Hessisches Landessozialgericht – Urteil vom 21.09.2022 – Az.: L 6 SF 8/20 EK AS

URTEIL

In dem Rechtsstreit

Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

Kläger,

gegen

Land Hessen, vertreten durch den Generalstaatsanwalt,
Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main,
Zeil 42, 60313 Frankfurt am Main,

Beklagter,

hat der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt ohne mündliche Verhandlung am 21. September 2022 durch Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht xxx, Richterin am Landessozialgericht xxx und Richter am Landessozialgericht xxx sowie die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx für Recht erkannt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 6 AS 57/16 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 200,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit mit dem 10. Juni 2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

TATBESTAND

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung bzw. Wiedergutmachung wegen der nach seiner Auffassung unangemessenen Dauer des vor dem Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 6 AS 57/16 geführten Ausgangsverfahrens, wobei es konkret um die Dauer der Kostenfestsetzung im Prozesskostenhilfe (PKH)-Verfahren geht.

Der Kläger vertrat als Rechtsanwalt im Ausgangsverfahren die dortige Klägerin. Streitig war im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) die Höhe der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), insbesondere die Höhe der der Klägerin zustehenden Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Klageerhebung im Ausgangsverfahren erfolgte am 1. Februar 2016. Zugleich beantragte der Kläger für seine Mandantin PKH unter seiner Beiordnung, die das Sozialgericht durch Beschluss vom 4. April 2017 bewilligte. Das Ausgangsverfahren endete im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. April 2018 durch Vergleich. Dieser beinhaltete auch eine Kostenregelung dahingehend, dass sich der dortige Beklagte (u.a.) verpflichtete, die Kosten der Klägerin im Klageverfahrens zur Hälfte unter Zugrundelegung der Mittelgebühr zu erstatten. Im Rahmen der bewilligten PKH beantragte der Kläger mit Schreiben vom 3. Mai 2018 die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von gesamt 912,84 €.

Auf seine Sachstandsanfrage vom 3. August 2018 antwortete die Kostenbeamtin des Sozialgerichts mit Schreiben vom 10. August 2018 dahingehend, die Angelegenheit stehe derzeit noch nicht zur abschließenden Bearbeitung an, da die eingehenden Kostenanträge regelmäßig chronologisch abgearbeitet würden. Es werde noch um etwas Geduld gebeten.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2019 (Eingang bei dem Sozialgericht am 20. Januar 2019) fragte der Kläger erneut nach dem Sachstand und erhob vorsorglich Verzögerungsrüge (u.a.) hinsichtlich der Kostenfestsetzung im PKH-Verfahren. Die Kostenbeamtin antwortete mit Schreiben vom 23. Januar 2019 und teilte mit, die Akte befinde sich nach wie vor in der Berufungsinstanz und eine Kostenfestsetzung könne erst nach Aktenrückkehr erfolgen.

Mit Verfügung vom 4. September 2019 fragte die Kostenbeamtin bei dem Hessischen Landessozialgericht an, ob eine kurzfristige Übersendung der Beiakten zwecks PKH-Festsetzung möglich sei.

Der Kläger bat mit Schreiben vom 30. September 2019, bei dem Sozialgericht eingegangen am 4. Oktober 2019, nochmals um Mitteilung des Sachstandes, ebenso bat er um Mitteilung, wann die Akten von dem Hessischen Landessozialgericht zur Durchführung des Kostenfestsetzungsverfahrens angefordert worden seien.

Nach Aktenrückkehr (der Zeitpunkt ist nicht aktenkundig) nahm die Kostenbeamtin des Sozialgerichts die Kostenfestsetzung bzw. Abrechnung des Antrags des Klägers am 20. November 2019 vor, wobei ein förmlicher Kostenfestsetzungsbeschluss ebenfalls nicht aktenkundig ist. Die Kostenbeamtin setzte eine Vergütung von gesamt 746,24 € fest.

Der Kläger hat am 19. Mai 2020 Entschädigungsklage erhoben, mit der er die Verurteilung des beklagten Landes Hessen begehrt, ihm wegen überlanger Dauer des Verfahrens vor dem Sozialgericht Kassel (S 6 AS 57/16) eine Entschädigung von monatlich 20,00 € bzw. gesamt 480,00 € nebst Verzugszinsen beginnend ab dem 5. November 2018 bis zum 20. November 2020 zu zahlen. Zur Begründung trägt er vor, trotz mehrfacher Sachstandsanfragen und der am 17. Januar 2019 erhobenen Verzögerungsrüge sei im Hinblick auf die beantragte Kostenfestsetzung keine Verfahrensbetreibung durch das Sozialgericht erfolgt. Unter Berücksichtigung des vorliegend allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades des Verfahrens sei ein Anspruch auf Entschädigung nach sechs Monaten Untätigkeit des Gerichts entstanden. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne des § 198 Abs. 2 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sei vorliegend nicht ausreichend.

Nach Einzahlung des Kostenvorschusses durch den Kläger – ausgehend von einem vorläufigen Streitwert von 480,00 € – ist die Entschädigungsklage dem Beklagten am 10. Juni 2020 zugestellt worden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der unangemessenen Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen S 6 AS 57/16 geführten (Kostenfestsetzungs-) Verfahrens eine Entschädigung von monatlich 20,00 €, gesamt 480,00 €, zuzüglich Zinsen beginnend ab dem 5. November 2018 bis zum 20. November 2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Entschädigungsklage abzuweisen.

Er tritt dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch entgegen und trägt vor, es sei streitig, ob ein Rechtsanwalt für ein vermeintlich überlanges PKH-Festsetzungsverfahren eine Entschädigung in Geld beanspruchen könne oder ob zwecks Nachteilsausgleichs die Feststellung der Überlänge ausreiche. Zunächst sei zu prüfen, ob überhaupt eine Entschädigungspflicht des Beklagten für ein Kostenfestsetzungsverfahren bestehe. Es dürfte nicht zulässig sein, die Frage nach dem „Ob“ einer Entschädigung für ein Kostenfestsetzungsverfahren allein durch die Geltendmachung eines geringeren monatlichen Entschädigungsbetrages (20,00 € statt der gesetzlich vorgesehenen 100,00 €) zu übergehen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 10. Juli 2014, B 10 ÜG 8/13 R). Umstände, die wegen der Dauer des vorliegenden PKH-Festsetzungsverfahrens ausnahmsweise allein eine Entschädigung in Geld gebieten könnten, seien nicht ersichtlich, geschweige denn seitens des Entschädigungsklägers dargelegt worden. Davon abgesehen erschließe sich auch nicht die von dem Entschädigungskläger geltend gemachte Entschädigungssumme von 480,00 €. Ausgehend von der von ihm behaupteten Untätigkeit der Urkundsbeamtin vom 5. November 2018 bis 20. November 2019 (zwölf volle Monate) und der in Ansatz gebrachten Entschädigung von 20,00 € errechne sich vielmehr eine Entschädigung von nur 240,00 €.

Beide Beteiligte haben übereinstimmend erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und der beigezogenen Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens S 6 AS 57/16, der jeweils Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Das Landessozialgericht ist für die erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Klage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger sie form- und fristgerecht erhoben. Die Wartefrist des § 198 Abs. 5 S. 1 GVG (i.V.m. § 202 S. 2 SGG), wonach eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann, hat der Kläger eingehalten. Verzögerungsrüge hat der Kläger am 20. Januar 2019 erhoben. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 19. Mai 2020 war die Sechsmonatsfrist abgelaufen und die Klage damit nicht zu früh erhoben.

Die Klage ist auch zum Teil begründet. Dem Kläger steht wegen der unangemessenen Dauer des vor dem Sozialgericht Kassel unter dem Az. S 6 AS 57/16 geführten (Kostenfestsetzungs-) Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von monatlich 20,00 € für zehn Monate und damit ein Gesamtbetrag von 200,00 € zu. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Gegenstand der Klage ist der von dem Kläger ausdrücklich geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung in Geld wegen der nach seiner Auffassung überlangen Dauer des Ausgangsverfahrens, wobei der Kläger dessen Höhe auf 20,00 € monatlich und insgesamt 480,00 € beziffert hat. Die Klage ist insofern als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 5 SGG; vgl. für viele BSG, Urteil vom 21. Februar 2013, B 10 ÜG 1/12 KL).

Ob Gegenstand des vorliegenden Verfahrens zudem die mögliche Feststellung einer unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens als Form der Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne von § 198 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG ist, kann dahingestellt bleiben. Dies setzt zwar einen gesonderten, gerade hierauf gerichteten Antrag nicht voraus (§ 198 Abs. 4 S. 2 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG). Der Kläger hat jedoch mit seinen Ausführungen in der Klageschrift zum Ausdruck gebracht, dass eine Wiedergutmachung auf andere Weise nicht in Betracht kommt. Da seine auf Geldzahlung gerichtete Klage teilweise begründet ist, bedarf es keiner weiteren Vertiefung, ob der Kläger mit seinen Ausführungen sein Klagebegehren von vornherein auf eine Entschädigung in Geld beschränkt hat.

Die materielle Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 S. 2 GVG (nicht bereits Zulässigkeitsvoraussetzung für die Entschädigungsklage, vgl.: Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 17/3802, S. 22, BSG, Urteil vom 7. September 2017, B 10 ÜG 1/17 R; erk. Senat, Urteil vom 29. Juni 2016, L 6 SF 5/14 EK AL; erk. Senat, Urteil vom 8. Juli 2020, L 6 SF 8/19 EK AS; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 30b; Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 198 GVG Rn. 11; für ein prozessuales Verständnis der Vorschrift dagegen z.B. Röhl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 198 GVG [Stand: 26. November 2019] Rn. 255; Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Auflage 2021, § 198 Rn. 43), wonach die Entschädigungsklage spätestens sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung, die das Ausgangsverfahren beendet hat, oder nach einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden muss, hat der Kläger eingehalten. Erledigung des Ausgangsverfahrens trat mit Zustellung der Kostenfestsetzung vom 20. November 2019 ein. Das entsprechende Schreiben der Kostenbeamtin des Sozialgerichts ist dem Kläger nach der Aktenlage mit Empfangsbekenntnis übersandt worden, dieses ist jedoch nicht wieder bei dem Sozialgericht eingegangen bzw. nicht in der Akte dokumentiert. Auf den Zeitpunkt der Zustellung kommt es jedoch letztlich nicht an, denn auch ausgehend von dem Datum der Kostenfestsetzung ist mit Klageerhebung am 19. Mai 2020 die Sechsmonatsfrist eingehalten. Diese währte bis zum 20. Mai 2020 einschließlich.

Für den Zeitpunkt der Klageerhebung im Sinne des § 198 Abs. 5 GVG kommt es im Übrigen auf den Eingang der Entschädigungsklage bei Gericht an und nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, die erst mit der Zustellung der Klage an den Beklagten eintritt (hier am 10. Juni 2020). Wie der Senat in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung aktuell entschieden hat (Urteil vom 24. August 2022, L 6 SF 11/21 EK AS), ist die Klage dann erhoben, wenn sie dem zuständigen Gericht zugeht (Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 90 SGG (Stand: 11.05.2022), Rn. 29). Insofern bedeutet Klageerhebung in Verfahren des SGG die Klageeinreichung bei Gericht, was auch der Formulierung in § 90 SGG entnommen werden kann, wonach die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben ist, (siehe im Einzelnen erk. Senat a.a.O. m.w.Nw.).

