In dem Rechtsstreit
1. xxx,
Klägerin,
2. xxx,
Kläger,
Prozessbevollm.: zu 1-2:
Rechtsanwalt Sven Adam
Lange-Geismar-Straße 55, 37073 Göttingen,
gegen
Jobcenter Stadt Kassel,
vertreten durch die Geschäftsführerin Jutta Kahler,
Lewinskistraße 4, 34127 Kassel,
Beklagter,
hat die 4. Kammer des Sozialgerichts Kassel ohne mündliche Verhandlung am 24. Mai 2024 durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht xxx, für Recht erkannt:
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 29.10.2020 verurteilt, den Klägern Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.9. bis 31.10.2020 – unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen – in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten zu gewähren.
Der Beklagte erstattet den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
TATBESTAND
Die Beteiligten streiten in drei Klageverfahren über die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für den Zeitraum vom 1.5.2020 bis 31.10.2021. Im hier anhängigen Klageverfahren ist der Zeitraum vom 1.9. bis 31.10.2020 betroffen. In zwei weiteren Klageverfahren ist die Zeit vom 1.5. bis 31.8.2020 im Wege eines Überprüfungsverfahrens (S 4 AS 242/21) in Streit sowie die Zeit vom 1.11.2020 bis 31.10.2021 (S 4 AS 243/21).
Die 1975 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrem volljährigen Sohn (Kläger zu 2.) Sie wohnen in der xxx in 34127 Kassel. Ausweislich der Mietbescheinigung vom 18.10.2016 leben die Kläger seit 1.3.2008 in dieser Wohnung. Die Wohnungsgröße beträgt 80,34 m2. Die Wohnungsmiete betrug seit dem Einzug netto kalt 349,47 €. Die Betriebskostenvorauszahlungen beliefen sich jedenfalls im Oktober 2016 auf 139 € monatlich. Die Heizkostenvorauszahlung (für die Beheizung der Wohnung mit einer Gaszentralheizung) betrug 155 € monatlich. Insgesamt ergab sich eine Bruttowarmmiete von 643,47 € monatlich.
Die Kläger stehen seit Jahren bei dem Beklagten im Bezug von SGB II-Leistungen. Die vom Beklagten übersandte Leistungsakte beginnt jedenfalls mit einem Weiterbewilligungsantrag vom 20.10.2016. Zu diesem Zeitpunkt wohnte neben den beiden Klägern ein weiterer Sohn der Klägerin (Amir) mit in dieser Wohnung. Für die Zeit ab 1.11.2016 war Amir in die Bedarfsgemeinschaft mit einbezogen.
Mit Bescheid vom 19.10.2017 gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 1.11.2017 bis 31.10.2018 SGB II-Leistungen. Hierbei wurden als Kosten der Unterkunft neben der kalten Grundmiete i.H.v. 349,47 €, Nebenkosten i.H.v. 176,97 € sowie Heizkosten i.H.v. 95,01 € (= Gesamtmiete i.H.v. 621,45 €) berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 28.9.2018 erhöhte die Vermieterin die Grundmiete ab 1.11.2018 auf 419,36 € netto kalt, bei den Betriebs- und Heizkosten traten keine Änderungen ein.
Nach Berechnungen des Beklagten ergab sich nach Auswertung der letzten Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2017 eine Betriebskostenvorauszahlung von 205,04 € monatlich.
Mit Schreiben vom 30.10.2018 hörte der Beklagte die Kläger zur Angemessenheit Höhe der Unterkunfts- und Heizkosten an. Er wies hierbei darauf hin, dass für drei Personen nur eine Wohnfläche von max. 75 m2 und eine Grundmiete inklusive kalter Betriebskosten von max. 534 € pro Monat angemessen sei. Die Höchstgrenzen für Heizkosten richteten sich nach der genutzten Heizenergie, nach der Wohnungsgröße und der Gesamtwohnfläche des Hauses; hierbei verwies der Beklagte auf eine beigefügte Tabelle (Bl. 92 der Akten). Höhere Unterkunftskosten könnten gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II als Bedarf für längstens sechs Monate berücksichtigt werden, solange es den Klägern nicht möglich oder nicht zumutbar sei, die Aufwendungen durch einen Wohnungswechsel, durch Untervermietung oder auf andere Weise bis zur Höhe der Angemessenheitsgrenze zu senken. Der Aufforderung des Beklagten binnen 14 Tagen mitzuteilen, ob die Kläger grundsätzlich zur Senkung der Unterkunftskosten bereit seien, kamen diese nicht nach.
