Verwaltungsgericht Kassel – Urteil vom 14.07.2022 – Az.: 3 K 1606/19.KS

URTEIL

In dem Verwaltungsstreitverfahren

des Herrn xxx,

Kläger,

bevollmächtigt:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

die Stadt Kassel, vertreten durch den Magistrat,
Rathaus, 34117 Kassel,

Beklagte,

wegen Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz

hat das Verwaltungsgericht Kassel – 3. Kammer – durch
Richter xxx als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2022 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.05.2019 verpflichtet, dem Kläger die folgenden Fragen zu beantworten:

  1. Welche konkreten Maßnahmen wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2017 aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze des Magistrats nicht umgesetzt bzw. welche konkreten finanziellen Anforderungen der Ämter wurden aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze zurückgewiesen?
  2. Wie viel Zeit lag zwischen dem Mittelabruf durch das jeweilige Amt und einer ablehnenden Entscheidung?
  3. Welche Erkenntnisse und Entwicklungen, die erst nach der Beschlussfassung der Haushaltspläne 2015, 2016, 2017 bekannt geworden sind, haben jeweils zur Anwendung von Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätzen geführt?
  4. Auf welcher/welchen Sitzung/en hat der Magistrat über Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze für die Jahre 2015, 2016 und 2017 entschieden?
  5. Was ist der Inhalt der Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze für die Jahre 2015, 2016 und 2017?

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

TATBESTAND

Der Kläger, der von März 2006 bis Dezember 2013 sowie von März 2021 bis April 2021 Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten war, begehrt Auskünfte nach dem Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG).

Mit E-Mail vom 10.12.2018 beantragte der Kläger die Übermittlung von Informationen auf Grundlage der Satzung zur Regelung des Zugangs zu amtlichen Informationen aus dem eigenen Wirkungskreis der Stadt Kassel vom 29.10.2018

(Informationsfreiheitssatzung) zur Anwendung der Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze der Stadt Kassel gemäß § 107 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). In diesem Zusammenhang formulierte er folgende Fragen:

  1. Welche konkreten Maßnahmen wurden im Jahr 2015 aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze des Magistrats nicht umgesetzt bzw. welche konkreten finanziellen Anforderungen der Ämter wurden aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze zurückgewiesen? (Bitte Aufstellung nach Amt, Maßnahme/Projekt und Volumen)
  2. Welche konkreten Maßnahmen wurden im Jahr 2016 aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze des Magistrats nicht umgesetzt bzw. welche konkreten finanziellen Anforderungen der Ämter wurden aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze zurückgewiesen? (Bitte Aufstellung nach Amt, Maßnahme/Projekt und Volumen)
  3. Welche konkreten Maßnahmen wurden im Jahr 2017 aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze des Magistrats nicht umgesetzt bzw. welche konkreten finanziellen Anforderungen der Ämter wurden aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze zurückgewiesen? (Bitte Aufstellung nach Amt, Maßnahme/Projekt und Volumen)
  4. Wie viel Zeit lag zwischen dem Mittelabruf durch das jeweilige Amt und einer ablehnenden Entscheidung (Durchschnitt/Minimum/Maximum)?
  5. Welche Erkenntnisse und Entwicklungen, die erst nach der Beschlussfassung des Haushaltsplanes 2015 bekannt geworden sind, haben zur Anwendung von Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätzen geführt?
  6. Welche Erkenntnisse und Entwicklungen, die erst nach der Beschlussfassung des Haushaltsplanes 2016 bekannt geworden sind, haben zur Anwendung von Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätzen geführt?
  7. Welche Erkenntnisse und Entwicklungen, die erst nach der Beschlussfassung des Haushaltsplanes 2017 bekannt geworden sind, haben zur Anwendung von Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätzen geführt?
  8. Auf welcher/welchen Sitzung/en hat der Magistrat über Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze für das Jahr 2015 entschieden?
  9. Auf welcher/welchen Sitzung/en hat der Magistrat über Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze für das Jahr 2016 entschieden?
  10. Auf welcher/welchen Sitzung/en hat der Magistrat über Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze für das Jahr 2017 entschieden?
  11. Inhalt der Haushalsbewirtschaftungsgrundsätze für das Jahr 2015.
  12. Inhalt der Haushalsbewirtschaftungsgrundsätze für das Jahr 2016.
  13. Inhalt der Haushalsbewirtschaftungsgrundsätze für das Jahr 2017.

Nach Aufforderung durch den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (Bl. 79 d. BeiA) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.05.2019 den Antrag auf Informationszugang ab. Zur Begründung verwies sie hinsichtlich der Fragen 1 bis 3 auf § 85 Abs. 2 HDSIG. Demnach beziehe sich der Auskunftsantrag auf allgemeines Behördenhandeln und auf Informationen, die in der gewünschten Form nicht vorlägen. Die Informationen müssten bei allen Ämtern der Stadt angefragt und aus einer Vielzahl von Aktenvorgängen zusammengetragen werden. Dies stelle einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand dar. Gleiches gelte für die Frage 4, da eine solche Aufstellung bei der Beklagten nicht vorliege und angefertigt werden müsse. Hinsichtlich der Fragen 5 bis 13 könne keine Auskunft erteilt werden, da die Anwendung des HDSIG durch die Spezialvorschrift des § 50 Abs. 2 HGO ausgeschlossen sei. Die Informationsfreiheitssatzung könne keine weitergehenden Rechte begründen, als jene die den Stadtverordneten aus der HGO zukämen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 11 ff. d. A. verwiesen.

Gegen den Bescheid vom 17.05.2019 hat der Kläger am 19.06.2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass der Magistrat bereits im Jahre 2012 im Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Grundsatzfragen mitgeteilt habe, dass er über die Umsetzung der Bewirtschaftungsgrundsätze rund 2 Millionen Euro jährlich aus dem beschlossenen Haushalt kürze. Daher müsse eine Erfassung der begehrten Informationen vorliegen. Auch widerspreche es der Lebenserfahrung, dass die Wirksamkeit der erlassenen Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze nicht überwacht und dokumentiert werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 1 f. d. A. verwiesen.

Der Kläger beantragt,
Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.05.2019 zu verpflichten, ihm die folgenden Fragen zu beantworten:

  1. Welche konkreten Maßnahmen wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2017 aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze des Magistrats nicht umgesetzt bzw. welche konkreten finanziellen Anforderungen der Ämter wurden aufgrund der Bewirtschaftungsgrundsätze zurückgewiesen?
  2. Wie viel Zeit lag zwischen dem Mittelabruf durch das jeweilige Amt und einer ablehnenden Entscheidung?
  3. Welche Erkenntnisse und Entwicklungen, die erst nach der Beschlussfassung der Haushaltspläne 2015, 2016, 2017 bekannt geworden sind, haben jeweils zur Anwendung von Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätzen geführt?
  4. Auf welcher/welchen Sitzung/en hat der Magistrat über Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze für die Jahre 2015, 2016 und 2017 entschieden?
  5. Was ist der Inhalt der Haushaltsbewirtschaftungsgrundsätze für die Jahre 2015, 2016 und 2017?

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen den Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Sie führt ergänzend aus, dass durch die speziellere Reglung des § 50 Abs. 2 HGO ein Informationsanspruch des Klägers aufgrund von § 80 Abs. 2 HDSIG ausgeschlossen sei. Ausschließlich den Gemeindevertretern komme ein Kontrollrecht gegenüber dem Gemeindevorstand und in diesem Zusammenhang auch ein Fragerecht zu. Weiterhin seien die Niederschriften der Sitzungen des Gemeindevorstandes vertraulich zu behandeln.

Mit Beschluss vom 13.06.2022 (Bl. 20 d. A.) hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2022. Die genannten Akten sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage, über die der Einzelrichter nach Übertragung durch die Kammer zur Entscheidung berufen ist (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung <VwGO>), ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung der begehrten und im Antrag bezeichneten Auskünfte nach § 80 Abs. 1 Satz 1 HDSIG, sodass er durch die Ablehnung seines Begehrens mit Bescheid vom 17.05.2019 in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1, 5 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte ist vom Anwendungsbereich des HDSIG erfasst, da diese mittels Satzung den vierten Teil des HDSIG für sich für anwendbar erklärt hat (§ 81 Abs. 1 Nr. 7 HDSIG i. V. m. § 1 der Satzung zur Regelung des Zugangs zu amtlichen Informationen aus dem eigenen Wirkungskreis der Stadt Kassel <Informationsfreiheitssatzung>, Bl. 7 d. BeiA).