Ein Anspruch auf Entschädigung in Geld scheitert auch nicht von vornherein an dem Fehlen einer Verzögerungsrüge im Sinne von § 198 Abs. 3 S. 1 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG (vgl. zur Verzögerungsrüge für viele BSG, Urteil vom 27. Juni 2013, B 10 ÜG 9/13 B). Die erforderliche Verzögerungsrüge hat der Kläger sowohl formell als auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten wirksam erhoben. In der Sache setzt die wirksame Erhebung einer Verzögerungsrüge voraus, dass Anlass zur Besorgnis besteht, das Verfahren werde nicht in angemessener Zeit abgeschlossen (§ 198 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG). Der Zeitpunkt, von dem ab „Anlass zur Besorgnis“ i.S.v. § 198 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 GVG besteht, erfordert eine Situation, in der ein Verfahrensbeteiligter (§ 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG) erstmals Anhaltspunkte dafür hat, dass das Verfahren keinen angemessenen zügigen Fortgang nimmt, sich folglich die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung abzeichnet (BT-Drucks. 17/3802 S. 20; BGH, Urteil vom 21. Mai 2014, III ZR 355/13; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018, 2 WA 1/17 D). In der Gesetzesbegründung vom 17. November 2010 zum Gesetzentwurf des ÜGG, BT-Drucks 17/3802, S. 20 heißt es: „Satz 2 regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens erhoben werden kann. Dieser Zeitpunkt muss normiert werden, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass – namentlich im Anwaltsprozess – Verzögerungsrügen formal schon im Anfangsstadium eines Prozesses eingelegt werden. Die Regelung stellt insoweit auf eine Situation ab, in der ein Betroffener erstmals Anhaltspunkte dafür hat, dass das Verfahren keinen angemessen zügigen Fortgang nimmt. Maßgeblich ist deshalb die Besorgnis der Gefährdung, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann, d.h. die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung. (…)“. Grundlage der Prognose haben danach objektive Gründe zu sein, die bei einer ex-ante-Betrachtung aus der Sicht eines vernünftigen Rügeführers im konkreten Einzelfall eine überlange Verfahrensdauer hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. hierzu BVerwG, a.a.O.). Das ist bei sozialgerichtlichen Verfahren in der Regel dann der Fall, wenn aufgrund des bisherigen Verlaufs des Verfahrens bereits absehbar ist, dass das Gericht nicht mehr mit einer zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit auskommen wird (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2017, B 10 ÜG 3/16 R; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 13. Aufl., § 202 Rn. 28a; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. September 2019, L 11 SF 58/18 EK AL).

Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs bestand nach der gebotenen ex ante-Betrachtung zum Zeitpunkt der Rügeerhebung am 20. Januar 2019 Anlass zur Besorgnis für eine überlange Verfahrensdauer, obwohl zu diesem Zeitpunkt erst acht Monate seit Antragstellung vergangen waren. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein Hauptsacheverfahren, sondern lediglich um ein im Annex zu entscheidendes Kostenfestsetzungsverfahren gehandelt hat (vgl. im Übrigen zur Anwendbarkeit des § 198 Abs. 1 S. 1 GVG auch auf Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren: BSG, Urteile vom 10. Juli 2014, B 10 ÜG 8/13 R und vom 12. Dezember 2019, B 10 ÜG 3/19 R sowie für das Kostenfestsetzungsverfahren erk. Senat, Urteil vom 1. August 2018, L 6 SF 2/18 EK SB; ebenso für die PKH-Vergütungsfestsetzung: erk. Senat, Urteil vom 12. Mai 2021, L 6 SF 21/19 EK AS). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für ein Kostenfestsetzungsverfahren im Rahmen der PKH eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von sechs Monaten als angemessen anzusetzen ist, was noch auszuführen sein wird. Zum anderen kann nicht übersehen werden, dass seit Antragstellung im Mai 2018 bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge – abgesehen von der Beantwortung einer Sachstandsanfrage des Klägers – keinerlei gerichtliche Aktivität erkennbar war, so dass bereits im Januar 2019 die Besorgnis des Klägers nachvollziehbar ist, das Verfahren werde nicht in angemessener Zeit abgeschlossen sein.

