1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem (SGB II)
1.1 – LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 05.05.2023 – L 32 AS 1079/22 B
Leitsätze
Eine gesonderte Kostenentscheidung hat für das Beschwerdeverfahren in einem sozialgerichtlichen Verfahren jedenfalls dann zu ergehen, wenn die Kostengrundentscheidung für das zugrunde liegende Hauptsacheverfahren nach § 193 SGG zu ergehen hat und dort nur über die außergerichtlichen Kosten der am Hauptsacheverfahren Beteiligten entschieden wird. Im Ordnungsgeldbeschwerdeverfahren des ausgebliebenen Zeugen fallen keine Kosten an, die unter die in der Hauptsache entstehenden Verfahrenskosten gefasst werden könnten.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
1.2 – LSG Thüringen, Urt. v. 08.02.2023 – L 7 AS 1428/19 (n.v.) – anhängig beim BSG – B 7 AS 7/23 R
Ist im Rahmen der Ermittlung des Einkommens aus Vermietung neben der Kaltmiete auch die vom Mieter geleistete Betriebskostenvorauszahlung als Einnahme zu berücksichtigen?
Können Tilgungsleistungen zur Finanzierung vermieteten Wohneigentums als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben gemäß § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 SGB II vom Einkommen aus Vermietung abgesetzt werden?
Orientierungshilfe Redakteur v. Tacheles e. V.
1. Zu berücksichtigen ist bei den Einnahmen nur die Kaltmiete. Bei den Betriebskostenvorauszahlungen handelt es sich lediglich um durchlaufende Posten (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 11. Juli 2011 – L 2 AS 217/11 B ER).
2. Tilgungsraten, die auf nicht selbstgenutzten Wohnraum entfallen, sind notwendige Ausgaben iS von § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 2, die vom Einkommen aus Vermietung in Abzug zu bringen sind ((so auch zur Tilgung eines Darlehens zum Erwerb einer Photovoltaikanlage LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2018 – L 1 AS 3710/16; a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. April 2021 – L 7 AS 275/21 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. Juli 2011 – L 2 AS 217/11 B ER).
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung nach dem (SGB II)
2.1 – SG Hamburg, Urt. v. 30.06.2023 – S 39 AS 517/23
Barrierefreie Zugänglichmachung von Bescheiden für Blinde und Sehbehinderte Bürgergeld-Empfänger (Tacheles e. V.)
Leitsatz Redakteur v. Tacheles e. V.
1. Sehbehinderter Hilfebedürftiger Leistungsbezieher hat Anspruch auf Übersendung aller Bescheide und Unterlagen als PDF-Dokument durch unverschlüsselte E-Mail.
2. Die barrierefreie Kommunikation innerhalb des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten steht mit der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II in einem engen Zusammenhang (vgl. i.E. auch: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Oktober 2012, L 18 AS 2413/12 B ER).
Rechtstipp:
Ebenso Sächsisches LSG, Urteil vom 16. März 2016, L 8 SO 10/14, das auch ohne eine einfachgesetzliche (Landes-)Regelung einen Anspruch direkt aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) bejaht
Hinweis: Jobcenter benachteiligt blinden Bürgergeld Bedürftigen
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)
3.1 – LSG Bayern, Urt. v. 09.08.2023 – L 10 AL 130/21
Kein Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer eines Unternehmens ohne inländischen Sitz des Betriebes oder einer Betriebsabteilung
Leitsätze
1. Zu den betrieblichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kug gehört auch der inländische Sitz eines Betriebes oder einer Betriebsabteilung des Unternehmens, in dem die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dies folgt aus § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB III, der einen solchen Sitz voraussetzt, sowie aus dem Territorialitätsgrundsatz (§ 30 Abs. 1 SGB I).
2. Die so verstandene Regelung des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB III verstößt weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
Rechtstipp:
Ebenso Urteile vom gleichem Tage L 10 AL 56/21 u. L 10 AL 167/21, veröffentlicht auf www.sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 – LSG NSB, Beschluss v. 13.12.2022 – L 8 SO 42/22 B ER
Leitsätze
1. Der vorherige Abschluss einer Zielvereinbarung mit dem gesetzlichen Mindestinhalt ist allenfalls formale Voraussetzung für den anschließenden Erlass eines Verwaltungsakts über ein persönliches Budget (Anschluss an BSG v. 28.01.2019 – B 8 SO 9/19 R – juris Rn. 27).
2. Bei der Prüfung, ob das persönliche Budget die Kosten der ohne das persönliche Budget zu erbringenden Leistungen überschreitet (sog. Grundsatz der Budgetneutralität nach § 29 Abs 2 Satz 7 SGB IX), ist auf diejenigen Kosten abzustellen, die anfallen würden, wenn der tatsächliche Bedarf durch den Sozialhilfeträger im Wege der Sachleistungsverschaffung gedeckt wird (Festhalten an LSG Niedersachsen-Bremen v. 20.08.2015 – L 8 SO 327/13 – juris Rn. 22 f.).
3. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Betreuung und Pflege in einer stationären Einrichtung bzw. besonderen Wohnform ist es entscheidend, ob die damit für die betroffene Person einhergehenden Einschränkungen und Belastungen nach allgemeiner Anschauung vertretbar und für sie tragbar sind. Dem Betroffenen muss in einer Einrichtung bzw. besonderen Wohnform die Führung eines Lebens möglich sein, das der Würde des Menschen (Art 1 GG; Art 1 Satz 1 BRK) entspricht (grundlegend Senatsurteil vom 28.01.2010 – L 8 SO 233/07 – juris Rn. 29 m.w.N. sowie Senatsurteil vom 26.5.2016 – L 8 SO 166/12 – juris Rn. 36; Senatsbeschluss vom 29.04.2016 – L 8 SO 77/16 B ER -).
4. Die Auslegung des Begriffs der besonderen Wohnform iSd § 104 Abs 3 S 3 SGB IX orientiert sich an der Definition der Wohnform nach § 42a Abs 2 S 1 Nr 2 und S 3 SGB XII, hat aber wegen der besonderen Bedeutung der Norm im Rahmen der Angemessenheitsprüfung iSd § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX nach deren Sinn und Zweck, eine möglichst selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum zu ermöglichen, eigenständig zu erfolgen.
5. Art. 19 lit. a UN-Behindertenrechtskonvention (juris: UNBehRÜbk) begründet keinen subjektiven Anspruch des behinderten Menschen auf Gewährung von Sozialleistungen.
5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG
5.1 – Neuer Newsletter von RA Volker Gerloff – 12- 2023
weiter: www.ra-gerloff.de
6. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
6.1 – Bürgergeld-Gesetz: Karenzzeit im SGB XII – Aufwendungen für Unterkunft | Teil 2
Peter Scheider, Richter am Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen a.D., Mitherausgeber des „Schellhorn“ (SGB XII-Kommentar)
Mit der Neufassung des § 35 SGB XII durch Art. 5 Nr. 6 des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) vom 16.12.2022 (BGBl. I, S. 2328) wurde u.a. (ebenso wie in § 22 SGB II) eine Karenzzeit von einem Jahr eingeführt. Danach werden die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft von Leistungsberechtigten nach dem 3. sowie 4. Kap., auch wenn die Aufwendungen nach den Bestimmungen des § 35 SGB XII unangemessen hoch sind, für das erste Jahr des Leistungsbezugs in voller Höhe als Bedarf anerkannt. Im Einzelnen finden sich die neuen Regelungen in § 35 Abs. 1 Sätze 2 bis 6 sowie Abs. 2 SGB XII, eine Übergangsregelung enthält § 140. Außerdem hat die neue Regelung Auswirkungen auf den neuen § 35a SGB XII und den geänderten § 42a SGB XII.
Anmerkung der Redaktion:
Dies ist Teil 2 des Beitrags von Herrn Scheider. Teil 1 finden Sie hier: www.wolterskluwer.com
Einzelheiten zu den Verfahrensregelungen und zur Informationspflicht (§ 35 Abs. 2 SGB XII)
weiter: www.wolterskluwer.com
Hinweis dazu:
Literaturempfehlung: Harald Thomé (Tacheles): Wuppertaler gibt Leitfaden zum neuen Bürgergeld und zur Sozialhilfe heraus
weiter: www.tacheles-sozialhilfe.de
6.2 – Kosten für das Mittagessen in Werkstätten für Behinderte sind nicht Teil der Eingliederungshilfe
Das Mittagessen in Einrichtungen ist kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen. Soweit die Kosten des Mittagessens die Höhe des Mehrbedarfs nicht übersteigen, sind sie von der Pauschale gedeckt. Nur so weit die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung hierdurch nicht gedeckt werden, sind sie der Eingliederungshilfe zugeordnet. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über ein Urteil des Landessozialgerichts Stuttgart vom 17. März 2022 (AZ: L 7 SO 4143/20).
weiter: www.lifepr.de
Hinweis:
Veröffentlicht im Tacheles Rechtsprechungsticker KW 16/2022
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker