22. Juni 2018 und vom 26. Juni 2018, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 2. November 2018 und vom 1. November 2018, seien mit den darin ausgewiesenen KdU bestandskräftig geworden. Die Klägerin habe bereits deshalb keinen Anspruch auf eine Sachentscheidung mehr, was der Beklagte im Einzelnen weiter erläuterte.

Gegen den Bescheid vom 13. Februar 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2019 und allein den Leistungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 betreffend, hat die Klägerin sodann durch ihren Prozessbevollmächtigten am 3. Juni 2019 unter dem Az. S 12 SO 55/19 Klage vor dem Sozialgericht in Kassel erhoben.

Gleichzeitig war bereits zuvor am 20. Mai 2019 ein weiterer Fortzahlungsbewilligungsbescheid ergangen, mit dem der Klägerin nunmehr auch noch für den Folgebewilligungszeitraum vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bewilligt worden war. Dies weiterhin unter Berücksichtigung allein als angemessen angesehener monatlicher kalter KdU i.H.v. 344,32 € bzw. hiervon auf die Klägerin entfallende kalte KdU in Höhe von monatlich 172,16 €, wogegen die Klägerin wiederum am 27. Mai 2019 durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch eingelegt und wie vor eine Leistungsgewährung unter Berücksichtigung der Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines 10-prozentigen Sicherheitszuschlages geltend gemacht hatte. Das Gutachten der Firma Analyse und Konzepte mit Endbericht Mai 2018 sei nicht als grundsicherungsvalide Erhebung zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten anzusehen. Das Gutachten leide an derartigen Mängeln im Bereich der Erhebung und den Auswertungen, dass diese selbst durch Vorlage der Rohdaten nicht geheilt werden könnten.

Der Beklagte war dann auch dem vorgenannten Widerspruch wiederum mit erläuternden Schreiben vom 5. Juli 2019 entgegengetreten und wies den Widerspruch schließlich selbst mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2019, zugestellt am 20. August 2019, den Leistungszeitraum vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 betreffend, wiederum als unbegründet zurück. Dies im Wesentlichen seine Ausführungen im o.a. Widerspruchsbescheid vom 1. November 2018, der die Leistungsgewährung vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 betroffen hatte, wiederholend.

Gegen den Bescheid vom 20. Mai 2019 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 19. August 2019, die Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 betreffend, hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 21. August 2019 unter dem Az. S 12 SO 77/19 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben.

In beiden Rechtsstreiten tritt die Klägerin dem vom Beklagten angewandten Konzept entgegen, wozu der Beklagte, auch wenn die Klägerin im Rechtsstreit S 12 SO 55/19 aus den Gründen des dort angefochtenen Widerspruchsbescheides eine Überprüfung des streitgegenständlichen Zeitraums nicht zu beanspruchen vermöge, auf weitere Stellungnahmen der Firma Analyse und Konzepte u.a. vom 4. Januar 2019, vom 27. Juni 2019 und vom 15. Januar 2020 und die Rohdaten zur Mietwerterhebung 2017 verweist.

Beide Rechtsstreite sind schließlich im Weiteren und im Nachgang zu den beim Hessischen Landessozialgericht anhängigen Berufungsverfahren gegen die o.a. Urteile der erkennenden Kammer vom 21. März 2018 ruhend gestellt worden. Dies ebenso wie die gleichzeitig anhängigen, unterschiedliche Leistungszeiträume betreffenden Klagen des Ehemannes der Klägerin, S 12 SO 101/18, S 12 SO 102/18 und S 12 SO 140/18, wobei der Beklagte im Anschluss an ein für den Bereich des SGB II ergangenes weiteres Urteil der 2. Kammer des Sozialgerichts Kassel vom 18. November 2020, S 2 AS 271/17 in diesem Rechtsstreiten für die dort streitig gewesenen Leistungszeiträume 1. Februar bis 30. Juni 2017, 1. Juli 2017 bis 31. Januar 2018 und 1. Februar 2018 bis 30. April 2018 eine Leistungsgewährung unter Rückgriff auf die in diesen Zeiträumen jeweils geltenden Tabellenwerte des § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % anerkannt hat und die vorgenannten Rechtsstreite des Ehemannes der Klägerin damit erledigt waren. Entsprechende Anerkenntnisse auch in den zunächst noch ruhenden Rechtsstreiten der Klägerin sind dann aber auch im Hinblick auf das vorgenannte Urteil der 2. Kammer des Sozialgerichts Kassel nicht abgegeben worden, was damit begründet worden ist, dass die Entscheidung der 2. Kammer das „alte“ Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meister-Kreis der Firma Analyse und Konzepte (Endbericht 2014) in der fortgeschriebenen Fassung (Endbericht 2015) betroffen habe, das bis zum 30. April 2018 angewandt worden sei und sich hieraus keine Folgerungen für die vorliegenden Verfahren ergäben, in denen sich die Angemessenheitsgrenzen nach dem so genannten „neuen“ Konzept (Endbericht Mai 2018) richteten.

Das ruhende Klageverfahren S 12 SO 55/19 ist dann schließlich von Amts wegen unter dem Aktenzeichen S 12 SO 22/21 von Amts wegen wieder neu aufgerufen worden, das ruhende Klageverfahren S 12 SO 77/19 unter dem Aktenzeichen S 12 SO 24/21.

Gleichzeitig ist seitens des Kammervorsitzenden denn in beiden Rechtsstreiten unter anderem darauf hingewiesen worden, dass sich mit der Einräumung der Unschlüssigkeit des vorausgegangenen Konzepts die Frage der erforderlichen Einleitung eines neuen Kostensenkungsverfahrens stellen könnte, nachdem insoweit bezogen auf die hier streitigen Zeiträume bereits keine wirksame Kostensenkungsaufforderung mehr vorgelegen haben dürfte, die eine Leistungsgewährung allein nach dem im streitigen Zeitraum geltenden Konzept gerechtfertigt hätte.

Der Beklagte ist dem in beiden Rechtsstreiten entgegengetreten, wobei er gleichzeitig die Vorlage einer weiteren Stellungnahme der Firma Analyse und Konzepte hierzu angekündigt hat.

Mit Beschluss vom 8. Juni 2021 hat die Kammer dann die Rechtsstreite S 12 SO 22/21 und S 12 SO 24/21 unter dem führenden Aktenzeichen S 12 SO 22/21 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Gleichzeitig sind die Beteiligten mit Schreiben des Kammervorsitzenden vom 8. Juni 2021, jeweils zugestellt am 10. Juni 2021, darauf hingewiesen worden, dass nach weiterer Prüfung auch im Nachgang zum Beklagtenvorbringen hierzu im Ergebnis an den vorgenannten rechtlichen Hinweisen festgehalten werde und von daher nunmehr beabsichtigt sei, die Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid im Beschlussbesetzung ohne ehrenamtliche Richter zu entscheiden, wobei den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung des vorgenannten Schreibens gegeben worden ist.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht weiter geäußert. Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Insoweit lägen bereits die Voraussetzungen nach § 105 Absatz 1 S. 1 SGG für den Erlass eines Gerichtsbescheides nicht vor, ohne dass dann bis zur vorliegenden Entscheidung eine weitere Stellungnahme der Firma Analyse und Konzepte seitens des Beklagten vorgelegt worden wäre. Auch Hinderungsgründe sind insoweit bis zur vorliegenden Entscheidung nicht weiter genannt worden.

