URTEIL
In der Verwaltungsrechtssache
xxx,
– Kläger –
prozessbevollmächtigt:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,
gegen
Land Baden-Württemberg,
vertreten durch das Polizeipräsidium Stuttgart,
Hahnemannstr. 1, 70191 Stuttgart,
– Beklagter –
wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart – 5. Kammer – durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht xxx, den Richter am Verwaltungsgericht xxx, die Richterin xxx und die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx auf die mündliche Verhandlung
vom 10. November 2021
für Recht erkannt:
Es wird festgestellt, dass die Feststellung der Personalien des Klägers, seine Durchsuchung und die seines Rucksackes sowie die Anfertigung der Filmaufnahmen von ihm nach der Einkesselung am 25.05.2019 rechtswidrig erfolgten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
TATBESTAND
Die Klage, hat die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen gegen einen Demonstrationsbeobachter zum Gegenstand.
Am 25. Mai 2019, einem Samstag, fand ab 14 Uhr in Stuttgart eine Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit den Hungerstreikenden” statt. Sie galt streikenden Häftlingen in der Türkei, die sich für bessere Haftbedingungen insbesondere für den Vorsitzenden der kurdischen Organisation KCK (früher: PKK), Abdullah Öcalan, einsetzten. Am Tag vor der Versammlung ging beim Polizeipräsidium Stuttgart eine E-Mail der „Demobeobachtung Südwest” ein. Die Organisation kündigte darin an, dass mehrere ihrer Mitglieder die Demonstration beobachten würden. Sie seien von den Versammlungsteilnehmern dadurch zu unterscheiden, dass sie orangefarbene Warnwesten mit der Aufschrift „Demonstrationsbeobachtung” trügen. Der Kläger ist „Teil der Organisation” ohne besondere organisatorische Einbindung. Er wurde 19xx geboren und trug zum Zeitpunkt der Versammlung lange xxx und einen xxx.
Nach einer Auftaktkundgebung und einem Demonstrationszug durch die Stuttgarter Innenstadt erklärte die Versammlungsleitung die Versammlung um 16.20 Uhr auf dem Stauffenbergplatz für beendet. Während der Demonstration kam es nach Ansicht der Polizei zu einer Mehrzahl von Verstößen gegen die Auflagen des Versammlungsbescheides, zum „Zeigen verbotener Symbole” und zum „massenhaften Skandieren verbotener Parolen”. Konkret wurde ein von der Polizei zuvor beanstandetes Transparent von der Versammlungsleitung an die Versammlungsteilnehmer ausgegeben und eine verbotene Fahne mitgeführt. Teilnehmer des Aufzuges riefen wiederholt „Biji serok apo” („Es lebe der Führer Apo”) und vermummten sich. Ein Wahlplakat wurde beschädigt und am Rande der Versammlung wurden Passanten beleidigt. Um diese Taten zu ahnden, nahmen die Beamten mehrere erkannte Tatverdächtige abgesetzt von der Versammlung fest und stellten ihre Identität fest. Um 16.25 Uhr erteilte die Polizei einem Demonstrationsbeobachter einen Platzverweis, weil er die polizeiliche Kontrolle im Nachgang zur Demonstration gestört habe. Zu diesem Zeitpunkt ging ein Gewitterregen nieder. Um 16.30 Uhr rannten ca. 20 ehemalige Versammlungsteilnehmer als Gruppe in den Königsbau am Schlossplatz in der Stuttgarter Innenstadt. Ab 16.38 Uhr umstellte die Polizei unter den Arkaden des Königsbaus an der Ecke zur Bolzstraße eine Gruppe von Personen, unter denen sie zumindest Teile der zuvor rennenden Gruppe vermutete. Auch der Kläger befand sich innerhalb der gebildeten Absperrung. Die Beamten boten den Umkesselten an, gegen Angabe ihrer Personalien aus der Umsperrung entlassen zu werden, soweit sie unbeteiligt seien. Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Andere Personen, u.a. ein Pressevertreter und die Teilnehmerinnen eines Junggesellinnenabschiedes, wurden aus der Absperrung entlassen. Im Folgenden stellte die Polizei die Identität der in der Absperrung verbliebenen Personen und damit auch jene des Klägers fest, durchsuchte ihn und seinen Rucksack und fertigte Videoaufnahmen vom Kläger und seinem Personalausweis an. Um 16.55 Uhr war die Kontrolle des Klägers abgeschlossen. Das angefertigte Datenmaterial wurde an die Kriminalpolizei übergeben und von dieser an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Im Nachgang veröffentlichte die „Demonstrationsbeobachtung Südwest” auf ihrer Homepage einen Kurzbericht über die Demonstration. Darin führte sie aus, dass die Polizei laut „Auflagenbescheid” Gewaltbereitschaft erwartet habe, aber trotzdem kein „Antikonfliktteam” vor Ort gewesen sei. Der Demonstrationszug sei aus einem Einsatzfahrzeug heraus videografiert und später angehalten worden, weil verbotene Parolen gerufen worden seien. Ab diesem Zwischenstopp sei die Demonstration dauerhaft von mehreren Seiten mit mindestens vier Handkameras gefilmt worden. Mitunter seien Seitenbanner nicht gemäß dem Auflagenbescheid mit Abstand getragen worden und es habe zeitweise ein Kopfbanner gegeben, welches aber nach einer Durchsage der Demonstrationsleitung entfernt worden sei. Weitere zu beanstandende Vorfälle seien nicht beobachtet worden. Die Demonstration sei einschließlich der Abschlusskundgebung und der Auflösung der Versammlung vollkommen friedlich verlaufen. Im Anschluss habe die Polizei begonnen, einzelne Demonstrationsteilnehmer herauszugreifen und ihre Personalien festzustellen. Es sei zu einem kleinen Kessel unter den Arkaden des Königsbaus an der Bolzstraße gekommen, aus dem die Polizei nur sich Ausweisende entlassen hätte. Auch die Demobeobachter seien in diesen Kessel geraten und wie alle anderen nur nach Feststellung der Personalien und Durchsuchung herausgelassen worden. Die Polizei habe an Deeskalation nicht interessiert geschienen; ihre Maßnahmen hätten unverhältnismäßig und abschreckend für die Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gewirkt.
Der Kläger bat in der Folge schriftlich um eine Erklärung und Begründung des polizeilichen Vorgehens, welche ihm die Polizei mit Schreiben vom 08.07.2019 gab. Die Behörde führte darin aus, dass es im Verlauf der Versammlung zu einer Vielzahl strafbarer Handlungen durch Versammlungsteilnehmer gekommen sei. Nach Abschluss der Versammlung seien mehrere erkannte Tatverdächtige abgesetzt von der Versammlung festgenommen worden und man habe ihre Identität festgestellt. Dabei sei auch einem Demonstrationsbeobachter ein Platzverweis erteilt worden, weil er eine polizeiliche Kontrolle eines Straftäters gestört habe. Später sei eine vermummte Gruppe von mehr als 20 Personen zeitlich und räumlich abgesetzt von der beendeten Versammlung in den Königsbau gerannt. Um dieses gefährliche und provokative Verhalten zu unterbinden, sei die Gruppierung angehalten und kontrolliert worden. Der Kläger sei offensichtlich in der dazu gebildeten Absperrung ebenfalls vor Ort gewesen und sei deshalb nach gefährlichen Gegenständen und Vermummungsmaterial durchsucht worden. Die Einsatzkräfte seien bemüht gewesen, erkennbar Unbeteiligte zuerst zu entlassen. Dem Angebot, aktiv Personalien anzugeben, um sofort aus der Absperrung entlassen zu werden, sei der Kläger, anders als ein anderer „Demonstrationsbeobachter”, der zusätzlich einen Presseausweis gezeigt habe, nicht nachgekommen. Aufgrund der Antreffsituation sei davon auszugehen gewesen, dass der Kläger seine Beobachterposition verlassen und sich mit den Rennenden solidarisiert habe. Es sei nicht auszuschließen gewesen, dass er für diese Gegenstände aus der Umkesselung verbringen werde. Laut dem auf der Homepage der Demobeobachtung Südwest einsehbaren Bericht über die Versammlung habe der Kläger weder die gezeigten verbotenen Symbole noch die massenhaft skandierten strafrechtlich verbotenen Parolen wahrgenommen, dann aber die polizeilichen Maßnahmen in Frage gestellt. Das spreche gegen eine neutrale Beobachterhaltung.
Am 25.04.2020 hat der Kläger Klage gegen die polizeilichen Maßnahmen zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung trägt er vor, er beobachte wie andere Mitglieder der in keiner rechtlich verfestigten Struktur agierenden Gruppe „Demobeobachtung Südwest” in seiner Freizeit je nach Kapazität Demonstrationen und werde dies auch in Zukunft tun. Das Ziel der Gruppe sei es, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu stärken, indem Einschränkungen und Übergriffe durch Ordnungsamt und Polizei beobachtet würden und das Versammlungsgeschehen durch unabhängige Dritte beobachtet und dokumentiert werde. Als er unter den Arkaden vor dem Königsbau angekommen sei, sei weder jemand vermummt gewesen noch sei jemand gerannt oder habe Straftaten begangen. Gegenüber den Einsatzkräften der Polizei habe er verlautbart, Teil der Organisation „Demobeobachtung Südwest” zu sein und die Umschließung ohne Feststellung der Personalien verlassen zu wollen. Das sei ihm verweigert worden und man habe dann seinen Rucksack, seinen Geldbeutel und ihn selbst „mit Händen an der Wand” durchsucht. Außerdem sei der gesamte Zug gefilmt worden und auch von ihm seien Filmaufnahmen angefertigt worden. Welchen anderen Demonstrationsbeobachter die Polizei aus der Absperrung entlassen habe, entziehe sich seiner Kenntnis. Es habe sich dabei jedenfalls nicht um ein Mitglied der „Demonstrationsbeobachtung Südwest” gehandelt. Obwohl er mehrfach auf seine Rolle als Demonstrationsbeobachter hingewiesen habe, sei er nicht ohne Angabe seiner Personalien aus der Absperrung entlassen worden. Stattdessen habe der Dienstvorgesetzte die Beamten zur Durchführung der Maßnahmen ohne Ansehung der Funktion des Klägers angehalten.
