Im sog. Fretterode-Verfahren vor dem Landgericht Mühlhausen (Az.: 3 KLs 101 Js 47753/18 jug) hat das Gericht durch ein ersichtlich mildes Urteil ein fatales Signal für den Schutz von Journalisten, die im Bereich Rechtsextremismus recherchieren, gesetzt. Mit dem am heutigen Tage ergangenen Urteil im sog. Fretterode Prozess wurden die beiden Angeklagten Gianluca B. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, sowie Nordulf H. zu einer Arbeitsauflage von 200 Arbeitsstunden nach Jugendrecht verurteilt. Das Urteil reiht sich ein in eine Reihe von außerordentlich milden Urteilen, die die Thüringer Justiz in den letzten Jahren in Verfahren, bei denen es um Gewalttätigkeiten von Neonazis ging, gefällt hat.
“Das Gericht hat wider den von uns wahrgenommenen Ergebnissen der umfangreichen Beweisaufnahme zum Ausdruck gebracht, ausgerechnet den Nebenklägern an entscheidenden Stellen nicht zu glauben. Sie sind es, die als einzige an diesem Tag erheblich verletzt worden, sie sind es, die Beweise vorgelegt haben für die Tat, sie sind es, deren Aussagen von unbeteiligten Zeuginnen und Zeugen und gehörten Sachverständigen bestätigt wurden und die die Aussagen der Angeklagten widerlegt haben. Die mündliche Urteilsbegründung ist ein Schlag ins Gesicht der beiden Nebenkläger, denen offenbar ebenso viel oder wenig Glauben geschenkt wird wie den umfangreich widerlegten Aussagen der angeklagten Neonazis” zeigt sich RA Sven Adam empört, der einen der Nebenkläger vertritt, über das milde Urteil und insbesondere die mündliche Urteilsbegründung. “Aus einer gewollten und mittels Hetzjagd umgesetzten No-Go-Area für politische Gegner und Fachjournalisten in Fretterode wird seitens des Gerichts eine emotionale Reaktion auf vermeintliche und in keinem zeitlichen Zusammenhang stehende und nicht in der Beweisaufnahme erörterte Aktionen von Antifaschistinnen und Antifaschisten in Fretterode gemacht. Die letzte Busfahrt von Antifaschistinnen und Antifaschisten nach Fretterode zur öffentlichkeitswirksamen Kritik an dem Neonazi-Zentrum ist 20 Jahre her. Weitere Ereignisse, die eine Bedrohungslage des Hauses Heise hätten begründen können, hat die Beweisaufnahme nicht erbracht. Die mündliche Urteilsbegründung ist geprägt von viel und nicht mehr erklärbarem Verständnis für die Gedankenwelt gewalttätiger Neonazis.” so Adam weiter.
“Das Urteil ist ein Skandal und ein fatales Zeichen an die militante Naziszene, die sich insbesondere in Thüringen offenbar nahezu alles weitgehend ungesühnt erlauben darf.” ergänzt Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, der ebenfalls einen der Nebenkläger vertritt. “Das Gericht spricht gar mehrfach von “Kontrahenten” in der mündlichen Urteilsbegründung. Als hätte eine “kämpferische Auseinandersetzung” von beiden Seiten stattgefunden. Eine infame Verharmlosung der Tat. Die Nebenkläger sind geflohen, gejagt worden, haben niemanden angegriffen, sind abstrakt lebensbedrohlich verletzt worden. Vor diesem Hintergrund kann man das Urteil nur als krasse Verkennung der Sachlage beurteilen.” so auch Kahlen weiter.
Für Rückfragen stehen die Rechtsanwälte Sven Adam und Rasmus Kahlen unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.