Fretterode-Prozess: Sachverständiger des Thüringer LKA bestätigt Authentizität der Beweisfotos – Nebenklage bringt Beweisantrag zu “Arischer Bruderschaft” ein.

Ein Sachverständiger des Thüringer Landeskriminalamtes (LKA) hat am heutigen 21. Verhandlungstag des sog. Fretterode-Prozesses vor dem Landgericht Mühlhausen (Az.: 3 KLs 101 Js 47753/18 jug) die Authentizität der Fotos bestätigt, die von den betroffenen Journalisten an die Polizei übergeben worden war. Hiernach sind die Fotos von einer spezifischen Spiegelreflexkamera mit Teleobjektiv in hoher Auflösung angefertigt worden. Die zeitliche Abfolge der Fotos ist nach den Erkenntnissen des LKA konsistent und die Bilddateien wurden mittels einer forensischen Software auf Manipulationen überprüft. Hierbei hat es keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Bilddateien vor der Übergabe an die Polizei verändert worden sind. Die beiden angeklagten Neonazis, die angeblich in Notwehr gehandelt haben wollen, haben zu Beginn des Prozesses u.a. behauptet, sie seien nicht von einer Spiegelreflexkamera, sondern einen sog. GoPro-Kamera fotografiert worden. Zudem seien die Fotos angeblich zeitlich manipuliert worden, wie ein vermeintlicher Entlastungszeuge aus dem Umfeld der Neonazis im Zuge des Verfahrens glauben machen wollte. “Die Einlassung der angeklagten Neonazis und die Aussagen ihrer vermeintlichen Entlastungszeugen wurden bereits in mehrerlei Hinsicht während der Beweisaufnahme widerlegt. Heute wurde nun auch endgültig mit der absurden und die beiden betroffenen Journalisten verhöhnenden Schutzbehauptung aufgeräumt, die Fotos seien manipuliert an die Ermittlungsbehörden übergeben worden.”  stellt RA Sven Adam fest, der einen der beiden betroffenen Journalisten in der Nebenklage vertritt. 

Die Nebenklage stellte am gestrigen 20. Verhandlungstag zudem einen Beweisantrag zum Hintergrund eines Logos mit zwei gekreutzen Stiehlhandgranaten, welches bei einem der Täter während des Angriffs auf einem zur Vermummung genutzten Tuch zu sehen ist. Es handelt sich dabei um das Logo der sog. “Arischen Bruderschaft”, in deren Umfeld sich die Angeklagten bewegen. Ein nahezu identisches Logo wird einer als “Sonderkommando Dirlewanger” bekannt gewordenen SS-Einheit zugeschrieben, welche während des Nationalsozialismus an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen ist und überwiegend unbewaffnete Zivilistinnen und Zivilisten systematisch ermordet hat.  Nach dem Willen der Nebenklage soll die bekannte Fachjournalistin und Expertin für den Bereich Rechtsextremismus, Frau Andrea Röpke, als Sachverständige zum Hintergrund des Logos, der politischen Ziele der “Arischen Bruderschaft” und der Verbindungen der Angeklagten zu dieser Organisation berichten. “Wir werden beweisen, dass die Angeklagten in ein rechtsextremes und militantes Kameradschaftsnetzwerk eingebunden sind. Das diesem Netzwerk zu Grunde liegende Gedankengut nebst Ablehnung freier Presse und nicht etwa die behauptete Notwehr war der Grund für den brutalen Angriff auf die beiden Nebenkläger.” lässt sich Rechtsanwalt Kahlen, der ebenfalls einen Betroffenen des Überfalls vertritt, zitieren. Zu dem Beweisantrag werden Staatsanwaltschaft und Verteidigung am 24.03.2022 Stellung nehmen. 

Für Rückfragen stehen die Vertreter der Nebenklage, RA Sven Adam und RA Rasmus Kahlen, unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.

Hintergrund: 

Ein Fotograf und sein Begleiter aus Göttingen befanden sich aus Recherchegründen in Fretterode und wurden von Personen des rechten Spektrums entdeckt. Als sie sich mit ihrem Auto zurückziehen wollten kam es zu einer Verfolgungsjagd mit einem schwarzen BMW durch Fretterode und Germeshausen, die in Hohengandern endete. Nachdem das Fahrzeug in einem Graben zum Stehen kam griffen die beiden Personen des rechten Spektrums zunächst das Auto und anschließend die Insassen mit einem Baseballschläger, einem Messer, einem ca. 40-50 cm großen Schraubenschlüssel und Pfefferspray an. Der Fotograf erlitt u.a. eine Stichverletzung mit einem Messer im Oberschenkel, seinem Begleiter wurde u.a. mit dem schweren Schraubenschlüssel auf den Kopf geschlagen und er erlitt eine Fraktur des frontalen Schädelknochens und eine Kopfplatzwunde. Die Scheiben des Fahrzeuges wurden zerstört, die hinteren Reifen wurden zerstochen und dem Fotografen wurde seine Kamera sowie Kameratasche geraubt. Im Anschluss zogen sich die Täter in dem schwarzen BMW wieder zurück. Durch Anwohner konnte auf Bitten der erheblich blutenden Angegriffenen der Rettungsdienst und die Polizei verständigt werden.

Der Fotograf konnte noch aus dem eigenen Fahrzeug Fotos von einem der Täter anfertigen. Die SD-Karte mit diesen Fotos kam nicht in den Besitz der Neonazis und ist den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt worden.