Die Klägerin beantragt (jeweils sinngemäß),
im Rechtsstreit S 12 SO 22/21
den Bescheid vom 13. Februar 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2019 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den bestandskräftigen Bescheid vom 26. Juni 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2018 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin im gesetzlichen Umfang unter Anrechnung der zeitgleich bereits erbrachten Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 kalte Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 207,90 € zu gewähren,
im Rechtsstreit S 12 SO 24/21
den Bescheid vom 20. Mai 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2019 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin im gesetzlichen Umfang unter Anrechnung der zeitgleich bereits erbrachten Leistungen für die Zeit ab 1. Juli 2019 kalte Kosten der Unterkunft weiterhin in Höhe von monatlich 207,90 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten wird insgesamt Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten der beiden hier verbundenen Rechtsstreite; ebenso wird Bezug genommen auf die hier beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, deren wesentlicher, die verbundenen Rechtsstreite betreffender Inhalt gleichfalls Gegenstand Entscheidung war.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Rechtsstreite konnten im Anschluss an die Anhörung des Kammervorsitzenden gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid im Beschlussbesetzung – ohne ehrenamtliche Richter – entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind, ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden ist, die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt darüber hinaus, so wie dies für die Entscheidung auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten in der vorliegenden Fallgestaltung aus Sicht der Kammer allein rechtlich relevant und insoweit in der vorliegenden Fallgestaltung allein entscheidungserheblich ist, geklärt ist. Mehr als 5 Monate nach der entsprechenden Ankündigung war insoweit auch die Vorlage einer weiteren Stellungnahme der Firma Analyse und Konzepte nicht abzuwarten, nachdem jedenfalls aus Sicht der Kammer die Schlüssigkeit des Neukonzepts mit Endbericht Mai 2018 die hier getroffenen Entscheidungen selbst unberührt lässt und den Entscheidungen in beiden verbundenen Sachen hier auch allein eine zu lösende Rechtsfrage zugrunde liegt.

In diesem Zusammenhang folgt die Kammer – wie dem Beklagten in anderem Zusammenhang bekannt – im Übrigen der Auffassung (vgl. Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 105 SGG, RdNr. 21ff), dass selbst Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zwingend von überdurchschnittlicher Schwierigkeit sein müssen. Insoweit gibt es mit Burkiczak (wie vor) und der insoweit zitierten Literatur auch einfache oder jedenfalls durchschnittlich schwierige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Allein der Umstand, dass eine Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat, begründet mit Burkiczak (wie vor) auch nach Auffassung der Kammer insoweit noch keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art. Entsprechendes gilt mit Burkiczak (wie vor) für die Divergenzlage: Ein Sozialgericht könne auch in einfachen oder durchschnittlich schwierigen Rechtsfragen von ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung abweichen, ohne dass die Rechtsfragen hierdurch an Schwierigkeit gewönnen. Dass eine Rechtsnorm verschiedene Auslegungen zulasse, begründe noch keine besonderen Schwierigkeiten. Dabei könne das Sozialgericht mit Burkiczak (wie vor) insbesondere auch dann sogar überdurchschnittlich schwierige Rechtsfragen durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn es diese Rechtsfragen zuvor in parallel gelagerten Fällen bereits unter Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Urteil entschieden habe. Die Kammer könne dann mit Burkiczak (wie vor) und der insoweit zitierten Literatur weitere gleichgelagerte Fälle durch Gerichtsbescheid entscheiden, während einer anderen Kammer oder einem anderen Sozialgericht, die bzw. das diese Rechtsfrage noch nicht durch Urteil entschieden habe, eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid verwehrt sei. In diesen Fällen muss das Sozialgericht lediglich die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung oder wegen Divergenz zulassen, wenn insofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen, ohne dass sich diese Frage hier dann jedoch stellt. Dies auch unabhängig davon, dass hier eine rechtlich relevante Divergenz, auf der die Entscheidung hier beruhen würde, erst gar nicht erkennbar ist. Der Gerichtsbescheid wirkt bei alledem als Urteil (§ 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG).

Die Klagen sind zulässig. Sie sind insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhoben worden (§§ 87, 90 SGG), wobei die Klägerin nach ihrem jeweiligen Vorbringen zur Anspruchsbegründung ihre Klagen im Ergebnis auch in zulässiger Weise auf den Streitgegenstand der kalten Kosten der Unterkunft beschränkt hat, nachdem sie die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der jeweils gegenständlichen Bescheide im Ergebnis nicht angegriffen hat und nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Leistungen für Unterkunft und Heizung abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheides bilden (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az.: B 4 AS 87/12 R, juris – Rn. 17; BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 4/13 R – juris Rn. 10; bereits BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 8/06 R – juris Rn. 18).

Die Klagen sind schließlich auch beide im jeweils geltend gemachten Umfang vollauf begründet.

Im Rechtsstreit S 12 SO 22/21 ist Bescheid vom 13. Februar 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2019 ist rechtswidrig, soweit der Beklagte mit diesen eine Überprüfung der der Klägerin im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 bewilligten kalten KdU abgelehnt und der Klägerin die Gewährung höherer kalter KdU für diesen Zeitraum abgelehnt hat. Insoweit war der Beklagte im Rechtsstreit S 12 SO 22/21 unter teilweiser Aufhebung der insoweit angefochtenen Bescheide zu verurteilen, den Bescheid vom 26. Juni 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2018 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin im gesetzlichen Umfang unter Anrechnung der zeitgleich bereits erbrachten Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 kalte Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 207,90 € zu gewähren. Dies unabhängig davon, ob das der Leistungsgewährung hier zugrundeliegende „neue“ Konzept selbst schlüssig ist, da insoweit allein darauf abzustellen bleibt, dass der hier maßgeblichen Kostensenkungsaufforderung selbst kein schlüssiges Konzept zugrunde lag, die o.a. Kostensenkungsaufforderung hier also auch nicht als der Leistungsgewährung rechtmäßig zugrundeliegende und insbesondere als solche auch wirksame Kostensenkungsaufforderung zugrunde gelegt werden kann, was dann aber wiederum auch nicht zur Berücksichtigungsfähigkeit auch der tatsächlichen kalten Mietkosten in voller Höhe (hier seit 1. Januar 2018 mtl. 466,24 €) bzw. des auf die Klägerin hiervon entfallenden vollen Anteils dieser Kosten führt, sondern, nachdem diese tatsächlichen Kosten im streitigen Zeitraum über denen der Tabellenwerte des WoGG lagen, allein zu einer Berücksichtigungsfähigkeit der tatsächlichen Brutto-Kaltmiete bis zum Tabellenwert nach § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10%, also hier den vorgenannten monatlich 207,90 € (Witzenhausen = Mietstufe I (2 Haushaltsmitglieder) = 378,00 € + 10% = 37,80 € = 415,80 € : 2 = 207,90 €).

Im Rechtsstreit S 12 SO 24/21 setzt sich dies dann fort und gilt im Ergebnis auch die Zeit ab 1. Juli 2019, so dass auch der Bescheid vom 20. Mai 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2019 teilweise rechtswidrig und der Beklagte im Rechtsstreit S 12 SO 24/21 unter Abänderung der insoweit angefochtenen Bescheide zu verurteilen ist, der Klägerin im gesetzlichen Umfang unter Anrechnung der zeitgleich bereits erbrachten Leistungen für die Zeit ab 1. Juli 2019 kalte Kosten der Unterkunft weiterhin in Höhe von monatlich 207,90 zu gewähren.

Dabei ist hinsichtlich der unter dem Az. S 12 SO 55/19 erhobenen und unter dann dem Az. S 12 SO 22/21 fortgeführten Klage gegen den Bescheid vom 13. Februar 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2019, den Leistungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 betreffend, zunächst weiter auszuführen, dass diese Klage nicht bereits deshalb unbegründet ist, weil der Beklagte mit den hier angefochtenen Bescheid im Anschluss an die zuvor in der 11. Kammer des Sozialgerichts Kassel anhängig gewesenen, wegen einer Verfristung unzulässigen und zurückgenommenen Klage eine (erneute) Überprüfung nach § 44 SGB X zu Recht abgelehnt hätte und der Widerspruch dann zu Recht als unzulässig abgewiesen worden wäre. Unabhängig davon, dass man sich seitens des Beklagten insoweit ohnehin erst gar nicht die Mühe gemacht hat, sich mit der dem entgegenstehenden langjährigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung oder auch der Kommentarliteratur hierzu auseinanderzusetzen, war dies nämlich bereits rechtsfehlerhaft und rechtwidrig.