Mit Bescheid vom 30.10.2018 in der Fassung des Bescheides vom 24.11.2018 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1.11.2018 bis 31.10.2019 vorläufig SGB II-Leistungen. Dabei berücksichtigte er die tatsächlich anfallende monatliche Grundmiete (419,37 €), die Betriebskosten (205,05 €) sowie die auf den angemessenen Wert von 90 € begrenzten Heizkosten.
Mit Änderungsbescheid vom 1.4.2019 gewährte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2019 nur noch abgesenkte KdUH (Grundmiete von 534 € zzgl. 90 € Heizkosten monatlich).
Am 20.8.2019 zog der Sohn Amir aus der Wohnung der Kläger aus.
Mit Schreiben vom 24.9.2019 hörte der Beklagte die Kläger zur Höhe der KdUH an. Er wies darauf hin, dass für zwei Personen nur eine Wohnfläche von max. 60 m2 und eine Grundmiete inklusive Betriebskosten (kalt) von max. 470 € pro Monat angemessen sei. Die Höchstgrenze für Heizkosten richte sich nach der genutzten Heizenergie, nach der Wohnungsgröße und der Gesamtwohnfläche des Hauses; hierbei verwies der Beklagte auf eine beigefügte Tabelle (Bl. 117 der Akten). Höhere Unterkunftskosten könnten gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II als Bedarf für längstens sechs Monate berücksichtigt werden, solange es den Klägern nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, die Aufwendungen durch einen Wohnungswechsel, durch Untervermietung oder auf andere Weise bis zur Höhe der Angemessenheitsgrenze zu senken. Der Bitte des Beklagten, binnen 14 Tagen mitzuteilen, ob die Kläger grundsätzlich zur Senkung der Unterkunftskosten bereit seien, kamen die Kläger nicht nach.
Mit bestandskräftigem Bewilligungsbescheid vom 24.9.2019 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5.11.2019) gewährte der Beklagte den Klägern SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2019 bis 30.4.2020. Hierbei ging er weiterhin von einer Grundmiete von 534 € (als Bruttokalt-Miete) zzgl. 90 € Heizkosten aus.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger hin gewährte der Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 17.4.2020 für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2020 sodann nur noch die monatlich angemessenen KdU i.H.v. 491,50 € zzgl. 62,26 € Heizkosten. Während dieses Bewilligungszeitraums erfolgte mit Bescheid vom 11.8.2020 für die Zeit vom 1.9. bis 31.10.2020 eine vorläufige Leistungsbewilligung wegen Anrechnung von Einkommen des Klägers zu 2.; gleichzeitig wurde mit Bescheid vom 11.8.2020 die Aufhebung des Bescheides vom 17.4.2020 für die Zeit ab 1.9.2020 verfügt.
Unter dem 24.8.2020 stellte der Beklagte die Zahlung von Leistungen vorläufig ein, weil die Klägerin zu 1. eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe.
Mit dem im vorliegenden Rechtsstreit angefochtenen Bewilligungsbescheid vom 31.8.2020 gewährte der Beklagte den Klägern vorläufig SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.9. bis 31.10.2020. Dabei wurden die KdUH weiterhin nur in angemessener, also reduzierter Höhe gewährt (491,50 € + HK von 62,26 €). Mit Änderungsbescheid vom selben Tag erging ein in Bezug auf die Leistungshöhe identischer Bescheid, allerdings enthielt er eine Begründung; zudem wurde die „vorläufige Zahlungseinstellung“ vom 24.8.2020 wieder aufgehoben.
Gegen die reduzierte Höhe der KdUH legten die Kläger Widerspruch ein und führten aus, dass zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % anzuwenden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.9.2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Die KdUH seien rechtmäßig auf die Angemessenheitsgrenzen reduziert worden. Den Klägern sei zudem eine Übergangsfrist von sechs Monaten gewährt worden.
Unter dem 22.9.2020 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 17.4.2020 (Zeitraum vom 1.5. bis 31.8.2020, endgültige Leistungen) nach § 44 SGB X.
Ebenfalls unter dem 22.9.2020 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 24.9.2019 (Zeitraum vom 1.11.2019 bis 30.4.2020).
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 28.9.2020 haben die Kläger am 11.10.2020 die hier anhängige Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass das für die Bemessung der KdU zu Grunde gelegte Konzept der Firma Rödl & Partner unschlüssig sei, weil 40 % der Daten aus den sogenannten Sozialdaten entnommen worden seien. Des Weiteren seien die von den Gutachtern berücksichtigten 14.245 Daten der Vermieter für den Vergleichsraum rechtswidrig nicht aufgeschlüsselt worden (Hinweis auf LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 2.4.2019 – L 6 AS 467/17).