Ein Informationsanspruch aus § 80 Abs. 1 Satz 1 HDSIG des Klägers ist nicht bereits aufgrund von § 80 Abs. 2 HDSIG i. V. m. § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO ausgeschlossen.

Nach § 80 Abs. 2 HDSIG ist der Vierte Teil des HDSIG nicht anwendbar, soweit besondere Rechtsvorschriften die Auskunftserteilung regeln. Nach § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO kann die Gemeindevertretung durch einen Ausschuss zur Überwachung der Verwaltung der Gemeinde Akteneinsicht in bestimmte Angelegenheiten des Gemeindevorstands nehmen.

Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drucks. 19/5728, S. 149) enthält § 80 Abs. 2 HDSIG eine eigenständige Regelung zum Konkurrenzverhältnis zwischen dem allgemeinen Auskunftsrecht nach § 80 Abs. 1 HDSIG und anderen bereichsspezifischen Informationszugangsrechten.

Demnach verdrängen bereichsspezifische Regelungen das allgemeine Auskunftsrecht, soweit sie eigenständige Voraussetzungen für die Gewährung, Art und Weise oder den Umfang einer Auskunfts- oder sonstigen Form der Informationsgewährung enthalten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass besondere Verfahrens- und Kostenregelungen nicht umgangen werden (BeckOK InfoMedienR/Gounalakis, 36. Ed. 1.2.2021, HDSIG § 80 Rn. 20).

Erforderlich ist hierbei schon nach dem Sinn und Zweck des § 80 Abs. 2 HDSIG, dass der beantragenden Person überhaupt ein spezieller Informationsanspruch zukommt. Nur in diesem Fall kommt es zu einem zu lösenden Konkurrenzverhältnis mit der Gefahr einer Umgehung von Sondervorschriften. Kommt der eine Information beantragenden Person bereits nur der Anspruch aus § 80 Abs. 1 HDSIG zu, scheidet bereits deshalb eine Anwendung des § 80 Abs. 2 HGO mangels bestehender und zu lösender Konkurrenz von Informationsansprüchen aus.

Vorliegend war der Kläger weder in den Kalenderjahren, auf die sich sein Informationsanspruch bezieht, noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, Mitglied der Gemeindevertretung der Beklagten. Ein Anspruch aus § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO stand ihm mithin nicht zu. Bereits deshalb ist er nicht durch § 80 Abs. 2 HDSIG i. V. m. § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO an der Geltendmachung eines Anspruchs aus § 80 Abs. 1 HGO gehindert.

Daneben entfaltet § 80 Abs. 2 HDSIG i. V. m. § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO auch keine allgemeine Sperrwirkung, die auch unabhängig von einer individuellen Betroffenheit einen Informationsanspruch ausschließt.

Eine solche Auslegung widerspräche dem Sinn und Zweck des HDSIG. Nach der Gesetzesbegründung soll wie oben dargestellt lediglich eine Umgehung von Sondervorschriften vermieden werden und nicht hingegen das Jedermannsrecht auf Erlangung von Informationen durch § 80 Abs. 2 HDSIG eingeschränkt werden. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass zwar ein Verfahrensbeteiligter, der aufgrund der für ihn geltenden Sondervorschrift des § 29 HVwVfG oder § 25 SGB X während des Verfahrens an der Geltendmachung des § 80 Abs. 1 HDSIG gehindert ist, nicht jedoch Antragsteller, die nicht am Verfahren beteiligt sind (LT-Drucks. 19/5728, S. 149). Die beispielhafte Aufzählung von Regelungen anderer Rechtsvorschriften über Auskunftsbegehren in der Gesetzesbegründung zeigt weiter, dass es dem Gesetzgeber vor allem um Rechte ging, die bestimmten Personen(gruppen) vorbehalten sind und diese auch auf diese besonderen Rechte beschränkt sein sollen (i. E. wohl auch: Schild/Piendl, HDSIG, Stand Juli 2021, § 80 Rn. 6). Ziel war es hingegen nicht, den Anspruch aus § 80 Abs. 1 HDSIG bei jedwedem Bestehen eines bereichsspezifischen Anspruchs auszuschließen. Dies liefe einerseits dem Ziel des HDSIG zu wider, einen umfassenden Informationsanspruch zu gewähren und hätte andererseits eine vollständige Aushöhlung des Anspruchs zur Folge, da für nahezu jeden öffentlichen Bereich besondere Personengruppen für sie geltende spezielle Kontroll- und Informationsansprüche innehaben. Dies gilt insbesondere auch deshalb, da es die Beklagte selbst in der Hand hat, die Anwendung des § 80 Abs. 1 HDSIG auf sich zu erstrecken (§ 81 Abs. 1 Nr. 7 HDSIG).

Nicht zu überzeugen vermochte der Vortrag der Beklagten, dass der Informationsanspruch aus § 80 Abs. 1 HDSIG nicht über den Anspruch der Gemeindevertreter aus § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO hinausgehen könne.

Festzustellen ist bereits, dass der Informations-, Einsichts- und Frageanspruch der Gemeindevertretung in ein eigenes und umfassendes Regelungssystem eingebettet ist. Dabei dient § 50 Abs. 2 HGO dem Zweck, die Kompetenzen der jeweiligen Gemeindeorgane zu regeln und untereinander in Ausgleich zu bringen (Bennemann, Verbandskommentar Band I: HGO, Stand Januar 2022, § 50 Rn. 1, 52). In wie weit es diesem Regelungssystem zuwiderliefe, wenn der allgemeine Informationsanspruch aus § 80 Abs. 1 HDSIG weiter ginge, ist weder ersichtlich, noch vorgetragen. Die Beklagte hat hierzu lediglich geäußert, dass die Tagesordnung von Magistratssitzungen, der Wortlaut von Magistratsbeschlüssen oder deren Entscheidungsgrundlagen nicht im Rahmen des § 50 Abs. 2 HGO erfragt werden könnten. Inwieweit die vom Kläger begehrten Informationen lediglich durch die von ihr genannten Quellen ermittelt werden können und aus welchem Grund dies mit der Regelungssystematik des § 50 Abs. 2 HGO nicht vereinbar wäre, hat sie hingegen nicht mitgeteilt.

Daneben würde dem Kläger im vorliegenden Fall auch kein weitreichenderer Anspruch als der Gemeindevertretung eingeräumt. Die Gemeindevertretung hat nach § 50 Abs. 2 HGO als wirkungsvollstes Mittel die Möglichkeit, einen Akteneinsichtsausschuss zu bilden, der mit umfassenden (Kontroll-)Befugnisse wie Akteneinsicht und Befragungen des Gemeindevorstands ausgestattet ist (näheres Bennemann, Verbandskommentar Band I: HGO, Stand Januar 2022, § 50 Rn. 52 ff., 88, 94 ff.). Der Kläger hingegen begehrt lediglich die Beantwortung einzelner Fragen und hätte daneben auch kein Recht auf Befragungen von Gemeindegremien.

Nach alledem ist der Vierte Teil des HDSIG im vorliegenden Fall anwendbar.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zugang zu den oben genannten amtlichen Informationen aus § 80 Abs. 1 Satz 1 HDSIG.

Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 HDSIG hat jeder nach Maßgabe des vierten Teils (des HDSIG) gegenüber öffentlichen Stellen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen (Informationszugang).

Amtliche Informationen in diesem Sinne sind nach § 80 Abs. 1 Satz 3 HDSIG alle amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Es entspricht dabei dem Gesetzeszweck, Verwaltungshandeln zukünftig offener und transparenter zu gestalten, öffentliche Partizipation und Kontrolle staatlichen Handelns sowie die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern (LT-Drucks. 19/5728, S. 97), den Begriff der amtlichen Informationen weit auszulegen (VG Wiesbaden, Urt. v. 17.01.2022 – 6 K 784/21.WI) und zunächst jedem Antragsteller einen gebundenen Anspruch auf Informationsgewährung zuzusprechen, der nur beim Vorliegen von Ausnahmetatbeständen ausgeschlossen werden kann (§§ 82 ff. HDSIG).