Der Beklagte verkennt insoweit, dass im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X Verwaltung und Gerichte auch ohne neues Vorbringen eines Antragstellers zu prüfen haben, ob bei Erlass eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt wurde. Ziel des § 44 SGB X ist es dabei, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (vgl. hierzu bereits SG Kassel, Urteil vom 2. Juni 2010, S 12 KR 172/09, mwN). Insoweit gilt hier im Ergebnis nichts anderes als in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges sozialgerichtliches Urteil vorliegt, selbst wenn dem ein wiederholter Überprüfungsantrag zugrunde lag (vgl. bereits Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. März 1986, L 2 J 1005/85, juris).

Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde. Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie zumindest in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden.

§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB X verweist insoweit auf zwei Alternativen, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Versicherten zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Ob das Vorgehen eines Klägers dabei als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, bleibt zumindest bei dieser Pflicht zur Überprüfung unbeachtlich. Führt die „gedankliche“ Überprüfung zum Festhalten an den zur Überprüfung gestellten Bescheiden, steht es dem Beklagten letztlich lediglich frei, unter entsprechender Skizzierung mit seiner Entscheidung auf diese Bescheide zu verweisen. Selbst wenn ein Fall eines querulatorisch wiederholten Antrags nach § 44 SGB X vorliegt, in dem keine neuen Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts genannt werden, ist dieser (immer wieder) unter bloßem Hinweis auf die bereits geprüfte Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ablehnend zu bescheiden (vgl. Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, Rdnrn. 137ff).

Verwiesen werden kann insoweit dann auch noch auf das Bundessozialgericht (BSG), das zuletzt mit Urteil vom 30. Januar 2020, B 2 U 2/18 R (zitiert nach juris) hierzu, die wie vor aufgezeigte Rechtsprechung letztlich weiterhin bestätigend, noch ausführt:

„§ 44 SGB X durchbricht deshalb hier als andere Bestimmung iS des § 77 Halbsatz 2 SGG die Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte (§ 77 Halbsatz 1 SGG) und vermittelt einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts auch dann, wenn dieser bereits durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG Urteile vom 7.5.2019 – B 2 U 34/17 R – juris RdNr 13 <BSGE und SozR 4 vorgesehen>; vom 26.10.2017 – B 2 U 6/16 R – SozR 4-2200 § 547 Nr 1 RdNr 16; vom 10.12.2013 – B 13 R 91/11 R – SozR 4-2600 § 249b Nr 1 RdNr 18; vom 5.9.2006 – B 2 U 24/05 R – BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12 und vom 23.5.2006 – B 13 RJ 14/05 R – SozR 4-2600 § 315a Nr 3 RdNr 14). Denn während das rechtskräftige Urteil im Ausgangsverfahren die (Anfechtungs-)Klage auf Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts (ggf. kombiniert mit einer Leistungs-, Verpflichtungs- oder Feststellungsklage) abweist, wird im Zugunstenverfahren über die Aufhebung der negativen Zugunstenbescheide und die Rücknahme des ursprünglichen Verwaltungsakts gestritten, also über einen anderen Streitgegenstand (vgl nur Steinwedel, FS 50 Jahre BSG, 2004, 783, 785 f), sodass der Einwand entgegenstehender Rechtskraft nicht erhoben werden kann.

Nichts anderes gilt im zweiten (und allen folgenden) Zugunstenverfahren sowohl im Verhältnis zum Ausgangs- als auch zum ersten Zugunstenverfahren, wie der Senat bereits entschieden hat (BSG Urteil vom 11.11.2003 – B 2 U 32/02 R – juris RdNr 19). Danach ist der Leistungsträger nach § 44 Abs. 1 SGB X verpflichtet, auch bei wiederholten Anträgen über die Rücknahme der entgegenstehenden Verwaltungsakte und die Gewährung der beanspruchten Sozialleistung inhaltlich zu entscheiden (BSG aaO und Urteil vom 5.9.2006 – B 2 U 24/05 R – BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen, sondern muss in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG Urteil vom 5.9.2006 – B 2 U 24/05 R – BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18, RdNr 12 mwN). Denn Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG aaO und vom 4.2.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr 24; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, RdNr 38 ff; Steinwedel, aaO, § 44 RdNr 1b; Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685).

Nichts anderes folgt aus den Urteilen des 9. und 4. Senats des BSG (vom 3.2.1988 – 9/9a RV 18/86 – BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und vom 3.4.2001 – B 4 RA 22/00 R – BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), auf die sich die Beklagte beruft und die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl §§ 578 ff ZPO) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren befürworten. Unabhängig von der Frage, inwieweit dieser Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen nennt, bei deren Vorliegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen ist: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen zu erfolgen hat (BSG Urteile vom 5.9.2006 – B 2 U 24/05 R – BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18, RdNr 12 mwN; vom 21.3.2002 – B 7 AL 44/01 R – SozR 3-4100 § 119 Nr. 23 S 119 und vom 16.5.2001 – B 5 RJ 26/00 R – SozR 3-2600 § 243 Nr. 8 S 28 f).“

Zu den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen auf die geltend gemachten Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII dem Grunde nach, die zwischen den Beteiligten nicht streitig sind und auch nach Überprüfung der Kammer vorliegen, kann bei alledem zunächst analog § 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen des Beklagten in den jeweils angefochtenen Bescheiden verwiesen werden. Dies auch zumindest weiterhin dahingehend, dass die Klägerin und ihr Ehemann eine mit dem Beklagten für einen 2-Personen-Haushalt unangemessen große Wohnung bewohnen und hier als angemessene Kosten grundsätzlich allein die Kosten für eine allein 60 m2 große Wohnung angemessen wären.

Sodann ist jedenfalls in der Sache S 12 SO 22/21 zu berücksichtigen, dass nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der im Januar 2019 gestellte Antrag auf Überprüfung erfasst auch den in der Sache S 12 SO 22/21 streitgegenständlichen Zeitraum. Gemäß § 116a Nr. 2 SGB XII gilt § 44 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des dortigen Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden, ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres angerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Da der Antrag hier im Jahr 2019 gestellt wurde, sind von Beginn des Jahres 2019 ein Jahr rückwirkend – also ab Januar 2018 – Leistungen an die Klägerin nachzuzahlen, soweit sie vom Überprüfungsantrag umfasst sind, was hier mit dem ursprünglich bestandskräftig festgestellten Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 auch der Fall war.

Gleichwohl war der Beklagte dann aber wie ausgeurteilt antragsgemäß zur Zahlung höherer kalter KdU zu verurteilen.

Zur Unschlüssigkeit des auf dem Gutachten der Firma Analyse und Konzepte mit Endbericht März 2014 beruhenden Konzepts hatte die Kammer insoweit mit mehreren Urteilen (u.a. SG Kassel, Urteil vom 21. März 2018, S 12 SO 139/17, mzwN, juris) bestandskräftig entschieden, dass mit diesem Konzept angewandten Angemessenheitsobergrenzen im Werra-Meißner-Kreis für die Bestimmung der hier maßgebenden Angemessenheitsgrenze nicht herangezogen werden könnten, da das vom Beklagten insoweit verwendete Konzept/Gutachten der Firma Analyse & Konzepte, Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH, Hamburg, zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis und insoweit in der einschließlich auch hier ursprünglich zunächst noch angewandten Fassung nicht den durch das BSG aufgestellten Vorgaben für die Festlegung einer Mietobergrenze entsprach, nachdem die Festlegung eines Vergleichsraumes als Ausgangspunkt für die Ermittlung einer Mietobergrenze, die ein Grundsicherungsträger danach vorzunehmen habe, welche Bereiche zusammengefasst als homogen betrachtet werden könnten, wobei für das Kriterium der Homogenität die räumlichen Entfernungen zueinander eine erhebliche Bedeutung hätten und die Festlegung eines – wie eben jedenfalls ursprünglich auch hier – das gesamte Kreisgebiet umfassenden Vergleichsraumes mit mehreren Entscheidungen der 3. Kammer des Gerichts (u.a. SG Kassel, Urteile vom 19. Februar 2018, S 3 AS 236/15, mzwN, juris) jedoch keinen tauglichen Vergleichsraum im Sinne der Rechtsprechung des BSG darstelle. Der Werra-Meißner-Kreis bilde nämlich mit der 3. Kammer bereits nach dem weiterhin maßgeblichen Regionalplan Nordhessen 2009 ohne Oberzentrum und vier Mittelzentren auch zur Überzeugung der erkennenden Kammer rechtlich im hier maßgeblichen Zusammenhang keinen homogenen Lebensbereich ab. Insoweit weise die 3. Kammer des Gerichts zu Recht darauf hin, dass ein Teilbereich des Landkreises, nämlich die Gemeinden Großalmerode und Hessisch Lichtenau sowie der Gutsbezirk Kaufunger Wald danach dem Ordnungsraum Kassel zugeordnet seien, für den eine ordnungs- und entwicklungsplanerische Gesamtkonzeption weiter zu verfolgen sei, die auf die nachdrückliche Sicherung bzw. Herbeiführung guter und gleichwertiger Lebens-, Wirtschafts- und Umweltbedingungen gerade in der Verbindungsfunktion zwischen Verdichtungsraum und ländlichem Raum abziele und der übrige Landkreis dem ländlichen Raum zugeordnet werde. Somit zeige schon diese Untergliederung mit der 3. Kammer überzeugend die Inhomogenität des Landkreises als Vergleichsraum auf. Aber auch infrastrukturell zeige sich mit der 3. Kammer diese Inhomogenität. Das Straßennetz sei nämlich – nach wie vor – u.a. geprägt durch die ehemalige Zonenrandlage und topografischen Gegebenheiten durch die Mittelgebirgslandschaft des Hohen Meißner. Letzteres spiegele sich auch wieder im Liniennetz des öffentlichen Personennahverkehrs, das mit der 3. Kammer gerade keine homogene Struktur aufweise. Allein der Umstand, dass angrenzende Gemeinden über Busanbindungen zu erreichen seien, rechtfertige nämlich nicht, einen Vergleichsraum zu ziehen. All diese Gesichtspunkte fänden auch nach Überprüfung der erkennenden Kammer bei der Vergleichsraumbildung, wie sie der Beklagte vornehme, keine Berücksichtigung. Die Firma Analyse & Konzepte benenne den Landkreis als einheitlichen Vergleichsraum, ohne dies letztlich herzuleiten und zu begründen. An einer Analyse der Infrastruktur und hier insbesondere der verkehrstechnischen Verbundenheit im Sinne eines homogenen Lebens- und Wohnbereiches fehle es.

Vom Hessisches Landessozialgericht war die Berufung gegen das vorgenannte Urteil der 3. Kammer dann mit Urteil vom 21. November 2018 (L 6 AS 185/18, juris) zurückgewiesen worden. Ein Vergleichsraum, in dem die Mietobergrenze ermittelt werde, sei dann zulässig bestimmt, wenn es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handele, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 27/09 R). Damit solle sichergestellt werden, dass die ortsüblichen Gegebenheiten bzw. mietpreisbeeinflussenden Faktoren in der Referenzmiete berücksichtigt würden. Der Begriff Vergleichsraum ziele in erster Linie auf den Wohnort des Leistungsberechtigten ab; insbesondere sei er so zu wählen, dass Hilfesuchende im Regelfall ihr soziales Umfeld beibehalten könnten (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R). Generalisierungen hinsichtlich des Vergleichsraums verböten sich aufgrund dieser geographisch und infrastrukturell geprägten Anforderungen. Je nach örtlichen Gegebenheiten könne es sein, dass die Heterogenität des Vergleichsraums nicht unzulässig groß sei, wenn im Gebiet eines Landkreises mehrere Gemeinden zu einem Vergleichsraum zusammengefasst würden. Insbesondere im ländlichen Raum könne es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (Hessisches LSG, Beschluss vom 23. Juli 2007 – L 9 AS 91/06 ER). Gebe es – insbesondere in Kleinst-Gemeinden – keinen Wohnungsmarkt, müsse auf größere räumliche Bereiche abgestellt werden. Diese seien so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen werde (Theesfeld, jurisPR-MietR 13/2018 Anm. 4), sachliche Gesichtspunkte die Zusammenfassung erforderten, die kreisangehörigen Gemeinden keine erheblichen strukturellen Unterschiede (etwa in Bezug auf Topografie, Siedlungsdichte und Infrastruktur) aufwiesen und die Daseinsvorsorge der Gemeinden des Vergleichsraums durch ein öffentliches Verkehrsnetz gewährleistet sei, diese also gleichmäßig gut angebunden seien (Berlit, info also 2017, 195, 197). Letztlich sei der Vergleichsraum also aufgrund des abstrakt-generellen Charakters des Rechtsbegriffs der Raum, in dem ausgehend von rein objektiven Kriterien dem Leistungsberechtigten ein Umzug zumutbar sei, ohne dass zur Ausfüllung dieses Begriffs individuell in der Person des Leistungsberechtigten vorliegende oder fehlende Bindungen an ein Umfeld oder dessen Mobilität zu berücksichtigten wären. Für den Werra-Meißner-Kreis folge daraus, dass ein Vergleichsraum, der sich über den gesamten Landkreis erstrecke, zulässigerweise nicht angenommen werden dürfe. Der Werra-Meißner-Kreis als 1.024,7 km2 großer Landkreis ohne Oberzentren und mit vier Mittelzentren mit rund 100.000 Einwohner insgesamt bilde nach Auffassung des HLSG gerade keinen homogenen Lebens- und Wohnbereich. Seine Infrastruktur und insbesondere seine verkehrstechnische Verbundenheit seien vielmehr durch eine erhebliche Heterogenität geprägt. Der Senat ziehe insoweit den „Regionalplan Nordhessen 2009“ heran. Hieraus ergibt sich, dass der Werra-Meißner-Kreis hinsichtlich seiner Gemeinden Großalmerode, Helsa und dem Gutsbezirk Kaufunger Wald dem Ordnungsraum Kassel zuzuordnen ist. Dieser Ordnungsraum sei geprägt durch seine Verbindungsfunktion zwischen dem Verdichtungsraum Kassel und dem ländlichen Raum (S. 21 des Regionalplans). Seine Entwicklungsachsen orientierten sich entsprechend an den Hauptlinien des an Kassel angebundenen ÖPNVs. Hierdurch werde der Zweck verfolgt, den motorisierten Individualverkehr zu begrenzen. Im Übrigen sei der Werra-Meißner-Kreis nach dem Regionalplan dem ländlichen Raum zuzuordnen. Dieser bilde im Gegensatz zum Ordnungsraum einen eigenständigen Lebens- und Wirtschaftsraum unter Bewahrung vielfältiger teilregionaler Ausprägungen (S. 22 des Regionalplans). Dementsprechend unterschiedlich sei hier auch die infrastrukturelle Ausrichtung: Im ländlichen Raum sollten nach dem Regionalplan die Mittelzentren als Standorte für Versorgungseinrichtungen, Gewerbe, Arbeitsplatz- und Wohnstandorte und insbesondere auch für Einrichtungen der öffentlichen Hand gestärkt werden. Eine Bindung an den Verdichtungsraum sei hier explizit nicht vorgesehen. Die Verkehrsinfrastruktur setze hierfür vermehrt auf zentrale Orte mit großräumigen Fernverkehrsachsen von Schiene und Straße.

Abschließend war das HLSG insoweit nach weiterer Darlegung davon ausgegangen, dass es mangels feststellbaren Vergleichsraums an einem schlüssigen Konzept für die Ermittlung der Mietobergrenze fehle. Insoweit liegt deshalb ein Erkenntnisausfall vor.

Insoweit war nicht nur für den Bereich des SGB II im Werra-Meißner-Kreis die Unschlüssigkeit des o.a. Konzepts mit Endbericht März 2014, sondern im Ergebnis auch die o.a. Rechtsprechung der Kammer für den Bereich des SGB XII bestätigt worden, wobei das BSG die gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des HLSG eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde im Weiteren mit Beschluss vom 30. Oktober 2019, B 14 AS 10/19 B zurückgewiesen hatte.

An alledem haben dann die von der Firma Analyse & Konzepte im Mai 2018 überarbeitete und vom Beklagten als „Nachbesserung“ angesehene Fassung des o.a. Konzepts einschließlich des am 19. Juli 2019 in Kraft gesetzten weiteren Korrekturberichts mit der 2. Kammer des Sozialgerichts Kassel (Urteil vom 18. November 2020, S 2 AS 271/17) für den Bereich des SGB II nichts geändert. Insoweit führt die 2. Kammer zu alledem für die erkennende Kammer nachvollziehbar und insgesamt überzeugend u.a. aus:

„Das vom Beklagten zu Grunde gelegte Konzept zur Bestimmung der angemessenen Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung und die dann erfolgte Umsetzung in einer Richtlinie entspricht nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts zur Ermittlung der regional angemessenen Kosten der Unterkunft auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung und Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze. Der Beklagte hat die Angemessenheit auf der Grundlage des Konzeptes zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis der Firma Analyse & Konzepte (Endbericht 2014) sowie der KdU-Richtwerte 2015 Indexfortschreibung des schlüssigen Konzepts 2013 (Endbericht 2015) bestimmt.

Darüber hinaus sind die Rohdaten für die Mietwerterhebung 2013, der Fortschreibung 2015 und der Zusatzauswertung zur Fortschreibung 2015 im Werra-Meißner-Kreis aus 2017) zu Grunde gelegt worden.

Die Kammer erachtet das Konzept des Beklagten zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunft und Heizkosten als nicht geeignet, die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung zu bestimmen, da bereits der zunächst zu bildende Vergleichsraum für das darauf basierende ursprüngliche Konzept nicht zutrifft (1.).

Auch die mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2019 eingebrachten Korrekturberichte betreffend das Konzept aus 2013 sowie die Fortschreibung der Richtwerte aus 2015 mit dem Bericht der Firma Analyse & Konzepte aus April 2019 und die damit aus Sicht des Beklagten ausreichende Nachbesserung des Konzeptes überzeugen die Kammer nicht von der Schlüssigkeit des Konzeptes zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung (2.).

Die Kammer wendet aufgrund eines bestehenden Erkenntnisausfalles die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, in der auf die Werte der zu § 12 WoGG erstellten Wohngeldtabelle unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags i.H.v. 10 % zurückgegriffen werden kann, um die Angemessenheitsgrenze zu bestimmen. Die Kläger haben Anspruch auf die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, da die tatsächlichen Kosten der Unterkunft unterhalb dieser Angemessenheitsgrenze liegen (3.).

1. Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung begrenzt die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach (BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az.: B 4 AS 18/09 R – juris Rn. 12). Der Begriff der „Angemessenheit“ unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (ständige Rechtsprechung, siehe etwa BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7B AS 10/06 R – juris; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 27/09 R – juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az.: B 14 AS 50/10 R – juris; BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az.: B 4 AS 18/09 R – juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 4/13 R – juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. B 4 AS 87/12 R – juris Rn. 19; BSG, Urteil vom 18. November 2014, Az.: B 4 AS 9/14 R – juris). Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen, wobei zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen ist (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, Az.: B 14 AS 132/10 R – juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 77/12 R – juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 18. November 2014, Az.: B 4 AS 9/14 R – juris Rn. 13). Weiter müssen die Unterkunftsbedarfe als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (vergleiche zuletzt unter anderem BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 77/12 R – juris Rn. 19; BSG, Urteil vom 18. November 2014, Az.: B 4 AS 9/14 R – juris Rn. 13). Hinsichtlich der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit und der durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgestellten Anforderungen zur Festlegung der Angemessenheitsgrenzen bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken – auch unter Berücksichtigung der Gewährung von existenzsichernden Leistungen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 9. Februar 2010, Az.: 1 BvL 1/09 – juris; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 27. September 2011, Az.: 1 BvR 232/11 – juris Rn. 24 f.; BSG, Urteil vom 4. Juni 2014, Az.: B 14 AS 42/13 R; Luik in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 Rn. 74 ff. mit weiteren Nachweisen; andere Auffassung SG Mainz, Urteil vom 8. Juni 2012, Az.: S 17 AS 1452/09; SG Mainz, Urteil vom 18. Oktober 2013, Az.: S 14 AS 1069/12 SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12. Dezember 2014, Az.: S 3 AS 130/14, die Vorlagen sind mit Beschluss vom 6. Oktober 2017, Az.: 1 BvL 2/15 und 1 BvL 5/15 als unzulässig verworfen worden).

Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft sind zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az.: B 4 AS 87 / 12 R – juris Rn. 19; BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 4/13 R – juris Rn. 12 m. w. N.).

Für die Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Wohnfläche ist auf die Kriterien abzustellen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoGG) festgelegt haben (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 50/09 R – juris Rn. 16). Diese Kriterien richten sich in Hessen nach den hessischen Richtlinien zur sozialen Wohnraumförderung vom 20. März 2003 (Hess. Staatsanzeiger 2003, S. 1346), geändert durch die Richtlinien vom 19. Januar 2004 (Hess. Staatsanzeiger 2004, S. 628). Nach den Richtlinien ist bei zwei Personen eine Wohnfläche von bis zu 60 m2 Quadratmeter angemessen. Durch den Erlass vom 4. August 2014 (Hess. Staatsanzeiger 2014, S. 647) blieb die angemessene Wohnraumgröße für einen Zwei-Personen-Haushalt unverändert bei 60 m2.

Die Wohnungsgröße der Kläger beträgt 75 m2. Die Wohnungsgröße überschreitet den angemessenen Wert. Diese Überschreitung ist jedoch unter Berücksichtigung der Produkttheorie (BSG, Urteil vom 7. November 2006; Az.: B 7b AS 10/06 R – juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az.: B 4 AS 18/09 R – juris Rn. 17) rechtlich nur beachtlich, wenn das Produkt, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses unangemessen wäre (Hess. LSG, Urteil vom 6. November 2013, Az.: L 4 SO 166/15 B ER – juris Rn. 29).

Die von dem Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsobergrenzen können nach der Überzeugung des Gerichts nicht zur weiteren Bestimmung der Angemessenheit herangezogen werden und auch nicht das Festhalten an den bisher gewährten Unterkunftskosten rechtfertigen.

Das Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis (Endbericht 2014) sowie der KdU-Richtwerte 2015 Indexfortschreibung des schlüssigen Konzepts 2013 (Endbericht 2015) der Firma Analyse & Konzepte, Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH (im Folgenden „Konzept“) entspricht nach der Überzeugung der Kammer nicht den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im Hinblick auf die Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten und den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stetig entwickelten Voraussetzungen, da bereits der erste Schritt der Bildung eines maßgeblichen Vergleichsraums im Werra-Meißner-Kreis zur Bestimmung der abstrakt-angemessenen Unterkunftskosten nicht zutreffend gebildet worden ist. Ein schlüssiges Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vergleiche BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az.: B 4 AS 18/09 R – juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, Az.: B 14/7b AS 44/06 R – juris). Der Grundsicherungsträger muss dabei nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel im Sinne der §§ 558c, 558b BGB abstellen, sondern entscheidend ist vielmehr, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein „angemessenes Maß“ hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az.: B 4 AS 18/09 R – juris Rn. 18). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur für ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall.

Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

  •   Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Gettobildung),
  •   es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
  •   Angaben über den Beobachtungszeitraum,
  •   Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
  •   Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
  •   Validität der Datenerhebung,
  •   Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
  •   Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

(vgl. u.a. BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az.: B 4 AS 18/09 R – juris Rn. 19).

Diese Maßstäbe setzen gerade voraus, dass zunächst neben der angemessenen Wohnungsgröße zutreffend ein maßgeblicher Vergleichsraum durch den Beklagten bzw. einem von ihm beauftragten Unternehmen zur Erstellung des Konzepts gebildet worden ist. Für alle weiteren Prüfungsschritte ist es zunächst entscheidungserheblich, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab abgestellt wurde (BSG, Urteil vom 18. November 2014, Az.: B 4 AS 9/14 R – juris Rn. 24).

Die Richtlinie des Beklagten und das zu Grunde gelegte Ausgangskonzept fassen als maßgeblichen Vergleichsraum den gesamten Werra-Meißner-Kreis zusammen. Diese Vergleichsraumbildung ist für die Kammer unzutreffend, da es sich bei den gesamten Gemeinden des Werra-Meißner-Kreises nicht um einen einheitlichen homogenen Lebens- und Wohnbereich handelt.

Als örtlicher Vergleich ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der „Gemeinde“ entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az.: B 4 AS 87/12 R – juris Rn. 22 m. w. N.). Die Festlegung des genauen eingegrenzten Vergleichsraums ist der zentrale Ausgangspunkt zur Bestimmung der Mietobergrenze für ein bestimmtes Gebiet (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Juli 2017, Az.: L 10 AS 333/16 – juris Rn. 41). Die ordnungsgemäße Bestimmung des Vergleichsraums ist in der Folge logische Voraussetzung für die Entwicklung eines „schlüssigen“ Konzeptes (BSG, Urteil vom 16. April 2013, Az.: B 14 AS 28/12 R – juris Rn. 31). Durch die Anforderungen an einen maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum, die das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung konkretisiert hat, wird dem Interesse des Leistungsberechtigten, in seinem sozialen Umfeld zu verbleiben, ausreichend Rechnung getragen (BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R – juris Rn. 21). Bei der Vergleichsregelung kann nicht schematisch auf das Gebiet des zuständigen kommunalen Trägers oder auf den kommunalverfassungsrechtlichen Gemeindebegriff abgestellt werden (BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R – juris Rn. 21). Im ländlichen Raum gibt es keine pauschale Lösung, sondern es kommt auf die Verhältnisse vor Ort an, insbesondere muss der Vergleichsraum so bestimmt werden, dass überhaupt von einem „örtlichen Wohnungsmarkt“ die Rede sein kann (vergleiche etwa Hess. Landessozialgericht, Beschluss vom 23. Juli 2007, Az.: L 9 AS 91/06 B ER – juris Rn. 55 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2008, Az.: L 7 AS 1797/08 – juris Rn. 44). Bei der Bestimmung des Vergleichsraumes sind nur objektive Kriterien heranzuziehen, so dass auch der Begriff des sozialen Umfeldes keine individuelle Einzelfallprüfung verlangt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 27/09 R – juris Rn. 19).

Der Vergleichsraum bildet die örtliche Grundlage für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit (Knickrehm, SGb 2017, 241, 242). Die Festlegung des Vergleichsraums ist bis heute umstritten, denn gerade im ländlichen Bereich ist die Bestimmung eines derartigen Vergleichsraums tatsächlich schwierig (Knickrehm, SGb 2017, 241, 242; von Malottki, info also 2012, 99 ff.; Zimmermann, NJ 2010, 400 ff.). Hinter der Vergleichsregelung stehen folgende funktionelle Aspekte: Der Raum der Begrenzung von Unterkunftsleistungen, der zumutbare Raum der Wohnungssuche, der raumgleichen Angemessenheitsgrenze sowie die räumliche Bestimmung der Datenauswertung (Knickrehm, SGb 2017, 241, 247).

Zum Vergleichsraum führte das Bundessozialgericht u.a. Folgendes aus (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, Az.: B 14 AS 24/18 R – juris Rn. 22 ff.):

„a) Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist (BSG vom 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R – BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 <München I>, RdNr 21), innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist (vgl BSG vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 27 <Essen> RdNr 32 ff) und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (vgl in Abgrenzung hierzu BSG vom 1.6.2010 – B 4 AS 60/09 R – BSGE 106, 147 = SozR 4- 4200 § 22 Nr 35 <Umzug in anderen Vergleichsraum>, RdNr 18 ff; letztens BSG vom 17.2.2016 – B 4 AS 12/15 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 88 RdNr 13 ff). Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (vgl zB BSG vom 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R – BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 <München I>, RdNr 20 ff).

Nach der auch für schlüssige Konzepte im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II entsprechend anzuwendenden gesetzgeberischen Vorgabe in § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II bildet das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters zunächst einen Vergleichsraum, der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in Betracht.

b) Das schlüssige Konzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von „Brennpunkten“ durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird (grundlegend BSG vom 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R – BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30 <Wilhelmshaven>, RdNr 18 f; BSG vom 18.11.2014 – B 4 AS 9/14 R – BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr 81 <Dresden>, Leitsatz: zur Entwicklungsoffenheit dieser Grundsätze; zuletzt BSG vom 12.12.2017 – B 4 AS 33/16 R – BSGE 125, 29 = SozR 4-4200 § 22 Nr 93 <Fortschreibung schlüssiges Konzept>, RdNr 17 f; vgl zudem § 22a Abs 3, § 22b Abs 1, 2, § 22c Abs 1 SGB II).

c) Es kann verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges Konzept in diesem Sinne zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden Vergleichsraum oder ggf mehrere Vergleichsräume zu bilden, weil weder aus § 22 SGB II noch aus §§ 22a bis 22c SGB II die Anwendung eines bestimmten Verfahrens rechtlich zwingend ableitbar ist (vgl BSG vom 18.11.2014 – B 4 AS 9/14 R – BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr 81 <Dresden>, RdNr 19 ff; siehe ferner BT-Drucks 17/3404 S 101 zu § 22b: „Vielfalt an Konzepten“; Šušnjar in Hohm, GK-SGB II, § 22 RdNr 142, Stand der Einzelkommentierung 9/2017; vgl zu den verschiedenen Verfahren: Forschungsbericht 478, Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch <SGB II> und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch <SGB XII>, erstellt von v. Malottki ua, hrsg vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2017, S 207 ff; zu den Interdependenzen zwischen Vergleichsraum und schlüssigem Konzept schon BSG vom 11.12.2012 – B 4 AS 44/12 R – RdNr 18).

9. Es ist gerichtlich voll überprüfbar – wie ausgeführt (siehe 5.) -, ob die Ermittlung der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete, insbesondere die Festlegung des Vergleichsraums und die Erstellung eines schlüssigen Konzepts im Rahmen der Methodenvielfalt zutreffend erfolgt ist. Die volle gerichtliche Überprüfung des Angemessenheitswerts und des Verfahrens zu seiner Ermittlung schließt nicht aus, dass bei dieser Kontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche Kontrolle als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet wird (BVerfG vom 31.5.2011 – 1 BvR 857/07 – BVerfGE 129, 1, juris-RdNr 70; vgl zu den Grenzen gerichtlicher Kontrolle zudem: BVerfG vom 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14; vgl ferner Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 91, 104: „Verfahrenskontrolle“).“

Den dargestellten Kriterien schließt sich die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung vollumfänglich an. Unter Berücksichtigung der obigen Kriterien kann nicht von einem örtlichen Vergleichsraum zur Bestimmung der Angemessenheit ausgegangen werden, der den gesamten Werra-Meißner-Kreis umfasst. Die entwickelten Anforderungen an die Vergleichsraumbildung sind nicht nur für große Städte, sondern grundsätzlich auch für Flächenlandkreise anwendbar (vergleiche zu den besonderen Voraussetzungen für ländliche Gebiete: BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R – juris; zu einem in verschiedene Vergleichsräume unterteilten Landkreis: BSG, Urteil vom 16. Juni 2015, Az.: B 4 AS 44/14 R – juris).

Es kann zunächst nicht eine allgemeine Aussage getroffen werden, ob ein ganzer Landkreis einen einzigen Vergleichsraum darstellt oder in verschiedene Vergleichsträume aufzuteilen ist, sondern es ist nach den oben genannten allgemeinen rechtlichen Kriterien jeweils im Einzelfall eine Prüfung vorzunehmen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. März 2018, Az.: L 11 AS 620/16 – juris Rn. 39 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, Az.: B 4 AS 44/12 R – juris). Auch bereits aus den Vorschriften des SGB II ergibt sich, dass ein Landkreis in mehrere Vergleichsräume aufgeteilt werden kann. Beispielsweise sieht § 22b Abs. 1 S. 4 SGB II (diese Vorschrift für Satzungen kann zur Auslegung der Anforderungen an den Angemessenheitsbegriff in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II herangezogen werden, vergleiche unter anderem BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017, Az.: B 4 AS 33/16 R mit Verweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2017, Az.: 1 BvL 2/15 und 5/15 – juris) vor, dass die Möglichkeit zur Einteilung eines Kreisgebietes in mehrere Vergleichsräume besteht. Die Anzahl der in einem potentiellen Vergleich lebenden Person ist dabei grundsätzlich nicht von entscheidender Bedeutung (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. März 2018, Az.: L 11 AS 620/16 – juris Rn. 39 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, Az.: B 14 AS 132/10 R – juris).

Zunächst ist festzustellen, dass das Ausgangskonzept, das auch Gegenstand der Kostensenkungsaufforderung war, unschlüssig ist, da nicht der gesamt Werra-Meißner-Kreis als ein Vergleichsraum zu bewerten ist. Die Kammer schließt sich den überzeugenden Entscheidungen der 3. und 12. Kammer des Sozialgerichts Kassel sowie den Entscheidungen des Hess. Landessozialgerichts an, die an dem Konzept des Beklagten bemängelt haben, dass der Werra-Meißner-Kreis keinen geeigneten Vergleichsraum im gesamten Kreisgebiet darstellt (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 21. November 2018, Az.: L 6 AS 185/18; SG Kassel, Urteil vom 19. Februar 2018, Az.: S 3 AS 236/15; Sozialgericht Kassel, Urteil vom 21. März 2018, Az.: S 12 SO 139/17 m. w. N.).

Nach alledem ist das Ausgangskonzept unschlüssig, da es bereits an einer zutreffenden Vergleichsraumbildung als Grundlage des Konzeptes fehlte. Die Festlegung eines Vergleichsraums und die Erstellung eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete im Rahmen des grundsicherungsrechtlichen Bedarfs für die Unterkunft ist gerichtlich voll überprüfbar, darf jedoch nicht durch das Gericht ersetzt werden (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, Az.: B 14 AS 24/18 R). Das Ausgangskonzept und die Fortschreibung, die der behördlichen Entscheidung und der Kostensenkungsaufforderung zu Grunde lagen, dienen nicht Maßstab zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung (Hervorhebung durch die erkennende Kammer).

2. Auch die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens getroffene Nachbesserung durch den Beklagten überzeugt das Gericht zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nicht. Ist die Ermittlung dieses abstrakten Angemessenheitswerts rechtlich zu beanstanden, ist dem Jobcenter Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf. nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, Az.: B 14 AS 24/18 R mit Verweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az.: B 4 AS 9/14 R). Vorliegend hat das Jobcenter aufgrund der bereits in anderen Verfahren getroffenen Entscheidungen zur Vergleichsraumbildung das Konzept durch den Bericht der Firma Analyse und Konzepte aus April 2019 nachbessern lassen und den Werra-Meißner-Kreis nunmehr in vier Vergleichsräume eingeteilt.

Der Nachbesserung liegt der Korrekturbericht zum Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten 2013 sowie zur Fortschreibung der Richtwerte 2015 aus April 2019 zu Grunde. Durch die Nachbesserung erfolgte die Aufteilung des Werra-Meißner-Kreises in vier Vergleichsräume, die nach den Ausführungen der Firma Analyse & Konzepte die Mittelzentren des Kreises darstellen (Witzenhausen, Hessisch Lichtenau, Eschwege und Sontra). Es wird ausgeführt, dass die Mittelzentren anhand der Regionalplanung festgelegt wurden. Dabei könnten nach einem Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Januar 2017 die gebildeten Mittelbereiche der Regionalplanung als geeignete Operationalisierungsmöglichkeit der Vergleichsraumbildung empfohlen werden. Die Mittelbereiche sollen sich an den Entfernungen, Lagebeziehungen, Verkehrsanbindungen und traditionellen Bindungen zwischen den Gemeinden. Sie berücksichtigen auch administrative Grenzen auf der Ebene der Kreise oder Länder. Dabei soll auch die räumliche Verflechtung und das zu erwartende Verhalten der Bevölkerung bei der Inanspruchnahme von Infrastrukturen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge sowie der beruflichen Mobilität berücksichtigen worden sein (Korrekturbericht, S. 3 f.).

Die Kammer ist trotz der vorliegenden Nachbesserung nicht von einer Schlüssigkeit des Konzeptes überzeugt. Die nunmehr gebildeten abstrakten Vergleichsräume mögen ggf. einen homogenen Wohn- und Lebensbereich darstellen, führen unter Hinzuziehung der alten Datenlage jedoch nicht zu einem überzeugenden Ergebnis im streitgegenständlichen Zeitraum. Es stellt sich heraus, dass nunmehr nur noch 2 Vergleichsräume eine Datenbasis haben, die über 10% des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes als Grundlage haben. Der Wohnort der Kläger Eschwege ist einer von zwei Vergleichs-räumen, der die 10 % (konkret 14,3 %) des Mietwohnungsbestandes als Datengrundlage für eine Nachberechnung hat. Für die Vergleichsräume Hessisch-Lichtenau und Sontra konnten aufgrund der Korrektur der Vergleichsraumaufteilung keine ausreichenden repräsentativen Daten für die Bestimmung der Angemessenheit zu Grunde gelegt werden. Die Firma Analyse & Konzepte empfiehlt für diese Vergleichsräume die Wohngeldtabelle mit einem Sicherheitszuschlag von 10 % anzuwenden. Für den betroffenen Vergleichsraum Eschwege erhöhen sich die Angemessenheitsgrenzen für einen 2 Personen-Haushalt auf 339,30 Euro (Bruttokaltmiete). Für die Kammer ist ein Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung im Zuständigkeitsbereich eines Grundsicherungsträgers jedoch insgesamt nur schlüssig, wenn für das gesamte Konzept auf eine ausreichende Datengrundlage zurückgriffen werden kann, um auch unter Berücksichtigung der verschiedenen Vergleichsräume, für alle Vergleichsräume eine ausreichende Datenbasis bei einer Nachbesserung zu haben, so dass nicht innerhalb eines Zuständigkeitsbereichs eines Grundsicherungsträgers teilweise die Werte der Wohngeldtabelle inkl. Sicherheitszuschlag und teilweise deutliche niedrigere Werte in den verschiedenen Vergleichsräumen bei einer Nachbesserung angewandt werden. Das Ziel eines „schlüssigen Konzeptes“ ist ein insgesamt „schlüssiges“ auf ausreichenden Daten basierendes Konzept, dass nicht teilweise erhalten wird, in dem bei einigen Vergleichsräumen innerhalb des Konzepts eine Bestimmung von Angemessenheitskriterien anhand der alten Datenlage möglich ist und bei anderen neu gebildeten Vergleichsräumen nicht. Auch wenn grundsätzlich zunächst auf die Datenlage des Vergleichsraumes abgestellt wird, kann bei einer Nachbesserung des Gesamtkonzeptes mit Veränderung der Vergleichsräume keine einheitliche Vorgehensweise mehr angenommen werden, wenn nur noch für einzelne neue Vergleichsräume eine hinreichende Datenlage vorhanden ist. Für die Kammer stellt diese Vorgehensweise eine wesentliche Änderung des Konzeptes dar, die mehr für ein „neues“ Konzept als für eine Nachbesserung des „alten“ Konzeptes“ spricht“ (Hervorhebung durch die erkennende Kammer).

Bereits die erfolgte Kostensenkungsaufforderung des Beklagten bieten dem Leistungsbezieher dann keinen Anhaltspunkt mehr, um sich nach angemessenen Wohnraum umzusehen. Vorliegend ist eine wesentliche Änderung im Konzept des Beklagten vorgenommen worden. Aus einem Vergleichsraum, der den gesamten Landkreis erfasste, sind aufgrund der Nachbesserungen vier Vergleichsräume geworden. Grundsätzlich sind die Datengrundlagen für den jeweiligen Vergleichsraum maßgeblich. Verschiebt sich jedoch die vormals verwendete Datengrundlage für den gesamten Vergleichsraum erheblich, wenn nur noch für zwei der vier „neuen“ Vergleichsräume ausreichende Daten vorhanden sind und in den weiteren zwei Vergleichsräumen auf die Werte der Wohngeldtabelle zzgl. Sicherheitszuschlag zurückgegriffen wird, dann entstehen erhebliche Unterschiede bei der Angemessenheitsgrenze innerhalb des vormals zu Grunde gelegten Vergleichsraumes. Die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten bietet dem Kläger bzw. dem Leistungsbezieher dann keine hinreichende Grundlage mehr, sich an angemessenen Aufwendungen der Unterkunft zu orientieren. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung stellt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Bezeichnung der angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft durch das Jobcenter und ein „Angebot“ dar, in einen Dialog über die angemessenen Aufwendungen einzutreten (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R – juris Rn. 33 m. w. N.). Es lag zwar ein Konzept vor, auf dem die Kostensenkungsaufforderung erfolgte. Jedoch sind die wesentlichen Änderungen des Konzepts im Rahmen der Nachbesserung erst im Oktober 2019 in das Klageverfahren eingebracht worden. Eine Grundlage für einen Dialog zur Kostensenkung und die Orientierung an Wohnungen, mit angemessenen Kosten der Unterkunft in einem vollkommen neuen, erheblich reduzierten Vergleichsraum sind dann nicht mehr möglich.“

Von der Unschlüssigkeit des o.a. Konzepts, Endfassung 2014, nach wie vor ausgehend und als solches vom Beklagten – wie die o.a., unstreitig erledigten Rechtsstreite des Ehemannes der Klägerin zeigen – im weiteren Verlauf dann letztlich auch eingeräumt, führt dies mit den o.a. Hinweisen des Kammervorsitzenden dann dazu, dass hier eine wirksame Kostensenkungsaufforderung nie vorgelegen hat, da deren Wirksamkeit ihrerseits das Vorliegen eines schlüssigen Konzepts voraussetzt, an dem es jedenfalls im Zeitpunkt der hier herangezogenen Kostensenkungsaufforderung(en), von denen die seitens des Beklagten erteilten ohnehin ins Leere liefen, da dieser nie die tatsächlichen Kosten getragen hat, gefehlt hat. Auch liegt hier insoweit mit den vorstehenden Ausführungen gerade keine wirksame Nachbesserung vor, die sich allein auf die Bestätigung der bisherigen Angemessenheitsgrenzen und deren Grundlagen oder allein höherer berücksichtigungsfähiger Kosten bezöge; stattdessen liegt der hier streitigen Leistungsgewährung mit der 2. Kammer auch nach Überprüfung durch die erkennende Kammer ein auf einer wesentlichen Änderung des bisherigen Konzepts beruhendes und damit ein schlichtweg neues Konzept zugrunde. Mit den o.a. Ausführungen der 2. Kammer hat auch nach Auffassung der erkennenden Kammer die Heranziehung von jetzt vier Vergleichsräumen statt wie zuvor allein eines alleinigen Vergleichsraumes das Konzept in seiner Grundkonzeption auf eine in seinem Wesen andere Grundlage gestellt als zuvor, was mit einer Nachbesserung, die allein die richtige Ermittlung des angemessenen Umfangs der abgesenkten KdU beträfe, nicht mehr gleichgesetzt werden kann.

Darauf, ob dieses „neue“ Konzept selbst schlüssig war, kommt es also erst gar nicht an. Abzustellen bleibt allein darauf, dass der hier maßgeblichen Kostensenkungsaufforderung selbst kein schlüssiges Konzept zugrunde lag, die o.a. Kostensenkungsaufforderung hier also auch nicht als der Leistungsgewährung rechtmäßig zugrundeliegende und insbesondere als solche auch wirksame Kostensenkungsaufforderung zugrunde gelegt werden kann.

An alledem ändert auch das Urteil des BSG vom 21. Juli 2021 (B 14 AS 31/20 R, juris) nichts, da es hier über die unstreitig vorliegende objektive Fehlerhaftigkeit der Kostensenkungsaufforderung hinaus gerade nicht allein und entscheidungserheblich um jetzt lediglich angepasste Werte bzw. eine ursprünglich fehlerhafte Wiedergabe tatsächlich angemessener Aufwendungen geht, sondern mit der Neuausrichtung von einem auf vier Vergleichsräume eine Änderung der Sachlage geschaffen wird, bei der es mit dem BSG (wie vor) zur Dialogförmigkeit des Kostensenkungsverfahrens gehört, dass der Leistungsträger auf aus seiner Sicht bedeutsame Änderungen der Sachlage reagiert und daraufhin angepasste Werte auch als solches mitteilt, was hier unstreitig nicht erfolgt ist. Erst Recht, wenn sich insoweit letztlich auch das zumutbare Umfeld ändert, auf die die Wohnungssuche zu erstrecken wäre.

Ob es sich also beim im streitigen Zeitraum angewandten oder auch nachgebesserten Konzept vom Mai 2018 um ein im Sinne der sozialgerichtlichen Rechtsprechung schlüssiges Konzept gehandelt hat, was die 2. Kammer des Sozialgerichts Kassel mit ihrem o.a. Urteil, selbst wenn insoweit allein Zeiträume bis 2016 streitbefangen waren, mit auch aus Sicht der erkennenden Kammer gewichtigen Gründen verneint, dürfte somit und unabhängig von Nachbesserungen welcher Art auch immer zumindest in Fallgestaltungen der vorliegenden Art somit dahingestellt bleiben können, nachdem insoweit letztlich auf eine Nachbesserung endgültig zumindest rückwirkend verzichtet und jedenfalls in den Rechtsstreiten des Ehemannes der Klägerin wieder ein auch mit der bisherigen Rechtsprechung der Kammer erlaubter Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zuzüglich eines „Sicherheitszuschlages“ als Angemessenheitsobergrenze (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015, B 4 AS 44/14 R) erfolgt ist.

Dies mit der Folge, dass hier mangels eines in den Vorjahren vorliegenden schlüssigen Konzeptes ein neues Kostensenkungsverfahren hätte eingeleitet werden müssen, was nicht der Fall war.

Somit erweisen sich die jeweiligen Ausgangsbescheide als jedenfalls teilweise rechtswidrig, so dass den Klagen in beiden Rechtsstreiten hier auch insgesamt und antragsgemäß stattzugeben war.

Die Kostenentscheidungen folgen § 193 SGG.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.


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