In rechtlicher Hinsicht trägt der Kläger vor, dass die Polizeibeamten zur Gefahrenabwehr tätig geworden seien. Deshalb sei der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Zwar hätten sich die mit den polizeilichen Maßnahmen verbundenen Verwaltungsakte erledigt, das Feststellungsinteresse bestehe aber gleichwohl fort, weil nachhaltig in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen worden sei. Weiter bestehe eine Wiederholungsgefahr und die Maßnahmen seien auf offener Straße erfolgt und von anderen Personen beobachtet worden, was auch ein Rehabilitationsinteresse begründe. Die Klage sei auch begründet, weil sämtliche Maßnahmen gegenüber dem Kläger rechtswidrig erfolgt seien. Soweit sich die Polizei auf einen Platzverweis gegen einen Demonstrationsbeobachter berufe, sei ihm ein förmlicher Platzverweis nicht bekannt. Nach der Versammlung sei ihm aber von einem Polizeibeamten zugerufen worden „Gehen Sie weg!”. Nachdem er nach Ansicht der Polizei nicht weit genug weggegangen sei, habe man ihm angedroht „ihn mitzunehmen”, weil er den Platzverweis nicht befolge. Der Kläger habe sich daraufhin weiter entfernt und entgegnet, dass er von einem Platzverweis nichts wisse.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Feststellung der Personalien des Klägers, seine Durchsuchung und die seines Rucksackes sowie die Anfertigung der Filmaufnahmen von ihm nach der Einkesselung am 25.05.2019 rechtswidrig erfolgten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt in tatsächlicher Hinsicht vor, dass die Gruppe ehemaliger Versammlungsteilnehmer „sich mittels „Schlauchschal” den unteren Gesichtsbereich vermummt habe” und „geschlossen in den Königsbau” gerannt sei. Die Gruppe habe sich rücksichtslos bewegt, dadurch Unbeteiligte eingeschüchtert und ihre Macht demonstriert. Das sei für die Einsatzkräfte nicht tolerierbar gewesen. Ein solches Verhalten sei nach polizeilicher Erfahrung typisch für die junge gewaltbereite kurdische Szene und ihre Sympathisanten, die es auf die Provokation der Bevölkerung und der Sicherheitskräfte abgesehen hätten. Mögliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch die rennende Gruppe seien durch das Eingrenzen der Gruppe und Befragungen von möglichen Zeugen und Geschädigten zu ermitteln gewesen. In Bezug auf den Kläger trägt der Beklagte vor, dass keine „allgemeinen Erfahrungen/Erkenntnisse” zu der Gruppe „Demobeobachtung Südwest” vorlägen. Mitglieder der Gruppe würden aufgrund ihrer Warnwesten unregelmäßig bei Versammlungen festgestellt. Nach der Auflösung der Versammlung sei um 16.25 Uhr einem Demobeobachter in orangener Weste ein Platzverweis erteilt worden, weil er „immer wieder in die Kontrolle reingelaufen” sei. Personalien seien dabei nicht erhoben worden. Dem Kläger selbst sei angeboten worden, dass er vorab aus der Absperrung entlassen werden könne, wenn er seine Personalien angebe. Das habe der Kläger abgelehnt.
In rechtlicher Hinsicht trägt der Beklagte vor, dass der Klage schon das Rechtschutzbedürfnis fehle, weil es widersprüchlich sei, zunächst nicht freiwillig seine Personalien anzugeben, um vorab aus der Umstellung entlassen zu werden, und dann nachträglich gegen die daraufhin getroffenen Maßnahmen vorzugehen. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil die polizeilichen Maßnahmen gemäß dem Polizeigesetz rechtmäßig erfolgt seien. Die Feststellung der Identität des Klägers sei erforderlich gewesen, um das Anlegen der Vermummung und das Rennen durch die Königsbaupassagen in einer größeren Gruppe sowie die dadurch verursachte Gefährdung unbeteiligter Passanten zu vermeiden. Aufgrund der Antreffsituation direkt vor dem Königsbau habe der Kläger augenscheinlich seine Beobachterrolle bei der bereits beendeten Versammlung verlassen und sich der Gruppe angeschlossen. Dafür spreche auch der Platzverweis gegen einen anderen Demonstrationsbeobachter, welcher die Kontrolle eines Tatverdächtigen durch die Einsatzkräfte gestört habe. Selbst wenn der Kläger der Gruppe nicht angehört haben sollte, sei er gleichwohl der richtige Adressat der Maßnahme, weil er sich „bewusst zu der Störergruppe begeben” habe, seine Identität den Beamten nicht bekannt gewesen sei und er sich, anders als andere Personen, nicht von der Gruppe distanziert habe. Demnach sei nicht ausgeschlossen gewesen, dass der Kläger Teil der Gruppe sei oder für diese verbotene Gegenstände aus der Absperrung verbringen könnte. Zweifel an der neutralen Rolle der Demonstrationsbeobachter würden letztlich auch dadurch belegt, dass diese ausweislich des Berichtes über die Versammlung auf ihrer Homepage weder die verbotenen Symbole noch die massenhaft skandierten, strafbewehrten Parolen wahrgenommen haben wollten.
Auch die Durchsuchung des Klägers sei rechtmäßig erfolgt, weil er nach dem Vorgenannten festgehalten werden durfte und im Übrigen sicherzustellen gewesen sei, dass er kein Vermummungsmaterial oder „gefährliche Gegenstände” für sich oder andere Gruppenmitglieder transportierte. Die vereinfachte erkennungsdienstliche Behandlung durch eine kurze Videoaufzeichnung sei gerechtfertigt gewesen. Das Antreffen des Klägers bei der vermummten Gruppierung und die vorgenannten Erwägungen hätten die Annahme begründet, dass der Kläger sich an einem Hausfriedensbruch und ggf. weiteren Straftaten beteiligt habe. Die Erhebung des Bildmaterials sei erforderlich gewesen, um dem Kläger vollständig die Anonymität zu nehmen und so die Möglichkeit strafrechtlicher Verfolgung zu schaffen und dem Kläger diese bewusst zu machen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Polizeihauptkommissar xxx, den Leiter des streitgegenständlichen Polizeieinsatzes. Zu seinen Wahrnehmungen in Bezug auf diesen hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er sich zum hier maßgeblichen Zeitpunkt etwas räumlich abgesetzt befunden habe, um den weiteren Einsatz zu koordinieren. Ihm sei dann per Funk nach dem Ende der Versammlung mitgeteilt worden, dass die Einsatzkräfte einem Demonstrationsbeobachter einen Platzverweis erteilt hätten, weil dieser immer wieder in eine Kontrolle gelaufen sei. Direkt im Anschluss habe er von der in Richtung Königsbau laufenden Gruppe erfahren. Aus seinem polizeilichen Erfahrungswissen habe er gewusst, dass es sich bei der Gruppe um junge Kurden handeln könne. Gerade bei Gruppen junger Männer komme es häufig dazu, dass sie sich in einer Machtposition fühlten. Wenn sie dann auf einen Gegner träfen, täten sie Dinge, die sie später bereuten. Er habe deshalb die vor Ort befindlichen Kräfte angewiesen, die Gruppe unter Kontrolle zu bringen. Einige Minuten später sei ihm gemeldet worden, dass die Gruppe am Königsbau zum Halt gekommen sei und Einsatzkräfte die Gruppe gestellt hätten. Aufgrund des gezeigten Verhaltens habe er diese Gruppe nicht auch als Versammlung angesehen, sondern als Ansammlung und weiter angeordnet, dass die Mitglieder der Gruppe kontrolliert und nur noch in kleinen Gruppen oder als Einzelpersonen entlassen werden sollten, um weiteres Imponiergehabe und Machtdemonstrationen zu unterbinden, die immer wieder zu Gegenreaktionen führten und um die von einer solchen unkontrolliert umherziehenden Gruppierung ausgehenden Gefahren zu vermeiden. Ihm sei mitgeteilt worden, dass sich in der Gruppe auch der hiesige Kläger und der Kläger des Parallelverfahrens 5 K 2034/20 befänden. Weiter sei ihm mitgeteilt worden, dass die beiden Demonstrationsbeobachter das Angebot nicht angenommen hätten, sich von der Gruppe zu distanzieren. Nach dieser Nachricht habe er für sich nochmals das Wesentliche, ihm bis dorthin Bekannte, zusammengetragen. Er habe sich an die E-Mail erinnert, mit der sich die Demonstrationsbeobachter als unabhängige Beobachter angemeldet hätten. Gleichzeitig habe er die Information über den Platzverweis gehabt. Nach dieser Zusammenfassung sei er zu dem Endergebnis gekommen, dass die Demonstrationsbeobachter ihre beobachtende Rolle verlassen und sich mit der Gruppe solidarisiert hätten. Er habe daraufhin entschieden, die Demonstrationsbeobachter nicht ohne Angabe der Personalien aus der Umschließung zu entlassen. In der Vorbesprechung zum Einsatz habe er seinen Beamten mitgeteilt, dass Demonstrationsbeobachter anwesend sein werden und sie angewiesen, ihnen die Beobachtung zu ermöglichen. Die Grenze sei aber das Stören polizeilicher Maßnahmen. Neben dem Platzverweis und dem engen räumlich-zeitlichen Bezug zur Gruppe habe für ihn vor allen Dingen die Gesamtsituation hinreichend Anlass zu der Annahme gegeben, dass sich die Demonstrationsbeobachter mit der Gruppe gemein gemacht hätten. Zum Verhalten der Demonstrationsbeobachter nach der Umschließung habe er keine Informationen erhalten, nur jene, dass die Demonstrationsbeobachter in der umkesselten Gruppe seien und dass sie sich nicht ohne Personalienfeststellung aus der Gruppe entfernen wollten. Weiter hat der Zeuge erklärt, er sei während der Versammlung teilweise parallel zum Versammlungszug gefahren und habe überwiegend dunkel gekleidete und eher männliche Personen aus dem kurdischen Milieu gesehen, die sich auch schon während des Versammlungszuges vermummt hätten, indem sie teilweise ihre Jacken hochgezogen und ein Großplakat über den Köpfen getragen hätten. Allerdings sei ausweislich des Einsatzprotokolls bei den Durchsuchungen kein Vermummungsmaterial bei den umschlossenen Personen gefunden worden. Auf Nachfrage, ob er etwas über die näheren Umstände des Platzverweises gewusst habe, hat der Zeuge erklärt, er habe nur den Funkspruch gekannt und keine weiteren Kenntnisse dazu gehabt. Auch Hinweise auf eine Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung des Platzverweises habe es nicht gegeben. Auf Nachfrage, ob er auch eigene Wahrnehmungen von den fraglichen Umständen gehabt habe, hat der Zeuge erklärt, dass er natürlich zugegen sei und sich auch eigenen Wahrnehmungen machen könne. Es sei aber seine Aufgabe, die Kräfte zu koordinieren. Dabei sei es kontraproduktiv, sich „ins Getümmel” zu stürzen. Maßgeblich seien deshalb die Funksprüche und die Meldungen der einzelnen Einsatzabschnitte. Es gehöre dann zu seiner Aufgabe, sich etwas abgesetzt zu befinden und die Entscheidungen zu treffen. So wie hier handele es sich oftmals um ein dynamisches Einsatzgeschehen, bei dem ihm dafür oftmals nur maximal eine Zeitspanne von wenigen Minuten bleibe. Zum Verbleib des Datenmaterials hat der Zeuge schließlich ausgeführt, dass das gesamte Datenmaterial eines Einsatzes nach dessen Ende standardmäßig der zentralen Beweis- und Dokumentationsstelle der Polizei kurz: „Bedö”, übergeben werde, von wo aus die einzelnen Einheiten dann auf das Material zugreifen könnten. Zu den Aussagen des Zeugen wird im Übrigen auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Der Klägervertreter hat beantragt, hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht beabsichtigt, die Klage abzuweisen, „zum Beweis der Tatsache, dass keine der Personen, die sich in der streitgegenständlichen Umschließung befanden, sich vorher vermummt haben oder Teil einer ca. 20 köpfigen vermummten Gruppe waren, die am 25.05.2019 durch den Königsbau gelaufen sein soll”, „die Beiziehung und Sichtung sämtlichen Videomaterials, insbesondere der polizeilichen Kamera, die in der polizeilichen Videodatei 00011+ Timecode.mp4 ab Minute 2:55 und in der klägerseitig vorgelegten Datei 01.Lauf-zum-Königsbau.mp4 ab Minute 2:09 zu sehen ist” [Anmerkung der Kammer: gemeint ist die vom Kläger des Parallelverfahrens 5 K 2034/20 angefertigte und vorgelegte Videodatei].