Ist eine Verzögerungsrüge formgerecht und wirksam erhoben, so ist bei der Beurteilung einer Überlänge auch die zu diesem Zeitpunkt bereits verstrichene Dauer des Verfahrens einzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn die Verzögerungsrüge schon früher hätte erhoben werden können (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2017, B 10 ÜG 3/16 R; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12. Februar 2020, L 12 SF 39/17 EK AS).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass das Ausgangsverfahren unangemessen lang dauerte.

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 S. 2 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG nicht nach starren Fristen, sondern nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. zum Maßstab ausführlich BSG, Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/13 R; BSG, Urteil vom 12. Februar 2015, B 10 ÜG 11/13 R; Hessisches LSG – erk. Senat –, Urteil vom 1. August 2018, L 6 SF 2/18 EK SB).

Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die durch § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von dessen Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste relevante Zeiteinheit ist hierbei der (Kalender-) Monat. In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens insbesondere anhand der in § 198 Abs. 1 S. 2 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG genannten Kriterien zu beurteilen. Auf dieser Grundlage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ist schließlich in einem dritten Schritt zu entscheiden, ob die Verfahrensdauer die Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013, B 10 ÜG 1/12 KL).

Ausgehend von diesem Rahmen ist die Festlegung eines Zeitraums, bei dessen Überschreiten ein Verfahren generell als unverhältnismäßig lange dauernd zu bewerten ist, nicht möglich (vgl. am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz <GG>: BVerfG, Beschwerdekammerbeschluss vom 30. August 2016, 2 BvC 26/14 – Vz 1/16; BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2011, 1 BvR 232/11). Das gilt zumal, da Zügigkeit oder Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang und im Spannungsverhältnis mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz, und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht zu sehen sind. Konkretisierend geht der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon aus, dass vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls die Dauer eines Verfahrens noch als angemessen anzusehen ist, soweit sie auf einer vertretbaren aktiven Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht und, soweit sie darüber hinausgeht, eine regelmäßig jedem Gericht zuzubilligende Vorbereitungs- und Überlegungszeit, in der eine aktive Verfahrensförderung nicht erkennbar sein muss, nicht überschreitet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015, B 10 ÜG 11/13 R; Hessisches LSG – erk. Senat –, Urteile vom 1. August 2018, L 6 SF 2/18 EK SB, 18. Mai 2022, L 6 SF 36/21 EK KR und 13. Juli 2022, L 6 SF 20/20 EK AS).

Die sich aus § 198 Abs. 1 S. 2 GVG i.V.m. § 202 S. 2 SGG ergebenden Maßstäbe für eine unangemessene Verfahrensdauer sind nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 und Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auszulegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. November 2013, III ZR 376/12; Schenke, NVwZ 2012, 257, 258). § 198 Abs. 1 S. 2 GVG benennt in diesem Rahmen beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind.

Wie der Senat in seinen Entscheidungen vom 1. August 2018 (L 6 SF 2/18 EK SB), 18. Mai 2022 (L 6 SF 36/21 EK KR) und 13. Juli 2022 (L 6 SF 20/20 EK AS) dargelegt hat, ergibt sich die für die Beurteilung der Verfahrensdauer relevante Bedeutung des Verfahrens aus der Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen des um Entschädigung nachsuchenden Beteiligten. Entscheidend ist deshalb, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf dessen Verfahrensposition und das ggf. geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/13). Dagegen sind, da § 198 GVG auf die Entschädigung (oder allgemeiner: die Wiedergutmachung) individueller Belastungen gerade des Entschädigungsklägers durch eine unangemessene Verfahrensdauer zielt, allgemeine Aspekte bzw. eher für die Allgemeinheit maßgebliche Fragen nicht von entscheidendem Gewicht.

Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich das Ausgangsverfahren, das vom Zeitpunkt des Antrags auf Kostenfestsetzung im Mai 2018 bis zur Kostenfestsetzung durch die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts im November 2019 19 Monate gedauert hat, als unangemessen lang.

Für die Beurteilung der Dauer eines gerichtlichen Verfahrens im Hinblick auf seine Angemessenheit bzw. Unangemessenheit sind zunächst Zeiten, in denen das Verfahren aktiv betrieben wurde, und Zeiten gerichtlicher Inaktivität gegenüberzustellen, wobei zu den Zeiten, in denen das Verfahren aktiv betrieben wurde, auch Zeiten des gerechtfertigten Zuwartens zählen (z.B. um auf angeforderte Stellungnahmen der Beteiligten zu warten). Danach ist in der Folge des im Mai 2018 gestellten Antrags lediglich in zwei Kalendermonaten gerichtliche Aktivität feststellbar, nämlich im September 2019 (Anfrage an das Hessische Landessozialgericht im Hinblick auf eine kurzfristige Rückgabe der Akten) und schließlich im November 2019 (das Verfahren beendende Kostenfestsetzung). Im Übrigen sind seitens der Kostenbeamtin lediglich zwei Sachstandsanfragen des Klägers vom 3. August 2018 und 17. Januar 2019 jeweils im Sinne von Zwischennachrichten beantwortet worden, ohne dass dem Verfahren hierdurch Fortgang gegeben worden wäre. Soweit die Kostenbeamtin des Sozialgerichts auf die erneute Sachstandsanfrage und Verzögerungsrüge des Klägers vom 17. Januar 2019 am 23. Januar 2019 geantwortet hat, die Akten befänden sich in der Berufungsinstanz, begründet dies nicht die Annahme eines gerechtfertigten Zuwartens bis zum Aktenrücklauf. Denn es entspricht üblicher und angemessener Vorgehensweise der Sozialgerichte, zur Bearbeitung von Nebenentscheidungen Akten, die sich bereits in der Berufungsinstanz befinden, zur kurzzeitigen Bearbeitung zurückzufordern, wie dies hier auch seitens der Kostenbeamtin des Sozialgerichts mit Verfügung vom 4. September 2019 erfolgt ist. Gründe dafür, warum dies nicht bereits früher möglich gewesen sein sollte, sind für den Senat nicht ersichtlich.