In der Folgezeit sind vier weitere Bescheide des Beklagten ergangen:
Mit Bescheid vom 29.10.2020 hat der Beklagte die Gewährung von Leistungen für die hier streitige Zeit vom 1. 9. bis 31.10.2020 abschließend festgesetzt; Änderungen im Bereich der KdUH wurden nicht vorgenommen.
Mit einem weiterem Bescheid – ebenfalls vom 29.10.2020 – lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab und führte aus, dass der Bescheid vom 17.4.2020 (Zeitraum 1.5. bis 31.8.2020) unverändert bleibe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1.6.2021 zurück. Hiergegen haben die Kläger am 9.6.2021 Klage erhoben (S 4 AS 242/21).
Auf Antrag der Kläger bewilligte der Beklagte ihnen mit einem dritten Bescheid vom 29.10.2020 SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2020 bis 31.10.2021. Für KdUH wurden weiterhin die reduzierten Werte (=Grundmiete 491,50 €, Heizkosten: 62,26 €) angesetzt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1.6.2021 zurück. Dagegen haben die Kläger am 9.6.2021 Klage erhoben (S 4 AS 243/21).
Mit einem vierten Bescheid vom 29.10.2020 setzte der Beklagte die Leistungen der Kläger für die Zeit vom 1.11.2018 bis 31.10.2019 nunmehr abschließend fest:
Für Dezember 2018 bis einschließlich April 2019 entsprach die Festsetzung der vorläufigen Bewilligung. Für die Zeit ab Mai 2019 wurden Unterkunftskosten i.H.v. 534 € und Heizkosten i.H.v. 90 € gewährt. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte zunächst nicht beschied. Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage am 3.9.2021 (S 4 AS 346/21) erging unter dem 17.2.2022 ein Änderungsbescheid. Damit wurden den Klägern höhere Leistungen gewährt; zur Begründung wurde ausgeführt, dass nunmehr die KdUH in der tatsächlich angefallenen Höhe berücksichtigt worden seien. Es wurde als KdUH Folgendes festgesetzt: Grundmiete: 419,37 €, Heizkosten: 103,68 €, Nebenkosten: 153,66 €. Daraufhin ist diese Klage zurückgenommen worden.
Am 9.4.2021 haben die Kläger eine Untätigkeitsklage erhoben (S 4 AS 156/21) und die Bescheidung ihres Überprüfungsantrages vom 22.9.2020 (Zeitraum vom 1.11.2019 bis 30.4.2020) begehrt. Mit Bescheid vom 17.2.2022 sind ihnen daraufhin höhere SGB II-Leistungen gewährt worden und hierbei für die Zeit vom 1.11.2019 bis 30.4.2020 die KdUH in tatsächlich angefallener Höhe gewährt worden (Grundmiete: 419,37 €, Heizkosten: 123,80 €, Nebenkosten: 144,54 €). Daraufhin haben die Kläger diese Klage zurückgenommen.
Auf die gerichtliche Nachfrage im hiesigen Verfahren hin, wie sich die im Konzept der Firma Rödl & Partner ermittelten Daten der Vermieter zusammensetzten, hat der Beklagte mitgeteilt, dass nach Angaben der Firma zehn wohnungswirtschaftlich tätige Unternehmen in der Stadt Kassel im Rahmen der Primärdatenerhebung angeschrieben worden seien. Der Rücklauf der Befragung habe sich auf drei wohnungswirtschaftlich tätige Unternehmen beschränkt, welche den Anteil von 100 % der Vermieterdaten ausmachten. Der Rücklauf beinhalte folgende Anzahl von Datensätzen: Erbbau-Genossenschaft Kassel eG: 227, GWG: 8365, GWH: 5653.
Hinsichtlich der Heizkosten/Betriebskosten hat der Beklagte mit Bescheid vom 2.3.2022 die von den Klägern beantragte Übernahme der Nachzahlung für das Jahr 2020 i.H.v. 69,80 € übernommen.
Ein Termin zur mündlichen Verhandlung aller drei noch anhängigen Verfahren vor der 4. Kammer des SG Kassel am 20.7.2023 – auch in den Verfahren S 4 AS 242/21 und S 4 AS 243/21 – konnte wegen Nichterscheinens eines ehrenamtlichen Richters nur als Erörterungstermin stattfinden. Im Termin ist sodann (nur) das einschlägige KdU-Konzept mit den Beteiligten erörtert worden.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 31.8.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.9.2020, beide in der Fassung des Bescheides vom 29.10.2020, zu verurteilen, den Klägern Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.9. bis 31.10.2020 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er sieht die Höhe gewährten KdUH als rechtmäßig an. Das dem KdU-Gutachten der Firma Rödl & Partner zugrundeliegende Konzept sei schlüssig.
Das Gericht hat die Beteiligten dann darauf hingewiesen, dass sich die unter dem 17.2.2022 erteilten Bescheide (= betreffend die Zeiträume des SGB II-Leistungsbezugs der Kläger für die Zeit vor dem 01.5.2020) auf die hier streitbefangenen Anschlusszeiträume auswirken könnten.
Unter dem 20.3.2024 hat das Gericht die Beteiligten zur Entscheidung der noch anhängigen Rechtsstreitigkeiten durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG angehört.
Die beiden Rechtsstreite S 4 AS 242/21 und S 4 AS 243/21 sind ebenfalls mit Gerichtsbescheid vom heutigen Tag entschieden worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte – auch der Verfahren S 4 AS 242/21, S 4 AS 243/2, S 4 AS 156/21 und S 4 AS 346/21 – sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, eine aktualisierte aus dem weiteren Verfahren der Kläger S 4 AS 278/22, Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind, und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt darüber hinaus so, wie er für die Entscheidung allein rechtlich relevant ist, geklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt insofern als Urteil (§ 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 SGG zulässig. Klagegegenstand sind allein Leistungen für KdUH. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf den Bereich KdUH ist zulässig (st. Rspr des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 13.4.2011 – B 14 AS 106/10 R – Rn 11 m.w.N., juris); eine weitere Aufsplittung der Unterkunftskosten z.B. Einschränkung auf den Bereich der Heizkosten ist hingegen unzulässig (BSG, Urteil vom 2.7.2009 – B 14 AS 36/08 R – Rn 13, juris).
Streitgegenstand kann hier letztendlich nur der Bescheid vom 29.10.2020 sein, da dieser Bescheid abschließend die Gewährung von SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.9. bis 31.10.2020 regelt. Mit Erteilung dieses Bescheides vom 29.10.2020, der die Leistung in Bezug auf diesen Zeitraum abschließend festgesetzt hat, haben sich zugleich die Bescheide betreffend die vorläufige Leistungsgewährung gemäß § 39 Abs. 2 SGB X „auf andere Weise“ erledigt. Der im Klageantrag erwähnte Bescheid vom 31.8.2020 und der darauf bezogene Widerspruchsbescheid vom 28.09.2020 sind daher – weil bereits anderweit erledigt – nicht mehr Verfahrensgegenstand. Eine darauf bezogene Tenorierung erübrigte sich damit.
Die Klage ist begründet. Der nunmehr nur noch den Streitgegenstand bildende und mithin allein auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfende Bescheid vom 29.10.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Die Kläger haben Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für den hier angefochtenen Zeitraum 1.9. bis 31.10.2020. Ein höherer Leistungsanspruch ergibt sich für die Leistungen der KdUH. Dies entspricht dem Begehren der Kläger, denn sie haben konkret nur die Höhe der KdUH gerügt und hierbei insbesondere das vom Beklagten angewandte KdU-Konzept beanstandet. Für den Bereich der KdUH sind hierbei maximal die den Klägern tatsächlich entstehenden Kosten als Obergrenze anzusehen.
Die Höhe der Leistungen für KdUH ergibt sich grundsätzlich aus § 22 SGB II. Nach dessen Abs. 1 werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Dies bedeutet, dass der Beklagte grundsätzlich zu prüfen hat, ob die jeweiligen von den Betroffenen geltend gemachten Beträge für Unterkunft und Heizung „angemessen“ sind.
Allerdings sind für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.3.2022 beginnen, aufgrund der im damaligen Zeitraum herrschenden COVID-Pandemie, Sonderregeln im SGB II geschaffen worden, die auch im vorliegenden Fall als einschlägig zu beachten sind. Nach § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II ist der zitierte § 22 Abs. 1 SGB II im vorbenannten Zeitraum mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung „für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gelten“. Dies bedeutet, dass in solchen Fällen eine Angemessenheitsprüfung der KdUH nicht vorgenommen wird. Diese Sondervorschrift gilt für alle im vorgenannten Zeitraum beginnenden Bewilligungszeiträume, also sowohl für „neue“ Bewilligungen an Berechtigte, die bisher noch nicht im SGB II-Leistungsbezug standen, als auch für Personen – wie die Kläger -, die bereits länger im Leistungsbezug stehen und entsprechende Weiterbewilligungsanträge gestellt haben (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2023 – B 4 AS 4/23 R – Rn 24, juris; Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 21.2.2022 – L 6 AS 585/21 B ER – Rn 62, juris, Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. § 67, 1. Überarbeitung, Stand 30.5.2022, Rn 28). Im Fall der Kläger gilt dies für alle Weiterbewilligungsanträge mit Leistungsbeginn ab dem 1.3.2020 und vor dem 1.4.2022.
