Tacheles Rechtsprechungsticker KW 30/2024

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung (SGB 2)

1.1 – BSG, Urt. v. 17.07.2024 – B 7 AS 10/23 R –

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Hilfebedürftigkeit – Geldgeschenk – Einkommen – Zuwendung – selbstbewohntes Eigenheim – Dachsanierung

Zur Nichtanrechnung eines während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB 2 zugewendeten Geldbetrags aufgrund grober Unbilligkeit gemäß § 11a Abs 5 Nr 1 SGB 2, wenn die Zuwendung Aufwendungen für Unterkunft abdeckt, die vom Jobcenter ganz oder teilweise gemäß § 22 Abs 2 SGB 2 als Bedarf zu berücksichtigen sein können.

BSG: Jobcenter darf Geldgeschenk der Mutter für dringende Dachreparatur nicht anrechnen

Orientierungssatz Redakteur v. Tacheles e. V.
1. Zuwendung der Mutter für die Dachreparatur stellt für ihre hilfebedürftige Tochter kein anrechenbares Einkommen dar

2. Eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II liegt vor in einem Fall, in dem die Mutter einer SGB-II-Leistungsbezieherin ihrer Tochter, ohne hierzu rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein, einen Betrag in Höhe von 7000 € in bar für die Dachreparatur des im Eigentum der Tochter stehende Hauses zuwendet.

3. Der von der Mutter der Klägerin zur Verfügung gestellte Geldbetrag war Einkommen und nicht Vermögen im Sinne des SGB II, weil er im Leistungszeitraum/nach Antragstellung zugeflossen ist. Allerdings hat er nicht gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zum Wegfall des Anspruchs geführt.

4. Die Berücksichtigung des von der Mutter – ohne rechtliche oder sittliche Verpflichtung – zugewendeten Geldbetrags zum Begleichen der Dachdeckerrechnung als Einkommen wäre für die Klägerin grob unbillig im Sinne von § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II.

5. Weil das Geldgeschenk nicht zu einer Verbesserung der finanziellen Lage des Leistungsempfängers geführt hat und das Jobcenter sowieso die Reparaturkosten hätte übernehmen müssen, handelt es sich demnach nicht um zu berücksichtigendes Einkommen.

Quelle: www.bsg.bund.de

Rechtstipp:
Eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II liegt nicht vor in einem Fall, in dem die Mutter eines SGB-II-Leistungsbeziehers ihrem 61-jährigen Sohn, ohne hierzu rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein, einen Betrag in Höhe von 5000 € in bar für die Beschaffung eines Kfz zuwendet.

Denn die Zuwendung hat so maßgeblichen Einfluss auf dessen wirtschaftliche Lage, dass Leistungen nach dem SGB II daneben nicht gerechtfertigt wären (vgl. dazu LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – L 8 AS 9/13 B ER -) – hier lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde, Ein Kfz ist ein Gegenstand, der sich ohne weiteres auch wieder veräußern und damit wieder „zu Geld für den Lebensunterhalt machen“ lässt.

1.2 – BSG, Urt. v. 17.07.2024 – B 7 AS 3/23 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Drittstaatsangehöriger – Besuchsvisum – Leistungsausschluss

Zur Frage, ob und ggf unter welchen Umständen Drittstaatsangehörige, die einem weiteren Drittstaatsangehörigen, der über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis verfügt, in die Bundesrepublik Deutschland als dessen Ehefrau und Kinder nachziehen, dem dreimonatigen Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2 unterfallen.

BSG: Bundessozialgericht unterstützt Familiennachzug bei ausländischen Arbeitnehmern mit Bürgergeldbezug

Kinder und andere Personen aus anerkannten Gründen nicht erwerbsfähige Ausländer können auch in den ersten 3 Monaten Leistungen vom Jobcenter bekommen, wenn sie zu einem arbeitenden oder leistungsberechtigten Angehörigen nach dem SGB 2 ziehen.

Tunesische Mutter mit ihren 2 Kindern hat Anspruch auf Sozialgeld bei Familiennachzug

Das BSG begründet seine Entscheidung damit, dass die Mutter und ihre 2 Kinder anspruchsberechtigt auf ALG II – Sozialgeld waren.

Aufgrund ihres Alters waren sie zwar nicht erwerbsfähig, doch Sie bildeten mit dem Ehemann und Vater eine Bedarfsgemeinschaft, der ihnen “als deren Kopf“ Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 7 Absatz 2 SGB II vermittelte, so der 7. Senat des BSG.

Der Leistungsausschluss fand keine Anwendung § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB II

Danach erhalten Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts keine Leistungen nach dem SGB II.