In der Gesamtschau ergeben sich damit Zeiten, in denen das Verfahren keinen erkennbaren Fortgang nahm und dies nicht auf dem Gericht nicht zurechenbaren Verhalten Dritter beruhte, in einem Umfang von 16 Monaten (wobei zu den genannten beiden Monaten an gerichtlicher Aktivität noch der Antragsmonat hinzuzuzählen bzw. von dem Zeitraum der Gesamtdauer ebenfalls abzuziehen ist). Der Zeitraum von 16 Monaten begründet jedoch nicht in vollem Umfang eine Überlänge des Ausgangsverfahrens. Dem Ausgangsgericht sind vielmehr Vorbereitungs- und Bedenkzeiten, die regelmäßig je Instanz zwölf Monate betragen, zuzubilligen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Schritte der Verfahrensförderung als gerechtfertigt angesehen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015, B 10 ÜG 11/13 R). Insofern wird der unbestimmte Rechtsbegriff der „unangemessenen Dauer“ von dem Bundessozialgericht in gefestigter Rechtsprechung im Regelfalle bei sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren dahingehend ausgefüllt, dass über Zeiträume hinaus, in denen das Gerichtsverfahren vom Gericht aktiv betrieben wurde, eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten nicht unangemessen ist (vgl. auch BSG, Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/13). Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 12. Mai 2021, L 6 SF 21/19 EK AS), ist die für sozialgerichtliche Hauptsacheverfahren anzusetzende Vorbereitungs- und Bedenkzeit auf PKH-Festsetzungsverfahren jedoch nicht uneingeschränkt übertragbar. Vielmehr ist in diesen Verfahren eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von sechs Monaten als angemessen anzusetzen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die PKH-Festsetzung ein zweistufiges Nebenverfahren darstellt, bei welchem in einem ersten Schritt die PKH-Festsetzung zunächst dem Urkundsbeamten obliegt, wobei sich das Verfahren durch sich wiederholende Rechtsfragen auszeichnet. Wie der erkennende Senat ebenfalls bereits entschieden hat, sind im zweistufigen Verfahren der Erinnerung Vorbereitungs- und Bedenkzeiten, die regelmäßig zwölf Monate betragen, als angemessen zuzugestehen (Urteil vom 1. August 2018, L 6 SF 2/18 EK SB). Aufgrund der Zweistufigkeit des Verfahrens hält der Senat eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von sechs Monaten je Stufe für angemessen, da Prüfungsumfang und Prüfungsmaßstab vergleichbar sind. Eine Heranziehung der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22. Februar 2017, L 12 SF 39/15 EK AS; Sächsisches LSG, Urteil vom 22. Januar 2018, L 11 SF 45/16 EK; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8. Juni 2016, L 12 SF 9/14 EK AS; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. November 2015, L 12 SF 23/14 EK AS) ist nicht geeignet, da sich das Widerspruchsverfahren und die Kostenfestsetzung in wesentlichen Punkten unterscheiden (siehe im Einzelnen erk. Senat, Urteil vom 12. Mai 2021, a.a.O.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Im Ergebnis sind von den Zeiten gerichtlicher Inaktivität im Umfang von 16 Monaten sechs Monate Vorbereitungs- und Bedenkzeit abzuziehen, so dass eine Überlänge des Verfahrens im Umfang von zehn Monaten verbleibt.

Davon ausgehend hält der Senat im vorliegenden Verfahren eine Wiedergutmachung durch Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 20,00 € für jeden Monat der zu entschädigenden unangemessenen Verfahrensdauer für angemessen. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise dergestalt, dass die Überlänge des Kostenfestsetzungsverfahrens festgestellt wird, ist nicht ausreichend. Hierfür sind folgende Erwägungen bedeutsam:

Zunächst folgt der Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach Rechtsanwälte ein schützenswertes Interesse an einer Kostenfestsetzung in angemessener Zeit haben, dessen Verletzung auch einen Anspruch auf Geldentschädigung begründen kann und nicht lediglich einen Anspruch auf Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne des § 198 Abs. 4 S. 1 GVG (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2019, B 10 ÜG 3/19 R).

