Plädoyer der Verteidigung im Fretterode-Prozess: Leugnung, Verharmlosung, Täter-Opfer-Umkehr

Göttingen, den 07.09.2022

Im sogenannten Fretterode-Prozess vor dem Landgericht Mühlhausen (Az.: 3 KLs 101 Js 47753/18 jug) hat die Verteidigung der angeklagten Neonazis am heutigen 34.Prozesstag in ihrem Plädoyer an ihrer Linie festgehalten, die Ereignisse rund um den Angriff am 29.04.2018 zu leugnen, zu verharmlosen und eine Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben. 

Bereits in den ersten Prozesstagen des heute ein Jahr dauernden Prozesses offenbarte die Verteidigung in Einlassungen der Angeklagten eine Strategie, nach der eigentlich die Angeklagten die Opfer von versuchten Tötungs- und Körperverletzungsdelikten durch die angegriffenen und erheblich verletzten Journalisten gewesen seien. Im Plädoyer wurde abermals den beiden Fachjournalisten der Status als solcher abgesprochen, obgleich das Gericht bereits zu Beginn des Prozesses in dem 3. Prozesstag am 13.09.2021 die journalistische Tätigkeit der Nebenkläger aufgrund vorgelegter Nachweise per Beschluss bestätigt hat. Noch immer wird von der Verteidigung entgegen der Feststellungen eines Sachverständigen des Thüringer LKA behauptet, die zur Ermittlungsakte gereichten hochauflösenden Bilder seien manipuliert worden. Entgegen der eindeutigen Ergebnisse der Beweisaufnahme wird weiter behauptet, die Nebenkläger hätten statt der Angeklagten einen Baseballschläger mitgeführt, mit dem sie die beiden Angeklagten angegriffen hätten. Außerdem sei einer der Angeklagten durch eine rücksichtslose Fahrweise der Journalisten schon am Anwesen von Thorsten Heise fast überfahren worden, obgleich mangels entgegenstehender Realität niemand außer den Angeklagten eine solche Handlung der Nebenkläger gesehen hat. 

Die gesamte Verteidigungsstrategie folgt dem Willen zur Leugnung, Verharmlosung und Täter-Opfer-Umkehr und ist empörend. Es hat keinen Angriff, Versuch eines Überfahrens oder anderweitige aggressive oder körperliche Einwirkungen auf die Angeklagten oder das Anwesen von Thorsten Heise in Fretterode gegeben. Die beiden Nebenkläger waren als Fachpresse aus Recherchegründen anwesend und sind als Fachpresse ohne zu rechtfertigenden Grund gejagt, brutal angegriffen und erheblich verletzt worden. Die beiden Täter sind Neonazis, die mit dem bewussten und in der Szene kommunizierten Feindbild Presse den Angriff begannen, über längeren Zeitraum und längeren Weg führten und mit dem bewussten und gewollten Entwenden der Fotoausrüstung unter Anwendung von Gewalt und unter Einsatz von Waffen beendeten. Das ist unsere Sicht auf die Beweisaufnahme. Es ist lediglich glücklichen Zufällen zu verdanken, dass niemand an diesem Tag gestorben ist.” kommentiert der Göttinger Nebenklagevertreter Sven Adam die durchschaubaren Versuche der Verteidigung, die Geschehnisse am 29.04.2018 entgegen den Ergebnissen der Beweisaufnahme umzudeuten.

Seit Beginn der Hauptverhandlung erleben wir ein Auftreten, welches die Täter eines brutalen und folgenschweren Angriffs auf Journalisten zu den eigentlichen Opfern eines Angriffs erklären will. Die Beweisaufnahme hat das Gegenteil ergeben und die Einlassungen der Angeklagten Lügen gestraft“ ergänzt der Göttinger Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, der ebenfalls die Nebenklage vertritt, die Sicht der Nebenklage auf die Verteidigungsstrategie. 

Für Rückfragen stehen die Rechtsanwälte Sven Adam und Rasmus Kahlen unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung. 

Hintergrund: 

Zwei Journalisten aus Göttingen befanden sich aus Recherchegründen Ende April 2018 im Ort Fretterode und wurden von Personen des extrem rechten Spektrums entdeckt. Als sie sich mit ihrem Auto zurückziehen wollten, wurden sie von zwei Personen mit einem schwarzen BMW verfolgt. Es kam es zu einer Verfolgungsjagd über die Landstraße sowie durch die Orte durch Fretterode und Germershausen. Am Ortseingang von Hohengandern wurden die Journalisten von den Verfolgern eingeholt. Nachdem das Fahrzeug der Journalisten in einem Graben zum Stehen kam griffen die beiden Personen des rechten Spektrums zunächst das Auto und anschließend die Insassen mit einem Baseballschläger, einem Messer, einem ca. 40-50 cm großen Schraubenschlüssel und Pfefferspray an. Der Fotograf erlitt u.a. eine Stichverletzung mit einem Messer im Oberschenkel, seinem Begleiter wurde u.a. mit dem schweren Schraubenschlüssel auf den Kopf geschlagen und er erlitt eine Fraktur des frontalen Schädelknochens und eine Kopfplatzwunde. Die Scheiben des Fahrzeuges wurden zerstört, die hinteren Reifen wurden zerstochen und dem Fotografen wurde seine Kamera sowie Kameratasche geraubt. Im Anschluss zogen sich die Täter in dem schwarzen BMW wieder zurück. Durch Anwohner konnte auf Bitten der erheblich verletzten Angegriffenen der Rettungsdienst und die Polizei verständigt werden.

Der Fotograf konnte noch aus dem eigenen Fahrzeug Fotos von einem der Täter anfertigen. Die SD-Karte mit diesen Fotos kam nicht in den Besitz der Neonazis und ist den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt worden. 


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