Nach Freispruch im Verfahren wegen Verdachts der üblen Nachrede nach kritischer Berichterstattung über Tod von Matiullah Jabarkhel – Staatsanwaltschaft legt Rechtsmittel ein.

Nach den tödlichen Schüssen durch einen Polizeibeamten auf Matiullah Jabarkhel in Fulda am 13.04.2018 und die insoweit eingestellten Ermittlungen gegen den Beamten hatte das Amtsgericht (AG) Fulda am 22.08.2022 über ein Folgeverfahren zu verhandeln (Az.: 22 Ds – 110 Js 13534/19 u.a.). Das Gericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der üblen Nachrede zu Lasten eines Polizeibeamten freigesprochen (vgl. Pressemitteilung vom 23.08.2022).

Nun übermittelte das Amtsgericht Fulda den Angeklagten die Mitteilung, dass die Staatsanwaltschaft ein bislang unbegründetes Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hat.

Nach § 147 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) soll die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel nur einlegen, wenn wesentliche Belange der Allgemeinheit oder der am Verfahren beteiligten Personen es gebieten und wenn das Rechtsmittel aussichtsreich ist. Selbst der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte nach rechtlichen Erörterungen hinsichtlich der Bedeutung der Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit in der Hauptverhandlung vom 22.08.2022 den Freispruch der Angeklagten gefordert.

Der Verfolgungswille von bestimmten Oberstaatsanwälten in der Staatsanwaltschaft Fulda in Fällen kritischer Berichterstattung über die Umstände des Todes von Matiullah Jabarkhel ist mit dem Handeln einer an Recht und Gesetz gebundenen Behörde nicht mehr erklärbar. Der Freispruch war rechtlich konsequent und alternativlos und wurde durch den Vertreter der Staatsanwaltschaft selbst beantragt.“ ärgert sich der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der einen der Angeklagten verteidigt, über das Rechtsmittel.

“Die Anklage hätte schon nie erhoben werden dürfen. Das nun erhobene Rechtsmittel ist grotesk. Die Staatsanwaltschaft bleibt sich in ihrer grundrechtsfeindlichen Auffassung aber zumindest selbst treu.” fügt der Göttinger Rechtsanwalt Nils Spörkel an.

Nachdem sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig waren, dass diese Berichterstattung offensichtlich nicht strafbar ist, hat sich nun eine neue Staatsanwältin gefunden, die das Verfahren weiter betreiben will. Das schriftliche Urteil wird jedoch eindeutig ausfallen. Es wäre eine Farce wenn die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel nicht zurücknehmen würde.“ wundert sich Rechtsanwalt Dr. Jannik Rienhoff.

Der Journalist und Politikwissenschaftler Darius Reinhardt, einer der Angeklagten, betont „Offensichtlich ist der politische Verfolgungswille der Behörden in Fulda so groß, dass entgegen ihres eigenen Plädoyers in der Hauptverhandlung nun weiter gegen uns vorgehen will. Mir scheint hier soll ein politischer Prozess unsere Kritik an dem Polizeieinsatz verhindern, der zu Matiullahs Tod führte.“. Auch die Journalistin Leila Robel, ebenfalls angeklagt, ist entsetzt: “Es ist abstrus wie die Staatsanwaltschaft das Recht derart instrumentalisiert, um das polizeiliche Interesse an einem Verstummen aller Kritik am tödlichen Polizeieinsatz durchzusetzen.“

Die Verteidiger und Angeklagten sind sich einig, dass sich die Justiz und Öffentlichkeit lieber dem eigentlichen Fall – den Umständen des Todes von Matiullah Jabarkhel – annehmen sollten, anstatt gegen kritische Berichterstattung vorzugehen.

Hintergrund:

Angeklagt waren zwei Journalist*innen und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Fulda, die einen kritischen Bericht über die Ermittlungen und Fragen des Tathergangs in einer Online-Zeitung publiziert bzw. diesen Artikel beworben hatten. Den Angeklagten wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, eine üble Nachrede begangen zu haben, in dem sie in einem Bericht formulierten, Matiullah Jabarkhel sei mit zwölf Schüssen aus einer Polizeiwaffe getötet worden. Ein rechtsmedizinisches Gutachten hatte festgestellt, dass von den auf Matiullah Jabarkhel abgegebenen Schüssen vier den Körper getroffen haben und zwei tödlich gewesen seien. Die Fuldaer Polizei hatte eigenständig das Internet nach kritischer Berichterstattung durchsucht und von sich aus Ermittlungsverfahren eingeleitet und später an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

Das Verfahren endete auch auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit einem Freispruch, nachdem die Verteidigung sowohl ein semantisches Sachverständigengutachten als auch die Vernehmung des die Schüsse abgebenden Polizeibeamten beantragt hatte. Das Amtsgericht stellte in der mündlichen Urteilsbegründung in Einklang mit allen Beteiligten fest, dass auch eine unscharfe Formulierung von der Meinungs- und Pressefreiheit geschützt ist und die sachliche weitere Auseinandersetzung in dem Artikel mitberücksichtigt werden muss. 

Für Rückfragen stehen die Verteidiger Sven Adam, Nils Spörkel und Dr. Jannik Rienhoff unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.


ra sven adam

kontakt@anwaltskanzlei-adam.de
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ra nils spörkel

mail@rechtsanwalt-spoerkel.de
https://www.rechtsanwalt-spoerkel.de

ra dr. jannik rienhoff

rienhoff@stein-schmeltzer-rienhoff.de
https://www.stein-schmeltzer-rienhoff.de