Sodann sind Bedeutung und Schwierigkeit des Ausgangsverfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten angemessen zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für dessen Beteiligte im Hinblick auf eine mögliche Verursachung immaterieller Nachteile im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014, B 10 ÜG 8/13 R). Vorliegend stehen allein finanzielle Interessen des Prozessbevollmächtigten im Streit. Bei den geltend gemachten Gebühren in Höhe von insgesamt 912,84 € handelt es um durchschnittliche Verfahrenskosten für ein sozialgerichtliches Verfahren. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger ein PKH-Vorschuss in Höhe von 142,80 € gewährt worden war. Hinsichtlich der Gebührenfestsetzung ist von einem durchschnittlich schwierigen Verfahren auszugehen. Andererseits kann nicht übersehen werden, dass Prozesskostenhilfe dazu dient dem mittellosen Bürger Waffengleichheit zu gewähren, in dem die Anwaltskosten von der Staatskasse getragen werden. Es liegt nahe, dass Anwälte als Organe der Rechtspflege – und auch der Entschädigungskläger bezogen auf das vorliegende Ausgangsverfahren – sich von der Vertretung mittelloser Bürger abwenden, wenn die Festsetzung der Gebühren deutlich verspätet erfolgt. Vorliegend ist nicht zuletzt zu berücksichtigen, dass der Kläger die Verzögerung des Ausgangsverfahrens nicht verursacht hat. Dem Verhalten des Entschädigungsklägers im Ausgangsverfahren kommt unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung einer Verzögerung nach dem Rechtsgedanken des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wesentliches Gewicht zu (Röhl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 198 GVG (Stand: 15.06.2022), Rn. 52). Der Senat sieht vorliegend eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Art. 6 EMRK, Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015, B 10 ÜG 7/14 R). Für eine solche strukturelle Überlastung spricht die Mitteilung der Urkundsbeamtin vom 10. August 2018, wonach der PKH-Festsetzungsantrag aktuell wegen vorrangiger Anträge nicht bearbeitet werde. Der aus einer solchen strukturellen und deshalb generellen Vernachlässigung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit resultierende individuelle Grundrechtsverstoß wiegt besonders schwer (vgl. BSG, Urteile vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/13 R und vom 12. Februar 2015, B 10 ÜG 7/14 R). All diese Gründe sprechen maßgeblich dagegen, eine alleinige Feststellung der Überlänge ausreichen zu lassen.

Gemäß § 198 Abs. 2 S. 3 GVG beträgt der Richtwert einer Entschädigung regelmäßig 100,00 € monatlich. Gemäß § 198 Abs. 2 S. 4 GVG kann das Gericht jedoch einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag gemäß S. 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Der Senat macht von dem in § 198 Abs. 2 S. 4 GVG eingeräumten Ermessen Gebrauch und setzt den monatlichen Betrag auf 20,00 € fest (mittlerweile ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 12. Mai 2021, L 6 SF 21/19 EK AS). Gegen eine Entschädigung in Höhe des Richtwertes von 100,00 € monatlich spricht der klägerische Antrag. Der rechtskundige Kläger hat sein Begehren auf eine Entschädigung in Höhe von 20,00 € monatlich begrenzt. Aufgrund des aus § 123 SGG folgenden Verfahrensgrundsatzes „ne ultra petita“ darf das Gericht daher nicht mehr zusprechen als gewollt ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 123 Rn. 4). Gegen eine Entschädigung in Höhe von 100,00 € monatlich spricht neben der Antragstellung des Klägers, dass im Ausgangsverfahren die Festsetzung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 912,84 € beantragt war. Eine Entschädigung in Höhe von 100,00 € monatlich ergäbe bei zehn Monaten zu entschädigender Verzögerung einen Betrag von 1.000,00 €. Der Streitwert des Ausgangsverfahrens und der Betrag der Entschädigung stehen insoweit nicht im Verhältnis. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles erscheint dem Senat ein Entschädigungsbetrag von 20,00 € pro Monat der Verzögerung als angemessen, womit dem Kläger eine Entschädigung von 200,00 € für zehn Monate zusteht. Der Kläger hat eine Entschädigung i.H.v. 480,00 € geltend gemacht, insoweit war die Klage abzuweisen. Aus dem von dem Kläger weiter geltend gemachten Zinsanspruch kann geschlossen werden, dass er von einer zu entschädigenden Zeit der Überlänge vom 5. November 2018 (sechs Monate nach Anbringung des Kostenfestsetzungsantrages) bis 20. November 2020 (wohl gemeint 20. November 2019, Datum der Kostenfestsetzung) ausgeht.

Der von dem Kläger geltend gemachte Verzinsungsanspruch besteht als Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit gemäß nach § 94 S. 2 SGG (BSG, Urteile vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/14 R und vom 12. Februar 2015, B 10 ÜG 7/14 R). Der Zinsanspruch folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 S. 1 BGB. Ein darüber hinausgehender Zinsanspruch besteht nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 und 3 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach sind, wenn – wie hier – ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Gründe hierfür vorliegt.

Es folgen die Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe.