Im sogenannten Fretterode-Verfahren vor dem Landgericht Mühlhausen (Az.: 3 KLs 101 Js 47753/18 jug) hat die Nebenklage in ihrem Plädoyer die Verurteilung der beiden angeklagten Neonazis wegen schweren Raubes und die Berücksichtigung der neonazistischen Beweggründe bei der Strafzumessung gefordert. Die konkrete Strafe wurde in das Ermessen des Gerichts gestellt.
Nach dem fast einjährigen Verlauf der umfangreichen Beweisaufnahme an mehr als 30 Verhandlungstagen sieht es die Nebenklage als erwiesen an, dass sich die beiden angeklagten Neonazis neben Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung auch eines schweren Raubes (§ 250 StGB) strafbar gemacht haben. Der Tatbestand des schweren Raubes sei durch die brutale Wegnahme der Kamerausrüstung eines der Fachjournalisten unter Verwendung erheblicher Gewalt erfüllt. Die Kamera sei nie wieder aufgefunden worden und der Verbleib der Kamera im Besitz der Neonazis sei durch die Umstände der Tat anzunehmen.
Im Plädoyer der Nebenklage wurde neben einer Chronologie der Ereignisse insbesondere die Einlassung der Angeklagten in den Blick genommen, die sich nach der Beweisaufnahme an etlichen Stellen als Lügen, im Strafrecht sog. Schutzbehauptungen, erwiesen haben. Die versuchte Täter-Opfer-Umkehr durch die Verteidigung ist hiernach gescheitert. Aber auch die diversen Ermittlungsfehler zu Beginn der Ermittlungen durch die örtliche Polizei und die anfangs verzögerte Bearbeitung des Verfahrens durch die Justiz wurde thematisiert.
Eine konkrete Forderung an die Strafhöhe wurde durch die Nebenklage nicht formuliert. Die Verurteilung wegen schweren Raubes setzt im Erwachsenenstrafrecht allerdings eine Freiheitsstrafe von mindestens 5 Jahren voraus, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
„Besondere Beachtung müsste im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 StGB) und in den Urteilsgründen die Berücksichtigung menschenverachtender Beweggründe, die aus der Tat sprechen, finden“ erläutert der Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Rasmus Kahlen aber die Sicht der Nebenklage auf die Strafzumessung. Hiernach ist es gerade die neonazistische Grundhaltung der Angeklagten gewesen, die den brutalen Angriff auf Fachjournalisten begründete und eine No-Go-Area für freie Presse in Fretterode schaffen sollte. “Die freie Presse wird innerhalb der Neonaziszene als Feind wahrgenommen. Aufgrund dieser Haltung wurden die beiden Fachjournalisten über Landstraßen gejagt, mit Pfefferspray, einem großen Schraubenschlüssel und einem Messer angegriffen, schwer verletzt und nach Ansicht der Nebenklage auch beraubt. Das Recht der freien Presse sollte den beiden Nebenklägern tätlich abgesprochen werden.” stellt der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der ebenfalls einen der Nebenkläger vertritt, in seinem Plädoyer u.a. fest und forderte die Berücksichtigung dessen im Urteil.
Für Rückfragen stehen die Rechtsanwälte Sven Adam und Rasmus Kahlen unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.
Hintergrund:
Zwei Journalisten aus Göttingen befanden sich aus Recherchegründen Ende April 2018 im Ort Fretterode und wurden von Personen des extrem rechten Spektrums entdeckt. Als sie sich mit ihrem Auto zurückziehen wollten, wurden sie von zwei Personen mit einem schwarzen BMW verfolgt. Es kam es zu einer Verfolgungsjagd über die Landstraße sowie durch die Orte durch Fretterode und Germershausen. Am Ortseingang von Hohengandern wurden die Journalisten von den Verfolgern eingeholt. Nachdem das Fahrzeug der Journalisten in einem Graben zum Stehen kam griffen die beiden Personen des rechten Spektrums zunächst das Auto und anschließend die Insassen mit einem Baseballschläger, einem Messer, einem ca. 40-50 cm großen Schraubenschlüssel und Pfefferspray an. Der Fotograf erlitt u.a. eine Stichverletzung mit einem Messer im Oberschenkel, seinem Begleiter wurde u.a. mit dem schweren Schraubenschlüssel auf den Kopf geschlagen und er erlitt eine Fraktur des frontalen Schädelknochens und eine Kopfplatzwunde. Die Scheiben des Fahrzeuges wurden zerstört, die hinteren Reifen wurden zerstochen und dem Fotografen wurde seine Kamera sowie Kameratasche geraubt. Im Anschluss zogen sich die Täter in dem schwarzen BMW wieder zurück. Durch Anwohner konnte auf Bitten der erheblich verletzten Angegriffenen der Rettungsdienst und die Polizei verständigt werden.
Der Fotograf konnte noch aus dem eigenen Fahrzeug Fotos von einem der Täter anfertigen. Die SD-Karte mit diesen Fotos kam nicht in den Besitz der Neonazis und ist den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt worden.
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