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Gewährung der tatsächlichen KdUH vorliegend § 67 Abs. 3 S. 3 SGB II nicht entgegen.
Nach § 67 Abs. 3 S. 3 SGB II gilt Satz 1 der Vorschrift nicht, wenn im vorangegangenen Bewilligungszeitraum die angemessenen und nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkannt wurden. Diese Ausnahmeregelung ist vorliegend jedoch nicht erfüllt. Denn in dem zeitlich vorangegangenen Zeitraum vor September 2020 gewährte der Beklagte den Klägern die tatsächlichen Aufwendungen für KdUH und nicht lediglich betragsmäßig geringere, vermeintlich angemessene Kosten.
Zwar gewährte der Beklagte den Klägern ursprünglich für die Zeit vom 1.5 bis 31.10.2020 mit Bescheid vom 17.4.2020 nur die monatlich angemessenen KdU in Höhe von 491,50 € zzgl. Heizkosten i.H.v. 62,26 €. Dieser Bescheid wurde für die Zeit vom 1.5. bis 31.8.2020 auch bestandskräftig, hinsichtlich der Monate September und Oktober 2020 hob der Beklagte diesen Bescheid allerdings mit Bescheid vom 11.8.2020 für diese beiden Monate auf, und es erging der hier in diesem Klageverfahren angefochtene Bewilligungsbescheid vom 31.8.2020.
c) Hinsichtlich des bestandskräftigen Bescheides vom 17.4.2020 (betreffend den Zeitraum 1.5. bis 31.8.2020) leiteten die Kläger ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ein, welches mit Bescheid vom 29.10.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.6.2021 endete und eine Änderung des überprüften Bescheides ablehnte. Hierzu war das Klageverfahren S 4 AS 242/21 anhängig, welches mit Gerichtsbescheid vom heutigen Tag zugunsten der Kläger entschieden worden ist. Der Beklagte ist darin verurteilt worden, den Klägern für die Zeit vom 1.5. bis 31.8.2020 die KdUH in Höhe der in diesem Zeitraum tatsächlich angefallenen Kosten zu gewähren. Hinsichtlich der weiteren Begründung hierfür wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Gerichtsbescheid Bezug genommen.
Dies bedeutet für den hier streitbefangenen Zeitraum September und Oktober 2020, dass der Beklagte für den unmittelbar davorliegenden Zeitraum keine abgesenkten, „angemessenen“ KdUH gewähren durfte und es auch nicht so anzusehen ist, als hätte er abgesenkte Leistungen gewährt; die Ausnahmeregelung des § 67 Abs. 3 Satz 3 SGB II ist damit nicht einschlägig. Hierbei ist es insbesondere unerheblich, dass die Korrektur der Leistungshöhe erst nachträglich im Wege des § 44 SGB X und damit nicht von Anfang an rechtmäßig erfolgte; denn der korrigierte Bescheid entfaltet seine Rechtswirkungen dann in den Grenzen des § 44 Abs. 4 (hier modifiziert durch § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) auch mit Rückwirkung in die Vergangenheit.
Vielmehr hat der Beklagte unter Orientierung an dem Urteil im Verfahren S 4 AS 242/21, in dem er verurteilt worden ist, den Klägern die tatsächlich angefallenen KdUH für die Zeit vom 1.5. bis 31.8.2020 zu gewähren, diese auch im hier streitigen Zeitraum vom 1.9. bis 31.10.2020 zu erbringen.
Mithin besteht für die Kläger unter Anwendung von § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB II auch für die Monate September und Oktober 2020 Anspruch auf die tatsächlich angefallenen, ungekürzten KdUH.
Auf den Einwand des Beklagten, den Klägern sei unter Beachtung der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2020 Leistungen in Höhe der tatsächlich angefallenen Heizkosten doch bereits gezahlt worden, kommt es vorliegend nicht an. Denn im Rahmen der Prüfung der KdUH kann nicht in zulässiger Weise auf ein einzelnes Element der KdUH abgestellt und dieses isoliert beurteilt werden, sondern die KdUH sind immer insgesamt zu betrachten. Im Bereich der übrigen Betriebskosten sind jedenfalls deutlich höhere Beträge angefallen, als der Beklagte den Klägern gewährt hat.
Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG
Die Berufung ist nicht zulässig, da der erforderliche Beschwerdewert von 750 € nicht überschritten wird (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGG). Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.