Der Vertreter des Beklagten hat hilfsweise beantragt, für den Fall, dass das Gericht ansonsten zu dem Ergebnis kommt, dass es sich bei den Eingekesselten nicht um besagte Gruppierung handelt, die Zeugen POK xxx, PH xxx sowie PH xxx zu vernehmen.
Dem Gericht liegen die Behördenakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten, insbesondere zwei Datenträger mit dem von der Versammlung und vom Kläger angefertigten Bildmaterial, die Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zurecht auf dem Verwaltungsrechtsweg erhobene Klage ist zulässig und begründet.
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Maßnahmen der Polizei hat eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art zum Gegenstand, § 40 VwGO. Vorliegend handelt es sich um Maßnahmen, die sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung dienten, sogenannte „doppelfunktionale Maßnahmen”. Gegen sie ist zumindest auch der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Die Polizei ist sowohl berufen, repressiv begangene Straftaten zu erforschen, § 163 Abs. 1 StPO, als auch präventiv Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, § 1 PolG. Während letztere vor den Verwaltungsgerichten zu überprüfen sind, wird Rechtschutz gegen Maßnahmen der Polizei in ihrer Rolle als Strafverfolgungsbehörde nach § 23 EGGVG auf dem ordentlichen Rechtsweg gewährt, soweit es sich dabei um Justizverwaltungsakte handelt (BVerwG, Urteile vom 23.11.2005 – 6 C 2.05 -, juris Rn. 13 und vom 03.12.1974 – 1 C 11.73 BVerwGE 47, 255 <258 ff.>).
Bei Unklarheiten über den Rechtscharakter der polizeilichen Maßnahmen und damit über den eröffneten Rechtsweg, sind diese danach zu bestimmen, ob der Grund oder das Ziel des polizeilichen Einschreitens und gegebenenfalls dessen Schwerpunkt der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung dienten. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urteil vom 03.12.1974 – BVerwG 1 C 11.73 -, juris Rn. 24; BayVGH, Beschluss vom 05.11.2009 – 10 C 09.2122 -, juris Rn. 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 – 1 S 338/10 -, juris Rn. 16; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.11.2013 – 11 OB 263/13 -, juris Rn. 4). In diesem Zusammenhang kommt dem erklärten oder erkennbaren Willen des eingreifenden Sachwalters erhebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.1974 – 1 C 11.73 -, juris Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 06.08.2014 – 5 E.375/14 -, juris Rn. 5; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.11.2013 – 11 OB 263/13 -, juris Rn. 4). Der Sachverhalt muss im Allgemeinen einheitlich betrachtet werden, es sei denn, dass einzelne Teile des Geschehensablaufs objektiv abtrennbar sind. Hat die Polizei die Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft oder das Amtsgericht weitergeleitet (§ 163 Abs. 2 StPO) oder auf Weisung der Staatsanwaltschaft gehandelt, so kann an der strafprozessualen Natur ihres Einschreitens kein vernünftiger Zweifel bestehen. Eine Maßnahme, die nach dem Gesamteindruck darauf gerichtet ist, eine strafbare Handlung zu erforschen oder sonst zu verfolgen, ist der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach §§ 23 ff. EGGVG nicht etwa deshalb entzogen, weil durch die polizeilichen Ermittlungen möglicherweise zugleich auch künftigen Verletzungen der öffentlichen Sicherheit vorgebeugt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.1974 – 1 C 11.73 -, juris Rn. 24; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 07.08.2018 – 4 So 24/18 -, juris Rn. 19).
Gemessen daran lässt sich der Schwerpunkt der polizeilichen Maßnahme hier nicht eindeutig bestimmen. Objektiv handelte die Polizei in einem dynamischen Geschehen, sodass bei natürlicher Betrachtung eines verständigen Bürgers die Maßnahmen sowohl dazu dienten, weitere, künftige Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu unterbinden als auch dazu, die Möglichkeit zu schaffen, um etwaige, bereits erfolgte Normverstöße strafrechtlich zu ahnden. Zu ihrer Motivation für die Maßnahmen gibt die Beklagte einerseits an, dass es der Polizei vorrangig um Prävention gegangen sei, konkret darum, die vermummt durch den Königsbau rennende Gruppe zu stoppen, um mögliche Rechtsgutsverletzungen zu vermeiden. Zudem habe verhindert werden sollen, dass der Kläger Vermummungsmaterial oder „gefährliche Gegenstände” aus der Absperrung transportiere. Weiter hat sich der Beklagte ausschließlich auf die gefahrenabwehrrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen berufen (diesen Punkt für maßgeblich haltend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 – 1 S 338/10 juris Rn. 16). Andererseits sah die Polizei einen Anfangsverdacht für die Begehung von Straftaten durch Mitglieder der Gruppe als gegeben an, unterstellte dem Kläger, die Beobachterrolle der bereits beendeten Versammlung verlassen und sich der Gruppe angeschlossen zu haben, und leitete das erhobene Datenmaterial, auch jenes des Klägers, an die Staatsanwaltschaft weiter. Damit waren sowohl präventive als auch repressive Erwägungen im polizeilichen Vorgehen angelegt und mit §§ 26 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1 lind 2, 30 Abs. 1 Nr. 1 und § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG a.F. sowie §§ 163b, 102, 81b StPO existieren auch sowohl im Polizeirecht als auch im Recht der Strafverfolgung Ermächtigungsgrundlagen für das hier streitige polizeiliche Vorgehen.
Nach alledem lässt sich der Schwerpunkt des polizeilichen Einschreitens nach objektiver Betrachtung für den Betroffenen nicht zweifelsfrei bestimmen. Insbesondere spricht die Weiterleitung der erhobenen Daten an die Staatsanwaltschaft nicht für eine exklusive Zuweisung entsprechender Sachverhalte an die Strafgerichte. Der entsprechende Obersatz stammt aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1974. Die Realität der polizeilichen Präventions- und Ermittlungsarbeit hat sich seither ebenso fundamental verändert, wie die Möglichkeiten und die Anwendung von Technik zur Erhebung, Speicherung und Weiterleitung von Daten. Wie die Aussage des Zeugen xxx in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht, werden die bei einem Einsatz wie dem hiesigen erhobenen Daten stets an eine dafür zuständige, zentrale Stelle weitergeleitet, von wo aus dann weitere Stellen auf sie zugreifen können. Aus der Weiterleitung der Daten lässt sich demnach nicht hinreichend sicher auf die hier maßgebliche Motivation für die Erhebung der Daten schließen.
Ist nach alledem nicht hinreichend bestimmbar, ob der Schwerpunkt des polizeilichen Eingreifens auf dem Recht der Gefahrenabwehr oder jenem der Strafverfolgung lag, ist für Klagen gegen dieses Eingreifen zumindest auch der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (für ausschließliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in diesem Fall: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.11.2013 – 11 OB 263/13 – juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2012 – 5 E 251/11 -, juris Rn. 16; für Wahlrecht des Klägers: Danne, JuS 2018, 434, 437 m.w.N.).
II. Die Klage ist zulässig.
1. Soweit sich die Klage gegen die Personenfeststellung und die Durchsuchung richtet, ist sie als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Soweit sich der Kläger gegen die Anfertigung der Filmaufnahmen wendet, als Feststellungsklage. gemäß § 43 VwGO.
a. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG a.F. handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 – 1 S 338/10 -, juris Rn. 17 unter Verweis auf. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/WackeNogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Selbiges gilt für die Durchsuchung von Personen und Sachen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.1998 – 1 S 3280/96 -, juris Rn. 22).
Alle drei Maßnahmen haben sich hier bereits mit ihrem Abschluss erledigt, § 43 Abs. 2 LVwVfG. Statthafte Klageart ist deshalb die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Die Norm ist hier analog anzuwenden, weil die Erledigung der Verwaltungsakte vor Klageerhebung eintrat (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 – 1 C 49.64.- BVerwGE 26, 161, <165> und Urteil vom 01.07.1975 – 1 C 35.70 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 18.12.2003 – 1 S 2211/02 – VBIBW 2004, 214, vorn 14.04.2005 – 1 S 2362/04 – VBIBW 2005, 431 und vom 14.12.2010 – 1 S 338/10 – , juris Rn. 17).
b. Mangels Regelungswirkung ist das vom Kläger ebenfalls angegriffene Anfertigen von Filmaufnahmen dagegen nicht als Verwaltungsakt zu klassifizieren. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit derartiger Realakte kann statthaft über eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO erfolgen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.1998 – 1 S 3280/96 -, juris Rn. 22).
Der Kläger kann sich auch auf ein Fortsetzungsfeststellungs- bzw. ein Feststellungsinteresse nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bzw. § 43 Abs. 1 VwGO berufen. Als Feststellungsinteresse genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 – 1 C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <168>; BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 – 8 C 14.12 -, juris Rn. 20). Ein solches ist u.a. dann gegeben, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht, also dann, wenn zu erwarten ist, dass derselben Kläger binnen eines überschaubaren Zeithorizontes erneut mit einer entsprechenden Maßnahme konfrontiert werden wird, weil die rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert bleiben (BVerwG, Urteil vom 12.10.2006 – 4 C 12.04 -, juris Rn. 8; BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 – 8 C 14.12 -, juris Rn. 20 f.). Davon ist hier bei dem Kläger auszugehen, weil er Mitglied der Organisation „Demobeobachtring Südwest” ist und nach seinen Darlegungen regelmäßig in seiner Freizeit Demonstrationen beobachtet und dokumentiert, ohne dass von Seiten des Beklagten Zweifel an diesem Vortrag erhoben oder solche für die Kammer sonst ersichtlich wären. Damit ist hinreichend wahrscheinlich davon auszugehen, dass der Kläger auch in Zukunft Demonstrationen beobachten und entsprechenden polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt sein wird.
Zudem besteht ein Fortsetzungsfeststellungs- bzw. ein Feststellungsinteresse auch dann, wenn Grundrechtseingriffe in Rede stehen, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (statt aller: BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 – 8 C 14.12 -, juris Rn. 31, BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 – 2 BvR 527/99 -, BVerfGE 104, 220 <232 f.>). Das ist bei polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Versammlungen anerkannt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 – 1 BvR 461/03 – , BVerfGE 110, 77). Dem steht hier nicht entgegen, dass der Kläger nur Beobachter einer Demonstration war und nicht selbst an einer solchen teilnahm und dass die maßgeblichen Maßnahmen erst erfolgten, nachdem die Versammlungsleiterin die Versammlung für beendet erklärt hatte, sodass Art. 8 Abs. 1 GG ggf. gar nicht berührt war. Mit dem durch die Maßnahmen betroffenen Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ist jedenfalls ein anderes Grundrecht von erheblichem Gewicht betroffen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.03.2015 – 1 BvR 2501/13 -, juris Rn. 12).
2. Die Klage ist unabhängig von der Einhaltung einer Klagefrist zulässig. Die streitgegenständliche polizeiliche Maßnahme datiert vom 25.05.2019, die Klage vom 25.04.2020. Für reine Feststellungsklagen greift im Polizeirecht bereits keine Klagefrist. Selbiges gilt für Fortsetzungsfeststellungsklagen gegen Verwaltungsakte, die sich vor Klageerhebung und vor Eintritt der Bestandskraft erledigt haben, (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 – 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 19.08.2010 – 1 S 2266/09 -, DVBI 2010, 1569 m.w.N. und vom 14.12.2010 – 1 S 338/10 -, juris Rn. 19), wie hier. Im Übrigen wäre die Klage jedenfalls binnen der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO erhoben worden, die hier im Fall einer Fristbindung wegen der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung einschlägig gewesen wäre.
3. Dem Kläger fehlt auch nicht das Rechtschutzbedürfnis. Dem steht insbesondere der Einwand des Beklagten nicht entgegen, der Kläger handele selbstwidersprüchlich, weil er es erst unterlassen habe, die polizeilichen Maßnahmen abzuwenden und dann die Feststellung begehre, diese seien rechtswidrig erfolgt.
Ein Rechtschutzbegehren ist nur dann von den Gerichten zu behandeln, wenn dafür ein Rechtschutzbedürfnis besteht (BVerfG, Beschluss vorn 19.10.1982 – 1 BvL. 34/80 -, BVerfGE 61, 126 <135>). Im Grundsatz definieren die geschriebenen Vorgaben der jeweiligen Prozessordnung, wann ein Rechtschutzbegehren von den Gerichten zu behandeln ist. Daraus folgt, dass ihr Vorliegen das Bestehen des Rechtschutzbedürfnisses indiziert (BVerwG, Urteil vorn 17.01-.1989 – 9 C 44.87 -, BVerwGE 81, 164 <165>).
Gleichwohl kann ausnahmsweise im Einzelfall trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen ein gerichtliches Rechtschutzbegehren deshalb untunlich sein, weil sich die Inanspruchnahme der Gerichte als unnötig oder rechtsmissbräuchlich erweist, die Gerichte also in Anspruch genommen werden, obwohl kein Rechtschutzbedürfnis besteht. In der Rechtsprechung haben sich dazu verschiedene Fallgruppen etabliert (von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, Vor §§ 40 ff. Rn. 24 ff.). Mit wechselhafter Terminologie wird dabei teilweise auch auf ein „selbstwidersprüchliches Verhalten” abgestellt (vgl. etwa Rennert, in: Eyermann, VwGO, Vor §§ 40 ff. Rn. 22; angedacht von BVerwG, Urteil vom 18.08.1977 – 5 C 8.77 -juris Rn. 10, für die Anfechtung eines Verwaltungsaktes, mit dem sich die Klägerin zuvor einverstanden erklärt hatte; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 07.09.2010 – 1 M 210/09 juris Rn. 46 für einen Fall, in dem das Klageziel [Studienplatzvergabe] wohl bereits ohne und vor einer Entscheidung des Gerichts erreicht wurde). Ähnlich liegen auch jene Situationen, in denen der Rechtschutzsuchende sein Ziel schneller, einfacher und effektiver erreichen kann, ohne die Gerichte in Anspruch zu nehmen (von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, Vor §§ 40 ff. Rn. 24 ff.).
Ein solcher Fall ist hier indes in Bezug auf die erkennungsdienstliche Behandlung nicht gegeben. Das Rechtschutzziel des Klägers geht gerade dahin, die Ereignisse im Anschluss an die aufgelöste Versammlung beobachten zu dürfen, ohne seine Personalien feststellen zu lassen oder sonstige polizeiliche Maßnahmen erdulden zu müssen. Das wäre ihm auch durch ein kooperativeres Verhalten am Tag der Versammlung nicht möglich gewesen, weil die Beamten auch damals nur unter der Bedingung der Angaben seiner Personalien bereit waren, von weiteren Maßnahmen abzusehen. Schon das hält der Kläger indes für rechtswidrig. Der Kläger hatte dementsprechend keine Möglichkeit, die hier angegriffene polizeiliche Maßnahme der Identitätsfeststellung abzuwenden. Der Vorwurf, er verhalte sich widersprüchlich, verfängt insoweit nicht.
Dem Kläger fehlt auch nicht das Rechtschutzbedürfnis für die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und der Anfertigung der Bildaufnahmen, obwohl er diesen Maßnahmen nicht ausgesetzt gewesen wäre, wenn er freiwillig seine Personalien verlautbart hätte. Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet jedermann den Rechtsweg bei einer möglichen Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt. Dementsprechend ist bei der Bejahung ungeschriebener, rechtswegausschließender Zulässigkeitsvoraussetzungen besondere Zurückhaltung zu üben. Das gilt insbesondere auch für die Annahme selbstwidersprüchlichen Verhaltens (Rennert, in: Eyermann, VwGO vor § 40 Rn. 22). Damit ein solches Verhalten zum Verlust des Rechtschutzbedürfnisses führt, muss der damit implizierte Wille des Betroffenen, sich trotz etwaiger Nachteile so und nicht anders verhalten zu wollen, jedenfalls hinreichend klar, beständig und eindeutig zum Ausdruck kommen. Das mag möglicherweise nach dem Vorgenannten dann der Fall sein, wenn der entsprechende Wille hinreichend lange oder wiederholt betätigt wurde (so der Fall bei BVerwG, Urteil vom 18.08.1977 – 5 C 8.77 -, juris Rn. 10) oder ggf. auch dann, wenn er formal eindeutig verlautbart wird (so etwa im Beispiel von Rennert, in: Eyermann, VwGO, vor § 40 Rn. 22 – der förmlichen Nachbarzustimmung zum Bauantrag nach § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LBO). Jedenfalls der hiesigen formlosen, spontanen Entscheidung in einer Eilsituation kann ein derart klarer, rechtswegausschließender Wille indes nicht entnommen werden.
III. Die Klage ist auch begründet, weil das Vorgehen der Polizeibeamten rechtswidrig war und den Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzte, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
1. Das polizeiliche Vorgehen ist am Polizeigesetz für das Land Baden-Württemberg in der bis zum 16. Januar 2021 geltenden Fassung zu messen.
Mit Gesetz vom 06.07.2020, in Kraft seit dem 17.01.2021, hat der Landesgesetzgeber das Polizeigesetz novelliert. Dementsprechend hat sich die Rechtslage zwischen der Behördenentscheidung und der Entscheidung des Gerichts geändert. Welche Rechtslage in solchen Fällen maßgeblich ist, bestimmt sich grundsätzlich nach Maßgabe des materiellen Rechts (BVerwG, Urteil vom 23.02.2011 – 8 C 51.09 -, juris Rn. 20). Für Anfechtungs- und Feststellungsbegehren im Recht der Gefahrenabwehr — wie vorliegend — ist der maßgebliche Zeitpunkt dabei jener der Erstanordnung. Es kommt demnach auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der polizeilichen Zwangsmaßnahmen an (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.2018 – 1 S 1468/17 -, beck-online Rn. 29 und Urteil vom 30.03.1992 – 1 S 1266/91 -, juris Rn. 14 (letzte Behördenentscheidung); OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.11.2015 – 3 L 146/13 -, beck-online Rn. 41).
2. Die Ermächtigungsgrundlagen für das polizeiliche Handeln sind solche des allgemeinen Polizeirechts, nicht des Versammlungsrechts. Zwar regelt das Versammlungsrecht die polizeilichen Befugnisse in seinem Geltungsbereich abschließend, sodass dort grundsätzlich nicht auf die Regelungen des allgemeinen Polizeirechts zurückgegriffen werden kann (sog. „Polizeifestigkeit der Versammlung” vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.10.2004 – 1 BvR 1726/01 -, juris Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 21.04.1989 – 7 C 50.88 -, BVerwGE 82, 34 <38>; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.1998 – 1 S 3280/96 -, DVBI 1998, S. 837 <839>).
Allerdings gilt dieser Vorrang des Versammlungsrechts in zeitlicher Hinsicht nur bis zum Ende der Versammlung. Er endet also jedenfalls mit dem Ende der Versammlung für den jeweiligen Betroffenen (Hettich, Versammlungsrecht in der Praxis, 2. Aufl., Rn. 45; vgl. für Auflösung der Versammlung oder Ausschluss eines Teilnehmers: BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 26.10.2004 – 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 <159> und vom 10.12.2010 – 1 BvR 1402/06 -, juris Rn. 28).
Demnach kommt das Versammlungsrecht hier schon aus zeitlichen Gründen nicht zur Anwendung, weil die Versammlung bereits beendet war und die rennende Personengruppe in Ermangelung einer Meinungsäußerung auch nicht als neue Versammlung anzusehen ist. Stattdessen greift das allgemeine Polizeirecht. Damit kann dahinstehen, ob sich dasselbe Ergebnis auch daraus ergibt, dass der Kläger nicht an der Versammlung teilgenommen hat, sondern bei ihr nur als Beobachter zugegen war.
3. Die streitgegenständlichen Maßnahmen erfolgten rechtswidrig. Zwar ist in formeller Hinsicht der Einsatz des Polizeivollzugsdienstes nicht zu beanstanden (a.), materiell lagen aber weder die Tatbestandsmerkmale für die Feststellung der Personalien des Klägers (b.) noch jene für seine Durchsuchung (c.) und die seines Rucksackes (d.) noch jene für das Anfertigen des Datenmaterials (e.) vor.
a. Die Maßnahmen ergingen formell rechtmäßig. Mit dem Polizeivollzugsdienst hat gemäß § 60 Abs. 2, 3 PoIG a.F. die zuständige Stelle gehandelt. Eine Anhörung war hier jedenfalls nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG entbehrlich, soweit die angegriffenen Maßnahmen als Verwaltungsakte zu klassifizieren sind.
b. Die Feststellung der Personalien des Klägers erfolgte rechtswidrig. Zwar geht das Gericht davon aus, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Maßnahmen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorlag. Der Kläger war aber nicht Störer i.S.v. § 6 ff. PolG.
Gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG a.F. kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Fälle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die Unversehrtheit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen und den Bestand und das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen (statt aller: BVerwG, Urteil vom 28.03.2012 – 6 C 12.11 -, beck-online Rn. 23). Ein Tätigwerden setzt weiter eine konkrete Gefahr im Zeitpunkt der Maßnahme voraus (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.03.2015 – 1 S 1225/14 -, unveröffentlicht S. 5). Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit ist stattdessen abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilich geschützten Gutes und dem Gewicht des drohenden Schadens (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 – 6 CN 8.01 -, juris Rn. 41; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.08.2010 – 1 S 2266/09 -, juris Rn. 28; Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2017, S. 215).
aa. Gemessen daran war hier zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gegeben, weil Tatsachen hinreichend sicher die Annahme stützten, dass bei ungehindertem Geschehensablauf möglicherweise durch eine rennende Gruppe ehemaliger Demonstrationsteilnehmer die Individualrechtsgüter, insbesondere die Gesundheit und das Eigentum der in und um den Königsbau befindlichen Passanten bedroht worden wären.
Der tatsächliche Ablauf stellte sich dabei nach dem Dafürhalten der Kammer so dar, dass nach dem Ende der Demonstration auf dem Stauffenbergplatz eine größere Gruppe junger Männer vermummt aus dem Bereich Stauffenbergplatz/Schlossplatz in Richtung des Königsbaus rannte, die dortige Einkaufspassage durch den Südeingang (Ecke Kleiner Schlossplatz) durchquerte und die Einkaufspassage durch den Nordeingang (Bolzstraße) wieder verließ. Im Folgenden lief die Gruppe die Bolzstraße bergauf in Richtung Stephanstraße sowie über die Thouret- und Lautenschlagerstraße und zerstreute sich dann. Zumindest einzelne Teilnehmer der Gruppe fanden sich dann wieder unter den Arkaden an der Nordseite des Königsbaus an der Ecke Bolzstraße/Königsstraße ein; wo sich zu diesem Zeitpunkt auch eine Mehrzahl von Passanten befand.
Die Überzeugung der Kammer von diesem tatsächlichen Hergang der Geschehnisse beruht auf dem Inhalt der vorgelegten Akten, insbesondere den Schilderungen in der Protokollliste zürn Polizeieinsatz, der in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Videodatei „01. Lauf zum Königsbau.mp4″ und den Schilderungen des Zeugen xxx.
In der Protokollliste zum Polizeieinsatz ist unter Nr. 66 vermerkt „16:30 Uhr, 20er Personengruppe vermummt rennt in Richtung Königsbau”, unter Nr. 68 „16:32 Uhr, Gruppe verlässt Königsbau über Bolz-, Stefanstraße” und unter Nr. 69 „Auf Höhe des Geschäftes „Notebook” Lautenschlagerstraße hat sich die Gruppe in unterschiedliche Richtungen zerschlagen Teil ist zurück in Königsbau”.
Auf dem Video „01. Lauf zum Königsbau.mp4″ ist zu sehen, wie mehrere Teilnehmer der vorangegangenen Versammlung vom Schlossplatz in Richtung Königsbau laufen. Weiter lässt die Bildführung erkennen, dass auch der das Video anfertigende Kläger des Parallelverfahrens 5 K 2034/20 diesen Weg läuft. Zudem schildert er das Geschehen verbal wie folgt (ab 00:00) „ne Zwanzigergruppe hat sich angeblich vermummt und sei in den Königsbau und die Polizei macht da jetzt einen Zugriff”. Die laufende Gruppe ist nicht zu sehen. Allerdings vermittelt das Video nach dem Vorgenannten ein dynamisches Geschehen und das „Hinterherlaufen” einer Vielzahl von der vorangegangenen Versammlung nahestehenden Personen, ohne dass vorgetragen oder sonst ersichtlich wäre, welchen Ursprung diese Dynamik und die Verlagerung des Geschehens vom Stauffenbergplatz in den Königsbau sonst gehabt haben sollte, wenn nicht die laufende Gruppe vermummter junger Männer.
Der Zeuge xxx gab in der mündlichen Verhandlung an, dass ihm über Funk von den Einsatzkräften mitgeteilt worden sei, dass eine Gruppe von jungen Männern sich die untere Gesichtshälfte mit Schlauchschals vermummt habe und in Richtung Königsbau gelaufen sei. Zunächst sei von 20 — 40, später korrigierend von 20 jungen Männern gesprochen worden. Die Kammer hat insoweit keine Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen. Insbesondere stimmen sie mit den übrigen verfügbaren Daten vollständig überein.
Soweit der Kläger „mit Nichtwissen” bestreitet, dass jemand gerannt sei und jemand vermummt gewesen sei, genügt dies nicht, um die vorgenannten Abläufe hinreichend in Zweifel zu ziehen. Gemäß § 108 Abs. 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Gemeint ist ein Maß an Gewissheit, das ernsthaften Zweifeln Schweigen gebietet. Hält das Gericht das Vorliegen der streitigen Tatsachen nur für „wahrscheinlich”, genügt das nicht (BVerwG, Urteil vom 11.11.1986 – 9 C 316.85 -, juris). Es ist dabei grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, dieses Maß an Überzeugung durch eigene Sachaufklärung herzustellen; die Beteiligten sind dazu heranzuziehen, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, „Grundsatz der Amtsermittlung”. Eine wichtige Quelle der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung ist dazu auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Vortrag der Beteiligten.
Explizite Vorgaben für die gerichtliche Verwertung dieses Vortrages enthält die VwGO nicht. Trotz der umfassenden Verweise in §§ 98, 173 VwGO können insoweit auch die Regeln des Zivilprozessrechts nicht unbesehen übernommen werden, wo unbestrittener Vortrag als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO, und eine Tatsache mit Nichtwissen bestritten werden kann, wenn sie weder eigene Handlungen noch eigene Wahrnehmungen eines Beteiligten betrifft, § 138 Abs. 4 ZPO (Hensel, NVwZ 2020, 1628, 1632). Stattdessen erfolgt die Verwertung des Parteivortrages und Akteninhaltes weniger schematisch als im Zivilprozess gemäß der Prämisse, dass Beweis- und Ermittlungsergebnisse aus den beigezogenen Akten als zulässige und taugliche Mittel der Sachverhaltsaufklärung zu verwerten sind. Es ist demnach kein Verstoß gegen den Grundsatz der Amtsermittlung, wenn das Gericht überzeugend erscheinendes Vorbringen eines Beteiligten ohne weitere Nachprüfung übernimmt, sofern es nicht schlüssig durch anderweitiges Beteiligtenvorbringen in Frage gestellt wird (Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, § 86 Rn. 13; Hensel, NVWZ 2020, 1628, 1632).
Ein solches Infragestellen kann grundsätzlich auch durch ein Bestreiten mit Nichtwissen erfolgen. Zwar findet § 138 Abs. 4 ZPO im Verwaltungsprozess wegen der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO keine Anwendung (BVerwG, Urteil vom 02.08.2001 – 7 C 2.01 -, juris und Beschluss vom 06.03.2003 – 6 BN 9.02 -, GewArch 2003, 262). Dies bedeutet aber nicht, dass das Bestreiten einer gegnerischen Behauptung „mit Nichtwissen” im Verwaltungsprozess unbeachtlich oder nur dann beachtlich wäre, wenn es mit einem Beweisantrag für das Gegenteil verbunden wird. Gerade wenn tatsächliche Umstände aus dem Bereich des Gegners in Rede stehen, kann ein Beteiligter auch im Verwaltungsprozess verlangen, dass das Gericht seine Entscheidung nicht ohne eigene Überprüfung auf die Darstellung des gegnerischen Prozessvertreters im Termin stützt. In solchen Fällen ist dem Beteiligten mangels eigener Kenntnis die bestimmte Behauptung des Gegenteils oder ein Beweisantritt für das Gegenteil gar nicht möglich (BVerwG, Beschluss vom 02.11.2007 – 3 B 58.07 -, juris Rn. 6).
Allerdings greift gerade bei einem Bestreiten mit Nichtwissen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der allgemeine prozessrechtliche Grundsatz, wonach umso konkreter und substantiierter zu einem Umstand vorgetragen werden muss, je detaillierter die Gegenseite dazu ausgeführt hat (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 21.03.2018 – 1 LA 77/17-, juris Rn. 69; Hensel, NVwZ 2020, 1628, 1632). Dementsprechend kann das Verwaltungsgericht gerade bei einem Bestreiten mit Nichtwissen verlangen, dass der Kläger dieses substantiiert, also Gründe für seine Zweifel anführt. Das pauschale Bestreiten mit Nichtwissen genügt, insbesondere bei umfangreichem und auf mehrere Quellen gestützten Anlassvortrag, nicht (BVerwG, Beschluss vom 02.11.2007 – 3 B 58.07 juris Rn. 6).
Gemessen daran durfte die Kammer hier trotz des „Bestreitens mit Nichtwissen” durch den Kläger davon ausgehen, dass ca. zwanzig junge Männer vermummt die vorgenannte Route gelaufen sind. Die Verfahrensakten, die in Augenschein genommenen Videodateien und der Vortrag des Zeugen xxx stimmen insoweit überein. Der Kläger hat seine mit dem Bestreiten zum Ausdruck gebrachten Zweifel nicht näher substantiiert. Folglich bestand auch kein Anlass für eine weitere Sachverhaltsermittlung zu diesem Punkt.
Auch dem Beweisantrag des Klägers hierzu war nicht nachzugehen. Der Kläger hat diesen Beweisantrag hilfsweise für den Fall seines Unterliegens gestellt. Zwar ist ein solcher, bedingter Beweisantrag zulässig, eine Pflicht zur Bescheidung in der in § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form und zur Beweiserhebung durch das Gericht erwächst daraus — bei Zulässigkeit des Antrages im Übrigen— aber nur, wenn die Bedingung, unter der der Antrag gestellt ist, auch eingetreten ist (BVerwG, Urteil vom 26.06.1968 – V C 111.67 -; BVerwGE 30, 57). Daran fehlt es hier.
Auch dem Beweisantrag des Beklagten war insoweit nicht nachzugehen. Dieser Antrag wurde für den Fall gestellt, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass die umschlossene Gruppierung nicht jene war, die zuvor vermummt durch den Königsbau lief. Einer derartigen Feststellung bedarf es hier nicht. Das Gericht geht insoweit nach dem Vorgenannten davon aus, dass zumindest einzelne Teilnehmer der Gruppe sich unter den eingekesselten Personen befanden. Es hat diesen Befund für die Annahme einer polizeirechtlich relevanten Gefahr für ausreichend erachtet. Dementsprechend war die unter Beweis gestellte Tatsache für die Entscheidung des Gerichts unerheblich.
Das Gericht ist weiter zu der Überzeugung gelangt, dass die entsprechende Einkaufspassage zum fraglichen Zeitpunkt gut gefüllt war. Das ergibt sich aus der Darstellung der Polizei, den Schilderungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung und dem Eindruck der in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen Videodatei „01. Lauf zum Königsbau.mp4″ (ab 00:50) sowie den äußeren Umständen des Geschehens, wie der zentralen Lage der Passage in der Stuttgarter Innenstadt, dem Zeitpunkt des Geschehens an einem Samstagnachmittag gegen 16.30 Uhr und der meteorologischen Situation eines kurz zuvor niedergegangenen Regenschauers.
Die polizeilich abzuwehrende Gefahr bestand nach alledem darin, dass durch eine (erneut) konzertiert durch eine voll besetzte Einkaufspassage rennende Gruppe von ca. 20 jungen Männern hinreichend wahrscheinlich Schäden für die Rechtsgüter der Passanten in dieser Passage drohten. Konkret lässt sich dabei schon nichthinreichend sicher vermeiden, dass Passanten angerempelt werden oder ausweichen müssen und dass es infolgedessen zu Stürzen und Verletzungen oder zu Schäden am Eigentum der Betroffenen kommt, etwa an ihrer Kleidung, ihren Taschen oder Rucksäcken und den darin aufbewahrten Gegenständen. Nachdem ein solches Rennen vermummter Personen nach der Überzeugung der Kammer bereits zuvor stattgefunden hatte, war die Polizei berechtigt, einer Wiederholung dieses Tuns durch geeignete Maßnahmen der Gefahrenabwehr entgegenzuwirken. Mit Blick auf die bedrohten hochrangigen Rechtsgüter der Gesundheit und des Eigentums der Passanten in dem Einkaufszentrum genügte insoweit nach dem Vorgenannten bereits eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit.
Im Übrigen ist hier auch mit jedenfalls für das Gefahrenabwehrrecht ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass durch die rennende Gruppe auch die Rechte und Interessen der Betreiber des Einkaufszentrums an einem störungsfreien und angenehmen Einkaufserlebnis gefährdet waren, wie sie in der Hausordnung der Königsbaupassagen zum Ausdruck kommen. Laut ihrer Nr. 10 ist dort u.a. das „behindern und belästigen einzelner Besucher” untersagt. Schließlich war polizeiliches Handeln hier auch schon d6shalb veranlasst, weil die Beamten nach dem äußeren Eindruck des Geschehens des Zusammenfindens und koordinierten Vorgehens einer emotionalisierten, vermummten Gruppe junger Männer nach dem verbindenden Erlebnis einer gemeinsamen Demonstration – und dessen möglicher Fortentwicklung der Möglichkeit vorbeugen durften und mussten, dass von der Gruppe noch weitere Gefahren für andere Rechtsgüter ausgehen.
bb. Waren danach allgemein polizeiliche Maßnahmen veranlasst und rechtlich in den Grenzen der jeweiligen konkreten Befugnisnorm zulässig, erfolgte die Feststellung der Identität des Klägers gleichwohl deshalb rechtswidrig, weil er kein tauglicher Adressat der Maßnahme war, also kein Störer i.S.v. §§ 6 ff. PolG.
Gemäß § 6 Abs. 1 PoIG a.F. hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber demjenigen zu treffen, der die Bedrohung oder die Störung verursacht hat. Die Kammer teilt insoweit die übereinstimmende Einschätzung der Beteiligten, dass der Kläger nicht selbst als Teil der Gruppe durch den Königsbau gelaufen ist. Aus der ex post Perspektive gingen von. dem Kläger also keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit aus.
Der Kläger konnte auch nicht als Anscheinsstörer in Anspruch genommen werden. Als einen solchen bezeichnet man Personen, deren Verhalten — unabhängig davon, ob sie ex post tatsächlich die mit der Maßnahme bekämpfte Gefahr (mit)verursacht haben — ex ante dazu geeignet waren, bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung zu erwecken (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 14.12.2010 – 1 S 338/10 -, juris Rn. 24 und vom 17.03.2011 = 1 S 2513/10 -, juris Rn. 25; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 – 22 B 93.271 -,.juris Rn. 9). Ein solcher Anschein kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Betroffene bei einer unübersichtlichen Gemengelage, insbesondere bei von einer Gruppe ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einer entsprechenden Gefahr angetroffen wird (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 – 1 S 338/10 -, juris Rn. 24; VG Karlsruhe, Urteil vom 08.05.2014 – 2 K 1318/13 -, unveröffentlicht S. 8). Dabei ist zu beachten, dass aus rechtstaatlichen Gründen Zurückhaltung bei der Bejahung der Eigenschaft als Anscheinsstörer geböten ist. Im gesetzlichen Regelfall dürfen Personen nur als Handlungs- oder Zustandsstörer, §§ 6, 7 PolG a.F., in Anspruch genommen werden, also dann, wenn von ihnen oder ihnen zuzuordnenden Sachen tatsächlich nachweisbar Gefahren für polizeiliche Schutzgüter ausgehen. Eine Weiterung dieser Tatbestandsmerkmale zulasten des Polizeipflichtigen kann aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr, § 1 Abs. 1 PolG a.F., geboten sein. Sie muss ihre Grenze gleichwohl dort finden, wo es an hinreichend festgestellten tatsächlichen Umständen für ein polizeiliches Eingreifen fehlt.
So liegt der Fall hier, denn hinreichend festgestellte tatsächliche Umstände für ein polizeiliches Eingreifen ergaben sich weder daraus, dass sich der Kläger mit der laufenden Gruppe gemein gemacht hätte (aaa.), noch daraus, dass der Kläger der rennenden Gruppe gefolgt ist und sich beim Eintreffen der Polizei in ihrer Nähe aufhielt (bbb.), noch aus dem Verhalten des Klägers nach der Einkesselung (ccc.) oder aus dem zuvor einem Demonstrationsbeobachter erteilten Platzverweis (ddd.). Auch eine Zusammenschau dieser. Umstände vermochte die Störereigenschaft aus damaliger Sicht nicht zu begründen (eee.).
aaa. Die Stellung des Klägers als Störer ergab sich ex ante nicht daraus, dass davon auszugehen gewesen wäre, dass er seine Beobachterrolle verlassen und sich mit der Gruppe „solidarisiert” bzw. diese unterstützt habe, wie der Beklagte vorträgt: Für eine solche Annahme fehlte es an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten. Soweit der Bevollmächtigte der Beklagten nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung eine Unterstützung bereits darin erblickte, dass der Kläger bei der eingekesselten Gruppe gestanden habe, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Der Maßstab jeder polizeirechtlichen Maßnahme ist die Effektivität der Gefahrenabwehr. Eine „Unterstützung” des Störers konnte demnach nur dann angenommen werden, wenn ex ante zumindest hinreichend sicher davon ausgegangen werden konnte, dass die unterstützende Handlung die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung förderte (ähnlich für das vergleichbare Problem der Beihilfe im Strafrecht: Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 27 Rn. 2 m.w.N.).
Davon ist nicht auszugehen, weil der Kläger sowohl äußerlich als auch durch sein Handeln jeden Anschein einer Unterstützung vermieden hat. Er passt schon von seinem Aussehen aufgrund seines Alters, seiner langen grauen Haare und seinem grauen Bart nicht in eine Gruppe „junger Kurden” und war überdies durch seine Warnweste durchgängig als nicht zur Gruppe gehörig zu erkennen.
Darüber hinaus positionierte sich der Kläger auch innerhalb des Kessels am Rand, an der Wand des Gebäudes stehend, und weder den Darlegungen des Beklagten noch dem in Augenschein genommenen Videomaterial lassen sich tatsächliche Anhaltspunkte für, eine Assoziierung des Klägers zur Gruppe, etwa ein Gespräch, Gesten der Verständigung o.ä. entnehmen. Soweit ersichtlich hat der Kläger auch durch sein Verhalten bei den Mitgliedern der Gruppe weder zurechenbar ein Gefühl der Unterstützung hervorgerufen noch hat er — soweit ersichtlich — auch nur den Anschein erweckt, die Gruppe zu unterstützen.
Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Vortrag des Beklagten, die polizeilichen Feststellungen seien erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass der Kläger verbotene Gegenstände aus der Absperrung verbringen könnte. Rein abstrakt mag diese Möglichkeit bestanden haben. Aus dem Vortrag der Beteiligten und den dem Gericht vorliegenden Unterlagen sind aber keinerlei Anhaltspunkte dafür außer der räumlichen Nähe des Klägers zur Gruppe ersichtlich. Der Kläger selbst war der Polizei nach eigener Aussage. unbekannt. Er war klar erkennbar als Versammlungsbeobachter gekleidet und als solcher durchgehend bereits während der Versammlung präsent. Anhaltspunkte dafür, dass er diese neutrale Rolle verlassen hätte, sind nicht ersichtlich. Die reine Möglichkeit eines rechtswidrigen Handelns durch den Kläger vermochte ohne weitere Anhaltspunkte, dass es zu einem solchen Handeln tatsächlich gekommen ist oder kommen wird, nicht, präventivpolizeiliche Maßnahmen zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.07.2015 – 1 BvR 2501/13 -, juris Leitsatz 4 und .Rn. 15).
Weitere Anhaltspunkte für eine Unterstützung der Gruppe bestehen nicht. Sie waren im konkreten Fall insbesondere auch nicht von vornherein deshalb entbehrlich, weil der verantwortliche Polizeiführer entsprechende Maßnahmen ggf. auch ohne eigene Wahrnehmungen aufgrund einer summarischen Einschränkung der mitgeteilten Situation anordnen können muss. Nach Ansicht der Kammer findet dieses polizeiliche Privileg zur effektiven Gefahrenabwehr seine Grenze dort, wo offensichtlich auch Unbeteiligte von polizeilichen Maßnahmen betroffen sind, keine hinreichenden tatsächlichen Umstände für eine Störung auch durch diese vorliegen und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles die weitere Aufklärung des Sachverhaltes möglich ist. So lag der Fall hier, weil sich die Situation durch die Einkesselung wieder beruhigt hatte und statt einer kurzfristigen Reaktion auf ein dynamisches Geschehen eine Entscheidung unter geringerem Zeitdruck zu treffen war, sodass u.a. die Möglichkeit bestand, die Tatsachen weiter aufzuklären.
bbb. Auch aus der konkreten Antreffsituation des Klägers in der Einkesselung ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, um seine Eigenschaft als Störer zu begründen. Der Beklagtenvertreter hat dazu in der mündlichen Verhandlung u.a. ausgeführt, dass keine Sonderrechte für Demonstrationsbeobachter bestünden. Die Einordnung des Klägers als Störer ergebe sich schon daraus, dass er in unmittelbarer räumlicher Nähe zu Mitgliedern der zuvor vermummt rennenden Gruppe junger Kurden angetroffen worden sei, diese Nähe freiwillig gesucht und sich auch nicht von diesen Personen distanziert habe, obwohl man die Einkesselung auch von der Seite hätte beobachten können.
Nach Ansicht der Kammer ergaben sich aus diesem Verhalten keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, um bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe eine polizeirechtlich relevante Gefahr verursacht.
An der Beobachtung von und der Berichterstattung über das Verhalten der Polizei kann ein legitimes Interesse bestehen, das grundsätzlich auch Kritik an der Polizei deckt und jedenfalls über die den Demonstrationsbeobachtern unabhängig von ihrer konkreten Rolle zustehenden Grundrechte, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, verfassungsrechtlichen Schutz erfährt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.07.2015 – 1 BvR 2501/13 -, juris). Eine Grenze findet dieses Recht dort, wo die. polizeiliche Arbeit konkret behindert wird.
Hiermit stand die Anweisung der Polizeiführung an die Einsatzkräfte vor Beginn der Versammlung in Einklang, die Demonstrationsbeobachter gewähren zu lassen, solange und soweit sie die polizeiliche Tätigkeit nicht behindern. Wird die polizeiliche Tätigkeit im Folgenden durch Unbeteiligte beeinträchtigt, können gegen sie als Störer entsprechende Gefahrenabwehrmaßnahmen erlassen werden. Das Maß und der Umfang der dazu erforderlichen Tatsachen richten sich maßgeblich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles sowie dem allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsatz, wonach polizeiliche Maßnahmen umso eher rechtlich zulässig sind, von der Polizei also umso weniger tatsächliche Umstände für die Annahme einer Gefahr vor dem Anwenden von Gefahrenabwehrmaßnahmen zu ermitteln sind, je drängender die abzuwehrende Gefahr ist und je hochwertiger die geschützten Rechtsgüter sind (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 – 6 CN 8.01 -, juris Rn. 41; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.08.2010 – 1 S 2266/09 -, juris Rn. 28; Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2017, S. 215).
Gemessen daran genügt die reine Antreffsituation im vorliegenden Fall auch dann nicht als tatsächlicher Anhaltspunkt für die polizeilichen Eingriffe, wenn man in Rechnung stellt, dass der Kläger die Nähe zur polizeilichen Maßnahme selbst gesucht hatte. In tatsächlicher Hinsicht ist insoweit zu beachten, dass der Kläger nach der Überzeugung der Kammer zwar der rennenden Gruppe gefolgt ist (siehe oben), sich dann aber keineswegs „bewusst in den Kessel begab”. Vielmehr folgte er dem Geschehen, bis er sich an der Nordostseite des Königsbaus (Ecke Schlossstraße) des Umstandes bewusstwurde, dass sich „die Situation scheinbar beruhigt” hatte. Das Videomaterial zeigt insoweit zunächst eine auch für den Kläger wahrnehmbare Polizeipräsenz an der Bolzstraße. Bei der Ankunft an der Ecke Schloßstraße wurde er dann der dort wartenden Beamten gewahr (zum Vorstehenden: Video des Klägers im Verfahren 5 K 2034/20, 01. Lauf zum Königsbau, ab 02:00). Erst in dem Moment, in dem sich der Kläger umdrehte und wieder parallel zur Bolzstraße in Richtung des Nordausganges der Einkaufspassage lief, schloss sich der Kessel (Video des Klägers im Parallelverfahren 5 K 2034/20, 02.Königsbaukessel, ab 00:00).
Die vom Vertreter des Beklagten bei einer solchen Antreffsituation geforderte „Distanzierung” des Klägers lag nach den Feststellungen der Kammer vor. Soweit ihm möglich und zumutbar distanzierte sich der Kläger durchgängig von den möglichen Störern. Er befand sich nach dem Eindruck der Videobilder (Videodatei des Beklagten 00011+ Timecode ab Minute 00:25) nahezu durchgängig am Rand der eingekesselten Gruppe mit dem Rücken zum Gebäude und war nach außen durch seine Weste klar erkennbar als Demonstrationsbeobachter und damit als nicht zu einer Gruppe. gehörender Dritter gekennzeichnet. Zudem distanzierte er sich weiter dadurch von der Gruppe, dass er mehrfach darum bat, aus dem Kessel entlassen zu werden. Soweit der Beklagte darüber hinaus die Angabe der Personalien des Klägers vor der Entlassung aus dem Kessel forderte, ist diese kein Akt der Distanzierung, der vom Kläger verlangt werden konnte, sondern bereits für sich eine rechtfertigungsbedürftige polizeiliche Maßnahme.
Schließlich waren vor den polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen hier deshalb weitere Maßnahmen zur Tatsachenermittlung veranlasst, weil mit der Einkesselung ein statisches Geschehen erreicht war. Es drohten also keine unmittelbaren Gefahren mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und eine weitere Ermittlung gefahrbegründender Tatsachen war niederschwellig und mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit möglich. Das gesamte Geschehen spielte sich bei Tageslicht ab. Eingekesselt wurde eine relativ kleine Gruppe von ca. 35 Personen. Die Situation war damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der polizeilichen Maßnahme übersichtlich und beruhigt und schließlich lassen auch der Gesamteindruck des Videomaterials und das darauf ersichtliche Zahlenverhältnis von Polizeibeamten zu Eingekesselten nicht den Schluss zu, dass die Situation für die Polizei nicht unter Kontrolle gewesen wäre.
Weiter hatte ein Mitglied der Demonstrationsbeobachtung Südwest vorab jedenfalls einen Namen und eine Telefonnummer bei der Polizei hinterlegt, sodass sogar eine direkte, fernmündliche Kontaktaufnahme jederzeit möglich war. Es ist gerade das erklärte und von Rechts wegen nicht zu beanstandende Ziel von Demonstrationsbeobachtern, die Geschehnisse rund um eine Versammlung wahrzunehmen und zu dokumentieren. Dazu bedarf es einer gewissen, teilweise bewusst von den Betroffenen herzustellenden räumlichen Nähe zu den Vorgängen: Diese Nähe allein vermag es jedenfalls in der vorliegenden statischen, nicht mehr unmittelbar gefahrgeneigten Situation ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte nicht, bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe eine polizeirechtlich relevante Gefahr verursacht.
Nach alledem genügte die konkrete Antreffsituation in unmittelbarer Nähe zu einer Störergruppe hier nicht als hinreichender Anhaltspunkt für eine polizeilich abzuwehrende Gefahr, ohne dass sich dieses Ergebnis für Demonstrationsbeobachter ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände anderer Antreff- und Gefahrensituationen verallgemeinern ließe (vgl. etwa die gänzlich anderen Umstände bei der Entscheidung des VG Karlsruhe, aaO S. 3 [Dunkelheit, 570 Personen, unmittelbar drohende Gefahren für Leib und Leben durch Wurfgeschosse und Beschuss mit Pyrotechnik]).
ccc. Hinreichende Tatsachen für die Annahme einer Anscheinsstörereigenschaft ergeben sich auch nicht aus dem Verhalten des Klägers nach der Einkesselung. Soweit der Kläger nicht seine Personalien angab, um vorab aus der Umkesselung entlassen zu werden, ist die Identitätsfeststellung gerade ein hier angegriffener Hoheitsakt und damit die durch das Vorliegen sonstiger Tatsachen zu rechtfertigende staatliche Maßnahme. Das Unterlassen der freiwilligen Vornahme dieser Handlung genügt als gefahrbegründende Tatsache nicht.
Auch die nachträgliche Berichterstattung der Gruppe über den Polizeieinsatz vermag einen entsprechenden Verdacht nicht zu begründen. Dazu ist sie schon in zeitlicher Hinsicht nicht geeignet, weil ein hinreichender Verdacht im Zeitpunkt der Vornahme der. polizeilichen Maßnahme bestehen muss (s.o.). Nachträglich eingetretene Umstände können einen solchen Verdacht also erhärten, aber nicht alleine begründen. Soweit der Beklagte in dem Versammlungsbericht „eine neutrale Beobachterhaltung“ vermisst, kann dahinstehen, ob diese Einschätzung in der Sache begründet ist, weil der Bericht trotz seines insgesamt eher polizeikritischen Tons („kein Antiagressionsteam”, „Polizei schien nicht an Deeskalation interessiert“) jedenfalls von der Polizei geahndete Verstöße (Seitenbanner nicht mit ordnungsgemäßem Abstand getragen; Kopfbanner) auflistet und in indirekter Rede widergibt, dass verbotene Parolen laut Polizeiangaben „gerufen worden seien”.
Um die bestehenden Anhaltspunkte polizeirechtlich zu einem hinreichenden Anschein zu erhärten, hätte es jedenfalls auch inhaltlich anders gelagerter Aussagen i.S. einer persönlich/inhaltlichen Solidarisierung des Klägers mit den Demonstrierenden bedurft. Allein die polizeikritische Grundhaltung eines explizit und bereits im Vorfeld als solchen angekündigten Versammlungsbeobachters ist keine hinreichend tragfähige Tatsache für die Vermutung, er werde ahndungswürdige Taten dergestalt vornehmen, dass er die Demonstrationsteilnehmer dabei – unterstützt, polizeilichen Maßnahmen zu entgehen. Die reine Möglichkeit eines rechtswidrigen Handelns durch den Kläger vermag es ohne weitere Anhaltspunkte, dass es zu einem solchen Handeln tatsächlich gekommen ist oder kommen wird, nicht, die hier vorgenommene präventivpolizeiliche Maßnahme zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.07.2015 – 111/R 2501/13 juris Leitsatz 4 und Rn. 15).
ddd. In Bezug auf den aktenkundigen Platzverweis ist zwischen den Beteiligten streitig, ob ein solcher überhaupt formal erteilt wurde und ob er an den Kläger oder an einen unbekannten Dritten gerichtet wurde. Nach Ansicht der Kammer können die Tatsachen insoweit dahinstehen, weil sie nicht entscheidungserheblich waren.
Die Kammer merkt insoweit an, dass unabhängig davon, ob der fragliche Platzverweis einem Demonstrationsbeobachter der „Demobeobachtung Südwest” oder einem von den Beamten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als „Demobeobachter” identifizierten Dritten erteilt wurde, derjenige das „Irreführungsrisiko” trägt, der sich als Demonstrationsbeobachter in die Nähe einer polizeilich abzuwehrenden Gefahr begibt. Gemeint ist das Risiko, ex post fälschlich für einen Störer gehalten worden zu sein, obwohl die polizeiliche Einschätzung ex ante rechtlich nicht zu beanstanden ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.01.2015 -1 S 1225/14 -, unveröffentlicht S. 8).
Zwar ist eine Person nur dann polizeirechtlich verantwortlich, wenn sie selbst zumindest Anscheinsstörer ist, also von ihr selbst zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür ausgehen, dass sie eine polizeirechtlich relevante Gefahr verursacht habe (s.o.). Allerdings können sich solche Anhaltspunkte auch aus Handlungen Dritter ergeben, wenn die Handlungen die Störereigenschaft des Handelnden zu begründen vermögen und entweder eine klare personale Zuordnung der Handlung zum Handelnden nicht möglich ist und der Betroffene hinreichend sicher als Störer in Betracht kommt oder von einer derartigen Nähebeziehung des Betroffenen zum Dritten oder der Gefahr auszugehen ist, dass aus den Störungen des Dritten auf Gefahren geschlossen werden kann, die durch den Betroffenen drohen. Auch das Risiko eines Irrtums insoweit trägt jedenfalls derjenige, der sich bewusst in die Nähe einer polizeirechtlich relevanten Gefahr begibt. Das Irreführungsrisiko umfasst also nicht nur die fälschliche Zuordnung eines Beobachters zur Gruppe der Störer, sondern auch die fälschliche Zuordnung tatsächlicher, weil von Dritten veranlasster, Anhaltspunkte für die Störung, soweit die polizeiliche ex ante Prognose rechtlich nicht aus sonstigen Gründen zu beanstanden ist.
Unabhängig davon, ob der Platzverweis dem Kläger oder eine Dritten erteilt worden ist, vermochte der Platzverweis nicht, den Kläger zum Störer in Bezug auf die mit den hier streitigen Maßnahmen abgewehrten Gefahren zu machen. Eine polizeiliche Maßnahme ist nicht bereits dann rechtmäßig, wenn sie sich gegen einen Störer wendet und eine nach den konkreten Maßstäben des Polizeigesetzes erforderliche Gefahr vorliegt, sondern erst dann, wenn gerade diese Gefahr zumindest auch durch diesen Störer zu verwirklicht werden droht, wenn also der Inanspruchgenommene auch Störer in Bezug auf die konkret abzuwendende Gefahr war. Dazu ist es erforderlich, dass von dem Störer nach den vorgenannten Maßstäben über die Anscheinsstörerstellung zumindest hinreichend wahrscheinlich nicht nur Gefahren in Bezug auf irgendein Schutzgut ausgehen, sondern gerade in Bezug auf das Schutzgut der konkreten polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahme. Daran fehlt es hier.
Wird die effektive Gefahrenabwehr durch Unbeteiligte behindert, stören diese die Polizeiarbeit und können insoweit Adressaten polizeilicher Maßnahmen sein. Dabei bezieht sich die Störung allerdings im Ausgangspunkt nur auf die polizeiliche Tätigkeit. Sie kann dementsprechend mit polizeilichen Maßnahmen abgewehrt werden, die auf den Schutz der Effektivität der Polizeiarbeit gerichtet sind, etwa mit einem Platzverweis, wie hier ausgesprochen.
Während der Platzverweis also die ungestörte Durchführung der Personenkontrollen im Anschluss an die Demonstration sicherstellen sollte und damit der Sicherung der Effektivität der Polizeiarbeit diente, hatten die hier streitgegenständlichen Maßnahmen (Feststellung der Personalien, Durchsuchung von Person und Rucksack, Anfertigung von Bildmaterial) die Abwehr von Gefahren für die Gesundheit und das Eigentum der Passanten in der Königsbaupassage zum Gegenstand. Das sind zwei verschiedene Schutzgüter. Zwischen ihnen und den zur Gefahrenabwehr getroffenen Maßnahmen besteht auch kein Zusammenhang solcher Art und Güte, dass mit der Störung der Polizeiarbeit im Anschluss an die Demonstration auch die Störereigenschaft in Bezug auf die Maßnahmen nach der Einkesselung begründet worden wäre. Aus einer Behinderung der polizeilichen Arbeit kann nicht automatisch geschlossen werden, dass die betroffene Person auch (Anscheins-) Störer im Zusammenhang mit der eigentlich von der Polizei bekämpften Gefahr ist. Dazu bedarf es vielmehr weiterer Anhaltspunkte, die hier im maßgeblichen Zeitpunkt — der Einkesselung des Klägers und seinem Verlangen, den Kessel ohne Angabe seiner Personalien zu verlassen — nicht vorlagen.
Das folgt schon daraus, dass unter den möglichen Motiven für den Platzverweis keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür waren, dass der Betroffene vermummt mit einer größeren Gruppe durch den Königsbau laufen werde. Das Schutzgut des möglichen Platzverweises war gerade nicht die Gesundheit und das Eigentum der Passanten im Einkaufszentrum, sondern das ordnungsgemäße Funktionieren der Polizeiarbeit. Weiter war die durch den Platzverweis abgewehrte Behinderung der Polizeiarbeit selbst nach den Darlegungen des Beklagten nicht solcher Art und Güte, dass daraus – auch unter Berücksichtigung des der Polizei, in einer solchen Situation notwendig zukommenden Einschätzungsspielraumes — auf eine weitere Gefährdung von Rechtsgütern Dritter durch den Adressaten des Platzverweises hätte geschlossen werden können. Das folgt schon daraus, dass sich die Beamten des Beklagten weder gehalten sahen, die Personalien des dortigen Störers aufzunehmen, noch dazu, die näheren Umstände des Platzverweises im Einsatzbericht zu dokumentieren, ohne dass vorgetragen oder sonst ersichtlich wäre, dass und warum dies in der konkreten Situation des Platzverweises unmöglich gewesen wäre. Vielmehr ließen sich die näheren Umstände des Platzverweises selbst im gerichtlichen Verfahren nur annäherungsweise feststellen.
eee. Auch aus einer Gesamtschau der vorgenannten Umstände ergeben sich keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, um den Kläger als Anscheinsstörer anzusehen. Nach dem Vorgenannten beruhten weder der Platzverweis gegen einen Demobeobachter noch der Verdacht der Unterstützung der Mitglieder der Störergruppe auf tatsächlichen Anhaltspunkten, die eine Gefahr für die Rechtsgüter der Passanten im und um den Königsbau durch den Kläger nahegelegt hätten. Dementsprechend vermochten sie nicht, die Antreffsituation als somit verbleibenden tatsächlichen Anhaltspunkt derart zu unterstreichen, dass zwar nicht aus dem Aufenthalt des Klägers im Kessel allein, dafür aber, aus einer Zusammenschau mit diesen weiteren Umständen rechtlich zulässig auf eine Störung durch den Kläger geschlossen werden konnte.
Für eine Störereigenschaft des Klägers nach §§ 7, 9 PolG a.F. bestanden hier keine Anhaltspunkte.
c. Auch die Durchsuchung des Klägers erfolgte rechtswidrig. Gemäß § 29 Abs. 1 PoIG a.F. kann die Polizei eine Person u.a. durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfen (Nr. 2). Daran fehlt es hier. Dass der Kläger selbst ursprünglich solche Sachen bei sich geführt. hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch für eine Übernahme solcher Gegenstände von den Teilnehmern der vorangegangenen Versammlung fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten, weil der Kläger sich, vorab angekündigt, soweit es hier feststellbar ist, zu jedem Zeitpunkt vor, während und nach der Versammlung neutral verhalten hat und auch hinreichende Anhaltspunkte für seine Solidarisierung mit den Teilnehmern der Versammlung zum maßgeblichen Zeitpunkt der polizeilichen Maßnahme fehlten (s.o.).
d. Auch die Durchsuchung des Rucksacks des Klägers erfolgte rechtswidrig. Gemäß § 30 PoIG a.F. kann die Polizei eine Sache u.a. durchsuchen, wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die gemäß § 29 Abs. 1 oder 2 PolG a.F. durchsucht werden darf (Nr. 1) oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine andere Sache befindet, die sichergestellt werden darf (Nr. 3). Wie bereits dargelegt, war die Durchsuchung des Klägers in Ermangelung einer polizeirechtlich hinreichenden Gefahr rechtswidrig (vgl. oben III. 3. c.), sodass darauf gestützt auch keine Durchsuchung seines Rucksacks erfolgen durfte, § 30 Nr. 1 PolG a.F. Auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich in dem Rucksack des Klägers Sachen befanden, die sichergestellt hätten werden dürfen, fehlten.
e. Auch das Anfertigen von Datenmaterial vom Kläger — konkret der Filmaufnahmen von ihm und seinem Ausweis nach der Einkesselung — erfolgte rechtswidrig. Die Kammer weist insoweit darauf hin, dass sich dieses Verdikt nur auf die vorgenannten Aufnahmen und nicht auch auf jene des Versammlungszuges bezieht. Letztere sind bereits nicht streitgegenständlich.
aa. Gemäß § 36 PolG a.F. kann der Polizeivollzugsdienst erkennungsdienstliche Maßnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen nur vornehmen, wenn eine nach § 26 .a.F. zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht zuverlässig durchgeführt werden kann (Abs. 1 Nr. 1) oder die erkennungsdienstliche Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich sind, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben und die Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigen, dass er zukünftig eine Straftat begehen wird (Abs. 1 Nr. 2). Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind dabei insbesondere die Aufnahme von Lichtbildern einschließlich Bildaufzeichnungen (Abs. 2 Nr. 2).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Feststellung der Identität des Klägers gemäß § 26 PolG a.F. war bereits unzulässig (s.o.). Dass sie nicht auf andere Weise zuverlässig hätte durchgeführt werden können, ist nicht ersichtlich. Hinreichende Tatsachen für den Verdacht der Begehung einer Straftat durch den Kläger bestanden nicht.
bb. Gemäß § 21 PolG a.F. kann der Polizeivollzugsdienst bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen -und Ansammlungen, die ein besonderes Gefährdungsrisiko aufweisen, Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen zur Erkennung und Abwehr von Gefahren anfertigen (Abs. ,1 Satz 1). Veranstaltungen und Ansammlungen weisen ein besonderes Gefährdungsrisiko auf, wenn auf Grund einer aktuellen Gefährdungsanalyse anzunehmen ist, dass Veranstaltungen und Ansammlungen vergleichbarer Art und Größe von terroristischen Anschlägen bedroht sind (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) oder auf Grund der Art und Größe der Veranstaltungen und Ansammlungen erfahrungsgemäß erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen können (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2).
§ PolG a.F. ist hier, schon tatbestandlich nicht anwendbar. Sinn und Zweck der Norm ist die das überblicksartige filmische Festhalten des Ver- oder Ansammlungsgeschehens (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 20.02.2012 – 5 K 89/12 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 20.10.2020 – 14 K 7613/18 -, juris), nicht die Videographie einzelner, vom Gesamtgeschehen separierter Personen zur Feststellung’ ihrer Personalien. Diese wird vom vorgenannten § 36 PolG a.F. abgedeckt.
Überdies könnte der Anknüpfungspunkt für die nach § 21 a.F. PoIG tatbestandlich erforderliche „Veranstaltung oder Ansammlung” hier nur noch die Ansammlung der rennenden Vermummten sein. Diese hatte sich selbst nach den Feststellungen der Polizei aber bereits zerstreut (s.o.). Im Übrigen gehörte der Kläger dieser Ansammlung auch nicht einmal dem Anschein nach an «(s.o.). Auch die vorangegangene Demonstration kommt insoweit als Anknüpfungspunkt der polizeilichen Maßnahme nicht mehr in Betracht. Sie war zum Zeitpunkt der Datenerhebung seit gut einer halben Stunde beendet. Schließlich hat der Beklagte auch nicht vorgetragen, dass und warum es sich bei dem Demonstrationszug oder der späteren Spontanansammlung um eine Veranstaltung nach § 21 Abs..1 Satz 2 PolG a.F. dergestalt gehandelt hätte, dass auf Grund einer aktuellen Gefährdungsanalyse anzunehmen gewesen wäre, dass Veranstaltungen und Ansammlungen vergleichbarer Art und Größe von terroristischen Anschlägen bedroht sind oder auf Grund der Art und Größe der Veranstaltung oder der Ansammlung erfahrungsgemäß erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen können.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.