Auf die Kläger war dies aber nach Aussage BSG nicht übertragbar

Denn die Antragsteller werden schon nicht vom Anwendungsbereich dieser Norm erfasst.

Nur ERWERBSFÄHIGE AUSLÄNDER sind von dieser Norm erfasst

Betroffen sind von der Vorschrift zuvörderst erwerbsfähige Ausländer und erst im Verhältnis zu diesen – gleichsam im Nachgang – deren Familienmitglieder.

Aber die Antragsteller waren nicht erwerbsfähig und hatten somit einen Anspruch auf Sozialgeld.

Sie waren auch nicht Familienangehörige einer ausgeschlossenen erwerbsfähigen Person

Auch waren sie nicht Familienangehörige einer ausgeschlossenen erwerbsfähigen Person. Denn der Ehemann und Vater erhält Leistungen nach dem SGB II; er ist ein leistungsberechtigter Ausländer.

Quelle: BSG-Terminbericht und Veröffentlichung bei der GGUA: Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V.: Anspruch auf SGB II in den ersten drei Monaten für Familienangehörige mit Schengenvisum (ggua.de)

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Bürgergeld (SGB II)

2.1 – LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 01.07.2024 – L 3 AS 848/24 –

Jobcenter sind nicht verpflichtet, bei bloßen Anschreiben an die Leistungsbezieher das Ausdruckdatum zu vermerken oder einen Poststempel oder Absendevermerk anzubringen

Orientierungssatz Verein Tacheles e. V.
1. Keine Verpflichtung des Jobcenters, auf den an den Leistungsbezieher gerichteten bloßen Anschreiben sowohl den Poststempel als auch das Ausdruckdatum zu vermerken.

2. Der Tag der Aufgabe zur Post ist nur in den Akten, nicht aber auf den bekanntgegebenen Bescheiden, zu vermerken.

3. Aus den vom Leistungsbezieher zitierten Entscheidungen des Bayerischen LSG, Urteil vom 11.05.2022 (L 2 U 140/13), des BSG, Urteil vom 06.05.2010 (B 14 AS 12/09 R) und des BFH, Beschluss vom 03.07.2009 (IX B 18/09) ergibt sich lediglich, dass für den Eintritt der Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X ein Vermerk über die Aufgabe zur Post in den Behördenakten erforderlich ist (ebenso BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R; BSG, Urteil vom 09.12.2008 – B 8/9b SO 13/07 R -,das Jobcenter aber nicht verpflicht ist, dies auf dem bekanntgegebenen Bescheid zu vermerken.

2.2 – LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 01.07.2024 – L 3 AS 1525/23 –

Orientierungssatz Redakteur
Bürgergeld: Jobcenter darf enge Männerfreundschaft nicht als Bedarfsgemeinschaft einstufen

1. Eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung des BSG liegt nicht vor bei eine Partnerschaft und sexuelle Beziehung mit einer anderen Person (vgl. LSG Hamburg L 4 AS 108/16).

2. Eine Partnerschaft zeichnet sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nämlich dadurch aus, dass sich ihre Mitglieder zueinander in dem Sinne bekennen, der jeweils andere sei die Partnerin bzw. der Partner oder “die Freundin oder der Freund”, man sei “zusammen” oder lebe in einer Beziehung oder dergleichen mehr (so auch LSG NSB L 13 AS 268/11).

3. Beziehungen zu jeweils dritten Partnern, mit denen die Freizeit verbracht wird – wie vorliegend die gemeinsamen Kurzurlaube und Übernachtungen – sprechen gegen die Annahme einer eine Bedarfsgemeinschaft voraussetzenden Partnerschaft.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld (SGB II)

3.1 – SG Nordhausen, Beschluss v. 04.06.2024 – S 19 AS 485/24 ER –

Sozialgerichtliches Verfahren – einstweiliger Rechtsschutz – Regelungsanordnung – Grundsicherung für Arbeitsuchende – Eingliederungsleistung – Teilhabe am Arbeitsmarkt – Anspruch auf Zuweisung an einen Arbeitgeber

Orientierungssatz www.landesrecht-thueringen.de
1. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist bei Erlass einer Regelungsanordnung dann eine Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erbringung einer streitigen Ermessensleistung geboten, wenn nur durch die Verpflichtung, erneut das Ermessen zu betätigen, wirksamer Rechtsschutz im Sinne des Art 19 Abs 4 GG nicht erreicht werden könnte und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei einer erneuten Ermessensbetätigung eine Entscheidung zugunsten des Anspruchstellers ergehen wird. (Rn.9)

2. Die für die Zahlung an den Arbeitgeber erforderliche Zuweisung im Sinne des § 16i Abs 3 SGB 2 stellt ein subjektives Recht der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person dar und kann von dieser im eigenen Namen gerichtlich geltend gemacht werden (Anschluss an LSG Essen vom 16.3.2020 – L 7 AS 162/20 B ER = Breith 2020, 693 = juris RdNr 13). (Rn.10).

3.2 – SG München, Urt. v. 05.10.2022 – S 2 AS 78/22 –

Bürgergeld: Kein Härtefallmehrbedarf vom Jobcenter für Räumungsklage

Anwalts- und Prozesskosten, die dem Kläger im Zusammenhang mit einer Räumungsklage entstehen, sind – unabweisbar – im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II, denn biete der Rechtsweg keine Aussicht auf Erfolg – keine Gewährung von Prozesskostenhilfe ist der Mehrbedarf unabweisbar (Verein Tacheles e. V.).

Rechtstipp:
Kosten einer Räumungsklage können ausnahmsweise zu übernehmen sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Räumungsklage für den Leistungsberechtigten nicht abwendbar ist, weil das Jobcenter ihm den Ausgleich des bestehenden Unterkunftsbedarfes durch die Versagung der Leistungen vorenthalten hat und es dadurch zur Räumungsklage kommt (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 30.01.2014 – L 7 AS 676/13).

Das Jobcenter trägt die Kosten einer Räumungsklage, wenn es dem Leistungsberechtigten zu Unrecht Leistungen versagt, dadurch Mietrückstände entstehen und der Vermieter in der Folge Räumungsklage erhebt.

Die dann anfallenden Gerichtskosten sind als (einmalig anfallende) Bedarfe der Unterkunft im SGB II zu berücksichtigen (LSG BW, Urt. v. 20.06.2017 – L 9 AS 1742/14 – nachgehend BSG, 22. November 2017 – B 14 AS 25/17 R, Beschluss: Verwerfung).

Lesetipp:
Kein Mehrbedarf vom Jobcenter für Räumungsklage

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – SG Freiburg, Urt. v. 24.06.2024 – S 9 SO 1756/22 –

Leitsatz www.landesrecht-bw.de
1. Die wirksame Bewilligung erweiterter Sozialhilfe gegen Aufwendungsersatz setzt voraus, dass die Leistung für den Adressaten unmissverständlich als erweiterte Hilfe bezeichnet, der Grund hierfür mitgeteilt, Aufwendungsersatz vorbehalten und dargelegt wird, unter welchen Voraussetzungen dieser geltend gemacht wird.

2. Die formelle Bestandskraft des Bescheids über erweiterte Hilfe bewirkt lediglich, dass im späteren Streit über den Aufwendungsersatz die materiellen Voraussetzungen der erweiterten Hilfe (insbesondere das Vorliegen eines „begründeten Falles“ und die Ermessensausübung) nicht mehr geprüft werden. Die Anforderungen an den Regelungsgehalt des Bewilligungsbescheides nach Ls. 1 als Voraussetzung des Aufwendungsersatzanspruchs bleiben hiervon unberührt (Abgrenzung zu Hessisches LSG, Urt.v. 19.01.2022 -L 4 SO 185/20; LSG Baden-Württemberg, Urt.v. 16.12.2015 -L 2 SO 5064/14-; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.01.2014 -L 20 SO 222/12-).

3. Stützt die Behörde einen Leistungsbescheid nach § 19 Abs. 5 Satz 1 SGB XII auf einen anderen Sachverhalt als die ursprüngliche Bewilligung erweiterter Hilfe, so ist der Leistungsbescheid rechtswidrig. Denn in diesem Fall ist der konkret geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch nicht mit dem durch Bewilligungsbescheid bereits dem Grunde nach entstandenen Aufwendungsersatzanspruch identisch.

4. Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs. 5 Satz 1 SGB XII ist zu ermitteln, indem der Hilfeanspruch für die einzelnen Bedarfszeiträume, für die erweiterte Hilfe bewilligt wurde – in der Regel Kalendermonate – ausgehend von den tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie der geltenden Rechtslage im jeweiligen Bedarfszeitraum berechnet wird. § 19 Abs. 5 Satz 1 SGB XII ermächtigt den Sozialhilfeträger nicht, sich Aufwendungsersatz für erweiterte Hilfe aufgrund späterer Einkommens- oder Vermögenzuflüsse vorzubehalten.

4.2 – LSG Bayern, Urt. v. 13.07.2023 – L 8 SO 155/22

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtssuchenden – als Teil der Bezeichnung des Klägers – genannt wird. Dazu gehört die Angabe des Wohnsitzes bzw. Aufenthalts- oder Beschäftigungsortes des Rechtssuchenden. Die Anschrift “postlagernd” genügt grundsätzlich nicht.

