Hessisches Landessozialgericht – Beschluss vom 23.09.2022 – Az.: L 4 AY 27/22 B

BESCHLUSS

In dem Beschwerdeverfahren

xxx,

Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer,

Prozessbevollm.:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

Lahn-Dill-Kreis, vertreten durch den Kreisausschuss,
– Rechtsabteilung -,
Karl-Kellner-Ring 51, 35576 Wetzlar,

Beklagter, Antragsgegner und Beschwerdegegner,

hat der 4. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt am 23. September 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht xxx, die Richterin am Landessozialgericht xxx und die Richterin am Landessozialgericht xxx beschlossen:

Auf die Beschwerde des Klägers vom 16. August 2022 wird der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 21. Juli 2022 aufgehoben und dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz, S 18 AY 51/20, bewilligt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

GRÜNDE

Die Beschwerde des Klägers vom 16. August 2022 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 21. Juli 2022 mit dem (sinngemäßen) Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 21. Juli 2022 aufzuheben und ihm für das Verfahren erster Instanz (Az.: S 18 AY 51/20) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Adam zu bewilligen,

ist begründet.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Maßstab für die insoweit geforderten Erfolgsaussichten ist im Licht der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Erforderlichkeit und Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, also eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, das Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzusetzen (BVerfGE 81, 347 <357>; ständige Rechtsprechung, vgl. insoweit auch: Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 16. April 2019, 1 BvR 2111/17; vom 4. September 2017, 1 BvR 2443/16 und vom 14. Februar 2017, 1 BvR 2507/16 – juris – bei Fragen einer Beweisaufnahme). Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eine andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel die Erfolgsaussicht auch nicht verneint werden (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 13. Auflage 2020, § 73a Rdnr. 7a). Prozesskostenhilfe darf der unbemittelten Partei von Verfassungswegen insbesondere auch dann nicht versagt werden, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Februar 2020, 1 BvR 1246/19).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Beim Bundesverfassungsgericht steht unter dem Az.: 1 BvL 3/21 die auch für das vorliegende Verfahren maßgebliche Frage der Beurteilung zur Höhe von Leistungen für Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften an.

Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.