Voraussetzung dieses gebundenen Anspruchs auf Informationsgewährung ist, dass die begehrten Informationen bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind, sie also für eine Preisgabe schon tatsächlich und dauerhaft vorliegen (BeckOK InfoMedienR/Gounalakis, 36. Ed. 1.2.2021, HDSIG § 80 Rn. 14). Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat im Klageverfahren, sowie auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung, ausführlich dargelegt, wieso und wo es, nach seiner Kenntnis der Verwaltungsabläufe, die begehrten Informationen geben müsse. Demnach verfüge jedenfalls die Kämmerei der Beklagten über die begehrten Informationen, da diese als zentrale Stelle an Anfragen zur Mittelfreigabe aus dem Haushalt beteiligt sei. Dieser nachvollziehbaren Schilderung ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.

Vielmehr hat sie lediglich mitgeteilt, zu den bei ihr selbst vorliegenden Informationen, wegen Fehlens der Fachabteilung in der mündlichen Verhandlung, nicht vortragen zu können, womit eine vorherige Prüfung des Informationsanspruchs des Klägers durch die Beklagte jedenfalls fraglich erscheint.

Darüber hinaus hat die Beklagte ebenso mitgeteilt, dass zur Beantwortung der Fragen 1 bis 4 (nunmehr 1 und 2) des Klägers diese Informationen aus einer Vielzahl von Aktenvorgängen zusammengetragen und bei sämtlichen Sachgebieten und Abteilungen aller Ämter abgefragt werden müssten. Hierdurch teilt sie gerade mit, dass auch ihrer Ansicht nach, entsprechende Informationen grundsätzlich vorliegen, wenn auch nicht gebündelt. Gleiches gilt für die Fragen 5 bis 13 (nunmehr 3 bis 5), da die Beklagte hierzu vorgetragen hatte, dass eine Informationspreisgabe an § 80 Abs. 2 HDSIG i. V. m. der HGO scheitere, sie also grundsätzlich über Informationen zur Fragestellung des Klägers verfüge.

Auch ist der Anspruch des Klägers nicht ausnahmsweise ausgeschlossen.

Insbesondere konnte die Beklagte den Antrag des Klägers hinsichtlich der Fragen 1 bis 4 (nunmehr 1 und 2) nicht wegen des damit verbundenen Aufwandes ablehnen.

Gemäß § 85 Abs. 2 HDSIG kann ein Antrag abgelehnt werden, der auf ein allgemeines Behördenhandeln gerichtet ist und sich auf Informationen bezieht, die aus einer Vielzahl von Aktenvorgängen oder Informationsträgern zusammengetragen werden müssten, wenn der Informationszugang nur mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand möglich wäre.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Anfrage des Klägers auf ein allgemeines Behördenhandeln gerichtet ist. Es ist bereits nicht erkennbar und seitens der Beklagten auch nicht dargelegt, dass die begehrten Informationen aus einer Vielzahl von Aktenvorgängen oder Informationsträgern zusammengetragen werden müssten. Sie hat sich insoweit zu keiner Zeit mit dem substantiierten und ausführlichen Vortrag des Klägers, der mit den Abläufen in der Verwaltung der Beklagten vertraut ist, auseinandergesetzt. Dieser hatte vorgetragen, dass jedenfalls die Kämmerei über die begehrten Informationen verfügen dürfte. Vielmehr hat Beklagte sowohl im Bescheid vom 17.05.2019 als auch in ihrer Klageerwiderung lediglich weitestgehend den Gesetzestext wiederholt.

Die Beklagte hat weder dargelegt, mit welchem Aufwand die Beantwortung der Fragen des Klägers verbunden wäre, noch hat sie im Wege einer Ermessensentscheidung abgewogen, inwieweit dies unverhältnismäßig unter Berücksichtigung des Informationsinteresses des Klägers wäre.

Zum Verwaltungsaufwand führt die Beklagte lediglich aus, dass die Informationen bei sämtlichen Sachgebieten und Abteilungen sämtlicher Ämter erfragt werden müssten.

Eine Ermittlung des tatsächlichen Aufwandes ergibt sich weder aus dem Akteninhalt, noch hat die Beklagte hierzu in der mündlichen Verhandlung – trotz mehrfacher Rückfrage des Klägers und des Gerichts – vorgetragen. Dabei wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte im Rahmen der Bearbeitung der Anfrage des Klägers den mit der Beantwortung der Frage verbundenen Aufwand – beispielsweise durch Vorabfragen – ermittelt. Aus den dem Gericht vorliegenden Akten und Erklärungen ergibt sich schon nicht, welchen personellen oder zeitlichen Umfang die Beantwortung der Frage des Klägers beanspruchen würde. Vielmehr erweckt die Beklagte den Eindruck, sich inhaltlich nicht oder nur lückenhaft mit dem Informationsanspruch des Klägers befasst zu haben, da sie auch in der mündlichen Verhandlung nicht zu benennen vermochte, ob und wenn ja wo die begehrten Informationen vorliegen oder welcher Aufwand mit einer Beantwortung verbunden wäre.

Auch fehlt es vollständig an der nach § 85 Abs. 2 Satz 2 HDSIG erforderlichen Ermessensausübung. Demnach kann ein Antrag, der aus einer Vielzahl von Aktenvorgängen oder Informationsträgern zusammengetragen werden muss, dann abgelehnt werden, wenn er nur mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand möglich wäre. Hieraus ergibt sich, dass nicht jeder vermehrte Verwaltungsaufwand geeignet ist, einen Informationsanspruch auszuschließen. Vielmehr muss dieser Aufwand unverhältnismäßig sein und ist sodann mit den Umständen des Einzelfalles abzuwägen. Dies hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht getan. Eine Ermessensentscheidung ist im Bescheid vom 17.05.2019 (Bl. 11 ff. d. A.) nicht ersichtlich und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nicht gemäß § 114 Satz 2 VwGO nachgeholt worden. Weiterhin wäre der Verwaltungsaufwand nicht bereits alleine deshalb unverhältnismäßig, weil die Informationen aus einer Vielzahl von Aktenvorgängen zusammengetragen werden müssten, wie es die Beklagte vorträgt.

Auch ist der Anspruch des Klägers nicht wegen § 84 Abs. 2 Nr. 2 HDSIG ausgeschlossen. Demnach ist der Antrag auf Informationszugang zu Protokollen vertraulicher Beratungen abzulehnen.

Vorliegend ist jedoch schon nicht ersichtlich, welche vom Kläger begehrten Informationen vertraulich sein könnten. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass die Sitzungen des Gemeindevorstandes nichtöffentlich und damit vertraulich seien (Bl. 32 d. A.). Dabei hat die Beklagte jedoch offengelassen, welche vom Kläger begehrten Informationen nur aus vertraulichen Sitzungen des Gemeindevorstandes und nicht aus anderen Quellen erlangt werden könnten. Dies hätte sie vertieft darlegen und gegebenenfalls mit (Teil-)Schwärzungen würdigen müssen. Daneben sieht die HGO eine allgemeine Vertraulichkeit von Informationen nicht vor (Bennemann, Verbandskommentar Band I: HGO, Stand Januar 2022, § 50 Rn. 74 f., mit Verweis auf § 24 Abs. 2 Satz 2 HGO). Dass es sich bei den Informationen rund um die Haushaltswirtschaftliche Sperre gemäß § 107 HGO um vertrauliche Informationen handelt, hätte auch deshalb besonderen Vortrags bedurft, da diese durch Zeitablauf innerhalb eines Jahres ihre Wirksamkeit verlieren (Bennemann, Verbandskommentar Band II: HGO, Stand Januar 2022, § 107 Rn. 28), was für sich bereits gegen ein fortdauerndes Interesse an einer Vertraulichkeit spricht.

Weitere Gründe, die geeignet wären, den Informationsanspruch des Klägers auszuschließen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Nach alledem ist die Klage begründet. Der Beklagten obliegt es, dem Kläger die begehrten Informationen in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen.

Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die unterlegene Beklagte zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.