2. Die Angabe kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn besondere, dem Gericht mitgeteilte Gründe dies rechtfertigen.

4.3 – LSG BW, Urt. v. 20.06.2024 – L 7 SO 1130/24 –

Sozialhilfe: Kein Zuschuss für neue Oberbekleidung vom Sozialhilfeträger aufgrund von Gewichtszunahme

Orientierungssatz Redakteur
Kein Anspruch auf Zahlung einer Beihilfe für einmalige Bedarfe nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII für Bekleidungsbeihilfe als Erstausstattung.

Dies gilt zu mindestens dann, wenn sich die Gewichtszunahme über anderthalb Jahre erstreckt habe, dann stelle sie ein planbares bzw. vorhersehbares Ereignis dar, dessen Folge der Notwendigkeit zur Beschaffung von passender Kleidung absehbar und planbar gewesen sei.

Zwar könne ein solcher Bekleidungsbedarf für Erstausstattung bei großer Gewichtszu- oder -abnahme grundsätzlich bestehen, allerdings ergebe sich eine solche Gewichtszunahme aus den vorgelegten Unterlagen für keinen Zeitpunkt.

Bedarf an Bekleidung muss aktuell bestehen und kann nicht nachträglich mehr vom Leistungsträger erfüllt werden

Selbst dann, wenn aufgrund der Gewichtszunahme ein die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII erfüllender Bedarf an Bekleidung bestanden hätte, dieser nachträglich nicht mehr erfüllt werden kann und damit aktuell keinen entsprechenden Anspruch des Klägers (mehr) begründet.

Ein verschleißbedingter Bedarf ist ein fortlaufender Bedarf und rechtfertigt keine Bekleidungserstausstattung!

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: lesen sie dazu:
Grundsätzlich kann ein Bedarf an Bekleidungsbeihilfe gegeben sein bei erheblicher (25-30 kg, 2 Kleidergrößen) Gewichtszu– bzw. Gewichtsabnahme

www.gegen-hartz.de

5. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)

5.1 – SG Heilbronn, Beschluss v. 15.05.2023 – S 7 AL 928/23 ER –

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1) Widerspruch und Klage gegen die Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Rehabilitationsleistungen bzw. Erwerbsminderungsrente haben aufschiebende Wirkung

2) Wird Widerspruch gegen die Aufforderung eingelegt, kann der Arbeitslosengeldanspruch nicht nach § 145 Abs 2 Satz 3 SGB 3 zum Ruhen kommen.

6. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

6.1 – SG Berlin, Urt. v. 18.03.2024 – S 90 AY 126/21 –

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
Ein im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrags unterschriebenes „Anerkenntnis der Zahlung von Eigenanteilen“ zur Beteiligung an den Kosten der Unterbringung für geflüchtete Menschen mit Einkommen ist nichtig, wenn mangels entsprechender Gebührenordnung kein Verwaltungsakt gleichen Inhalts hätte erlassen werden können.

6.2 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Beschluss vom 21.06.2024 – Az.: L 8 AY 8/24 B

Normen: § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO – Schlagworte: Prozesskostenhilfe, AsylbLG, Therapie mit Metreleptin, Krankenversorgung im AsylbLG, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

Orientierungssatz Verein Tacheles e. V.
Medikamentöse Behandlung der chronischen Erkrankung (einer schwerwiegenden und lebenslimitierenden Stoffwechselerkrankung)nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG für 6- jährige Antragstellerin (zu dieser Thematik vgl. LSG NSB, v. 1.6.2023 – L 8 AY 19/22 -).

Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn ein Anordnungsanspruch auf medikamentöse Behandlung der chronischen Erkrankung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG hat mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestanden.

1. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Senats gebieten die Wertung aus § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AsylbLG, wonach sonstige Leistungen gewährt werden können, die zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten sind, und Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention, wonach bei allen Regelungen das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist, bei der Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG eine besondere Rechtfertigung, wenn eine nach den hiesigen Lebensverhältnissen medizinisch an sich erforderliche Behandlungsmaßnahme für Kinder bzw. minderjährige Grundleistungsberechtigte als nicht zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich abgelehnt wird (Senatsurteil vom 1.6.2023 – L 8 AY 19/22 – juris Rn. 27 und Senatsbeschluss vom 20.6.2023 – L 8 AY 16/23 B ER – juris Rn. 20).

2. Auf Grundlage dieser Rechtsprechung hat ein Anordnungsanspruch auf medikamentöse Behandlung der chronischen Erkrankung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestanden.

Quelle: RA Sven Adam

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Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker