Freispruch im Verfahren wegen Verdachts der üblen Nachrede nach kritischer Berichterstattung über Tod von Matiullah Jabarkhel

Nach den tödlichen Schüssen durch einen Polizeibeamten auf Matiullah Jabarkhel in Fulda am 13.04.2018 und die insoweit eingestellten Ermittlungen gegen den Beamten hatte das Amtsgericht (AG) Fulda am gestrigen 22.08.2022 über ein Folgeverfahren zu verhandeln (Az.: 22 Ds – 110 Js 13534/19 u.a.). Angeklagt waren zwei Journalist*innen und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Fulda, die einen kritischen Bericht über die Ermittlungen und Fragen des Tathergangs in einer Online-Zeitung publiziert bzw. diesen Artikel beworben hatten. Den Angeklagten wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, eine üble Nachrede begangen zu haben, in dem sie in einem Bericht formulierten, Matiullah Jabarkhel sei mit zwölf Schüssen aus einer Polizeiwaffe getötet worden. Ein rechtsmedizinisches Gutachten hatte festgestellt, dass von den auf Matiullah Jabarkhel abgegebenen Schüssen vier den Körper getroffen haben und zwei tödlich gewesen seien. 

Das Verfahren endete auch auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit einem Freispruch, nachdem die Verteidigung sowohl ein semantisches Sachverständigengutachten als auch die Vernehmung des die Schüsse abgebenden Polizeibeamten beantragt hatte. Das Amtsgericht stellte in der mündlichen Urteilsbegründung in Einklang mit allen Beteiligten fest, dass auch eine unscharfe Formulierung von der Meinungs- und Pressefreiheit geschützt ist und die sachliche weitere Auseinandersetzung in dem Artikel mitberücksichtigt werden muss. 

Ein Strafverfahren stellt immer eine Belastung für die Betroffenen dar. Dass dieses Verfahren über Jahre betrieben wurde und erstmals in der mündlichen Hauptverhandlung durch die Staatsanwaltschaft derart bedeutende Grundrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit in den Blick genommen werden ist eine Zumutung“ ärgert sich der Göttinger Verteidiger Sven Adam, der einen der Angeklagten vertritt, über das Strafverfahren. „Die Polizei war proaktiv auf der Suche, um polizeikritische Berichterstattung zu finden, Urheber zu identifizieren und sie mit Strafanzeigen einzuschüchtern. Ein Angriff auf die Pressefreiheit.“ formulierte der Marburger Verteidiger Dr. Jannick Rienhoff im Plädoyer vor der Urteilsverkündung. „Der Freispruch ist die einzig richtige Entscheidung. Die grundsätzliche Frage, wie es dazu kommen konnte, dass eine solche Anklage überhaupt erhoben und zugelassen wurde, wird dadurch aber nicht beantwortet.“ ergänzt der Göttinger Verteidiger Nils Spörkel. 

Einer der Angeklagten, der Journalist und Politikwissenschaftler Darius Reinhardt, stellt fest: „Statt einer notwendigen Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus und das erforderliche Gedenken an Matiullah Jabarkhel zu fördern sollte hier kritische Berichterstattung offensichtlich verhindert und strafrechtlich verfolgt werden. Der Freispruch freut mich – löst aber das Problem nicht.

Für Rückfragen stehen die Verteidiger Sven Adam, Nils Spörkel und Dr. Jannick Rienhoff unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.


ra sven adam

kontakt@anwaltskanzlei-adam.de
https://www.anwaltskanzlei-adam.de

ra nils spörkel

mail@rechtsanwalt-spoerkel.de
https://www.rechtsanwalt-spoerkel.de

ra dr. jannik rienhoff

rienhoff@stein-schmeltzer-rienhoff.de
https://www.stein-schmeltzer-rienhoff.de