1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem (SGB II)
1.1 – BSG, Urt. v. 13.07.2022 – B 7/14 AS 57/21 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende – vorläufige und abschließende Entscheidung – Zugunstenverfahren – Ausschlussfrist
Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V.
1. Keine Anwendung der verkürzten Ausschlussfrist des § 40 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II in Verbindung mit § 44 Absatz 4 Satz 1 SGB X im Fall einer beantragten Überprüfung einer abschließenden Entscheidung nach § 41a Absatz 3 SGB II.
Volltext: www.rechtsprechung-im-internet.de
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem (SGB II)
2.1 – Sächsisches LSG, Beschluss v. 14.09.2022 – L 3 AS 245/22 B
Leitsätze
1. Die Aufklärung des Sachverhalts ist zwar vorrangiger Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens. Die Anordnung kann jedoch auch aus anderen Gründen, insbesondere mit dem Zweck erfolgen, das Verfahren zu beschleunigen, eine vergleichsweise Erledigung oder Konfliktlösung herbeizuführen, eine argumentative Auseinandersetzung zu ermöglichen oder ein Rechtsgespräch mit den Beteiligten zur Erläuterung der Sach- und Rechtslage zu führen.
2. Die Frage, ob ein Ordnungsgeld festgesetzt wird, ist eine Ermessensentscheidung, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss. Dabei ist bereits im Rahmen des Erschließungsermessens zu würdigen, warum die Anordnung des persönlichen Erscheinens erfolgte, ob sie auch (noch) im Zeitpunkt des Termins, dem der Beteiligte ferngeblieben ist, geboten war, und ob die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemessen am Zweck der Vorschrift und unter Berücksichtigung des Fortgangs des Verfahrens die gebotene Reaktion auf das Ausbleiben darstellt.
3. Wenn das Gericht ohne Verzögerung abschließend in der Sache entscheiden konnte, ist regelmäßig die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ermessensfehlerhaft, wenn weitere Erwägungen fehlen.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
2.2 – LSG Hamburg, Urt. v. 29.09.2022 – L 4 AS 341/20
Zur Übernahme geschuldeter Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung, hier verneinend wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4a SGB II a.F.
Leitsatz Redakteur v. Tacheles e. V.
Über § 26 SGB II können Leistungsablehnungen, die aus anderen Gründen als vorhandenem bedarfsdeckendem Einkommen oder Vermögen ausgesprochen wurden, nicht dadurch unterlaufen werden, dass (hilfsweise) zumindest die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung übernommen werden.
Quelle: www.landesrecht-hamburg.de
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung nach dem (SGB II)
3.1 – SG Neuruppin, Urt. v. 30.09.2022 – S 26 AS 298/18
Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V.
Kein schlüssiges Konzept nach § 22 SGB II im Landkreis Oberhavel (Anlehnung an SG Neuruppin, Urt. v. 22. August 2019 – S 18 AS 2188/17 u. vom 09. September 2021 – S 17 AS 857/16).
Quelle: gerichtsentscheidungen.brandenburg.de
Hinweis Redakteur von Tacheles e. V.:
S. a. dazu Beitrag von RA Kay Füßlein: Kein schlüssiges Konzept nach § 22 SGB II im Landkreis Oberhavel – Urteile des SG Neuruppin vom 09.12.2019 – S 6 AS 936/16 und S 6 AS 1806/16 WA
weiter bei RA Kay Füßlein
3.2 – SG Berlin, Gerichtsbescheid vom 01.11.2022 – S 171 AS 3373/21
Mal wieder: keine Anwendung der AV Wohnen in Berlin – ein Beitrag zu Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 01.11.2022, S 171 AS 3373/21 von RA Kay Füßlein
Wie hier schon häufiger Thema, ist die AV Wohnen die das Land Berlin und die Jobcenter zu Bestimmung der Miete bei ALG II-Empfängern und SGB XII-Leistungsbeziehern nicht anwendbar und es sind idR. höhere Mieten zu übernehmen.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.11.2022 hat das Sozialgericht Berlin nun gleichfalls auch für das Jahr 2021 festgestellt, dass die AV Wohnen kein schlüssiges Konzept ist und daher die Miete angemessenen (und nicht unangemessen) ist.
Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 01.11.2022, S 171 AS 3373/21
weiter bei RA Kay Füßlein
Hinweis Redakteur:
LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01.09.2022 – L 14 AS 494/19
Leitsätze
Der Bestimmung grundsicherungsrechtlich angemessener Kosten der Unterkunft in Berlin lag für die Jahre 2016 und 2017 kein schlüssiges Konzept zugrunde.
Bei Fehlen eines schlüssigen Konzeptes ist zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete auf die Tabellenwerte das § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10% zurückgreifen (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 21.1.21 – L 19 AS 1129/17; vom 16.3.22 – L 1 AS 456/21 WA; vom 7.4.22 – L 10 AS 2286/18; vom 31.5.22 – L 32 AS 2845/16; vom 31.5.22 – L 32 AS 2866/16).
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 – LSG Hessen, Beschluss v. 02.11.2022 – L 4 SO 124/22 B ER
Leitsätze
1. Die Voraussetzung der “erkennungsdienstlichen Behandlung” in § 74 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II ist ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal, nicht nur eine Ordnungsvorschrift.
2. Eine nicht erkennungsdienstlich behandelte Person, die sich zunächst nach § 2 Abs. 1 UkraineAufenthÜV und danach nach § 81 Abs. 3 AufenthG rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, aber anfänglich mangels Antrag auf einen Aufenthaltstitel und danach wegen eines die Erwerbstätigkeit ausdrücklich nicht gestattenden Vermerks in der Fiktionsbescheinigung nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB II erfüllt, hat nach drei Monaten des Aufenthalts einen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 SGB XII.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
5.1 – Kreuzfahrtbegleitung als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft – Urteilsanalyse von Prof. Dr. Hermann Plagemann zu BSG, Urt. v. 19.05.2022 – B 8 SO 13/20 R
weiter: rsw.beck.de
5.2 – Amt stellt sich quer
Pflegeheim zu teuer: Urenkel soll Großmutter Taschengeld zurückzahlen
Weil das Geld für eine Unterbringung im Pflegeheim nicht reicht, hat die Tochter einer Seniorin aus Wurzen einen Antrag beim Sozialamt gestellt. Die Behörde wies den Antrag zurück – und stellte eine ungewöhnliche Forderung.
weiter: www.mz.de
Anmerkung Redakteur:
Welch irre Forderung seitens des Sozialamtes, eine Schande für den Sozialstaat.
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker